Landtag von Baden-Württemberg 15. Wahlperiode Drucksache 15 / 7651 04. 11. 2015 1Eingegangen: 04. 11. 2015 / Ausgegeben: 08. 12. 2015 K l e i n e A n f r a g e Ich frage die Landesregierung: 1. Wie schätzt sie vor dem Hintergrund der anstehenden Gewerbesteuerrückzahlungen in zweistelliger Millionenhöhe die dann verbleibende Finanzkraft der Stadt Künzelsau ein? 2. Welche Erhöhung der Einnahmen aus Steuern und Gebühren und welche Verringerung der Ausgaben der Stadt wären in der Summe erforderlich, um bei einer Rückzahlung auf einen Schlag gleichwohl einen genehmigungsfähigen Haushalt vorlegen zu können? 3. Hält sie es angesichts der im Raum stehenden Höhe der Rückzahlungsansprüche für vertretbar, einen Teil der zum Haushaltsausgleich erforderlichen Mittel über einen mittelfristigen Zeitraum hinweg durch Kreditaufnahmen zu erbringen? 4. Sieht sie in dem gesamten, sich über mehr als zehn Jahre hinziehenden Komplex an irgendeiner Stelle ein Fehlverhalten der Stadt Künzelsau oder der Finanzverwaltung des Landes, und wie hätte dieses gegebenenfalls verhindert werden können? 5. Welche Möglichkeiten sieht sie, ohne den Rechtsanspruch der Firma W. auf eine umgehende Erstattung der ihr zustehenden Summe weiter zu verzögern, ein zwischen Stadt und Land abgestimmtes Verfahren des Krisenmanagements zu entwickeln, das eine Überforderung der Stadt und ihrer Bürgerinnen und Bürger durch die Ausgestaltung der einzelnen Maßnahmenpakete verhindert? 04. 11. 2015 Dr. Bullinger FDP/DVP Kleine Anfrage des Abg. Dr. Friedrich Bullinger FDP/DVP und Antwort des Ministeriums für Finanzen und Wirtschaft Anstehende Gewerbesteuerrückzahlung und finanzielle Belastung für die Stadt Künzelsau Drucksachen und Plenarprotokolle sind im Internet abrufbar unter: www.landtag-bw.de/Dokumente Der Landtag druckt auf Recyclingpapier, ausgezeichnet mit dem Umweltzeichen „Der Blaue Engel“. Landtag von Baden-Württemberg Drucksache 15 / 7651 2 A n t w o r t Mit Schreiben vom 26. November 2015 Nr. E33-G145.0/9 beantwortet das Minis - terium für Finanzen und Wirtschaft in Abstimmung mit dem Innenministerium die Kleine Anfrage wie folgt: Die Fragen des Antragstellers können nur beantwortet werden, soweit das Steuergeheimnis (§ 30 Abgabenordnung – AO) nicht entgegensteht. 1. Wie schätzt sie vor dem Hintergrund der anstehenden Gewerbesteuerrückzahlungen in zweistelliger Millionenhöhe die dann verbleibende Finanzkraft der Stadt Künzelsau ein? 2. Welche Erhöhung der Einnahmen aus Steuern und Gebühren und welche Verringerung der Ausgaben der Stadt wären in der Summe erforderlich, um bei einer Rückzahlung auf einen Schlag gleichwohl einen genehmigungsfähigen Haushalt vorlegen zu können? Zu 1. und 2.: Die Fragen 1. und 2. werden gemeinsam beantwortet. Nach dem aktuellen Haushaltsplanentwurf der Stadt Künzelsau wird für das Jahr 2016 ein negativer Gewerbesteuerbetrag von rund –32 Mio. Euro veranschlagt. Vor dem Hintergrund der erwarteten Gewerbesteuerrückzahlung hat der Gemeinderat der Stadt Künzelsau bereits am 3. November 2015 die Hebesätze für die Grundsteuer A und die Grundsteuer B, die seit 1995 bei 310 Prozent lagen, ab 2016 auf 400 Prozent erhöht. Der seit 1990 bei 375 Prozent liegende Hebesatz für die Gewerbesteuer wurde ebenfalls auf 400 Prozent angehoben. Auch die Hundesteuer und die Vergnügungssteuer wurden erhöht. Hierdurch können Mehreinnahmen von insgesamt rund 1,7 Mio. Euro generiert werden. Trotz dieser Mehreinnahmen und einer veranschlagten Entnahme von 24,5 Mio. Euro aus der Allgemeinen Rücklage ergibt sich ein Defizit von insgesamt –22 Mio. Euro. In welcher Höhe für 2016 noch Ausgabenkürzungen vorgenommen werden, steht derzeit noch nicht exakt fest. Das zurzeit veranschlagte Haushaltsdefizit kann weder durch weitere Einnahmen - erhöhungen noch durch Ausgabeneinsparungen im Haushaltsjahr 2016 vollständig ausgeglichen werden. Bei einer – im Haushaltsplan so veranschlagten – „Rückzahlung auf einen Schlag“ im kommenden Jahr wäre die Finanzkraft der Stadt Künzelsau im Jahr 2016 damit unzureichend. 3. Hält sie es angesichts der im Raum stehenden Höhe der Rückzahlungsansprüche für vertretbar, einen Teil der zum Haushaltsausgleich erforderlichen Mittel über einen mittelfristigen Zeitraum hinweg durch Kreditaufnahmen zu erbringen? Zu 3.: Die unterdurchschnittliche Finanzkraft im Jahr 2016 führt aufgrund der Ausgleichswirkungen des kommunalen Finanzausgleichs für das Jahr 2018 zu einer höheren Schlüsselzuweisung nach mangelnder Steuerkraft (einschließlich einer Mehrzuweisung nach § 5 Abs. 3 Finanzausgleichsgesetz) und gleichzeitig geringeren Zahlungen für die Kreisumlage und die Finanzausgleichsumlage. Die Stadt Künzelsau geht davon aus, dass der Fehlbetrag des Jahres 2016 durch die eingeleiteten Konsolidierungsmaßnahmen in Verbindung mit den Finanzausgleichswirkungen im Jahr 2018 vollständig abgedeckt und zugleich eine Rücklage für die gegenläufigen Finanzausgleichswirkungen im Jahr 2020 gebildet werden können. Vor diesem Hintergrund wird es in dieser sehr seltenen Ausnahmesituation für vertretbar gehalten, wenn das erwartete Defizit übergangsweise mit Kassenkrediten finanziert wird. Der Stadt Künzelsau kommt dabei zugute, dass die Kassenkreditzinsen nach wie vor niedrig sind. 3 Landtag von Baden-Württemberg Drucksache 15 / 7651 4. Sieht sie in dem gesamten, sich über mehr als zehn Jahre hinziehenden Komplex an irgendeiner Stelle ein Fehlverhalten der Stadt Künzelsau oder der Finanzverwaltung des Landes, und wie hätte dieses gegebenenfalls verhindert werden können? Zu 4.: Zu konkreten steuerlichen Einzelfällen und dem daraus resultierenden Verhalten kann aus Gründen des Steuergeheimnisses (§ 30 AO) keine Auskunft erteilt werden. 5. Welche Möglichkeiten sieht sie, ohne den Rechtsanspruch der Firma W. auf eine umgehende Erstattung der ihr zustehenden Summe weiter zu verzögern, ein zwischen Stadt und Land abgestimmtes Verfahren des Krisenmanagements zu entwickeln, das eine Überforderung der Stadt und ihrer Bürgerinnen und Bürger durch die Ausgestaltung der einzelnen Maßnahmenpakete verhindert? Zu 5.: Die Stadt Künzelsau hat nach Angabe der zuständigen Rechtsaufsichtsbehörde unverzüglich nach Bekanntwerden von anstehenden Steuerrückzahlungen reagiert und alle notwendigen Maßnahmen zur Haushaltskonsolidierung eingeleitet. Eine Überforderung der Bürgerinnen und Bürger ist aus Sicht der zuständigen Rechtsaufsichtsbehörde gegenwärtig nicht erkennbar, zumal im Hohenlohekreis auch weitere Gemeinden ähnliche bzw. darüber hinaus gehende Hebesätze festgelegt haben. Im Übrigen beabsichtigt das Ministerium für Finanzen und Wirtschaft, sich für die Einführung eines elektronischen Frühwarnsystems einzusetzen. Da ein solches Verfahren nur bundeseinheitlich eingeführt werden kann, ist beabsichtigt, ein entsprechendes Konzept den obersten Finanzbehörden von Bund und Ländern vorzustellen und für eine möglichst baldige Einführung zu werben. Das Konzept basiert darauf, die Gemeinden über anhängige Rechtsbehelfe mit gewerbesteuer - licher Auswirkung ab einer bestimmten Größenordnung zu unterrichten, sodass die Gemeinden in der Lage sind, ihr haushalterisches Risiko frühzeitig abzuschätzen. In Vertretung Hofelich Staatssekretär