Landtag von Baden-Württemberg 15. Wahlperiode Drucksache 15 / 8029 28. 01. 2016 1Eingegangen: 28. 01. 2016 / Ausgegeben: 01. 03. 2016 K l e i n e A n f r a g e Ich frage die Landesregierung: 1. Wie bewertet sie die Auswirkungen nächtlicher Überbeleuchtung auf Mensch und Natur? 2. Inwiefern sind ihr diesbezüglich Forschungsprojekte oder regionale Konzepte zur Reduzierung nächtlicher Beleuchtung bekannt? 3. Welche kommunalen Konzepte zur zeitgesteuerten Beleuchtung im öffent - lichen wie privaten Raum sind ihr bekannt? 4. Wie bewertet sie die dortigen Regelungen und Erfahrungen? 5. Wie bewertet sie den Vorschlag des Projekts „Sternenpark Schwäbische Alb“, in der Region bzw. im Rahmen des Biosphärengebiets Schwäbische Alb Kugelleuchten , Pilzleuchten und Kofferleuchten durch effizientere Formen der Beleuchtung zu ersetzen und somit sowohl energetische als auch finanzielle Einsparungen zu erzielen? 6. Inwiefern sieht sie im Rahmen der Förderung des Biosphärengebietes die Möglichkeit für ein diesbezügliches Pilotprojekt in Kooperation mit der regionalen Energieagentur? 27. 01. 2016 Glück FDP/DVP Kleine Anfrage des Abg. Andreas Glück FDP/DVP und Antwort des Ministeriums für Umwelt, Klima und Energiewirtschaft Auswirkungen nächtlicher Überbeleuchtung und Möglichkeiten sogenannter „Dark Sky Areas“ im Biosphärengebiet Schwäbische Alb Drucksachen und Plenarprotokolle sind im Internet abrufbar unter: www.landtag-bw.de/Dokumente Der Landtag druckt auf Recyclingpapier, ausgezeichnet mit dem Umweltzeichen „Der Blaue Engel“. Landtag von Baden-Württemberg Drucksache 15 / 8029 2 A n t w o r t Mit Schreiben vom 22. Februar 2016 Nr. 4-8822.21 beantwortet das Ministerium für Umwelt, Klima und Energiewirtschaft im Einvernehmen mit dem Ministerium für Ländlichen Raum und Verbraucherschutz und dem Ministerium für Arbeit und Sozialordnung, Familien, Frauen und Senioren die Kleine Anfrage wie folgt: 1. Wie bewertet sie die Auswirkungen nächtlicher Überbeleuchtung auf Mensch und Natur? Nächtliche Beleuchtung beeinflusst den zirkadianen Rhythmus beim Menschen. Diese – ungefähr tagesperiodische – Rhythmik steuert viele physiologische und psychologische Funktionen. Da die Periodendauer der zirkadianen Rhythmik nicht exakt 24 Stunden beträgt, muss die innere Uhr durch äußere Zeitgeber synchronisiert werden. Der entscheidende Zeitgeber der zirkadianen Rhythmik ist der Hell-Dunkel-Rhythmus des Tageslichts, gesteuert über die für blaue Lichtanteile besonders empfänglichen „zirkadianen Rezeptoren“. Durch nächtliche Überbeleuchtung wird der Schlaf-Wach-Rhythmus beeinträchtigt. Nächtliche Beleuchtung beeinflusst auch in hohem Maße Tiere und Pflanzen. Am meisten betroffen sind nachtaktive Insekten, da diese, von künstlichen Lichtquellen aller Art angelockt, ihren eigentlichen Lebensraum verlassen („Staubsaugereffekt “) und damit an der Erfüllung ihrer ökologischen „Aufgaben“ wie Nahrungsoder Partnersuche gehindert werden. Aber auch Zugvögel werden von Kunstlicht oft irregeleitet. Sie orientieren sich bei ihren Flügen u. a. auch am Sternenhimmel und kommen von ihren Zugrouten ab, wenn sie z. B. vom Strahlkegel eines Skybeamers oder durch beleuchtete Hochhäuser abgelenkt werden. Weitere Lebewesen , die massiv durch künstliches Licht gestört werden können, sind u. a. Frösche, Fledermäuse und andere Säugetierarten. In die freie Landschaft strahlendes Licht kann bei exzessivem Einsatz Nachtlandschaften auch verunstalten. Nachtlandschaften leben von der Abwesenheit von Licht oder vom Kontrast hell-dunkel. Nicht allein der Anblick des Sternenhimmels wird durch die Lichtglocken über Städten, Dörfern und Gewerbezonen regional verhindert, sondern die Möglichkeit, die Schönheit von nächtlichen Landschaften zu erleben, wird durch diese Lichtglocken sowie durch einzelne, unnötige , direkt nach oben strahlende Lichter deutlich gemindert. 2. Inwiefern sind ihr diesbezüglich Forschungsprojekte oder regionale Konzepte zur Reduzierung nächtlicher Beleuchtung bekannt? Die Schweizerische Vogelwarte Sempach hat mit fachlicher Unterstützung seitens des Bundesamtes für Naturschutz (BfN), der Stadt Berlin, des Ministeriums für Ländlichen Raum und Verbraucherschutz Baden-Württemberg und der Stadt Stuttgart die Broschüre „Vogelfreundliches Bauen mit Glas und Licht“ (http://www.vogelglas.info/public/voegel_glas_licht_2012.pdf) herausgegeben, die zu den angesprochenen Themenfeldern praxistaugliche Lösungsansätze vorstellt . Der Ständige Ausschuss „Arten- und Biotopschutz“ der Bund-Länder-Arbeitsgemeinschaft Naturschutz, Landschaftspflege und Erholung (LANA) hat die bundesweite Verteilung dieser Broschüre empfohlen. Das Ministerium für Länd - lichen Raum und Verbraucherschutz hat die Naturschutzbehörden mit Schreiben vom 25. November 2015 mit den Broschüren ausgestattet. Das BfN hat im Rahmen von zwei Veranstaltungen im Jahr 2011 und 2014 in der Evangelischen Akademie Tutzing die unter 1. angesprochene Thematik aufgearbeitet . Die Ergebnisse der Tagung des Jahres 2011 wurden im Jahr 2013 in der Broschüre „Schutz der Nacht – Lichtverschmutzung, Biodiversität und Nachtlandschaft “ publiziert (BfN-Skripten 336). Aus Österreich liegen ebenfalls praxis - taugliche Veröffentlichungen vor (http://www.land-oberoesterreich.gv.at/files/ publikationen/us_besseresLicht2013_leitfaden.pdf). Das Leibniz-Institut für Gewässerökologie und Binnenfischerei in Berlin arbeitet u. a. an Fragestellungen zu den Auswirkungen nächtlicher Beleuchtung auf den Naturhaushalt. 3 Landtag von Baden-Württemberg Drucksache 15 / 8029 Die Dark Sky-Fachgruppe der Vereinigung der Sternenfreunde e. V. setzt sich ein für die Anerkennung sogenannter Sternenparks, d. h. Landschaften, in denen noch ein nahezu natürlich dunkler Sternenhimmel beobachtet werden kann. Die Initia - tive tritt für den Schutz solcher Landschaften ein mit den Zielen des Erlebens eines dunklen Sternenhimmels, des Schutzes nachtaktiver Tiere und der Energieeinsparung durch sinnvoll eingesetzte künstliche Beleuchtung. Das Ministerium für Umwelt, Klima und Energiewirtschaft steht seit Mitte 2014 in Kontakt mit der Initiative „Projekt Sternenpark Schwäbische Alb“. Im Rahmen des Förderprogramms Klimaschutz-Plus des Ministeriums für Umwelt , Klima und Energiewirtschaft wurden außerdem bis zum Jahr 2014 effiziente Straßenbeleuchtungen gefördert. Dabei wurden bei den Förderbedingungen eine Vielzahl umweltrelevanter Aspekte berücksichtigt und Folgendes ausgeführt: „Förderfähig sind nur umweltgerechte Beleuchtungen. Lichtimmissionen der Straßenbeleuchtung sind zu minimieren, d. h. die neuen Leuchten müssen hinsichtlich ihrer Lichtverteilungskurven so gewählt werden, dass diese kein Licht in den oberen Halbraum, d.h. über der Horizontalen abstrahlen („dark sky“). Bei der Installation der Leuchte ist ebenfalls auf eine Minimierung der Lichtimmis - sion zu achten, d. h. eine möglichst geringe Aufneigung der Leuchte am Mast ist vorzu sehen.“ 3. Welche kommunalen Konzepte zur zeitgesteuerten Beleuchtung im öffent lichen wie privaten Raum sind ihr bekannt? In einigen Kommunen wird die nächtliche Beleuchtung zeitgesteuert abgeschaltet oder reduziert. Zur Ausleuchtung wenig begangener Wege kommen vereinzelt Bewegungsmelder zum Einsatz. Als vorbildliches Beispiel können die Beleuchtungspläne verschiedener Städte wie Rheinfelden (in Baden-Württemberg und der Schweiz) sowie weiterer Städte in der Schweiz (Konzept „plan lumière“) genannt werden. Als Alternative zur zeitgesteuerten Beleuchtung nutzen einige Kommunen auch die Möglichkeit einer tageslichtabhängigen Steuerung der Stadtbeleuchtung . Umfangreiche Konzepte zur Stadtbeleuchtung werden von immer mehr Kommunen erstellt. Im Fokus stehen hierbei vor allem Aspekte der Sicherheit, Orientierung und der Energieeffizienz. Berücksichtigung finden auch umweltrelevante Kriterien sowie optische und gestalterische Gesichtspunkte, beispielsweise bei der Beleuchtung wichtiger Bauwerke. Als Beispiele können der „Lichtmasterplan Innenstadt Stuttgart“ oder der „Lichtplan“ der Stadt Karlsruhe genannt werden. Im privaten Bereich kommen vermehrt Bewegungsmelder zur Steuerung der Ausleuchtung nicht sicherheitsrelevanter Hof- und Firmengelände zur Anwendung. 4. Wie bewertet sie die dortigen Regelungen und Erfahrungen? Die zeitliche Abschaltung oder Reduzierung der Nachtbeleuchtung findet in vielen Kommunen aus Gründen der Energie- und damit Kosteneinsparung statt. Die Kommunen, die ein Beleuchtungskonzept unter Einbeziehung der Aspekte Sicherheit , Schutz der Nacht, Naturschutz und Architektur erstellten, haben damit überwiegend positive Erfahrungen gesammelt. Es hat sich jedoch gezeigt, dass bei der Erstellung eines solchen Konzepts die Bürgerschaft intensiv eingebunden werden muss. 5. Wie bewertet sie den Vorschlag des Projekts „Sternenpark Schwäbische Alb“, in der Region bzw. im Rahmen des Biosphärengebiets Schwäbische Alb Kugelleuchten , Pilzleuchten und Kofferleuchten durch effizientere Formen der Beleuchtung zu ersetzen und somit sowohl energetische als auch finanzielle Ein - sparungen zu erzielen? Eine Umrüstung der vorhandenen Kugel-, Pilz- und Kofferleuchten im Bio sphären - gebiet auf effizientere und artenschutzfreundlichere Leuchten entsprechend den aktuellen Erkenntnissen einer effizienten sowie den Belangen von Mensch und Na- Landtag von Baden-Württemberg Drucksache 15 / 8029 4 tur entsprechenden Beleuchtungstechnik ist zu begrüßen. Diese Initiative leistet nicht nur einen Beitrag zur Energieeinsparung, sondern sie dient auch dem Schutz von Arten entsprechend den Zielen der Naturschutzstrategie. Bei der Umrüstung ist jedoch darauf zu achten, dass möglichst nur warmweiße Leuchtmittel mit einer Farbtemperatur von max. 3.000 Kelvin zum Einsatz kommen. Die öffentliche Beleuchtung kann hierbei einen sinnvollen Beitrag leisten. Zur Umsetzung können Fördermittel z. B. im Rahmen der Kommunalrichtlinie der Nationalen Klimaschutzinitiative des Bundesumweltministeriums beantragt werden . 6. Inwiefern sieht sie im Rahmen der Förderung des Biosphärengebietes die Möglichkeit für ein diesbezügliches Pilotprojekt in Kooperation mit der regionalen Energieagentur? Im Biosphärengebiet Schwäbische Alb unterstützt die Landesregierung das Projekt „Energieeffizienzregion Biosphärengebiet Schwäbische Alb“ des BUND. Am Beispiel des Biosphärengebiets Schwäbische Alb soll erprobt und aufgezeigt werden, wie eine gesamte Region sich in Sachen Energieeffizienz auf den Weg macht und eine besonders hohe Energieeffizienz erreichen kann. Eine zentrale Zielsetzung ist die gesellschaftliche Verankerung des Themas Energieeffizienz in der Modellregion, durch die Motivation zur Umsetzung von Maßnahmen, durch direkte Ansprache und durch Initiativprojekte. All dies soll andere Regionen zum Nachahmen anregen. Im Rahmen des Projekts gibt es bereits Bemühungen einer Bürgerenergiegenossenschaft und auch der Geschäftsstelle „Energieeffizienzregion Biosphärengebiet Schwäbische Alb“, Beleuchtungsprojekte in Kommunen zu initiieren. Es besteht die Möglichkeit, ein weiteres Projekt beim offenen Begleitkreis der Energieeffi - zienzregion anzuregen. Die regionale Energieagentur Reutlingen ist bei mehreren Maßnahmen Kooperationspartner der Energieeffizienzregion und im Begleitkreis vertreten, so dass eine Zusammenarbeit leicht anzubahnen und eine professionelle Koordination möglich ist. Weitere Informationen über das Projekt „Energieeffizienzregion Biosphärengebiet Schwäbische Alb“ sowie Möglichkeiten zur Kontaktaufnahme finden sich unter www.energieeffizienzregion-alb.de. Das Biosphärengebiet Schwäbische Alb könnte Projekte zur Umrüstung ineffi - zienter Leuchten im Biosphärengebiet im Rahmen seines Förderprogramms konzeptionell unterstützen. Voraussetzung hierfür wäre jedoch ein ganzheitlicher Ansatz des integrativen Natur- und Umweltschutzes, insbesondere der Erhalt des Lebensraums für nachtaktive Tiere, ein besonderes nächtliches Landschaftserlebnis und eine verstärkte Energieeinsparung. Eine Förderung für den Austausch der in Nr. 5 genannten Leuchten ist durch den Fördertopf des Biosphärengebiets allerdings nicht leistbar. Untersteller Minister für Umwelt, Klima und Energiewirtschaft