Landtag von Baden-Württemberg 15. Wahlperiode Drucksache 15 / 7726 17. 11. 2015 1Eingegangen: 17. 11. 2015 / Ausgegeben: 18. 12. 2015 K l e i n e A n f r a g e Ich frage die Landesregierung: 1. Welche Erkenntnisse hat sie über das Wärmekonzept im Freiburger Baugebiet Gutleutmatten? 2. Inwiefern ist ihr bekannt, zu welchem Zeitpunkt und in welcher Weise den Betroffenen dort zu deren Entscheidungsfindung vom Versorger die exakte Höhe der Wärmepreise mitgeteilt wurde? 3. Welche Höhe haben nach ihrer Kenntnis die einzelnen Preisbestandteile, aus denen sich der Wärmepreis im genannten Baugebiet zusammensetzt? 4. Welche Wärmepreise zahlen Fernwärmekunden nach ihrer Kenntnis in anderen Stadtgebieten Freiburgs für den Wärmebezug (in €/kWh und in €/qm Wohnfläche )? 5. Inwiefern und auf welcher Grundlage sind nach ihrer Kenntnis die Wärmepreise im Baugebiet Gutleutmatten mit denen in anderen Quartieren der Stadt Freiburg vergleichbar? 6. Welche vertieften Erkenntnisse haben die Kartellbehörden des Landes über die unterschiedliche Preisgestaltung für Fernwärme in den Stadtgebieten Freiburgs ? 7. Welche Kosten sind den Betroffenen nach ihrer Kenntnis zusätzlich aufgrund von Verzögerungen, die von der Stadt zu verantworten sind, entstanden? 8. Welche Bestimmungen zu Bezug und Preis der Fernwärme sehen der Kaufvertrag und mit diesem in Zusammenhang stehende Unterlagen nach ihrer Kenntnis vor? Kleine Anfrage des Abg. Andreas Glück FDP/DVP und Antwort des Ministeriums für Umwelt, Klima und Energiewirtschaft Fern- und Nahwärme in Freiburg Drucksachen und Plenarprotokolle sind im Internet abrufbar unter: www.landtag-bw.de/Dokumente Der Landtag druckt auf Recyclingpapier, ausgezeichnet mit dem Umweltzeichen „Der Blaue Engel“. Landtag von Baden-Württemberg Drucksache 15 / 7726 2 9. Inwiefern hält sie die Preisgestaltung bzw. den Kaufvertrag für transparent? 10. Wie beurteilt sie vor diesem Hintergrund einen Anschlusszwang in energie - effizienten Neubaugebieten? 17. 11. 2015 Glück FDP/DVP A n t w o r t Mit Schreiben vom 11. Dezember 2015 Nr. 4-4452.89/99 beantwortet das Minis - terium für Umwelt, Klima und Energiewirtschaft die Kleine Anfrage wie folgt: 1. Welche Erkenntnisse hat sie über das Wärmekonzept im Freiburger Baugebiet Gutleutmatten? Für das im Stadtteil Haslach noch fußläufig zum Zentrum der Stadt Freiburg i. Br. gelegene Baugebiet Gutleutmatten ist als Wärmekonzept eine Kombination von Fernwärme mit solarer Wärme vorgesehen. Ziel ist es, durch die Einbindung von dezentralen solarthermischen Anlagen den Wärmebedarf im Sommer möglichst vollständig aus erneuerbarer Energie zu decken, sowie die Wärmeverteilverluste durch ein Abschalten des Wärmenetzes zu reduzieren. Hierfür sollen auf allen Gebäuden Sonnenkollektoranlagen installiert werden, die weitgehend eine vollständige Deckung des Wärmebedarfs im Sommer ermöglichen sollen. Der Betriebszustand aller dieser Anlagen soll zentral erfasst und in einer übergeordneten Steuerung ausgewertet werden. Die zentrale Steuerung soll über den jeweils optimalen Netzbetrieb entscheiden und das Abschalten und Hochfahren des Wärmenetzes regeln. Die badenova WÄRMEPLUS GmbH & Co. KG wird sowohl das Wärmenetz als auch die gesamten Hausanlagen (Kollektoren, Übergabestation, Wärmespeicher, Trinkwassererwärmung, Steuerung) errichten und betreiben. Das Fernwärmenetz Gutleutmatten wird verbunden mit einer bereits bestehenden Heiz zentrale und deren Abnehmern. Es soll überwiegend mit Wärme aus Kraft- Wärme-Kopplung betrieben werden. In der erwähnten Heizzentrale sind als Wärmeerzeuger ein Bioerdgas-Blockheizkraftwerk und eine Erdgas-Kesselanlage installiert. Die geplante Fernwärmeversorgung Gutleutmatten wird im Rahmen des 6. Energieforschungsprogramms der Bundesregierung gefördert. Koopera - tionspartner sind das Fraunhofer-Institut für Solare Energiesysteme ISE, die badenova WÄRMEPLUS GmbH & Co. KG und die Stadt Freiburg. 2. Inwiefern ist ihr bekannt, zu welchem Zeitpunkt und in welcher Weise den Betroffenen dort zu deren Entscheidungsfindung vom Versorger die exakte Höhe der Wärmepreise mitgeteilt wurde? Nach Auskunft der badenova WÄRMEPLUS GmbH & Co. KG wurden die zu erwartenden Wärmekosten von der Stadt Freiburg im Oktober 2013 allen Interessenten mit dem Exposé zur Vermarktung der Grundstücke mitgeteilt. Das detaillierte Preisblatt mit Angaben zu Grundpreis, Leistungspreis, Arbeitspreis, und Preisänderungsbedingungen sei den Erwerbern bzw. den Interessenten am 18. Au - gust 2015 in einer Informationsveranstaltung vorgestellt worden. Das Preisblatt sei aufgrund eines Vorschlags aus dem Kreis der Baugruppen mit dem Ziel eines höheren verbrauchsabhängigen Preisanteils nochmals überarbeitet und den Er - werbern am 9. November 2015 in einer weiteren Informationsveranstaltung vorgestellt worden. 3 Landtag von Baden-Württemberg Drucksache 15 / 7726 3. Welche Höhe haben nach ihrer Kenntnis die einzelnen Preisbestandteile, aus denen sich der Wärmepreis im genannten Baugebiet zusammensetzt? Laut dem aktuell geltenden Preisblatt der badenova WÄRMEPLUS GmbH & Co. KG für das Versorgungsgebiet Gutleutmatten sind folgende Bruttopreise bzw. Preisbestandteile vorgesehen: Jahresgrundpreis pro m²*: 3,62 Euro/m²/a Jahresgrundpreis Solar pro m²*: 3,13 Euro/m²/a Leistungspreis**: 10,99 Euro/kW/a Arbeitspreis Wärme***: 6,59 Cent/kWh * Nach dem Preisblatt ist der Grundpreis das von der gelieferten Wärmemenge unabhängige Entgelt für die Wärmebereitstellung, abhängig von der maximal zulässigen Geschossfläche des Grundstücks gemäß Ziffer 1 a) des Wärmeversorgungsvertrags . ** Der Leistungspreis ist danach das von der gelieferten Wärmemenge unabhängige Entgelt für die an der Übergabestelle bereitgestellte Heizwärmeleistung gemäß Ziffer 1 b) des Wärmeversorgungsvertrags. *** Der Arbeitspreis ist schließlich das Entgelt für die tatsächlich gelieferte Wärmemenge , die an der Übergabestelle gemessen wird. Laut dem Preisblatt verändert sich der „Grundpreis, Arbeitspreis und der Leistungspreis zum 1. Januar eines Jahres“. Hierfür sieht das Preisblatt Preisänderungsformeln vor. Zusätzlich werden Baukostenzuschüsse und weitere direkte oder indirekte Einmalzahlungen etwa für den Hausanschluss und die Versorgungsanlagen beim Kunden einschließlich der Kollektoren verlangt. Darunter ist auch ein Investi - tionszuschuss „Energieeffizienz“. 4. Welche Wärmepreise zahlen Fernwärmekunden nach ihrer Kenntnis in anderen Stadtgebieten Freiburgs für den Wärmebezug (in €/kWh und in €/qm Wohnfläche)? Die Wärmepreise aller Versorgungsgebiete im Stadtgebiet Freiburg werden von der Energiekartellbehörde Baden-Württemberg nicht systematisch erfasst. Unter Zugrundelegung eines typischen Gebäudes gleicher Größe ergibt sich nach Mitteilung der badenova WÄRMEPLUS GmbH & Co. KG für ihre Versorgungsgebiete Rieselfeld, Vauban und Gutleutmatten jedoch folgender Wärme - kostenvergleich (Vollkostenrechnung): Landtag von Baden-Württemberg Drucksache 15 / 7726 4 Quelle: badenova WÄRMEPLUS GmbH & Co. KG Nach den vorstehenden Angaben der badenova Wärmeplus GmbH & Co. KG ergeben sich damit für die dargestellten Abnahmefälle folgende Bruttopreise: 5. Inwiefern und auf welcher Grundlage sind nach ihrer Kenntnis die Wärme - preise im Baugebiet Gutleutmatten mit denen in anderen Quartieren der Stadt Freiburg vergleichbar? Zum Preisvergleich wird auf den vorstehenden Wärmekostenvergleich unter Ziffer 4 verwiesen. Nähere Erkenntnisse zu den strukturellen Unterschieden und zur Vergleichbarkeit der Wärmepreise der verschiedenen Netzgebiete der Stadt Freiburg liegen der Energiekartellbehörde Baden-Württemberg nicht vor. Grundsätzlich können jedoch unterschiedliche strukturelle Gegebenheiten ein Grund für Preisunterschiede sein. Ein hier zu berücksichtigender Aspekt ist insoweit die Auslastung in den Absatzgebieten, da sich bei geringerer Auslastung die fixen Kosten stärker bemerkbar machen. Ein vergleichsweise niedriger Fernwärme - bedarf im Fernwärmeversorgungsgebiet Gutleutmatten ist mit hoher Wahrscheinlichkeit ein Grund für die oben dargestellten höheren Wärmekosten pro kWh im Versorgungsgebiet Gutleutmatten. Nach Auskunft der badenova WÄRMEPLUS GmbH & Co. KG beabsichtigt inzwischen die Stadt Freiburg, die Wärmepreise in Gutleutmatten von einem Gutachter auf ihre Angemessenheit hin überprüfen zu lassen, mit den Daten des Energiekonzepts zu vergleichen und in ihrer Gesamtheit zu bewerten. Die badenova WÄRMEPLUS GmbH & Co. KG habe gegenüber der Stadt Freiburg bereits zugesichert , dem Gutachter hierzu sämtliche notwendige Angaben offen zu legen. €/kWh €/m2 beheizte Wohnfläche/a Rieselfeld/NEH 0,127 10,83 Vauban/NEH 0,142 12,03 Gutleutmatten/FR55 0,211 11,60 5 Landtag von Baden-Württemberg Drucksache 15 / 7726 Schon weil sich das Baugebiet Gutleutmatten zurzeit offenbar erst in einer frühen Bauphase befindet, sieht die Energiekartellbehörde Baden-Württemberg derzeit keine Veranlassung für eine kartellbehördliche Missbrauchsprüfung der Wärmepreise in Gutleutmatten, da es sich bei der kartellbehördlichen Missbrauchsprüfung der Preise grundsätzlich um eine kartellrechtliche Preismissbrauchsaufsicht ex post handelt. So kann etwa eine kartellbehördliche Kostenprüfung des Versorgungsunternehmens zur Feststellung, ob missbräuchlich überhöhte Preise verlangt werden, sinnvollerweise erst auf Basis von Ist-Daten erfolgen. 6. Welche vertieften Erkenntnisse haben die Kartellbehörden des Landes über die unterschiedliche Preisgestaltung für Fernwärme in den Stadtgebieten Freiburgs ? Auf die Ausführungen zu Frage 4 und 5 wird verwiesen. Darüber hinausgehende vertiefte Erkenntnisse über die Fernwärmepreisgestaltung in den Stadtgebieten Freiburgs liegen der Energiekartellbehörde Baden-Württemberg nicht vor. 7. Welche Kosten sind den Betroffenen nach ihrer Kenntnis zusätzlich aufgrund von Verzögerungen, die von der Stadt zu verantworten sind, entstanden? Hierüber liegen dem Ministerium für Umwelt, Klima und Energiewirtschaft Baden -Württemberg keine Kenntnisse vor. 8. Welche Bestimmungen zu Bezug und Preis der Fernwärme sehen der Kaufvertrag und mit diesem in Zusammenhang stehende Unterlagen nach ihrer Kenntnis vor? Nach Angaben der badenova WÄRMEPLUS GmbH & Co. KG werden die Käufer im Baugebiet Gutleutmatten durch den Grundstückskaufvertrag verpflichtet, Fernwärme von der badenova WÄRMEPLUS GmbH & Co. KG abzunehmen. Diese Verpflichtung werde durch eine im Grundbuch einzutragende Dienstbarkeit gesichert, sodass sie dauerhaft für jeden Grundstückseigentümer gelte. Diese Dienstbarkeiten für die Wärmeversorgung seien jedoch schuldrechtlich an das Bestehen eines Wärmeversorgungsvertrags gekoppelt. Daher seien diese Dienstbarkeiten nach Ende des Wärmeversorgungsvertrags zu löschen. Dies sei durch eine explizite Ergänzung im Grundstückskaufvertrag klargestellt. In den Bezugsurkunden zum Grundstückskaufvertrag sind folgende Bestimmungen zum Bezug und zum Preis der Fernwärme enthalten: – § 2 Versorgungspflicht badenovaWÄRMEPLUS, Abnahme- und Zahlungspflicht Erwerber, Regelung bei Vertragsende – Anlage 2 a Umfang und Bedingungen der Wärmeversorgung – Anlage 2 b Ergänzende Bedingungen für die Versorgung mit Fernwärme – Anlage 2 c Muster-Wärmeversorgungsvertrag mit Preisblatt 9. Inwiefern hält sie die Preisgestaltung bzw. den Kaufvertrag für transparent? Der Energiekartellbehörde Baden-Württemberg liegt das „Preisblatt für die Fernwärmelieferung in Freiburg Gutleutmatten“ und die als „Ergänzende Bedingungen für die Versorgung mit Fernwärme“ bezeichneten Bestimmungen u. a. bezüglich des zu entrichtenden Baukostenzuschusses und der Hausanschlusskosten vor. Die Preisgestaltung erscheint danach nachvollziehbar, auch wenn zum Teil eine nähere Befassung mit den Bezugsgrößen, etwa der Preisänderungsformel, erforderlich sein wird. Im Übrigen gilt daneben verbraucherschützend die Verordnung über die allgemeinen Bedingungen für die Versorgung mit Fernwärme (AVB- FernwärmeV). Landtag von Baden-Württemberg Drucksache 15 / 7726 6 10. Wie beurteilt sie vor diesem Hintergrund einen Anschlusszwang in energie - effizienten Neubaugebieten? Für eine Gemeinde kann der Anschlusszwang ein Mittel sein, um eine verlässliche Kalkulationsgrundlage für den Aufbau eines preislich vertretbaren Wärmenetzes zu bekommen. Dabei muss bei energieeffizienten Neubaugebieten aber auch sonst jeweils im Einzelfall beurteilt werden, ob beim zu erwartenden Wärmebedarf die netzgebundene Wärme zu angemessenen Preisen angeboten werden kann. Neu oder weitgehend neu errichtete Wärmeversorgungsnetze können im Hinblick auf die Kosteneffizienz bei sehr geringem Wärmebedarf allerdings an die Grenzen ihrer Wirtschaftlichkeit stoßen. Dabei ist aber bei allen Heizsystemen zu beachten, dass bei abnehmendem Wärmebedarf zwar tendenziell die Wärme - erzeugungskosten sinken, der spezifische Preis pro Kilowattstunde aber in Abhängigkeit vom Verhältnis Fix- zu variablen Kosten in der Regel steigt. Die Beurteilung und Entscheidung wird letztlich der Kommune und ihren Gremien vorbehalten sein. Ergänzend hierzu wird auf die Ausführungen des Ministeriums für Umwelt, Klima und Energiewirtschaft zum Antrag der Abg. Andreas Glück u. a. FDP/DVP – Nah- und Fernwärmenetze aus Verbrauchersicht (Drucksache 15/6149, zu Frage 4) verwiesen. Untersteller Minister für Umwelt, Klima und Energiewirtschaft