Landtag von Baden-Württemberg 15. Wahlperiode Drucksache 15 / 7985 22. 01. 2016 1Eingegangen: 22. 01. 2016 / Ausgegeben: 19. 02. 2016 K l e i n e A n f r a g e Ich frage die Landesregierung: 1. Welche Erkenntnisse hat sie über den Umfang des Flächenvorrats des naturschutzrechtlichen Ökokontos des Ortenaukreises? 2. Wie bewertet sie den Flächenvorrat des naturschutzrechtlichen Ökokontos des Ortenaukreises im Vergleich zu anderen Landkreisen? 3. Welche Erkenntnisse hat sie darüber, mit wie vielen Ökopunkten die dort eingestellten Flächen im Durchschnitt taxiert sind? 4. Mit welchen strukturellen Vorkehrungen und Maßnahmen gewährleistet sie, dass Bewertungen von Maßnahmen des Wirkungsbereichs „Förderung spezifischer Arten“ nach Abschnitt 2 der Ökokonto-Verordnung fachlich korrekt, objektiv überprüfbar und frei von wirtschaftlichen Interessen erfolgen? 5. Inwieweit trifft es zu, dass bei der Mehrheit der Flächeneinstellungen ein bestimmtes Landschaftsplanungsbüro mit Sitz in Bruchsal eingebunden war? 6. Wie bewertet sie in diesem Zusammenhang die persönlichen Verbindungen zwischen dem oben genannten Landschaftsplanungsbüro und einer Naturschutz - stiftung mit Sitz in Speyer, die dem Vernehmen nach im Ortenaukreis verstärkt landwirtschaftliche Nutzflächen aufkauft? 7. Welche weiteren Erkenntnisse hat sie darüber, dass unter der Adresse des oben genannten Landschaftsplanungsbüros seit November 2015 auch eine Agentur residiert, deren Dienstleistungsportfolio unter anderem die Flächensicherung und die Vermarktung von Kompensationsleistungen beinhaltet? Kleine Anfrage des Abg. Dr. Friedrich Bullinger FDP/DVP und Antwort des Ministeriums für Ländlichen Raum und Verbraucherschutz Ökopunktehandel im Ortenaukreis Drucksachen und Plenarprotokolle sind im Internet abrufbar unter: www.landtag-bw.de/Dokumente Der Landtag druckt auf Recyclingpapier, ausgezeichnet mit dem Umweltzeichen „Der Blaue Engel“. Landtag von Baden-Württemberg Drucksache 15 / 7985 2 8. Welche rechtlichen und strukturellen Maßnahmen hat sie im Zusammenhang mit der Ökokonto-Verordnung getroffen, um im Sinne von Marktaufsicht und Transparenz zu verhindern, dass bei der Bewertung von Flächen in Ökopunkten durch Fachkundige wirtschaftliche Interessen einfließen? 21. 01. 2016 Dr. Bullinger FDP/DVP A n t w o r t Mit Schreiben vom 15. Februar 2016 Nr. Z(62)–0141.5/611F beantwortet das Ministerium für Ländlichen Raum und Verbraucherschutz im Einvernehmen mit dem Ministerium für Verkehr und Infrastruktur die Kleine Anfrage wie folgt: Ich frage die Landesregierung: 1. Welche Erkenntnisse hat sie über den Umfang des Flächenvorrats des naturschutzrechtlichen Ökokontos des Ortenaukreises? Zu 1.: Naturschutzrechtliche Ökokonto-Maßnahmen werden als sogenannte Maßnahmen - komplexe anerkannt. Eine oder mehrere Ökokonto-Einzelmaßnahmen können bei der Antragstellung in einem Maßnahmenkomplex zusammengefasst werden. Seit dem Inkrafttreten der Ökokonto-Verordnung (ÖKVO) am 1. April 2011 hat die untere Naturschutzbehörde des Ortenaukreises 36 Ökokonto-Maßnahmenkomplexen bestehend aus 52 Einzelmaßnahmen zugestimmt und diese in das Ökokonto eingestellt. Die Maßnahmen befinden sich größtenteils in Umsetzung. Der Gesamtwert der Maßnahmen zum Genehmigungszeitpunkt betrug 11.865.101 Ökopunkte. Nicht berücksichtigt sind bei dieser Angabe u. a. aufgelaufene Zinsen nach dem Beginn der Maßnahmenumsetzung sowie bereits einem Eingriff zugeordnete Ökopunkte. Die im Ökokonto-Verzeichnis eingetragene Gesamtfläche der anerkannten naturschutzrechtlichen Ökokonto-Maßnahmen im Ortenaukreis beträgt rund 60 ha. Bei dieser Angabe muss jedoch berücksichtigt werden, dass die tatsächliche Maßnahmenfläche u. a. aus folgenden Gründen geringer ausfällt: • Flächen von Maßnahmen zur Förderung spezifischer Arten (vgl. Anlage 2 Nr. 2 ÖKVO) sowie Flächen von punktuellen Maßnahmen (kleinflächige Maßnahmen mit großer Flächenwirkung nach Anlage 2 Nr. 1.3.5 ÖKVO) werden bei der Antragstellung nicht immer gemäß der tatsächlichen Maßnahmenfläche abgegrenzt . So kann für eine punktuelle Maßnahme von wenigen Quadratmetern Fläche das gesamte Flurstück eingetragen sein. • Der durch öffentliche Mittel geförderte Anteil von Aufwertungsmaßnahmen ist im Wert zur Flächengröße enthalten, obwohl er der Ökokonto-Maßnahme nicht zugerechnet werden kann. • Anteile der Ökokonto-Maßnahme, die bereits einem Eingriff zugeordnet wurden und damit nicht mehr im Ökokonto eingestellt sind, sind in dem o. g. Wert zur Flächengröße enthalten. 3 Landtag von Baden-Württemberg Drucksache 15 / 7985 2. Wie bewertet sie den Flächenvorrat des naturschutzrechtlichen Ökokontos des Ortenaukreises im Vergleich zu anderen Landkreisen? 3. Welche Erkenntnisse hat sie darüber, mit wie vielen Ökopunkten die dort eingestellten Flächen im Durchschnitt taxiert sind? Zu 2. und 3.: Das naturschutzrechtliche Ökokonto des Ortenaukreises steht mit 52 genehmigten Einzelmaßnahmen im Vergleich zu den anderen Stadt- und Landkreisen, in denen bereits Ökokonto-Maßnahmen genehmigt wurden (insgesamt 32 Kreise), an zweiter Stelle. Hierbei handelt es sich um 14 % aller Ökokonto-Einzelmaßnahmen in Baden-Württemberg. Im Vergleich zu den anderen Stadt- und Landkreisen wurden im Ortenaukreis die meisten Ökopunkte genehmigt (24 % aller Ökopunkte im Land). In Bezug auf die Maßnahmenfläche steht das Ökokonto des Ortenaukreises an dritter Stelle im Land (11 % der gesamten Maßnahmenflächen im Land). Die Berechnung der durchschnittlichen Ökopunktzahl für Aufwertungsmaßnahmen ist nicht zielführend, weil die einzelnen Maßnahmen einen stark differierenden Aufwertungsumfang aufweisen können: Während bei bestimmten Maßnahmen lediglich eine Verbesserung des ökologischen Zustands von wenigen Ökopunkten pro Quadratmeter erfolgen kann, erzielen andere Maßnahmen das Vielfache dieser Aufwertung. Letzteres ist insbesondere bei kleinflächigen Maßnahmen mit großer Flächenwirkung der Fall (vgl. Anlage 2 Nr. 1.3.5 ÖKVO). Ferner hängt der konkrete Umfang einer ökologischen Aufwertung von verschiedenen Faktoren ab, wie dem Ausgangszustand der Fläche, dem naturschutzfachlichen Ziel der Maßnahme, dem vorhandenen Arteninventar im Umfeld, der Art der Maßnahme etc. Vor diesem Hintergrund ist auch die Relation zwischen Fläche und erzielten Ökopunkten nur beschränkt aussagekräftig. 4. Mit welchen strukturellen Vorkehrungen und Maßnahmen gewährleistet sie, dass Bewertungen von Maßnahmen des Wirkungsbereichs „Förderung spezifischer Arten“ nach Abschnitt 2 der Ökokonto-Verordnung fachlich korrekt, objektiv überprüfbar und frei von wirtschaftlichen Interessen erfolgen? Zu 4.: Dem Wirkungsbereich „Förderung spezifischer Arten“ ist eine abschließende Liste von Tier- und Pflanzenarten zugrunde gelegt (Anlage 2, Tabelle 2 der ÖKVO). Bei den Tierarten handelt es sich um Landesarten des Zielartenkonzepts (ZAK) Baden-Württemberg, deren Vorkommen gut überprüft werden kann (vgl. Begründung zur ÖKVO). Weiterhin sind folgende Voraussetzungen für Maßnahmen im Wirkungsbereich „Förderung spezifischer Arten“ nach Anlage 2 Abschnitt 2 ÖKVO zu erfüllen, die durch einen Fachkundigen zu belegen sind: • Es muss ein aktuelles Vorkommen der Art im artspezifisch erreichbaren Umfeld vorliegen. • Es ist eine fachliche Prognose der Maßnahmenwirksamkeit mit hohen Erfolgsaussichten vorzulegen. Dies beinhaltet insbesondere den Nachweis gut geeigneter standörtlicher Bedingungen sowie der notwendigen Habitat- und Nahrungsressourcen . • Durch die Maßnahmen müssen neue Bestände der Art entstehen. Als neu gilt sowohl ein Bestand, der räumlich vom bisherigen getrennt ist, als auch ein Bestand , der räumlich direkt an einen bestehenden anschließt. • Die Planung der Maßnahme muss die Entwicklungs- und Erhaltungspflege darstellen . • Bei Tierarten sind nur Maßnahmen anrechenbar, die eine Reproduktion der betreffenden Art auf der Maßnahmenfläche ermöglichen. • Anpflanzungen und Ansaaten von Pflanzenarten der Tabelle 2 sind nicht zu - lässig. Landtag von Baden-Württemberg Drucksache 15 / 7985 4 Um der Problematik der nicht sicher prognostizierbaren Etablierung von Arten vorzubeugen, wird die Durchführung einer Maßnahme zur Förderung spezifischer Arten zunächst mit 20 Prozent der in Anlage 2, Tabelle 2 der ÖKVO aufgeführten Ökopunkte bewertet. Erst nachdem die Etablierung der Art durch einen Fachkundigen nachgewiesen ist, kann die volle Anzahl an Ökopunkten im Wege einer zusätzlichen Bewertung eingetragen werden. Bezüglich der weiteren, für alle Ökokonto-Maßnahmen geltenden Regelungen zur Gewährleistung einer hohen fachlichen Qualität der Maßnahmen wird auf die Antwort zu Ziffer 8 verwiesen. Durch diese Vorgaben ist sichergestellt, dass gerade im Wirkungsbereich „Förderung spezifischer Arten“ die für die Anerkennung ausschließlich maßgeblichen fachlichen Aspekte sorgfältig geprüft werden. 5. Inwieweit trifft es zu, dass bei der Mehrheit der Flächeneinstellungen ein bestimmtes Landschaftsplanungsbüro mit Sitz in Bruchsal eingebunden war? Zu 5.: Der angesprochene Maßnahmenträger hat derzeit 45 von 52 anerkannten Einzelmaßnahmen im Ökokonto des Ortenaukreises eingestellt. 6. Wie bewertet sie in diesem Zusammenhang die persönlichen Verbindungen zwischen dem oben genannten Landschaftsplanungsbüro und einer Naturschutzstiftung mit Sitz in Speyer, die dem Vernehmen nach im Ortenaukreis verstärkt landwirtschaftliche Nutzflächen aufkauft? Zu 6.: Die in der Frage dargestellten Verbindungen zwischen einem Landschaftsplanungsbüro und einer Naturschutzstiftung sind bekannt, stehen jedoch weder der Anerkennung von Ökokonto-Maßnahmen noch dem Kauf landwirtschaftlicher Flächen entgegen. Die untere Naturschutzbehörde hat die Vorgaben für die Anerkennung von Ökokonto-Maßnahmen, die sich aus dem Bundesnaturschutzgesetz und der Ökokonto-Verordnung ergeben, mit der erforderlichen Sorgfalt zu prüfen. 7. Welche weiteren Erkenntnisse hat sie darüber, dass unter der Adresse des oben genannten Landschaftsplanungsbüros seit November 2015 auch eine Agentur residiert, deren Dienstleistungsportfolio unter anderem die Flächensicherung und die Vermarktung von Kompensationsleistungen beinhaltet? Zu 7.: Das Landratsamt Ortenaukreis wurde von der Naturschutzstiftung darüber informiert , dass für den Ökokontohandel die angesprochene Agentur gegründet wurde. Weitere Erkenntnisse liegen nicht vor. 8. Welche rechtlichen und strukturellen Maßnahmen hat sie im Zusammenhang mit der Ökokonto-Verordnung getroffen, um im Sinne von Marktaufsicht und Transparenz zu verhindern, dass bei der Bewertung von Flächen in Ökopunkten durch Fachkundige wirtschaftliche Interessen einfließen? Zu 8.: Bei der Bewertung der Ökokonto-Maßnahmen ist ausschließlich die fachliche Wertigkeit der Maßnahmen von Bedeutung. Nach § 3 Abs. 2 Nr. 5 und 6 ÖKVO ist die Bewertung von Ökokonto-Maßnahmen durch einen Fachkundigen erforderlich . Eine entsprechende Fachkunde kann bei Fachbüros für Naturschutz und Landschaftspflege angenommen werden. Es kommen hierfür aber auch Personen und Institutionen infrage, die über entsprechende Kenntnisse verfügen (vgl. Begründung zur ÖKVO). 5 Landtag von Baden-Württemberg Drucksache 15 / 7985 Die Prüfung der Antragsunterlagen und die Zustimmung zu Ökokonto-Maßnahmen erfolgen durch die untere Naturschutzbehörde. Diese hat weitere Fachbehörden zu beteiligen, wie etwa die Forst- und Landwirtschaftsbehörden, soweit diese durch die geplante Maßnahme betroffen sind. Dieses Vorgehen stellt eine fachlich und rechtlich fundierte Gesamtbeurteilung der Maßnahme bereits vor Beginn der Umsetzung sicher. Ferner sind gemäß § 9 Abs. 2 ÖKVO bei der Zuordnung von Ökopunkten zu einem Eingriff die erforderlichen Angaben zum Zustand der Ökokonto-Maßnahme und der Bewertung in Ökopunkten vorzulegen. Bei dieser erneuten fachkun - digen Bewertung muss vom Maßnahmenträger nachgewiesen werden, ob der ursprünglich vorgesehene Zielzustand bereits erreicht wurde bzw. – wenn die Umsetzung der Maßnahme noch läuft – ob dieser Zielzustand nach wie vor erreichbar ist und die prognostizierten und eingetragenen Ökopunkte fachlich angemessen sind. Diese Prüfung nehmen die an der Zulassung des Eingriffs beteiligte Naturschutzbehörde und die für die Maßnahmenfläche zuständige Naturschutzbehörde wahr. Auf bereits vorliegende Angaben kann zurückgegriffen werden, wenn diese noch aktuell sind (z. B. kürzlich erfolgte Zwischenbewertung). Erneute Angaben sind dann erforderlich, wenn die Bewertung schon länger zurückliegt. Diese Prüfschritte gewährleisten eine sachgerechte Bewertung der Ökokonto- Maßnahmen. In Vertretung Reimer Ministerialdirektor