Landtag von Baden-Württemberg 15. Wahlperiode Drucksache 15 / 7728 17. 11. 2015 1Eingegangen: 17. 11. 2015 / Ausgegeben: 18. 12. 2015 K l e i n e A n f r a g e Ich frage die Landesregierung: 1. Wie weit ist nach ihrer Kenntnis aktuell der Planungsstand für die Errichtung einer Biogutvergärungsanlage in Bietigheim-Bissingen fortgeschritten? 2. Inwiefern ist ihr bekannt, welche Formen der freiwilligen und verpflichtenden Bürger- und Öffentlichkeitsbeteiligung im weiteren Verfahren vorgesehen sind (unter Angabe des Zeitplans)? 3. Inwieweit treffen nach ihrer Kenntnis Verlautbarungen zu, dass das Betreiberkonsortium bei der Wirtschaftlichkeitsberechnung der mit einer Kapazität von 48.000 Tonnen pro Jahr geplanten Anlage von einer Biogutmindestmenge von 40.000 Tonnen pro Jahr ausgeht? 4. Wie haben sich die Volumina der Erfassung von Bioabfall und Grüngut im Landkreis Ludwigsburg nach ihrer Kenntnis in den vergangenen zehn Jahren entwickelt (Angabe jeweils für Bioabfall und Grüngut in Tonnen pro Jahr)? 5. Inwieweit können auch erhöhte Störstoffanteile im anfallenden Biogut per Sieb, Filter und Magnet hinreichend rückstandsfrei entfernt werden, um eine ökologisch und gesundheitlich unbedenkliche Weiterverwertung der Gärreste in der regionalen Land- und Gartenbauwirtschaft sicherzustellen? 6. Inwieweit wirken sich erhöhte Störstoffanteile im genutzten Biogut auf die Wirtschaftlichkeit des Betriebs von Biogutvergärungsanlagen aus? 7. Inwieweit wurde nach ihrer Kenntnis, gegebenenfalls auch unter Berücksichtigung der zu erwartenden Auswirkungen der aktuellen Novellierung der Düngemittelverordnung , bei den Planungen für die Errichtung einer Biogutvergärungsanlage in Bietigheim-Bissingen eine Marktanalyse des Düngemittelund Kompostbedarfs der regionalen Land- und Gartenbauwirtschaft hinreichend berücksichtigt? Kleine Anfrage des Abg. Andreas Glück FDP/DVP und Antwort des Ministeriums für Umwelt, Klima und Energiewirtschaft Pläne für Biogutvergärung im Landkreis Ludwigsburg Drucksachen und Plenarprotokolle sind im Internet abrufbar unter: www.landtag-bw.de/Dokumente Der Landtag druckt auf Recyclingpapier, ausgezeichnet mit dem Umweltzeichen „Der Blaue Engel“. Landtag von Baden-Württemberg Drucksache 15 / 7728 2 8. Welche Erkenntnisse hat sie über die jeweilige Bedeutung der Erlösbereiche Strom, Wärme, Gas, Kompost und Flüssigdünger für die Wirtschaftlichkeit des Gesamtbetriebs derartiger Anlagen im Allgemeinen und in Bietigheim- Bissingen im Besonderen? 9. Welche Auswirkungen auf Biogutvergärungsanlagen mit einer elektrischen Leistung, die jener der in Bietigheim-Bissingen geplanten Anlage entspricht, erwartet sie im Zuge der von der Bundesregierung bereits für das Frühjahr 2016 angekündigten Änderung des Erneuerbare-Energien-Gesetzes bei den Vergütungsregelungen für Strom aus Biomasse? 10. Welche Erkenntnisse hat sie über die bisherige Wirtschaftlichkeit der bestehenden Biogutvergärungsanlagen im Landkreis Freudenstadt und im Rems- Murr-Kreis? 17. 11. 2015 Glück FDP/DVP A n t w o r t Mit Schreiben vom 11. Dezember 2015 Nr. 25-8981.30/75 beantwortet das Minis - terium für Umwelt, Klima und Energiewirtschaft die Kleine Anfrage wie folgt: 1. Wie weit ist nach ihrer Kenntnis aktuell der Planungsstand für die Errichtung einer Biogutvergärungsanlage in Bietigheim-Bissingen fortgeschritten? Für die Bioabfallvergärungsanlage, die im Steinbruch Fink in Bietigheim-Bissingen errichtet werden soll, ist die Aufstellung eines Bebauungsplans erforderlich. Über die Aufstellung wird nach Kenntnis des Umweltministeriums am 15. Dezember 2015 im Gemeinderat beraten. Die Nachnutzungskonzeption für den Steinbruch Fink sieht eine Weiternutzung durch vorhandene Betriebe (Betonwerk , Asphaltmischwerk) und die Unterbringung der Bioabfallvergärungsanlage mit einem angegliederten Häckselplatz vor. Dazu sollen Sondergebiete ausgewiesen werden. Zur frühzeitigen Abklärung der Planungsvoraussetzungen fand Anfang Dezember 2015 ein Scoping-Termin statt, zu dem die Stadt Bietigheim-Bissingen eingeladen hatte. Nach derzeitigem Stand soll der immissionsschutzrechtliche Genehmigungsantrag voraussichtlich im März/April 2016 beim zuständigen Regierungspräsidium Stutt - gart eingereicht werden. Die gesetzliche Frist für die Dauer des Genehmigungsverfahrens (ab Vollständigkeit der Antragsunterlagen) beträgt sieben Monate. 2. Inwiefern ist ihr bekannt, welche Formen der freiwilligen und verpflichtenden Bürger- und Öffentlichkeitsbeteiligung im weiteren Verfahren vorgesehen sind (unter Angabe des Zeitplans)? Das Regierungspräsidium Stuttgart wies das Betreiberkonsortium, das die Bio - abfallvergärungsanlage betreiben soll, im April 2015 auf die Formen der Öffentlichkeitsbeteiligung nach der Verwaltungsvorschrift der Landesregierung zur Intensivierung der Öffentlichkeitsbeteiligung in Planungs- und Zulassungsverfahren (VwV Öffentlichkeitsbeteiligung) und nach dem Umweltverwaltungsgesetz (UVwG) hin. Darüber hinaus wirkte das Regierungspräsidium Stuttgart darauf hin, eine frühe sowie eine nichtförmliche Öffentlichkeitsbeteiligung durch den Vorhabenträger im Sinne dieser Vorschriften durchzuführen. Der Vorhabenträger teilte im Mai 2015 mit, dass die Öffentlichkeit im Rahmen des Bebauungsplanverfahrens beteiligt werden soll. 3 Landtag von Baden-Württemberg Drucksache 15 / 7728 Das immissionsschutzrechtliche Genehmigungsverfahren ist, wie gesetzlich vorgeschrieben , unter Beteiligung der Öffentlichkeit (Öffentliche Bekanntmachung des Vorhabens, Auslegung des Antrags und der vorgelegten Unterlagen) durchzuführen . Der Zeitpunkt der Öffentlichkeitsbeteiligung entscheidet sich nach Antragstellung . Sie findet statt, sobald feststeht, dass die Antragsunterlagen auslegungsfähig (vollständig) sind. Nach § 6 Absatz 2 Satz 1 Nr. 2 Umweltverwaltungsgesetz (UVwG) soll im Genehmigungsverfahren anerkannten Umwelt- und Naturschutzvereinigungen ein Hinweis auf die Möglichkeit zur Stellungnahme oder Erhebung von Einwendungen gegeben werden, soweit sie durch das Vorhaben in ihrem satzungsgemäßen Aufgabenbereich berührt werden. Nach § 5 Landesabfallgesetz (LAbfG) in Verbindung mit § 49 Naturschutzgesetz (NatSchG) ist einer vom Land anerkannten Naturschutzvereinigung Gelegenheit zur Äußerung und zur Einsicht in die einschlägigen Sachverständigengutachten zu geben (soweit es sich um ein Vorhaben handelt, das mit Eingriffen in Natur und Landschaft verbunden ist). 3. Inwieweit treffen nach ihrer Kenntnis Verlautbarungen zu, dass das Betreiberkonsortium bei der Wirtschaftlichkeitsberechnung der mit einer Kapazität von 48.000 Tonnen pro Jahr geplanten Anlage von einer Biogutmindestmenge von 40.000 Tonnen pro Jahr ausgeht? Gegenüber dem Regierungspräsidium Stuttgart nannte das Betreiberkonsortium die gleichen wie in der Frage genannten Zahlen zur Kapazität der geplanten Biogutvergärungsanlage (48.000 Tonnen pro Jahr) und zur Biogutmindestmenge (40.000 Tonnen pro Jahr). Inwieweit diese Mengenangaben im weiteren Verlauf des Genehmigungsverfahrens beibehalten werden, entzieht sich der Kenntnis des Umweltministeriums. 4. Wie haben sich die Volumina der Erfassung von Bioabfall und Grüngut im Landkreis Ludwigsburg nach ihrer Kenntnis in den vergangenen zehn Jahren entwickelt (Angabe jeweils für Bioabfall und Grüngut in Tonnen pro Jahr)? Die Angaben zum Bioabfallaufkommen im Landkreis Ludwigsburg von 2005 bis 2014, aufgeteilt in Grünabfälle (Garten- und Parkabfälle) und Abfälle aus der Biotonne sind in der folgenden Tabelle 1 aufgeführt. Tabelle 1: Aufkommen an getrennt erfassten Grünabfällen und Abfällen aus der Biotonne im Landkreis Ludwigsburg 2005 bis 2014 Quelle: Abfallbilanz Baden-Württemberg Jahr Grünabfälle Abfälle aus der Biotonne Tonnen 2005 52.407 24.631 2006 45.578 24.105 2007 45.893 22.740 2008 49.759 21.986 2009 55.966 22.254 2010 48.378 21.271 2011 51.811 21.734 2012 53.228 21.800 2013 50.757 22.620 2014 54.785 22.519 Landtag von Baden-Württemberg Drucksache 15 / 7728 4 5. Inwieweit können auch erhöhte Störstoffanteile im anfallenden Biogut per Sieb, Filter und Magnet hinreichend rückstandsfrei entfernt werden, um eine ökologisch und gesundheitlich unbedenkliche Weiterverwertung der Gärreste in der regionalen Land- und Gartenbauwirtschaft sicherzustellen? Um eine effiziente Störstoffabscheidung zu erzielen, werden die häuslichen Bioabfälle in der Regel vor der Vergärung aufbereitet. In den meisten Fällen besteht dieser Verfahrensschritt aus einer Zerkleinerungseinheit mit anschließender Siebung sowie einem Überbandmagneten. Mithilfe des Überbandmagneten werden nahezu alle magnetisierbaren Metalle aus dem Bioabfall separiert. Durch die Siebung wird das Grobkorn (üblicherweise > 80 mm), das einen Großteil der Störstoffe enthält, abgeschieden und ausgeschleust. Eine weitere Störstoffentnahme findet bei Bioabfallvergärungsanlagen meist nach der Vergärungsstufe bei der Entwässerung (fest-flüssig-Separation) des Gärrests statt. Die noch im Gärrest enthaltenen Störstoffe verbleiben nahezu ausschließlich im festen Anteil. Dieser wird nach einem Nachrotteprozess gesiebt und dadurch auf die gewünschten Kompostqualitäten und -körnungen konfektioniert. Hierbei werden noch vorhandene Störstoffe vom Kompost abgetrennt und Fertigkom - poste erzeugt. Bei Bedarf kann der Kompost durch Windsichter zur weiteren Kunststoffauslese oder Wirbelstromabscheider für Nichteisenmetalle zusätzlich konfektioniert werden. Ein erhöhter Störstoffanteil im anfallenden Bioabfall kann mit technischen Maßnahmen hinreichend reduziert werden, was jedoch mit einem erhöhten materiellen Aufwand einhergeht. Unabhängig davon zeigen Erfahrungen von zahlreichen Stadt- und Landkreisen, dass der Störstoffanteil im anfallenden Bioabfall durch eine geeignete Öffentlichkeitsarbeit verringert werden kann. Dadurch lassen sich auch im städtischen Umfeld gute Qualitäten des Bioabfalls erzielen. 6. Inwieweit wirken sich erhöhte Störstoffanteile im genutzten Biogut auf die Wirtschaftlichkeit des Betriebs von Biogutvergärungsanlagen aus? Ein erhöhter Störstoffgehalt verschlechtert den wirtschaftlichen Betrieb von Bioabfallvergärungsanlagen , da dieser einen zusätzlichen finanziellen Aufwand für die Störstoffauslese sowie die Störstoffentsorgung zur Folge hat. Weil die Wirtschaftlichkeit des Betriebs von Bioabfallvergärungsanlagen von unterschiedlichen Randbedingungen abhängt und dem Umweltministerium keine belastbaren Zahlen dazu vorliegen, kann keine allgemeingültige Aussage zu den wirtschaftlichen Auswirkungen getroffen werden. 7. Inwieweit wurde nach ihrer Kenntnis, gegebenenfalls auch unter Berücksichtigung der zu erwartenden Auswirkungen der aktuellen Novellierung der Düngemittelverordnung , bei den Planungen für die Errichtung einer Biogutvergärungsanlage in Bietigheim-Bissingen eine Marktanalyse des Düngemittelund Kompostbedarfs der regionalen Land- und Gartenbauwirtschaft hinreichend berücksichtigt? Ob oder inwieweit eine Marktanalyse des Düngemittel- und Kompostbedarfs der regionalen Land- und Gartenbauwirtschaft bei den Planungen für die Errichtung der Bioabfallvergärungsanlage berücksichtigt wurde, entzieht sich der Kenntnis des Umweltministeriums. Dem Umweltministerium ist jedoch bekannt, dass zu dem Betreiberkonsortium ein Zusammenschluss von landwirtschaftlichen Betrieben , die eine Biogasanlage betreiben, gehört. 5 Landtag von Baden-Württemberg Drucksache 15 / 7728 8. Welche Erkenntnisse hat sie über die jeweilige Bedeutung der Erlösbereiche Strom, Wärme, Gas, Kompost und Flüssigdünger für die Wirtschaftlichkeit des Gesamtbetriebs derartiger Anlagen im Allgemeinen und in Bietigheim-Bissingen im Besonderen? Die Organisationshoheit bei der Verwertung von Bioabfällen obliegt den öffentlich -rechtlichen Entsorgungsträgern. Deshalb liegen dem Umweltministerium hierzu keine belastbaren Zahlen vor. 9. Welche Auswirkungen auf Biogutvergärungsanlagen mit einer elektrischen Leistung, die jener der in Bietigheim-Bissingen geplanten Anlage entspricht, erwartet sie im Zuge der von der Bundesregierung bereits für das Frühjahr 2016 angekündigten Änderung des Erneuerbare-Energien-Gesetzes bei den Vergütungsregelungen für Strom aus Biomasse? Nach derzeitigem Kenntnisstand soll die Förderung für die Stromerzeugung aus erneuerbaren Energien wettbewerblich durch Ausschreibungen ermittelt werden. Bei Biomasse (inklusive Bioabfall) wird allerdings eine Ausschreibung allein für neue Anlagen wegen der begrenzten Potenziale für nicht sinnvoll gehalten. Deshalb wird vom Bundesministerium für Wirtschaft und Energie aktuell geprüft, inwieweit eine gemeinsame Ausschreibung für neue, bestehende und erweiterte Biomasseanlagen entwickelt werden kann. Zusätzlich gab es Hinweise aus dem Bundesministerium für Wirtschaft und Energie , dass die Förderung von Bioabfallvergärungsanlagen (§ 45 Erneuerbare-Energien -Gesetz – EEG 2014) mit Hinweis auf die De-minimis-Regelung der EU- Leitlinien für staatliche Umweltschutz- und Energiebeihilfen 2014 bis 2020 (2014/C 200/01) ohne Ausschreibung weitergeführt werden kann. In Randnummer 127 wird dort für Anlagen mit einer installierten Stromerzeugungskapazität von weniger als 1 Megawatt die Möglichkeit eingeräumt, Beihilfen ohne Ausschreibung zu gewähren. Das Umweltministerium geht deshalb davon aus, dass Bioabfallvergärungsanlagen bis zu einer installierten elektrischen Leistung von 1 Megawatt auch in Zukunft nach den Vorgaben des EEG 2014 vergütet werden. Über die geplante Vorgehensweise für Anlagen größer 1 Megawatt liegen derzeit noch keine Kenntnisse vor. Da die Anlage in Bietigheim-Bissingen voraussichtlich mehr als 1 Megawatt Leistung haben wird, gilt dies auch für die geplante Anlage, wenn Strom nach den Vorgaben des Erneuerbare-Energien-Gesetzes ins Netz eingespeist werden soll. 10. Welche Erkenntnisse hat sie über die bisherige Wirtschaftlichkeit der bestehenden Biogutvergärungsanlagen im Landkreis Freudenstadt und im Rems- Murr-Kreis? Aufgrund der Organisationshoheit der öffentlich-rechtlichen Entsorgungsträger liegen dem Umweltministerium keine Daten zur Wirtschaftlichkeit von Bioabfallvergärungsanlagen vor. Allerdings konnte im Land in mehreren Landkreisen nach Inbetriebnahme der Bioabfallvergärungsanlagen die Abfallgebühr gesenkt werden. Untersteller Minister für Umwelt, Klima und Energiewirtschaft