Landtag von Baden-Württemberg 15. Wahlperiode Drucksache 15 / 7624 29. 10. 2015 1Eingegangen: 29. 10. 2015 / Ausgegeben: 03. 12. 2015 K l e i n e A n f r a g e Ich frage die Landesregierung: 1. Aus welchen rechtlichen und tatsächlichen Gründen bewertet sie es als zulässig , die Vergabe der Leistung „Beratungs- und Umsetzungsleistungen beim Forum Energiedialog“ mit einem Auftragsvolumen von insgesamt 2,1 Millionen Euro im Wege eines Verhandlungsverfahrens durchzuführen? 2. Wie und auf welcher Grundlage wurde das Auftragsvolumen von insgesamt 2,1 Millionen Euro für die Jahre 2015, 2016, 2017 und 2018 kalkuliert? 3. Aus welchen Haushaltstiteln sollen die Kosten dieses Dienstleistungsauftrags gedeckt werden? 4. Wie begründet und bewertet sie es, einen derartigen Auftrag mit einer Vertragslaufzeit bis einschließlich 2018 unmittelbar vor dem Ende der Legislaturperiode zu vergeben? 5. Welchen inhaltlichen und konzeptionellen Mehrwert des Forums Energiedialog erhofft sie sich gegenüber anderen einschlägigen Angeboten der Landesregierung und insbesondere gegenüber der etwa 2,7 Millionen Euro teuren Energiewendekampagne „50-80-90 – Energiewende machen wir“? 6. Was meint sie in der Ausschreibung konkret damit, dass das beauftragte Beraterteam „als operativer Arm“ der zuständigen Landesbediensteten im Ministe - rium und in den Regierungspräsidien tätig werden soll, „bevor sich Widerstand gegen Projekte formiert“? 7. Inwieweit sieht sie es als Aufgabe einer Landesregierung an, durch eine gezielte Beeinflussung der demokratischen Meinungsbildung vor Ort und unter Einsatz von Steuergeld, den Vorhaben privater Windkraft-Investoren den Weg zu ebnen? Kleine Anfrage des Abg. Andreas Glück FDP/DVP und Antwort des Ministeriums für Umwelt, Klima und Energiewirtschaft Vergabe der Leistung „Beratungs- und Umsetzungs - leistungen beim Forum Energiedialog“ Drucksachen und Plenarprotokolle sind im Internet abrufbar unter: www.landtag-bw.de/Dokumente Der Landtag druckt auf Recyclingpapier, ausgezeichnet mit dem Umweltzeichen „Der Blaue Engel“. Landtag von Baden-Württemberg Drucksache 15 / 7624 2 8. Was konkret versteht sie unter der Aufgabe „Erheben des konkreten Konfliktpotenzials in den ausgewählten Teilnehmerkommunen“? 9. Welche Daten sollen diese Erhebungen im Einzelnen beinhalten? 10. Welche „Potenziale, Funktionen und Grenzen der Bürgerbeteiligung“ sieht sie bei Vorhaben im Zusammenhang mit Erneuerbaren Energien? 28. 10. 2015 Glück FDP/DVP A n t w o r t Mit Schreiben vom 23. November 2015 Nr. 6-4583.2/4/1 beantwortet das Minis - terium für Umwelt, Klima und Energiewirtschaft die Kleine Anfrage wie folgt: 1. Aus welchen rechtlichen und tatsächlichen Gründen bewertet sie es als zulässig , die Vergabe der Leistung „Beratungs- und Umsetzungsleistungen beim Forum Energiedialog“ mit einem Auftragsvolumen von insgesamt 2,1 Millionen Euro im Wege eines Verhandlungsverfahrens durchzuführen? Bei der zu vergebenden Leistung „Beratungs- und Umsetzungsleistungen beim Forum Energiedialog“ handelt es sich um eine freiberufliche Leistung mit einem Volumen über dem EU-Schwellenwert von 207.000 Euro netto. Das Verhandlungsverfahren mit vorheriger Vergabebekanntmachung ergibt sich auf dieser Grundlage aus § 3 Abs. 1 VOF (Vergabeordnung für freiberufliche Leistungen). Entsprechend erfolgte zunächst die Auftragsbekanntmachung der Ausschreibung von „Beratungs- und Umsetzungsleistungen beim Forum Energiedialog“. An - schlie ßend erfolgten die EU-weite Ausschreibung sowie die Aufforderung an die Teilnahmeinteressenten zur Abgabe eines Angebots. 2. Wie und auf welcher Grundlage wurde das Auftragsvolumen von insgesamt 2,1 Millionen Euro für die Jahre 2015, 2016, 2017 und 2018 kalkuliert? Der Mitteleinsatz für die „Beratungs- und Umsetzungsleistungen beim Forum Energiedialog“ hängt von der Anzahl der Gemeinden ab, die von dem Angebot Gebrauch machen werden. Nicht in jeder Gemeinde werden dieselben Verfahren, Methoden, Veranstaltungsarten etc. zum Einsatz kommen. Ausgehend von den Erfahrungen in ähnlichen Projekten anderer Länder (z. B. „Energieland Hessen“) muss von einem durchschnittlichen Kostenansatz von ca. 50.000 bis 60.000 Euro netto pro Gemeinde ausgegangen werden. In Einzelfällen können diese Kosten auch deutlich höher liegen, wenn z. B. sehr aufwändige Informationsmessen o. ä. durchgeführt werden. Aufgrund des Windausbaupoten - zials in Baden-Württemberg und der o. g. Problemlage ist davon auszugehen, dass jährlich mind. 10 Gemeinden infrage kommen. Darüber hinaus ist ein gewisser Kostenansatz für Sachkosten, die beim Kernteam anfallen, einzuplanen. 3 Landtag von Baden-Württemberg Drucksache 15 / 7624 Bei einer Laufzeit von Anfang 2016 bis Ende 2018 ergibt sich folgende Rechnung : 30 Gemeinden x ca. 55.000 Euro bis zu rd. 1.650.000 Euro Posten für Sonderformate bis zu rd. 300.000 Euro Projektsachkosten (Kernteam) bis zu rd. 150.000 Euro Gesamt (zzgl. gesetzl. USt.) bis zu rd. 2.100.000 Euro Es handelt sich dabei um einen geschätzten Höchstbetrag. Die einzelnen bedarfsund anforderungsgerechten Leistungen werden im Einzelfall freigegeben. Es werden nur die tatsächlich erbrachten Leistungen abgerechnet. Die Vergütung erfolgt stets im Nachgang anhand nachweislich geleisteter Stunden bzw. auf Kostennachweis . Der Vertrag mit dem Auftragnehmer wird darüber hinaus Regelungen enthalten , um die Höhe des Projektbudgets in Abhängigkeit von den zur Verfügung stehenden Haushaltsmitteln anpassen zu können. 3. Aus welchen Haushaltstiteln sollen die Kosten dieses Dienstleistungsauftrags gedeckt werden? Die Finanzierung der „Beratungs- und Umsetzungsleistungen beim Forum Energiedialog “ soll für die Jahre 2015 bis 2018 durch Kapitel 1009 Titel 53470 erfolgen . Im Doppelhaushalt 2015/2016 stehen die Mittel zur Verfügung. Des Weiteren sind für die Jahre 2017/2018 die notwendigen Verpflichtungsermächtigungen vorhanden und die entsprechenden Mittelansätze sind in der Mittelfristigen Finanzplanung für Kapitel 1009 berücksichtigt. 4. Wie begründet und bewertet sie es, einen derartigen Auftrag mit einer Vertragslaufzeit bis einschließlich 2018 unmittelbar vor dem Ende der Legislaturperiode zu vergeben? Die Vorbereitungsarbeiten zur aktuellen Ausschreibung zur Vergabe der Leistung „Beratungs- und Umsetzungsleistungen beim Forum Energiedialog“ wurden bereits im Jahr 2014 begonnen und waren notwendigerweise von zahlreichen Abstimmungsgesprächen begleitet. Die Energiewende als langfristiges Projekt erfordert zwingend legislaturperiodenübergreifende Planungen und Maßnahmen, um zum Erfolg geführt zu werden. Die Vergabe von Aufträgen auch mit weit höheren Auftragsvolumina in späten Phasen einer Legislaturperiode ist notwendige und gängige Praxis des Regierungshandelns in Bund und Ländern. Mehrjährige Vertragslaufzeiten sind im Rahmen der Vertragsgestaltung zwischen öffentlicher Hand und privatwirtschaftlichen Auftragnehmern üblich und für die staatliche Aufgabenerbringung unverzichtbar . Im Übrigen ist vorgesehen, vertraglich die Möglichkeit einer Kündigung der Zusammenarbeit mit dem externen Kommunikationspartner zum 30. Juni 2017 vorsorglich für den Fall zu vereinbaren, dass wider Erwarten dieser ausgewählte externe Kooperationspartner im Rahmen einer Gesamtbetrachtung die vereinbarte Leistung nicht in der erwarteten Qualität erbringen oder aus sonstigen Gründen vor Ort keine Akzeptanz erzielen könnte. 5. Welchen inhaltlichen und konzeptionellen Mehrwert des Forums Energiedialog erhofft sie sich gegenüber anderen einschlägigen Angeboten der Landesregierung und insbesondere gegenüber der etwa 2,7 Millionen Euro teuren Energiewendekampagne „50-80-90 – Energiewende machen wir“? Aufgabe der Kampagne „50-80-90 – Energiewende machen wir“ ist eine Breitenkommunikation der Themen der Energiewende. Mit ihr sollen die Bürgerinnen und Bürger im Land sachlich und neutral über möglichst alle Inhalte der Energiewende informiert werden, um sich selbst eine fundierte, aus eigener Überzeugung getragene Meinung dazu bilden zu können. Landtag von Baden-Württemberg Drucksache 15 / 7624 4 Davon strikt zu unterscheiden ist das bereits bestehende Beratungsangebot z. B. der Kompetenzzentren Energie, das die fachliche Beratung und die administrative Abwicklung von konkreten Projekten proaktiv begleitet. Im Herbst 2014 hat das Umweltministerium zur Überprüfung des Beratungsangebots eine Bedarfsanalyse in Auftrag gegeben, die im Ergebnis aufgezeigt hat, dass ein zusätzliches Beratungsangebot insbesondere im kommunalen Umfeld vor Ort und bei kommunalen Entscheidungsträgern im Bereich Coaching, Moderation und Mediation erforderlich ist. Damit können Kommunen bei sich andeutenden oder schon eingetretenen Konflikten sinnvoll unterstützt werden, zunächst insbesondere im Zusammenhang mit Projekten zum weiteren Ausbau der Nutzung von erneuerbaren Energien, aber auch darüber hinaus. Dieses zusätzliche Angebot, das auch an dem im Integrierten Energie- und Klimaschutzkonzept (IEKK) genannten Windenergie-Dialog anknüpft , soll durch das Forum Energiedialog abgedeckt werden. 6. Was meint sie in der Ausschreibung konkret damit, dass das beauftragte Beraterteam „als operativer Arm“ der zuständigen Landesbediensteten im Ministerium und in den Regierungspräsidien tätig werden soll, „bevor sich Widerstand gegen Projekte formiert“? Praktische Erfahrungen im Umgang mit der Bürgerschaft zu komplexen Frage - stellungen und sich damit deckende wissenschaftliche Erkenntnisse machen deutlich , dass möglichst frühzeitig realisierte Informations- und Dialogformate weitaus größere Chancen besitzen, den Meinungsbildungsprozess problemgerecht und damit angemessen, also auch auf Augenhöhe zu unterstützen und so auf mögliche Interessenkonflikte deeskalierend zu wirken. Es ist deshalb vorgesehen, den Schwerpunkt des Projekts „Forum Energiedialog“ in den Bereich der konkreten Information und des Dialogs zu legen. Das Beraterteam wird als „operativer Arm“ bezeichnet, da die Steuerung seiner Arbeit vor Ort durch ein Kernteam aus den zuständigen Landesbediensteten im Ministerium und in den Regierungspräsidien erfolgt. 7. Inwieweit sieht sie es als Aufgabe einer Landesregierung an, durch eine gezielte Beeinflussung der demokratischen Meinungsbildung vor Ort und unter Einsatz von Steuergeld, den Vorhaben privater Windkraft-Investoren den Weg zu ebnen? Angesichts einer breiten Mehrheit im baden-württembergischen Landtag zum Klimaschutzgesetz und dessen Zielsetzungen und einer damit einhergehenden ebenfalls breiten Zustimmung in der Bevölkerung zum Klimaschutz und zur Energiewende hält es die Landesregierung für zielführend, den Meinungsbildungsprozess der lokalen Akteure u. a. auch zum Ausbau der Windenergienutzung durch erprobte und geeignete Kommunikationsformate ergebnisoffen zu unterstützen. So wenig wie das z. B. bei der Bauleitplanung der Kommunen der Fall ist, hat auch die Arbeit des Forums Energiedialog in keiner Weise zum Ziel, die Aufgaben von möglichen Investoren und deren Projektplanern zu übernehmen oder gar deren unternehmerische Risiken zu reduzieren. Ziel ist es allein, den Aufgaben der öffentlichen Hand zum Klimaschutz gerecht zu werden und insoweit deren Behörden zu unterstützen. 8. Was konkret versteht sie unter der Aufgabe „Erheben des konkreten Konfliktpotenzials in den ausgewählten Teilnehmerkommunen“? Zunächst soll das Forum Energiedialog in geeigneter Form bei Kommunen bekannt gemacht und dort eine Teilnahme am Forum Energiedialog angeboten werden . Danach sollen Besuche und Gespräche mit kommunalen Entscheidungsträgern und weiteren kommunalen Akteuren in Bewerberkommunen geführt werden, um u. a. einen ersten Eindruck von der Problemlage vor Ort zu gewinnen. An - schließend erfolgt die Auswahl der Teilnehmerkommunen. Von den in einer Teilnehmerkommune gewonnenen Erkenntnissen sollen auch Impulse für Planungsund Entscheidungsprozesse anderer Kommunen ausgehen. 5 Landtag von Baden-Württemberg Drucksache 15 / 7624 9. Welche Daten sollen diese Erhebungen im Einzelnen beinhalten? Eine empirische Datenerhebung im Sinne einer Meinungs- oder Marktforschung ist nicht vorgesehen. Vielmehr ist die Durchführung einer Umfeld- und Akteursanalyse geplant, bei der vor allem durch Interviews mit maßgeblichen Akteuren die lokale Situation geeignet erfasst werden soll. 10. Welche „Potenziale, Funktionen und Grenzen der Bürgerbeteiligung“ sieht sie bei Vorhaben im Zusammenhang mit Erneuerbaren Energien? Bürgerbeteiligung ist an bestimmte Voraussetzungen und Rahmenbedingungen (z. B. Vorliegen eines klaren Mandats an die Bürgerbeteiligung, Entscheidung der gewählten Vertreterinnen und Vertreter ist noch nicht getroffen, chancengleiche Auswahl der Bürgerinnen und Bürger) geknüpft, bei deren Vorhandensein ein Entfalten der Potenziale von Bürgerbeteiligung erwartet werden kann. An Grenzen können Bürgerbeteiligungen dann stoßen, wenn erwähnte Voraussetzungen und Rahmenbedingungen nicht oder im Laufe des Beteiligungsverfahrens nicht mehr vorliegen, bzw. wenn in der Bürgerschaft der Eindruck entstünde, die endgültige Entscheidung läge nicht mehr bei den zuständigen Behörden. Untersteller Minister für Umwelt, Klima und Energiewirtschaft