Landtag von Baden-Württemberg 15. Wahlperiode Drucksache 15 / 771 24. 10. 2011 1Eingegangen: 24. 10. 2011 / Ausgegeben: 21. 11. 2011 K l e i n e A n f r a g e Ich frage die Landesregierung: 1. Welche Auswirkungen haben die aktuellen Planungen von Stuttgart 21 auf den Betrieb der S-Bahn-Linie S 1 nach Kirchheim unter Teck und auf die Infrastruktur der Stationen Kirchheim unter Teck und Kirchheim-Ötlingen? 2. Wie stellt sie sicher, dass bei Zugrundelegung der Planungen von Stuttgart 21 die Durchbindung der S 1 von Kirchheim unter Teck nach Herrenberg ge - sichert ist und kein Linientausch stattfindet? 3. Wie bewertet sie die folgenden Aussagen der SMA und Partner AG im Schluss - bericht „Audit zur Betriebsqualitätsüberprüfung Stuttgart 21 – Schlussbericht“ vom 21. Juli 2011, wonach a) „die größte Abweichung bei der S 1 in Richtung Kirchheim unter Teck“ auftritt ? b) „die Eigenkreuzung der S-Bahn von Kirchheim-Ötlingen nach Kirchheim unter Teck verlegt werden soll“? c) „sich weitere Abfahrtsverspätungen im Modell beobachten lassen und zwar in Kirchheim unter Teck: 25 %, Durchschnitt 2 Minuten, maximal 15 Minuten “? 4. Wie steht sie dazu, dass die Aufenthaltsdauer der S-Bahn-Linie S 1 in Kirchheim unter Teck lediglich eine Minute betragen soll und dadurch eine „überschlagene Wende“, also der Einsatz von zwei Zügen erforderlich wird (mit Angabe, ob dies die Vorhaltung neuer Fahrzeugressourcen und weiterer Eisenbahninfrastruktur erforderlich macht und wer für die notwendigen Kosten aufkommt )? Kleine Anfrage des Abg. Andreas Schwarz GRÜNE und Antwort des Ministeriums für Verkehr und Infrastruktur Auswirkungen des Projekts Stuttgart 21 auf den Betrieb der S-Bahn-Linie S 1 nach Kirchheim unter Teck und auf die S-Bahn-Stationen im Raum Kirchheim unter Teck Drucksachen und Plenarprotokolle sind im Internet abrufbar unter: www.landtag-bw.de/Dokumente Der Landtag druckt auf Recyclingpapier, ausgezeichnet mit dem Umweltzeichen „Der Blaue Engel“. Landtag von Baden-Württemberg Drucksache 15 / 771 2 5. Welche Auswirkungen hat die unter Frage 4 skizzierte Situation auf die Infrastruktur , also die Anzahl der Gleisanlagen, Bahnsteige und barrierefreien Zugänge (bspw. Aufzüge) und Fahrkartenautomaten an der Verkehrsstation Kirchheim unter Teck und ggf. entlang der Strecke? 6. Wie beurteilt sie die Sorge, dass durch die unter Frage 4 skizzierte „überschlagene Wende“ die Pünktlichkeit der S-Bahn im Raum Wendlingen am Neckar/ Kirchheim unter Teck verspätungsanfällig werden könnte, da die Strecke zwischen Wendlingen am Neckar und Kirchheim unter Teck eingleisig verläuft? 7. Welche Fahrzeitverkürzungen gibt es bei der Zugrundelegung der Planungen von Stuttgart 21 der Deutschen Bahn AG für die S 1 von den Stationen Böblingen und Stuttgart Universität nach Kirchheim unter Teck? 21. 10. 2011 Schwarz GRÜNE B e g r ü n d u n g Mit der Verlängerung der S-Bahn-Linie S 1 wurde Kirchheim unter Teck an das S-Bahn-Netz der Region angebunden. Seitdem steigen die Fahrgastzahlen und die S-Bahn erfreut sich hoher Beliebtheit in der Bevölkerung. Die Planungen zu Stuttgart 21 verunsichern die Bürgerinnen und Bürger in der Raumschaft Kirchheim unter Teck, da hier eine Verschlechterung des schienen - gebundenen Nahverkehrs befürchtet wird. Es ist daher angezeigt, dass die entsprechenden Informationen aufbereitet werden. A n t w o r t Mit Schreiben vom 11. November 2011 Nr. 3-3824.1-0-01/147 beantwortet das Ministerium für Verkehr und Infrastruktur die Kleine Anfrage wie folgt: Ich frage die Landesregierung: 1. Welche Auswirkungen haben die aktuellen Planungen von Stuttgart 21 auf den Betrieb der S-Bahn-Linie S 1 nach Kirchheim unter Teck und auf die Infrastruktur der Stationen Kirchheim unter Teck und Kirchheim-Ötlingen? 2. Wie stellt sie sicher, dass bei Zugrundelegung der Planungen von Stuttgart 21 die Durchbindung der S 1 von Kirchheim unter Teck nach Herrenberg ge - sichert ist und kein Linientausch stattfindet? Zu 1. und 2.: Die Planungen für Stuttgart 21 sehen vor, dass nördlich des Stuttgarter Hauptbahnhofes für die S-Bahn eine neue Abzweigstation Mittnachtstraße gebaut wird. Durch den zusätzlichen Halt in dieser Haltestelle verlängert sich die Fahrzeit aller S-Bahn-Linien. Zwischen Stuttgart Nord und Stuttgart Hbf verlängert sich die Fahrzeit voraussichtlich um ca. 1 Minute, zwischen Stuttgart-Bad Cannstatt und Stuttgart Hbf wegen des im Vergleich zur heutigen Linienführung entlang des Schlossgartens längeren Fahrweges voraussichtlich um ca. 1,5 bis 2 Minuten. 3 Landtag von Baden-Württemberg Drucksache 15 / 771 Diese Fahrtzeitverlängerung hat auf den Fahrplan aller sechs S-Bahn-Linien Auswirkungen. Wegen der bestehenden Mischbetriebsstrecken mit anderen Zügen (Herrenberg–Stuttgart-Rohr, Plochingen–Wendlingen, Waiblingen–Backnang, Waiblingen–Schorndorf) sowie der neu hinzukommenden Mischbetriebsstrecke Stuttgart Flughafen/Messe–Stuttgart-Rohr ist es notwendig, den geänderten Fahrplan für das S-Bahn-System zusammen mit dem Fahrplan für den Regional- und Fernverkehr zu planen. Vor dem Schlichtungsprozess wurden hierzu zwei Fahrplanvarianten erstellt. Eine sah die Beibehaltung des bisherigen Linienkonzeptes der S-Bahn vor, eine andere den „Linientausch“. Die Variante „Linientausch“ geht davon aus, dass statt der Linien S 1 bis S 3 neu die Linien S 4 bis S 6 die Streckenabschnitte südlich der Haltestelle Stuttgart Schwabstraße bedienen sollten. Dem Stresstest Stuttgart 21 liegt die Variante „Linientausch“ zugrunde. Die Fahrbarkeit von 49 Zügen in der Spitzenstunde („Stresstest“) hat die DB nur auf Basis der Variante S-Bahn- Linientausch nachgewiesen. Land, DB und Verband Region Stuttgart, der als Aufgabenträger für die S-Bahn Stuttgart den Linientausch auf der Basis eines entsprechenden Gremienbeschlusses ablehnt, sind sich jedoch einig, dass dies dennoch keine Vorfestlegung hinsichtlich einer Entscheidung für die Variante „Linientausch“ bedeutet. Für den Fall, dass das Projekt Stuttgart 21 fortgesetzt wird, planen Land, DB und VRS unter Einbeziehung der bei der Simulation im Rahmen des Stresstestes gewonnenen Erkenntnisse und auf Basis der Angebotskonzeption für das Jahr 2020 zu untersuchen, welche Linien- und Fahrplangestaltung im Großraum Stuttgart sowohl für die S-Bahn als auch für die anderen Züge des Nah- und Fernverkehrs möglich und sinnvoll ist. Dabei wird nicht nur die theoretische Fahrbarkeit eines Fahrplans sondern auch seine Stabilität im täglichen Betriebsablauf großes Gewicht haben. Bevor diese Untersuchungen abgeschlossen sind, kann die Landesregierung weder die unveränderte Führung der Linie S 1 von Kirchheim nach Herrenberg noch den Linientausch bestätigen oder dementieren. Vom Ergebnis dieser Untersuchungen und dem danach weiterverfolgten Fahrplankonzept wird abhängig sein, ob es Auswirkungen auf die Infrastruktur im Streckenabschnitt Wendlingen (Neckar)–Kirchheim (Teck) gibt. Zu den mög - lichen Auswirkungen eines Linientauschs wird auf die Beantwortung der Fragen 3 bis 7 verwiesen. 3. Wie bewertet sie die folgenden Aussagen der SMA und Partner AG im Schluss - bericht „Audit zur Betriebsqualitätsüberprüfung Stuttgart 21 – Schlussbericht“ vom 21. Juli 2011, wonach a) „die größte Abweichung bei der S 1 in Richtung Kirchheim unter Teck“ auftritt ? b) „die Eigenkreuzung der S-Bahn von Kirchheim-Ötlingen nach Kirchheim unter Teck verlegt werden soll“? c) „sich weitere Abfahrtsverspätungen im Modell beobachten lassen und zwar in Kirchheim unter Teck: 25 %, Durchschnitt 2 Minuten, maximal 15 Minuten “? a) Diese Aussage bezieht sich auf den Vergleich zwischen dem aktuellen Fahrplan und dem von der DB Netz AG für den Stresstest erstellten Fahrplan. Letzterer sieht zwischen Stuttgart Bad-Cannstatt und Kirchheim (Teck) eine Kürzung der Fahrzeit gegenüber dem heutigen Fahrplan von 4 Minuten in Richtung Kirchheim und 2 Minuten in Richtung Bad Cannstatt vor. In allen anderen Fällen gab es geringere Abweichungen, die im Regelfall 1 Minute Fahrzeit ausmachten. b) Der in der Antwort auf die Fragen 1 und 2 erwähnte erste Entwurf eines Fahrplans für die Variante Linientausch sah nicht die unter a) dargestellten Fahrzeitkürzungen vor, weshalb jeweils alle 30 Minuten eine Kreuzung von 2 Zügen der Linie S 1 im Bahnhof Kirchheim (Teck)-Ötlingen eingeplant war. Wegen der Reduzierung der Fahrzeiten beim Stresstestfahrplan um insgesamt Landtag von Baden-Württemberg Drucksache 15 / 771 4 6 Minuten für beide Fahrtrichtungen war es beim Stresstestfahrplan nun möglich , diese Kreuzung vom Bahnhof Kirchheim (Teck)-Ötlingen in den Bahnhof Kirchheim (Teck) zu verlegen. c) Eine Verkürzung von Fahrzeiten, wie sie der Stresstestfahrplan für den Stre - ckenabschnitt Stuttgart-Bad Cannstatt–Kirchheim (Teck) vorsah, bedeutet immer eine Erhöhung des Verspätungsrisikos bei Unregelmäßigkeiten. Deshalb führt die in diesem Fahrplan vorgesehene Kreuzung der S-Bahn-Züge im Bahnhof Kirchheim (Teck) mit einer Zeitdifferenz von nur 1 Minute zwischen der Ankunft des einen Zuges und der Abfahrt des anderen Zuges dazu, dass der Gegenzug in vielen Fällen bereits seinen Startbahnhof Kirchheim mit einer Verspätung verlässt. Eine weitergehende Bewertung der unter a) bis c) erläuterten Aussagen erfolgt im Zusammenhang der Beantwortung der Fragen 4 bis 6. 4. Wie steht sie dazu, dass die Aufenthaltsdauer der S-Bahn-Linie S 1 in Kirchheim unter Teck lediglich eine Minute betragen soll und dadurch eine „überschlagene Wende“, also der Einsatz von zwei Zügen erforderlich wird (mit Angabe, ob dies die Vorhaltung neuer Fahrzeugressourcen und weiterer Eisenbahninfrastruktur erforderlich macht und wer für die notwendigen Kosten aufkommt )? In Ergänzung zu den Erläuterungen zu Frage 3 betont die Landesregierung, dass bei den Planungen des Landes für die Angebotskonzeption 2020, unabhängig von der Frage der Realisierung von Stuttgart 21, die Stabilität des Fahrplans eine große Bedeutung besitzt. Die vorgesehenen Angebotsverbesserungen führen auf vielen Strecken mit unterschiedlich schnellen Zügen zu einer deutlichen Steigerung der Zugzahlen. Je dichter eine Strecke belegt ist, um so wichtiger ist es, dass die Fahrpläne genügend hohe Reserven beinhalten, damit kleinere Verspätungen im weiteren Verlauf der Zugfahrt wieder aufgeholt werden und nicht zu Ver - spätungen bei anderen Zügen führen. Vor dem Hintergrund der aktuellen – alles andere als befriedigenden – betrieblichen Lage der Stuttgarter S-Bahn während der Verkehrsspitze sieht die Landesregierung Fahrzeitkürzungen im Stuttgarter S-Bahn-Netz sehr kritisch, weil die akute Gefahr besteht, dass die dann nochmals zunehmenden Verspätungen über die Mischbetriebsstrecken auch die Pünktlichkeit des übrigen Zugverkehrs negativ beeinflussen. Generell kann – unabhängig von der Frage des vorgesehenen Linienkonzeptes – die geplante Haltestelle Mittnachtstraße dann zu einem erhöhten Fahrzeugbedarf führen, wenn die dadurch verursachte Fahrzeitverlängerung dazu führt, dass die Mindestwendezeit von 6 Minuten unterschritten wird. Sehr knappe Wendezeiten bestehen im heutigen Fahrplan im 15-Minuten-Takt unter anderem auf der Linie S 2 in Schorndorf und Filderstadt mit jeweils 8 Minuten, auf der Linie S 3 in Backnang mit 9 Minuten und in Stuttgart Flughafen/Messe mit 6 Minuten. 5. Welche Auswirkungen hat die unter Frage 4 skizzierte Situation auf die Infrastruktur , also die Anzahl der Gleisanlagen, Bahnsteige und barrierefreien Zugänge (bspw. Aufzüge) und Fahrkartenautomaten an der Verkehrsstation Kirchheim unter Teck und ggf. entlang der Strecke? Eine verbindliche Antwort auf diese Frage ist erst möglich, wenn die in der Antwort auf die Fragen 1 und 2 dargestellten Untersuchungsergebnisse vorliegen und eine Entscheidung für ein Fahrplankonzept getroffen wurde. Bei verschiedenen umsetzbaren Modellen müssen dabei jeweils die Gesamtkosten im gesamten S-Bahn-Netz betrachtet werden. Sollte als Ergebnis ein Fahrplankonzept umgesetzt werden, welches eine planmäßige Zugkreuzung in Kirchheim (Teck)-Ötlingen vorsieht, müsste zur weiteren Gewährleistung der Barrierefreiheit der Bahnsteig an Gleis 2 auf 96 cm erhöht werden und ein barrierefreier Zugang gewährleistet werden. Das Gleiche gilt für den Fall des Bahnhofes Kirchheim (Teck), wenn es dort zu einer regelmäßigen Nutzung des Gleises 3 käme. 5 Landtag von Baden-Württemberg Drucksache 15 / 771 6. Wie beurteilt sie die Sorge, dass durch die unter Frage 4 skizzierte „überschlagene Wende“ die Pünktlichkeit der S-Bahn im Raum Wendlingen am Neckar/ Kirchheim unter Teck verspätungsanfällig werden könnte, da die Strecke zwischen Wendlingen am Neckar und Kirchheim unter Teck eingleisig verläuft? Es wird auf die Beantwortung der Frage 4 verwiesen. 7. Welche Fahrzeitverkürzungen gibt es bei der Zugrundelegung der Planungen von Stuttgart 21 der Deutschen Bahn AG für die S 1 von den Stationen Böblingen und Stuttgart Universität nach Kirchheim unter Teck? Eine verbindliche Antwort auf diese Frage ist erst möglich, wenn die in der Antwort auf die Fragen 1 und 2 dargestellten Untersuchungsergebnisse vorliegen und eine Entscheidung für ein Fahrplankonzept getroffen wurde. Unter Berücksich - tigung der derzeit aktuellsten Planung – dem von der DB Netz AG für den Stresstest erstellten Fahrplan – würde sich die Fahrzeit von Böblingen nach Kirchheim (Teck) von heute 68 Minuten auf 72 Minuten während der Hauptverkehrszeit (15-Minuten-Takt) und auf 87 Minuten während der übrigen Betriebszeit ver - ändern. Zwischen Stuttgart Universität und Kirchheim (Teck) würde die Fahrzeit wegen der eingeplanten Fahrzeitverkürzung zwischen Bad Cannstatt und Kirchheim (Teck) trotz des notwendigen Umsteigens in Stuttgart Schwabstraße unverändert bei 54 Minuten liegen. Hermann Minister für Verkehr und Infrastruktur