Landtag von Baden-Württemberg 15. Wahlperiode Drucksache 15 / 7577 14. 10. 2015 1Eingegangen: 14. 10. 2015 / Ausgegeben: 17. 11. 2015 K l e i n e A n f r a g e Ich frage die Landesregierung: 1. Welche Länder neben Baden-Württemberg haben nach ihrer Kenntnis das Vorverfahren zur Feststellung von Wildschäden nach § 35 Bundesjagdgesetz abgeschafft bzw. welche Länder haben es bisher beibehalten? 2. Wie viele Wildschadensfälle wurden in Baden-Württemberg im Zeitraum 1. April bis 30. September 2015 angemeldet (mit Angabe, wie viele im entsprechenden Vorjahreszeitraum angemeldet wurden)? 3. Welche ungefähren Kosten hat ein Geschädigter üblicherweise zu erwarten, wenn er einen Wildschadensschätzer als Parteigutachter zur Ermittlung von Schadenshöhe und -umfang heranzieht? 4. Wie hoch schätzt sie die Kosten ein, die anfallen, wenn ein Gericht bei einem sich eventuell anschließenden Gerichtsverfahren aufgrund der Ablehnung des Parteigutachters einen weiteren Sachverständigen beauftragen muss? 5. Für wie realistisch hält sie es, dass der von einem Gericht mutmaßlich mit einiger Zeit Abstand bestellte Sachverständige den ursprünglich vom ersten Wildschadensschätzer festgestellten Schaden noch vorfindet (nach zwischenzeitlichen Witterungseinflüssen oder der Ernte)? 6. Wie hoch sind ungefähr die anfallenden Kosten, wenn der Geschädigte aufgrund der unter Ziffer 4 dargestellten Problematik ein gerichtliches Beweis - sicherungsverfahren einleitet? Kleine Anfrage des Abg. Dr. Friedrich Bullinger FDP/DVP und Antwort des Ministeriums für Ländlichen Raum und Verbraucherschutz Geltendmachung von Wildschäden nach dem neuen Landesjagdrecht Drucksachen und Plenarprotokolle sind im Internet abrufbar unter: www.landtag-bw.de/Dokumente Der Landtag druckt auf Recyclingpapier, ausgezeichnet mit dem Umweltzeichen „Der Blaue Engel“. Landtag von Baden-Württemberg Drucksache 15 / 7577 2 7. Aus welchen Gründen rät die oberste Jagdbehörde den Jagdbehörden davon ab, eine rechtliche Beratung von Vertragsparteien hinsichtlich vertraglicher Vereinbarungen zu Wildschäden zu übernehmen (siehe dazu: Ausführungen des Erlasses der obersten Jagdbehörde vom 1. Juni 2015 zu § 54 Absatz 3 des Jagd- und Wildtiermanagementgesetzes)? 8. Wie sind die Lehrgänge und Prüfungen der Wildforschungsstelle Aulendorf beziehungsweise der Landesjagdschule im Sinne von § 12 Absatz 1 Nummer 2 der Durchführungsverordnung zum Jagd- und Wildtiermanagementgesetz aufgebaut (Inhalte, Unterrichtsumfang in Stunden, Dauer der Lehrgänge)? 9. Inwieweit geht sie vor dem Hintergrund der Zahl der bisherigen Anmeldungen zu einem entsprechenden Lehrgang davon aus, dass künftig eine flächendeckende Versorgung mit anerkannten Wildschadensschätzerinnen und Wildschadensschätzern sichergestellt werden kann (Beantwortung unter Angabe der bisherigen Anmeldungszahlen)? 10. Inwiefern bewertet sie die Abschaffung des kommunalen Vorverfahrens mit Blick auf die Ausführungen des Erlasses der obersten Jagdbehörde vom 1. Juni 2015 zu § 57 Absatz 4 des Jagd- und Wildtiermanagementgesetzes noch immer als sinnvollen Beitrag zu Bürokratieabbau und Rechtssicherheit? 15. 10. 2015 Dr. Bullinger FDP/DVP A n t w o r t Mit Schreiben vom 9. November 2015 Nr. Z(55)-0141.5587 F beantwortet das Ministerium für Ländlichen Raum und Verbraucherschutz im Einvernehmen mit dem Justizministerium die Kleine Anfrage wie folgt: Ich frage die Landesregierung: 1. Welche Länder neben Baden-Württemberg haben nach ihrer Kenntnis das Vorverfahren zur Feststellung von Wildschäden nach § 35 Bundesjagdgesetz abgeschafft bzw. welche Länder haben es bisher beibehalten? Zu 1.: Nach den dem Ministerium für Ländlichen Raum und Verbraucherschutz (MLR) vorliegenden Informationen ist in den Bundesländern Berlin, Sachsen und BadenWürttemberg kein öffentlich-rechtliches, als Verwaltungsverfahren ausgestaltetes gemeindliches Vorverfahren mit Amtsermittlungsgrundsatz zur Feststellung von Wildschäden vorgesehen. Aktuell befindet sich die Jagdgesetzgebung in einigen Bundesländern in der Novellierung (z. B. Schleswig-Holstein, Hessen, Niedersachsen) und auch dort werden Änderungen der Wildschadensregelungen diskutiert. 3 Landtag von Baden-Württemberg Drucksache 15 / 7577 2. Wie viele Wildschadensfälle wurden in Baden-Württemberg im Zeitraum 1. April bis 30. September 2015 angemeldet (mit Angabe, wie viele im entsprechenden Vorjahreszeitraum angemeldet wurden)? Zu 2.: Eine amtliche Erhebung der bei den Gemeinden gemeldeten Wildschäden findet aus Gründen der Vermeidung von Bürokratiebelastung nicht statt. Daher liegen dem MLR keine Angaben zu den gemeldeten Wildschadensfällen in den angegebenen Zeiträumen vor. 3. Welche ungefähren Kosten hat ein Geschädigter üblicherweise zu erwarten, wenn er einen Wildschadensschätzer als Parteigutachter zur Ermittlung von Schadenshöhe und -umfang heranzieht? Zu 3.: Die bei der Beauftragung einer Wildschadensschätzerin bzw. eines Wildschadensschätzers zu erwartenden Kosten variieren je nach Umfang und Aufwand der Wildschadensschätzung. Seitens der Landesregierung werden dazu keine Richtwerte oder Empfehlungen veröffentlicht. Die für gutachterliche Tätigkeiten im landwirtschaftlichen Bereich üblichen Kostensätze können im Einzelfall einer Kostenschätzung zugrunde gelegt werden. 4. Wie hoch schätzt sie die Kosten ein, die anfallen, wenn ein Gericht bei einem sich eventuell anschließenden Gerichtsverfahren aufgrund der Ablehnung des Parteigutachters einen weiteren Sachverständigen beauftragen muss? Zu 4.: Es ist davon auszugehen, dass die Tätigkeit des vom Gericht beauftragten Sachverständigen sich im Regelfall auf eine Berechnung der Schadenshöhe auf Grundlage der von den beiden Parteien vorgelegten Beweise zum Schadensumfang begrenzen wird. Der hierfür erforderliche Aufwand und damit auch die anfallenden Kosten bemessen sich nach den jeweiligen Verhältnissen des Einzelfalls. 5. Für wie realistisch hält sie es, dass der von einem Gericht mutmaßlich mit einiger Zeit Abstand bestellte Sachverständige den ursprünglich vom ersten Wildschadensschätzer festgestellten Schaden noch vorfindet (nach zwischenzeitlichen Witterungseinflüssen oder der Ernte)? Zu 5.: Wie in vergleichbaren Fällen zivilrechtlicher Streitigkeiten ist die Beweissicherung zur Sicherung bzw. Abwehr von Ansprüchen im Wesentlichen Angelegenheit der Parteien. Das Gutachten einer oder eines vom Gericht bestellten Sachverständigen wird sich daher, wie bereits bisher in Streitfällen, die nach der zuvor geltenden Rechtslage zu entscheiden waren, auf die Bewertung des Schadens auf Grundlage der vorliegenden Beweise konzentrieren. 6. Wie hoch sind ungefähr die anfallenden Kosten, wenn der Geschädigte aufgrund der unter Ziffer 4 dargestellten Problematik ein gerichtliches Beweis - sicherungsverfahren einleitet? Zu 6.: Die anfallenden Kosten bemessen sich sehr stark nach den Umständen des Einzelfalls . Richtwerte können daher nicht genannt werden. In einem selbstständigen Beweissicherungsverfahren ist mit Gerichtskosten sowie gegebenenfalls außergerichtlichen Kosten zu rechnen. Diese sind von den Verhältnissen des Einzelfalls, im Wesentlichen also vom jeweiligen (Gebühren-) Streitwert abhängig und können nicht pauschal beziffert werden. Landtag von Baden-Württemberg Drucksache 15 / 7577 4 7. Aus welchen Gründen rät die oberste Jagdbehörde den Jagdbehörden davon ab, eine rechtliche Beratung von Vertragsparteien hinsichtlich vertraglicher Vereinbarungen zu Wildschäden zu übernehmen (siehe dazu: Ausführungen des Erlasses der obersten Jagdbehörde vom 1. Juni 2015 zu § 54 Absatz 3 des Jagd- und Wildtiermanagementgesetzes)? Zu 7.: In dem zitierten Erlass wird nicht pauschal von einer Beratung der Vertragspar - teien hinsichtlich vertraglicher Vereinbarungen zu Wildschäden abgeraten. Um in künftigen Streitfällen hinsichtlich der Schadensregulierungen Forderungen gegenüber der Behörde auszuschließen, wird davon abgeraten, „eine rechtliche Beratung der Vertragsparteien hinsichtlich konkreter vertraglicher Regelungen zu übernehmen“. 8. Wie sind die Lehrgänge und Prüfungen der Wildforschungsstelle Aulendorf beziehungsweise der Landesjagdschule im Sinne von § 12 Absatz 1 Nummer 2 der Durchführungsverordnung zum Jagd- und Wildtiermanagementgesetz aufgebaut (Inhalte, Unterrichtsumfang in Stunden, Dauer der Lehrgänge)? Zu 8.: Bei dem 3-tägigen Lehrgang der Wildforschungsstelle werden folgende Inhalte in dem angegebenen Mindestumfang vermittelt: • wildschadensverursachende Wildarten in BW (1 h) • Differentialdiagnose (typische Spuren und Schadensmerkmale von Tierarten) (1 h) • Maßnahmen zur Wildschadensverhütung (15 Min.) • Rechtliche Grundlagen des Wildschadensersatzrechts (2 h) • Status des Wildschadensschätzers (1 h) • Inhalte und Mindestanforderung an das Gutachten (45 Min.) • Anwendung des Schätzrahmens (1 h) • Konfliktmanagement (1 h) • Bewertung von Wildschäden im Mais und Grünland mit praktischen Übungen (8 h) • Schriftliche Prüfung (30 Fragen, multiple choice) (45 Min.) 9. Inwieweit geht sie vor dem Hintergrund der Zahl der bisherigen Anmeldungen zu einem entsprechenden Lehrgang davon aus, dass künftig eine flächendeckende Versorgung mit anerkannten Wildschadensschätzerinnen und Wildschadensschätzern sichergestellt werden kann (Beantwortung unter Angabe der bisherigen Anmeldungszahlen)? Zu 9.: Mit der Novelle des JWMG wurde die Ausbildung der Wildschadensschätzerinnen und Wildschadenschätzer reformiert. Es wurden erstmals dringend erforder - liche Mindeststandards bei der Qualifikation eingeführt. Zwar werden von der Wildforschungsstelle bereits seit fast 20 Jahren Lehrgänge für diesen Personenkreis durchgeführt. Doch dieser Kurs war bislang nicht verpflichtend und keine Voraussetzung für eine Anerkennung als Wildschadenschätzerin oder Wildschadensschätzer . Eine Leistungsüberprüfung war bisher nicht vorgesehen. Die WFS hat im September 2015 die ersten beiden neukonzipierten Lehrgänge mit insgesamt 44 Teilnehmern durchgeführt und die Prüfung abgenommen. Bei der Landesjagdschule legten im Oktober 2015 weitere fünfzehn Personen die Prüfung ab. Aktuell werden ca. 200 Personen, die sich bereits vor der Novelle des JWMG durch die Kurse „Wildschadensschätzung im Feld“ qualifiziert haben, von 5 Landtag von Baden-Württemberg Drucksache 15 / 7577 der WFS angeschrieben. Sie können mit einer eintägigen Nachschulung auf den aktuellen Stand gebracht werden und anschließend die obligatorische Prüfung ablegen . Der erste Nachschulungstermin findet im Dezember 2015 statt. 10. Inwiefern bewertet sie die Abschaffung des kommunalen Vorverfahrens mit Blick auf die Ausführungen des Erlasses der obersten Jagdbehörde vom 1. Juni 2015 zu § 57 Absatz 4 des Jagd- und Wildtiermanagementgesetzes noch immer als sinnvollen Beitrag zu Bürokratieabbau und Rechtssicherheit? Zu 10.: Mit den Ausführungen zu § 57 Absatz 4 des Jagd- und Wildtiermanagementgesetzes im Erlass der obersten Jagdbehörde vom 1. Juni 2015 werden die rechtlichen Vorgaben für die Anerkennung der Wildschadensschätzerinnen und Wild - schadensschätzer, die nach den neuen Bestimmungen tätig werden, für die nachgeordneten Behörden erläutert. Damit wird eine möglichst rasche und reibungsfreie Umstellung auf die Vorgaben des Jagd- und Wildtiermanagementgesetzes sowie eine landesweit vergleichbare Handhabung erreicht. Die Abschaffung des öffentlich-rechtlichen Vorverfahrens war eine der zentralen Forderungen des Gemeindetages im Zuge der Novellierung des Landesjagdgesetzes . Wie in vergleichbaren Fällen zivilrechtlicher Schadensersatzforderungen ist die Beweissicherung zur Sicherung bzw. Abwehr von Ansprüchen nunmehr im Wesentlichen Angelegenheit der betroffenen Parteien. Gerade im Hinblick auf die örtlich starke Zunahme der gemeindlichen Vorverfahren im Zusammenhang mit den verstärkt auftretenden Schwarzwildschäden entlasten die neuen Bestimmungen die Gemeinden und tragen zum Abbau kommunalbelastender Standards bei. Bonde Minister für Ländlichen Raum und Verbraucherschutz Landtag von Baden-Württemberg Drucksache 15 / 7577 6 Anlage: Gerichtskostengesetz Anlage 2 (zu § 34 Absatz 1 Satz 3) Streitwert bis ... € Gebühr ... € Streitwert bis ... € Gebühr ... € 500 35,00 50.000 546,00 1.000 53,00 65.000 666,00 1.500 71,00 80.000 786,00 2.000 89,00 95.000 906,00 3.000 108,00 110.000 1.026,00 4.000 127,00 125.000 1.146,00 5.000 146,00 140.000 1.266,00 6.000 165,00 155.000 1.386,00 7.000 184,00 170.000 1.506,00 8.000 203,00 185.000 1.626,00 9.000 222,00 200.000 1.746,00 10.000 241,00 230.000 1.925,00 13.000 267,00 260.000 2.104,00 16.000 293,00 290.000 2.283,00 19.000 319,00 320.000 2.462,00 22.000 345,00 350.000 2.641,00 25.000 371,00 380.000 2.820,00 30.000 406,00 410.000 2.999,00 35.000 441,00 440.000 3.178,00 40.000 476,00 470.000 3.357,00 45.000 511,00 500.000 3.536,00