Landtag von Baden-Württemberg 15. Wahlperiode Drucksache 15 / 7625 29. 10. 2015 1Eingegangen: 29. 10. 2015 / Ausgegeben: 03. 12. 2015 K l e i n e A n f r a g e Ich frage die Landesregierung: 1. Welche Erkenntnisse hat sie über die besondere Ausbreitung von Kupferstecher und Buchdrucker infolge des Trockensommers und des Orkans „Niklas“ im Frühjahr 2015? 2. Welche Regionen und welche Baumsorten sind in Baden-Württemberg besonders betroffen? 3. Wie hat sich die Situation des Borkenkäferbefalls in diesem Jahr in der Nationalparkregion Nordschwarzwald entwickelt? 4. Welche Maßnahmen des Borkenkäfermanagements wurden dort bisher konkret umgesetzt? 5. Wie haben sich bisher mit Blick auf die erhöhten Schadholzmengen am Markt die Fichtenholzpreise entwickelt? 6. Welche Unterstützung und welche Empfehlungen bzw. Handreichungen hat das Land in der Borkenkäferproblematik den Privatwaldbesitzern und Forstbetriebsgemeinschaften zukommen lassen? 28. 10. 2015 Dr. Bullinger FDP/DVP Kleine Anfrage des Abg. Dr. Friedrich Bullinger FDP/DVP und Antwort des Ministeriums für Ländlichen Raum und Verbraucherschutz Borkenkäferproblematik infolge von Orkan „Niklas“ und Trockensommer Drucksachen und Plenarprotokolle sind im Internet abrufbar unter: www.landtag-bw.de/Dokumente Der Landtag druckt auf Recyclingpapier, ausgezeichnet mit dem Umweltzeichen „Der Blaue Engel“. Landtag von Baden-Württemberg Drucksache 15 / 7625 2 A n t w o r t Mit Schreiben vom 23. November 2015 Nr. Z(52)-0141.5/593F beantwortet das Ministerium für Ländlichen Raum und Verbraucherschutz die Kleine Anfrage wie folgt: Ich frage die Landesregierung: 1. Welche Erkenntnisse hat sie über die besondere Ausbreitung von Kupferstecher und Buchdrucker infolge des Trockensommers und des Orkans „Niklas“ im Frühjahr 2015? Zu 1.: Im Jahr 2015 bestanden insbesondere aufgrund des sehr warmen Sommers außerordentlich gute Entwicklungsbedingungen für Borkenkäfer. Dies spiegelt sich in einem intensiven Schwärmgeschehen beim Buchdrucker und dementsprechend in hohen Käferzahlen in den Pheromon-Fallen des Borkenkäfer-Monitorings für den Buchdrucker wider. Daher bestehen im Herbst 2015 landesweit hohe bis sehr hohe Buchdrucker-Populationen, die in den Winter 2015/2016 gehen. Der überdurchschnittlich warme Oktober mit vielen sonnenreichen Tagen ermöglichte , dass die Entwicklung der Larven und Puppen unter der Rinde hin zu fertig entwickelten Käfern weiter voranschreiten konnte. Diese haben eine vergleichsweise hohe Toleranz gegenüber tiefen Temperaturen. Daneben verstärken sich Meldungen und Hinweise, dass auch der Kupferstecher von der trocken-heißen Witterung profitierte. Die hohen Ausgangs-Populationen aus diesem Sommer ergeben ein erhöhtes Gefahrenpotenzial für das kommende Jahr. Derzeit wird noch in steigendem Maß anfallendes Schadholz verbucht, sodass ein abschließendes Urteil über das Ausmaß der Borkenkäferschäden zum jetzigen Zeitpunkt nicht möglich ist. Aktuell handelt es sich um eine im Vergleich zu den Vorjahren recht geringe Käferholzmenge im Staatswald. Der Sturm Niklas am 31. März 2015 hat lokal für z. T. nicht unerhebliche Schadholzmengen durch Windwurf gesorgt. Für das Land Baden-Württemberg insgesamt betrachtet, handelte es sich aber um überschaubare Sturmholzmengen. 2. Welche Regionen und welche Baumsorten sind in Baden-Württemberg besonders betroffen? Zu 2.: Nach bisherigen Erkenntnissen ist in erster Linie die Fichte betroffen, in einigen Landesteilen zeigen auch Kiefer (Oberrheinebene) und Tanne (mittlerer Schwarzwald ) Schäden. Die meisten Schäden durch Insekten werden in den Landkreisen Ravensburg, Biberach, Ostalbkreis, Heidenheim, Waldshut, Alb-Donau-Kreis, Freudenstadt, Schwä bisch-Hall und Bodenseekreis gemeldet (absteigende Reihenfolge). Dies entspricht weitgehend dem Hauptschadensgebiet des Sturmes Niklas bzw. des Frühsommertornados. 3. Wie hat sich die Situation des Borkenkäferbefalls in diesem Jahr in der Nationalparkregion Nordschwarzwald entwickelt? Zu 3.: Mit Stand vom 29. Oktober 2015 wurden im Pufferstreifen des Nationalparks Schwarzwald 1.132 Festmeter (Fm) Käferholz aufgearbeitet. Es handelte sich in der Summe um 760 befallene Bäume. Dieser Pufferstreifen beinhaltet auch Flä - 3 Landtag von Baden-Württemberg Drucksache 15 / 7625 chen im Staatswald der unteren Forstbehörden Freudenstadt, Rastatt und Ortenaukreis bzw. des Stadtkreises Baden-Baden. Pro erfasstem Befallspunkt wurden durchschnittlich 5 Bäume bzw. 7 Fm registriert. Insgesamt blieben in der gesamten Pufferzone 265 Begänge in den Claims (Kontrollgebieten ) ohne Befund. Schwerpunkte der Claim-Kontrollen waren korres - pondierend zum Schwärmgeschehen der Buchdrucker die Monate Juli und August 2015. In den umgebenden Wäldern der unteren Forstbehörden Rastatt, Ortenaukreis und Baden-Baden fiel ebenfalls nur relativ wenig Insektenholz an, die genauen Zahlen lassen sich erst zum Jahresende ermitteln. Der Befall durch Buchdrucker begann zwar recht früh, der Käferholzanfall blieb aber lange Zeit auf niedrigem Niveau. Im trockenen Sommer trat auch verstärkt Kupferstecherbefall auf. Es kam zu deutlich sichtbaren Nadelvergilbungen aufgrund der Trockenheit. In den Wäldern der unteren Forstbehörde Freudenstadt war der Befall außerhalb Pufferzone höher als innerhalb. Hier waren meist Flächen in der Nachbarschaft der Schadflächen des Sommersturmes 2012 betroffen. In der Kernzone des Nationalparks gab es keine bedeutenden Buchdrucker-Befallsflächen , es entwickelten sich nach derzeitigem Stand keine großflächigen Befallsflächen . 4. Welche Maßnahmen des Borkenkäfermanagements wurden dort bisher konkret umgesetzt? Zu 4.: Bereits im Jahr 2013 legte die Forstliche Versuchs- und Forschungsanstalt Freiburg (FVA) Abt. Waldschutz im Bereich Tonbachtal ein Intensivmessfeld für Borkenkäfer an. Nach der Nationalparkausweisung liegen diese Untersuchungsflächen jetzt im Nationalpark bzw. im „ausgeklappten“ Pufferstreifen im Staatswald . Seit dem Jahr 2014 wurde dieses Borkenkäfermonitoring im Raum Nationalpark Schwarzwald erweitert. Daran beteiligen sich neben der FVA der Nationalpark , die Stadt Baden-Baden und die unteren Forstbehörden Ortenaukreis, Freudenstadt und Rastatt. Das zeitgleich mit dem Borkenkäfermanagementkonzept entwickelte und mit diesem korrespondierende Monitoringverfahren im Nationalpark setzt sich aus verschiedenen Komponenten zusammen, die in Kombination zu einem ganzheitlichen Konzept verschmelzen. Die wesentlichen Bestandteile sind: – die Überwachung mit Pheromonfallen, – die Kontrolle des Entwicklungsstandes mit Fangbäumen und – die Dokumentation des Witterungsverlaufes mit Wetterstationen. Das Borkenkäfermonitoring ist ein wichtiges Instrument zur Unterstützung des be trieblichen Borkenkäfermanagements, da es u. a. wöchentlich aktuelle Informationen zum aktuellen Schwärmverlauf und zur phänologischen Entwicklung des Käfers liefert. Eine Projektgruppe aus Beschäftigten des MLR, des Nationalparks, der Stadt Baden-Baden, der unteren Forstbehörde Freudenstadt, Ortenaukreis und Rastatt sowie FVA hatte in den Jahren 2014/2015 eine Gesamtkonzeption für das betriebliche Borkenkäfermanagement in der gesamten Pufferzone erarbeitet. Die Umsetzung der Konzeption startete im Jahr 2015 und wird in den Folgejahren weiter vorangetrieben. Hierbei hat die „Digitale Erfassung des Stehendbefalls“ mit modernen, mobilen Erfassungsgeräten eine zentrale Bedeutung für eine einheitliche Erfassung und Dokumentation der wichtigsten Parameter des Borken - käfermonitorings in Verbindung mit einer zeitnahen, transparenten Informationsbereitstellung für alle Akteure. Der gesamte Pufferstreifen ist in fest definierte Suchgebiete (Claims) unterteilt. Jedes Suchgebiet hat eine individuelle Identifizierung (Claim-Nummer) und ist einem Revier zugeordnet. Die Stehendbefallssuche wird von örtlich erfahrenen Forstwirten bzw. Nationalparkmitarbeiterinnen und -mitarbeiter im nahezu wö - Landtag von Baden-Württemberg Drucksache 15 / 7625 4 chentlichen Rhythmus (abhängig von der Witterungssituation und den Monito - ringergebnissen) durchgeführt. Über eine enge Abstimmung, Koordination und zielgerichtete Steuerung der Maßnahmen mit allen Akteuren sowie über eine regelmäßige Evaluation wird das Borkenkäfermanagement an sich verändernde Rahmenbedingungen und Entwicklungen angepasst und ständig optimiert. 5. Wie haben sich bisher mit Blick auf die erhöhten Schadholzmengen am Markt die Fichtenholzpreise entwickelt? Zu 5.: Bis zum 1. September 2015 ist Nadelstammholz aus allen Waldbesitzarten in der Regel über zentrale Verträge verkauft worden. In diesen Verträgen ist sowohl Sturm- als auch Käferholz mit Preisabschlägen einbezogen. 80 bis 90 % des Schadholzes konnte auf diese zentralen Verträge gebucht werden. Zusätzlich wurden für Sturmholzmehrmengen sog. „Sturmholzvereinbarungen“ mit den Sägewerken abgeschlossen. Diese legen den Sturmholzpreis mit Abschlägen zwischen 1,5 und 3 Euro/Fm fest. Seit dem 1. September sind als Folge des Kartellverfahrens und der Gründung von Holzverkaufsstellen auf Landkreisebene nur noch Preisauswertungen im Staatswald möglich. Die ursprünglichen waldbesitzübergreifenden Verträge wurden für den Staatswald und den Privatwald über 100 ha weitergeschrieben. Aussagen, mit welchen Preisen der kommunale und private Waldbesitz seither Schadholz vermarktet, können daher nicht mehr getroffen werden. Die Preisreduktion in Baden-Württemberg aufgrund erhöhter Schadholzmengen am Markt ist moderat ausgefallen. Preisverfälle, wie sie aus Bayern gemeldet wurden, sind in Baden-Württemberg nicht bekannt. 6. Welche Unterstützung und welche Empfehlungen bzw. Handreichungen hat das Land in der Borkenkäferproblematik den Privatwaldbesitzern und Forstbetriebsgemeinschaften zukommen lassen? Zu 6.: Als Dauereinrichtung zur Information der Waldbesitzenden verfügt die FVA über ein Borkenkäfermonitoring für die drei wirtschaftlich wichtigsten Borkenkäfer - arten. Das Schwarmverhalten wird aufgrund von Fallenfängen, Brutbaumbeobachtungen und Modellberechnungen abgebildet und die Ergebnisse werden der Öffentlichkeit auf der Homepage der FVA angeboten. Hier sind auch jahreszeitlich und situationsgebunden angepasste Handlungsanweisungen für Waldbewirtschaftende abrufbar. Speziell für die Nationalparkregion gibt die Abteilung Waldschutz der FVA in den Monaten März bis Oktober einen Newsletter an einen ständig wachsenden Abonnentenkreis heraus, der auch auf der Homepage des Nationalparks Schwarzwald abgerufen werden kann. Hier werden basierend auf einem dichten Netz von Pheromonfallen und in enger Zusammenarbeit mit dem Nationalpark, der Stadt Baden-Baden und den unteren Forstbehörden Freudenstadt, Rastatt und Ortenaukreis Informationen über den Buchdrucker aufgearbeitet und mit konkreten Handlungsanweisungen verknüpft. Der wöchentliche Newsletter stellt eine wichtige Informationsquelle für das Nationalparkumfeld dar und ist zudem ein Instrument zur Unterstützung der Entscheidungsfindung im Rahmen der Umsetzung des Borkenkäfermanagements im Pufferstreifen. Durch den engen Kontakt zur Praxis und die periodische Evaluierung der Inhalte wird eine hohe Aktualität und Nutzerorientierung erreicht. Daneben werden über die Forstlichen Bildungszentren jedes Jahr ganztägige Veranstaltungen für Privatwaldbesitzende angeboten. 5 Landtag von Baden-Württemberg Drucksache 15 / 7625 Im Rahmen des Waldklimafonds-Projektes „KoNeKKTiW“ (Kompetenz-Netzwerk Klimawandel Krisenmanagement und Transformation in Waldökosystemen) werden unter anderem Veranstaltungen und Handreichungen zu verschiedenen Waldschutzaspekten, darunter auch die Borkenkäferproblematik, entwickelt und angeboten. Die wichtige Zielgruppe der Privatwaldbesitzenden und Forstbetriebsgemeinschaften werden in Baden-Württemberg insbesondere über die Forstkammer Baden -Württemberg e. V. angesprochen. Bei Interesse werden dann z. B. Seminare oder Vortragsabende zu einzelnen Aspekten aus dem Themenkomplex „Klimawandel , Risiko- & Krisenmanagement“, in dem die Borkenkäfer eine bedeutende Rolle spielen, organisiert. Privatwaldbesitzende und Forstbetriebsgemeinschaften sind aber auch dazu aufgerufen , bei Bedarf und Interesse selbst aktiv an das Projekt heranzutreten, in diesem Fall können z. B. Informationsveranstaltungen direkt an die jeweiligen Wünsche und Bedürfnisse angepasst werden. Bonde Minister für Ländlichen Raum und Verbraucherschutz