Landtag von Baden-Württemberg 15. Wahlperiode Drucksache 15 / 8030 28. 01. 2016 1Eingegangen: 28. 01. 2016 / Ausgegeben: 03. 03. 2016 K l e i n e A n f r a g e Ich frage die Landesregierung: 1. Wie bewertet sie die Ergebnisse einer Studie des Deutschen Caritasverbands e. V. und des Zentrums für Europäische Wirtschaftsforschung, nach der die Hartz IV-Regelsätze für viele Empfänger nicht mehr ausreichen, um die anfallenden Stromkosten vollständig abzudecken? 2. Teilt sie die Auffassung, dass die infolge der Energiewende gestiegenen Energiekosten für einkommensschwache Haushalte ein zusätzliches Armutsrisiko darstellen? 3. Was hat sie bisher konkret zur Umsetzung der Maßnahme M 3 des sogenannten Integrierten Energie- und Klimaschutzkonzepts getan, um eine Entlastung einkommensschwacher Haushalte zu erreichen? 4. Inwiefern hat dies bei den beteiligten Haushalten bisher zu konkreten Entlas - tungen geführt? 27. 01. 2016 Glück FDP/DVP Kleine Anfrage des Abg. Andreas Glück FDP/DVP und Antwort des Ministeriums für Umwelt, Klima und Energiewirtschaft Stromkosten und Hartz IV-Regelsätze Drucksachen und Plenarprotokolle sind im Internet abrufbar unter: www.landtag-bw.de/Dokumente Der Landtag druckt auf Recyclingpapier, ausgezeichnet mit dem Umweltzeichen „Der Blaue Engel“. Landtag von Baden-Württemberg Drucksache 15 / 8030 2 A n t w o r t Mit Schreiben vom 22. Februar 2016 Nr. 6-4580.0/1534/1 beantwortet das Minis - terium für Umwelt, Klima und Energiewirtschaft im Einvernehmen mit dem Ministerium für Arbeit und Sozialordnung, Familien, Frauen und Senioren die Kleine Anfrage wie folgt: 1. Wie bewertet sie die Ergebnisse einer Studie des Deutschen Caritasverbands e. V. und des Zentrums für Europäische Wirtschaftsforschung, nach der die Hartz IV-Regelsätze für viele Empfänger nicht mehr ausreichen, um die anfallenden Stromkosten vollständig abzudecken? Bei den Vorschriften zur Höhe und den Bestandteilen, zur Ermittlung, Überprüfung und Anpassung der Regelbedarfe nach dem Zwölften Buch Sozialgesetzbuch (SGB XII) sowie dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch (SGB II) handelt es sich um einheitliche bundesgesetzliche Regelungen. Nach § 20 Abs. 5 Satz 2 SGB II i. V. m. § 28 Abs. 1 SGB XII ist Bemessungsmaßstab für die Regelbedarfe die Einkommens- und Verbrauchsstichprobe (EVS), die in einem 5-jährigen Turnus durchgeführt wird und das Ausgabe- und Verbrauchsverhalten der Bevölkerung in den verschiedenen Einkommensschichtungen abbildet. In den Jahren zwischen den EVS erfolgt die Fortschreibung der Regelbedarfe aufgrund der bundesdurchschnittlichen Entwicklung der Preise für regelbedarfsrelevante Güter und Dienstleistungen sowie der bundesdurchschnittlichen Entwicklung der Nettolöhne und -gehälter je beschäftigtem Arbeitnehmer nach der Volkswirtschaftlichen Gesamtrechnung (vgl. § 28 a SGB XII). Dabei fließt in den Mischindex die Preisentwicklung mit einem Anteil von 70 vom Hundert ein. Entsprechend erfolgte eine Erhöhung des Regelbedarfs zum 1. Januar 2016. Das Statistische Bundesamt hat im September 2015 die Datenaufbereitung zum privaten Verbrauch der EVS 2013 abgeschlossen. Auf dieser Basis können nunmehr Sonderauswertungen durchgeführt werden, die dann die Grundlage für eine Überprüfung und neue Ermittlung der Regelbedarfe – auch im Hinblick auf den Anteil für Haushaltsstrom – für das SGB II und das SGB XII darstellen. Die Ergebnisse hieraus bleiben abzuwarten. 2. Teilt sie die Auffassung, dass die infolge der Energiewende gestiegenen Energiekosten für einkommensschwache Haushalte ein zusätzliches Armutsrisiko darstellen? In der o. g. Studie des Deutschen Caritasverbands e. V. und des Zentrums für Europäische Wirtschaftsforschung wurden Daten aus dem Projekt Stromsparcheck ausgewertet. Inwiefern diese Daten auf andere Haushalte mit Bezug von Transferleistungen, die nicht an dem Projekt teilgenommen haben, übertragbar sind, ist nicht bekannt. Aus Sicht der Landesregierung sind die Auswirkungen der Energiewende auf Haushalte differenziert zu betrachten: Klar ist, dass einkommensschwache Haushalte durch steigende Energiekosten stärker belastet werden, da die Ausgaben für Energie für sie einen wesentlich höheren Anteil an allen Konsumausgaben ausmachen. Die Ursachen für den erhöhten Anteil der Energiekosten an den gesamten Konsumausgaben armutsgefährdeter Haushalte sind vielfältig. Zum einen stellt bei einem sehr geringen Einkommen auch schon der grundlegendste Energieverbrauch (Strom, Heizung, Warmwasser) einen beträchtlichen Kostenpunkt dar. Zum anderen leben armutsgefährdete Menschen häufig in Gebäuden mit schlechtem Energiestandard und verfügen meist nur über ältere Haushaltsgeräte mit ineffizientem Stromverbrauch. Für Investitionen in energetische Sanierungsmaßnahmen und energiesparende neue Geräte, die eine langfristige Kostenreduktion bewirken würden, fehlt in aller Regel das Geld. Der im Vergleich zu den Verbraucherpreisen deutlich stärkere Anstieg der Kosten für Haushaltsenergie in den vergangenen Jahren belastet insbesondere einkommensschwache Haushalte (vgl. Erster Armuts- und Reichtumsbericht Baden-Württemberg, S. 570 und 572). 3 Landtag von Baden-Württemberg Drucksache 15 / 8030 Bei der Energiekostenentwicklung ist jedoch zwischen den Entwicklungen bei den Kosten für Strom, Heizung und Warmwaser zu unterscheiden. Die energiewendebedingten Mehrkosten betreffen in erster Linie den Strombereich. Bei diesem ist seit 2014 eine Trendwende zu beobachten. Wie eine aktuelle Übersicht des BDEW (Bundesverband der Energie- und Wasserwirtschaft e. V.) zeigt, sind die Stromkosten für Privathaushalte seit 2014 nicht weiter gestiegen, sondern leicht gefallen. Die Preise für Erdöl sind stark gesunken, beim Erdgas gab es leichte Preissenkungen. Zur Senkung der Energiekosten ist neben den Energiepreisen der Energieverbrauch entscheidend. Es ist daher wichtig, einkommensschwachen Haushalten spezielle Angebote zum Thema Energieeinsparung zu machen, ihnen den Zugang zu neutralen Informationen und kostenloser Energieberatung zu ermöglichen sowie eine Verknüpfung mit den bestehenden Unterstützungsangeboten für damit zusammenhängende und darüber hinausgehende soziale und finanzielle Problemstellungen zu erreichen. Durch das in der Studie beschriebene Projekt Stromsparcheck konnte nachgewiesen werden, dass die intensive Beratung von einkommensschwachen Haushalten vor Ort zu einem veränderten Nutzerverhalten führt. Konkret konnte bei den teilnehmenden Haushalten eine Stromkosteneinsparung von rund 130 Euro/a generiert werden. Gerade mit Blick auf die Strompreise kann eine kompetente, neutrale Energieberatung eine starke finanzielle Entlastung für Haushalte mit geringem Einkommen erzeugen und damit präventiv gegen Energiearmut wirken. 3. Was hat sie bisher konkret zur Umsetzung der Maßnahme M 3 des sogenannten Integrierten Energie- und Klimaschutzkonzepts getan, um eine Entlastung einkommensschwacher Haushalte zu erreichen? Die Maßnahme M 3 „Neutrale und unabhängige Energieberatung für Haushalte im Stromsektor ausbauen“ des Integrierten Energie- und Klimaschutzkonzepts (IEKK) wird laufend umgesetzt. Das Ministerium für Umwelt, Klima und Energiewirtschaft fördert seit 2013 eine Personalstelle bei der Verbraucherzentrale Baden-Württemberg (VZ BW) zur Unterstützung der Einführung und Abwicklung der Energieberatung der Verbraucherzentrale bei den regionalen Energieagenturen (rEA). Durch eine enge Zusammenarbeit kann den Bürgerinnen und Bürgern nahezu flächendeckend eine Energieeinsparberatung angeboten werden. Für einkommensschwache Haushalte wird die Energieberatung kostenlos angeboten. Zudem bietet das Land umfangreiche kostenlose Informationsmaterialien (z. B. Broschüren, Flyer) rund um das Thema Energiesparen im Haushalt an. Insgesamt konnten seit Start der Förderung die Beratungszahlen massiv erhöht werden. Wurden davor insgesamt 2.638 Energieeinsparberatungen durchgeführt, waren es Ende 2015 schon 6.214. Die Beratungszahlen konnten damit mehr als verdoppelt werden. 4. Inwiefern hat dies bei den beteiligten Haushalten bisher zu konkreten Entlas - tungen geführt? Geeignete Beratungsstrukturen vor Ort sind grundlegend, um insbesondere die Zielgruppe der von den Stromkosten überdurchschnittlich belasteten einkommensschwachen Haushalte zu erreichen. Wie das in der Studie beschriebene Projekt „Stromsparcheck“ nachgewiesen hat, führt eine intensive Beratung vor Ort von einkommensschwachen Haushalten zu einem veränderten Nutzerverhalten und damit zu Energiekosteneinsparungen. Landtag von Baden-Württemberg Drucksache 15 / 8030 4 Es liegen der Landesregierung keine Daten vor, zu welchen konkreten Entlastungen der Ausbau des Energieberatungsangebotes durch die VZ BW und die rEA bei einkommensschwachen Haushalten bisher geführt hat. Im Rahmen des IEKK- Monitorings soll jedoch auch die Energieberatung von Privathaushalten berücksichtigt werden. Untersteller Minister für Umwelt, Klima und Energiewirtschaft