Landtag von Baden-Württemberg 15. Wahlperiode Drucksache 15 / 7838 07. 12. 2015 1Eingegangen: 07. 12. 2015 / Ausgegeben: 21. 01. 2016 K l e i n e A n f r a g e Ich frage die Landesregierung: 1. Müssen die für die Spitzenstunden zwischen 6.00 Uhr und 9.00 Uhr morgens zugesagten zusätzlichen (d. h. über den Halbstundentakt hinausgehenden) Metropolexpresse (ME) auf der Neckar-Alb-Bahn vom Land in Form von Zubestellungen bestellt werden? 2. Wie viele Sitzplätze hat derzeit ein auf dieser Strecke fahrender fünfteiliger Doppelstöcker der Bahn AG? 3. Wie viele Sitzplätze hat zukünftig ein sechsteiliger ME vom Typ Talent 2 auf dieser Strecke? 4. Ist es korrekt, dass bei der Ausschreibung für die Spitzenstunden ein Stehplatzanteil von einem Drittel der Fahrgäste vorgegeben wurde? 5. Wie wird gewährleistet, dass ein in Nürtingen einsteigender Pendler in den Spitzenstunden nur maximal 15 Minuten stehen muss? 6. In welcher Form wurden die wegfallenden Regionalbahnen (RB) und gegebenenfalls ME auf dieser Strecke bei der Platzkapazität in den Spitzenstunden bei den verbleibenden ME berücksichtigt? 7. Warum sind auf dieser Strecke keine siebenteiligen Züge vom Typ Talent 2 vorgesehen? 8. In welcher Form sind Sanktionen vorgesehen, wenn Züge deutlich verspätet sind oder ganz ausfallen? 02. 12. 2015 Kunzmann CDU Kleine Anfrage des Abg. Thaddäus Kunzmann CDU und Antwort des Ministeriums für Verkehr und Infrastruktur Müssen Pendler zukünftig in der Neckar-Alb-Bahn stehen? Drucksachen und Plenarprotokolle sind im Internet abrufbar unter: www.landtag-bw.de/Dokumente Der Landtag druckt auf Recyclingpapier, ausgezeichnet mit dem Umweltzeichen „Der Blaue Engel“. Landtag von Baden-Württemberg Drucksache 15 / 7838 2 B e g r ü n d u n g Bei der Ausschreibung gewann mit Abellio erstmals ein holländisches Unternehmen die Ausschreibung der Neckar-Alb-Bahn. Das Ergebnis lässt hoffen, dass es zwar – was bei neuen Fahrzeugen sicherlich vorausgesetzt werden kann – modernere Züge gibt als bisher. Viele Pendler, die jedoch in den frequenzstarken Zeiten die Züge nutzen, haben zukünftig nur noch einen Stehplatz, was eine deutliche Komfortverschlechterung darstellt. A n t w o r t Mit Schreiben vom 7. Januar 2016 Nr. 3-3822.0-00/1707 beantwortet das Ministerium für Verkehr und Infrastruktur die Kleine Anfrage wie folgt: 1. Müssen die für die Spitzenstunden zwischen 6.00 Uhr und 9.00 Uhr morgens zugesagten zusätzlichen (d. h. über den Halbstundentakt hinausgehenden) Metropolexpresse (ME) auf der Neckar-Alb-Bahn vom Land in Form von Zubestellungen bestellt werden? Nein, die über den Halbstundentakt hinausgehenden Züge waren bereits Bestandteil im Vergabeverfahren für das Netz 1 „Stuttgarter Netze“. 2. Wie viele Sitzplätze hat derzeit ein auf dieser Strecke fahrender fünfteiliger Doppelstöcker der Bahn AG? Gegenüber der heutigen Situation verbessert sich das zukünftige Angebot auf der Strecke erheblich. So werden Neufahrzeuge eingesetzt, die klimatisiert und barrierefrei sind, komfortable Sitzgarnituren aufweisen, über W-LAN verfügen u. v. m. Gleichzeitig wird ein ausreichendes Sitzplatzangebot vorgesehen. Sollten die Fahr gastzahlen steigen, kann nachgesteuert werden (s. u.). Auf der Strecke werden heute nicht nur Doppelstockwagen, sondern auch andere Zuggarnituren mit sogenannten n-Wagen („Silberlinge“) eingesetzt. Diese sehr alten, unkomfortablen Fahrzeuge werden schon in den Übergangsverträgen sukzessive ersetzt. Diese n-Wagen bieten rund 500 Sitzplätze, während ein aus vier Doppelstockmittelwagen und einem Doppelstocksteuerwagen bestehender Zug auf dieser Strecke derzeit rund 600 Sitzplätze bietet. Die Auswertung der Reisendenzahlen zeigt, dass die Maximalkapazität nur bei zwei Zügen am Morgen und auf einzelnen Abschnitten erforderlich ist. Bis 6:35 Uhr und ab 7:30 Uhr beläuft sich der Kapazitätsbedarf auf 300 bzw. 400 Sitzplätze . Die angebotenen Maximalkapazitäten sind auch nachmittags nur bei einzelnen Zügen und auf einzelnen Abschnitten erforderlich. Heute wird umlaufbedingt oftmals nur eine Zugeinheit über den ganzen Tag eingesetzt , obwohl in den Nebenverkehrszeiten die Hälfte der Kapazität ausreichen würde. Zukünftig orientiert sich der Fahrzeugeinsatz aus wirtschaftlichen und ökologischen Gründen stärker an der Nachfrage, d. h. je nach Bedarf wird in Einfach - oder Doppeltraktion gefahren. Bei Fahrgastzuwächsen können somit die Kapazitäten gezielt aufgestockt werden (siehe Antwort zu Frage 5). Man sieht daher , dass das gewählte Ausschreibungsdesign im Unterschied zur heutigen Situation des „Großen Verkehrsvertrages“ eine differenzierte Steuerung des Platzangebotes entsprechend der Nachfrage ergibt. Hieraus eine Verknappung des Sitzplatzangebotes abzuleiten, ist unzulässig. 3 Landtag von Baden-Württemberg Drucksache 15 / 7838 3. Wie viele Sitzplätze hat zukünftig ein sechsteiliger ME vom Typ Talent 2 auf dieser Strecke? Sechsteilige Triebwagen sind auf dieser Strecke nicht vorgesehen. Vorgesehen sind Doppeltraktionen aus drei- und fünfteiligen Triebwagen. Eine Doppeltrak - tion aus zwei fünfteiligen Triebwagen hat 546 Sitzplätze, die nur bei fünf Zügen am Tag in einzelnen Abschnitten erforderlich ist. 4. Ist es korrekt, dass bei der Ausschreibung für die Spitzenstunden ein Stehplatzanteil von einem Drittel der Fahrgäste vorgegeben wurde? Nein. Vorgegeben wurde eine konkrete Sitzplatzanzahl. Die Vorgabe ergibt sich aus den verfügbaren Fahrgastzählungen und Prognosen für die Fahrgaststeigerung . Dabei wurden rechnerisch für das Prognosejahr 2025 Stehplätze lediglich in einzelnen Zügen der Spitzenstunde unterstellt, wobei kein Fahrgast länger als 15 Minuten stehen darf. Generell ist darauf hinzuweisen, dass die Investitionskosten in Fahrzeuge ein ganz wesentlicher Kostenfaktor im öffentlichen Verkehr sind. Die Bereitstellung von Sitzplatzkapazitäten auch für einzelne Nachfragespitzen an wenigen Minuten am Tag ist wirtschaftlich nicht vertretbar. Wirtschaftliche Gründe gebieten es aus diesem Grund generell und bundesweit im ÖPNV und SPNV, dass in den Spitzenstunden auf kurzen Distanzen auch Stehplätze in Kauf genommen werden müssen. Im Interesse eines wirtschaftlichen und sparsamen Einsatzes von öffent - lichen Mitteln kann auch im landesfinanzierten SPNV darauf weiterhin nicht verzichtet werden. Mit den Landesstandards, die Grundlage der Ausschreibungen sind, werden erstmals Qualitätsmaßstäbe zur Begrenzung der Stehplatzanteile eingeführt . Dies ist ein wesentlicher Fortschritt zum existierenden „Großen Verkehrsvertrag “, der diesbezüglich keinerlei Qualitätssicherung enthält. 5. Wie wird gewährleistet, dass ein in Nürtingen einsteigender Pendler in den Spitzenstunden nur maximal 15 Minuten stehen muss? Aufgrund der bekannten Ein- und Aussteigerzahlen an den einzelnen Stationen ist eine entsprechende Kapazitätenplanung möglich. Hierdurch wird gewährleistet, dass die vorgegebenen 15 Minuten eingehalten werden. Darüber hinaus wurde für zukünftiges Wachstum bereits ein Zuschlag von bis zu 30 Prozent auf die heute notwendigen Kapazitäten vorgenommen. Würden die 15 Minuten durch weiter steigende Nachfrage überschritten, sind die Kapazitäten auszuweiten. Vorrangig werden die Kapazitätsanforderungen mit den verfügbaren Fahrzeugen umgesetzt. Bei entsprechendem Bedarf können weitere Neufahrzeuge oder Zugleistungen hinzubestellt werden, die im definierten Umfang Teil der Ausschreibung waren und die darüber hinaus auch über neue Ausschreibungen für Einzelleistungen erfolgen können. Wichtig ist, dass das gewählte Ausschreibungsdesign eine flexible Steuerung ermöglicht, um auf Fahrgastzahlsteigerungen zu reagieren. Aber zu - nächst muss klar sein, wie die Fahrgastzahlen sich entwickeln, bevor teure Züge bestellt werden. 6. In welcher Form wurden die wegfallenden Regionalbahnen (RB) und gegebenenfalls ME auf dieser Strecke bei der Platzkapazität in den Spitzenstunden bei den verbleibenden ME berücksichtigt? Die Berechnung und Prognose der Platzkapazitäten wurde auf der Basis der heutigen Fahrgastzahlen sämtlicher Züge der Strecke vorgenommen. Landtag von Baden-Württemberg Drucksache 15 / 7838 4 7. Warum sind auf dieser Strecke keine siebenteiligen Züge vom Typ Talent 2 vorgesehen ? Aus wirtschaftlichen Gesichtspunkten heraus haben die Bieter sich zur Erfüllung der Mindestsitzplatzzahlen nicht für siebenteilige Züge entschieden, sondern für Mehrfachtraktionen, u. a. auch mit Zügen des Typs Talent 2. Eine Doppeltraktion aus einem fünfteiligen und einem dreiteiligen Zug bietet bereits deutlich mehr Plätze als ein sechs- oder siebenteiliger Zug. 8. In welcher Form sind Sanktionen vorgesehen, wenn Züge deutlich verspätet sind oder ganz ausfallen? Ausgefallene Züge führen auch weiterhin unabhängig von der Ursache zu einer Kürzung des Entgelts. Im Gegensatz zur heutigen Situation im „Großen Verkehrsvertrag“ verdoppelt sich künftig der Abzug, wenn Fahrzeug- oder Personalmangel die Ausfallursache war. Züge werden künftig bereits ab einer Verspätung von 31 Minuten als ausgefallen gewertet. Im „Großen Verkehrsvertrag“ mit der DB Regio von 2003 ist dies erst bei Verspätungen ab 61 Minuten der Fall. Verspätungen einzelner Züge von bis zu 30 Minuten werden auch künftig nicht im Einzelfall pönalisiert. Erst wenn der Jahreszielwert für das betreffende Netz nicht erreicht wird, erfolgt ein prozentualer Abzug bezogen auf den Gesamtzuschuss . Der Grenzwert für die Pünktlichkeit wird von 5:59 min heute auf künftig 3:59 min gesenkt. Insgesamt zeigt sich, dass es mit den Ausschreibungen gelungen ist, deutlich verbesserte Leistungen zum etwa halben Preis zu erreichen – verglichen mit dem „Großen Verkehrsvertrag“ der Vorgängerregierung. Zu den Verbesserungen zählen auch verschärfte Regelungen bei Ausfall und Unpünktlichkeit von Zügen. Hermann Minister für Verkehr und Infrastruktur