Landtag von Baden-Württemberg 15. Wahlperiode Drucksache 15 / 8051 12. 02. 2016 1Eingegangen: 12. 02. 2016 / Ausgegeben: 10. 03. 2016 K l e i n e A n f r a g e Wir fragen die Landesregierung: 1. Wie bewertet sie den Umstand, dass sowohl in der ersten wie in der zweiten öffentlichen Auslegung eine Kurzbeschreibung auslag, die die Aussage trifft „In der weitergefassten Umgebung liegende Kulturdenkmäler wie Kirchen, Burgen, Grabhügel etc. werden durch das Vorhaben nicht beeinträchtigt“, obwohl bezüglich Schloss Lichtenstein das Gegenteil offenkundig ist? 2. Wie bewertet sie den Umstand, dass zu dem Vorhaben existierende Stellung - nahmen der Naturschutzbehörde und der Denkmalpflege nicht mit ausgelegt wurden? 3. Wie bewertet sie den Umstand, dass in beiden Auslagen Teile der Unterlagen in englischer Sprache waren? 4. Wie bewertet sie den Umstand, dass die gemäß Windenergieerlass Baden- Württemberg Ziffer 4.2.6 vorliegende Situation „historisch gewachsene Kulturlandschaft auch mit ihren Kulturdenkmälern sowie der Sichtbarkeit der Anlage im Nah- und Fernbereich“ weder erwähnt noch untersucht wurde? 5. Wie bewertet sie den Umstand, dass das Landratsamt zunächst öffentlich erklärte , Ausnahmen vom artenschutzrechtlichen Tötungsverbot erteilen zu wollen und danach – als durch die Hinweise der Landesanstalt für Umwelt, Messungen und Naturschutz Baden-Württemberg (LUBW) sowie durch das Hinweispapier des Ministeriums für Ländlichen Raum und Verbraucherschutz (beide vom 1. Juli 2015) dies in einem Dichtezentrum des Roten Milans nicht mehr möglich war – die erneute Auslegung mit einer sogenannten Raumnutzungsanalyse vornahm, welche in Abkehr von der bisherigen Beurteilung und ohne erneute Untersuchung die Unschädlichkeit der Anlagen für den Milan feststellen zu müssen meint? Kleine Anfrage der Abg. Dieter Hillebrand und Karl-Wilhelm Röhm CDU und Antwort des Ministeriums für Umwelt, Klima und Energiewirtschaft Windkraftanlagen am Schloss Lichtenstein Drucksachen und Plenarprotokolle sind im Internet abrufbar unter: www.landtag-bw.de/Dokumente Der Landtag druckt auf Recyclingpapier, ausgezeichnet mit dem Umweltzeichen „Der Blaue Engel“. Landtag von Baden-Württemberg Drucksache 15 / 8051 2 6. Wie bewertet sie den Umstand, dass von privaten Naturschützern dokumentierte und dem Landratsamt gemeldete Milanhorste in weniger als 1.000 Meter Entfernung von den Anlagen nicht untersucht wurden bzw. – falls dies erfolgt sein sollte – das Ergebnis nicht offengelegt wurde? 10. 02. 2016 Hillebrand, Röhm CDU B e g r ü n d u n g Im Zuge der Durchführung des immissionsrechtlichen Verfahrens zu den fünf geplanten Windkraftanlagen hinter dem Schloss Lichtenstein haben sich Fragestellungen ergeben, die durch diese Kleine Anfrage beantwortet werden sollen. A n t w o r t Mit Schreiben vom 4. März 2016 Nr. 4-4516/47/1 beantwortet das Ministerium für Umwelt, Klima und Energiewirtschaft im Einvernehmen mit dem Ministerium für Finanzen und Wirtschaft und dem Ministerium für Ländlichen Raum und Verbraucherschutz die Kleine Anfrage wie folgt: 1. Wie bewertet sie den Umstand, dass sowohl in der ersten wie in der zweiten öffentlichen Auslegung eine Kurzbeschreibung auslag, die die Aussage trifft „In der weitergefassten Umgebung liegende Kulturdenkmäler wie Kirchen, Burgen, Grabhügel etc. werden durch das Vorhaben nicht beeinträchtigt“, obwohl bezüglich Schloss Lichtenstein das Gegenteil offenkundig ist? Die Antragsunterlagen wurden in der Zeit vom 29. Juni 2015 bis 28. Juli 2015 öffentlich ausgelegt. Die Antragstellerin hat auf Anregung der Unteren Naturschutzbehörde und Unteren Denkmalschutzbehörde die Landschaftsbildanalyse um eine Darstellung und Bewertung der Sichtbeziehungen zum Schloss Lichtenstein ergänzt sowie umfangreiche Fotovisualisierungen hierzu erstellen lassen. Aufgrund der während der Auslegung ergangenen Hinweise zur Bewertung und Vermeidung von Beeinträchtigungen von Vogelarten bei Bauleitplanung und Genehmigung für Windenergieanlagen der Landesanstalt für Umwelt, Messungen und Naturschutz Baden-Württemberg (LUBW) sowie der Hinweise des Ministe - riums für Ländlichen Raum und Verbraucherschutz Baden-Württemberg (MLR) zu artenschutzrechtlichen Ausnahmen vom Tötungsverbot bei windenergieempfindlichen Vogelarten (beide vom 1. Juli 2015) hat sich die Antragstellerin auf Empfehlung der Unteren Naturschutzbehörde außerdem dazu entschieden, die artenschutzfachlichen Untersuchungen entsprechend der geänderten Vorgaben des MLR und der LUBW zu überarbeiten. Wegen der dadurch erfolgten umfangreichen Änderungen der Antragsunterlagen hat die Genehmigungsbehörde entschieden , die Antragsunterlagen vom 2. November 2015 bis 1. Dezember 2015 noch - mals auszulegen und die Träger öffentlicher Belange erneut zu beteiligen. In der Kurzbeschreibung kommt die Antragstellerin zur Schlussfolgerung, dass „in der weitergefassten Umgebung liegende Kulturdenkmäler, wie Kirchen, Burgen , Grabhügel, etc. durch das Vorhaben nicht beeinträchtigt werden.“ Ein Verweis oder eine Zusammenfassung der in der Landschaftsbildanalyse dargelegten Untersuchung der Sichtbeziehungen zu Schloss Lichtenstein ist in der Kurzbeschreibung nicht enthalten. 3 Landtag von Baden-Württemberg Drucksache 15 / 8051 Sinn und Zweck des immissionsschutzrechtlichen Genehmigungsverfahrens ist die Überprüfung der in den Antragsunterlagen dargestellten Erhebungen und Bewertungen durch die Genehmigungsbehörde. Eine Bewertung der in der Kurzbeschreibung enthaltenen Aussagen der Antragstellerin kann daher erst nach Abschluss der laufenden Prüfung erfolgen. Gleichwohl prüft die Genehmigungsbehörde derzeit, ob im Zuge einer gegebenenfalls erforderlichen nachträglichen Auslegung von Antragsunterlagen (siehe Frage 2) auch eine überarbeitete Kurzbeschreibung offenzulegen ist, die einen Verweis auf die in der Landschaftsbildanalyse dargestellten Untersuchungen enthält. 2. Wie bewertet sie den Umstand, dass zu dem Vorhaben existierende Stellung - nahmen der Naturschutzbehörde und der Denkmalpflege nicht mit ausgelegt wurden? Zum Zeitpunkt der ersten Auslegung lagen weder von der Unteren Naturschutzbehörde noch von der Unteren Denkmalschutzbehörde Stellungnahmen vor. Im Hinblick darauf, dass die Antragstellerin unmittelbar nach der ersten Auslegung bekundet hatte, die betreffenden Antragsunterlagen einer Überarbeitung unterziehen zu wollen und vor dem Hintergrund einer sich dadurch abzeichnenden zweiten Auslegung entschieden sich die besagten Behörden, vorerst keine Stellungnahmen abzugeben. Somit lagen zum Zeitpunkt der zweiten Auslegung keine Stellungnahmen dieser Behörden vor, welche hätten ausgelegt werden können. Das Landesamt für Denkmalpflege hat zu den in der ersten Auslegung offengelegten Antragsunterlagen mit Schreiben vom 10. August 2015 Stellung genommen . In dieser vertritt das Landesamt die Ansicht, dass eine erhebliche Beeinträchtigung des Kulturdenkmals Schloss Lichtenstein im denkmalrechtlichen Sinne durch die erheblich gestörten Sichtbeziehungen in den Fernsichten zu den Anlagenstandorten gegeben sei. Insbesondere von der Rodungsinsel um Holzelfingen und z. B. vom Aussichtspunkt Locherstein am Schwäbische-Alb-Nordrandweg aus gesehen, würde das Schloss Lichtenstein durch die Windkraftanlagen in seiner überaus eindrucksvollen landschaftlichen Dominanz am Horizont so stark in Frage gestellt, dass eine erhebliche Beeinträchtigung zu konstatieren sei. Daraufhin hat die Untere Denkmalschutzbehörde der Antragstellerin empfohlen, die Landschaftsbildanalyse im Hinblick auf die Sichtbeziehungen zum Schloss Lichtenstein zu überarbeiten und umfangreiche Fotovisualisierungen hierzu anfertigen zu lassen. Die überarbeitete Landschaftsbildanalyse und die angefertigten Fotovisualisierungen waren dann Gegenstand der zweiten Auslegung und einer erneuten Anhörung der Denkmalschutzbehörden. Die Stellungnahme des Landesamts für Denkmalpflege in ihrer Fassung vom 10. August 2015 bezog sich damit zum Zeitpunkt der zweiten Auslegung auf einen veralteten Stand der Antrags - unterlagen. Die Stellungnahme wurde deshalb als lediglich vorläufig eingestuft und ohne eine Berücksichtigung der geänderten Landschaftsbildanalyse als nicht entscheidungserheblich und somit nicht auslegungsbedürftig betrachtet. Hinsichtlich weiterer vorliegender Stellungnahmen von Trägern öffentlicher Belange prüft die Genehmigungsbehörde derzeit in Abstimmung mit dem Regierungspräsidium , ob eine nachträgliche Auslegung erforderlich ist. 3. Wie bewertet sie den Umstand, dass in beiden Anlagen Teile der Unterlagen in englischer Sprache waren? Die in der ersten Auslegung offengelegten Antragsunterlagen enthielten laut Genehmigungsbehörde in geringem Umfang technische Anlagenbeschreibungen des dänischen Anlagenherstellers in englischer Sprache. Die hiervon betroffene Beschreibung der technischen Brandschutzlösungen wurde in der zweiten Auslegung in deutscher Sprache offengelegt. Eine in der ersten Auslegung ebenfalls in englischer Sprache gefasste Stellungnahme zu baustatischen Berechnungen ge - hört nach Prüfung durch die Genehmigungsbehörde schon verfahrensrechtlich nicht zu den auslegungspflichtigen Unterlagen. Gleichwohl hat die Antragstellerin die betreffende Stellungnahme für die zweite Auslegung in deutscher Sprache vorgelegt und lediglich die dazugehörigen Berechnungsgrundlagen in englischer Sprache belassen. Landtag von Baden-Württemberg Drucksache 15 / 8051 4 4. Wie bewertet sie den Umstand, dass die gemäß Windenergieerlass Baden- Württemberg Ziffer 4.2.6 vorliegende Situation „historisch gewachsene Kulturlandschaft auch mit ihren Kulturdenkmälern sowie der Sichtbarkeit der Anlage im Nah- und Fernbereich“ weder erwähnt noch untersucht wurde? Ziffer 4.2.6 des Windenergieerlasses Baden-Württemberg bezieht sich auf planerische Standortausweisungen. Die maßgebenden Vorgaben hinsichtlich Landschaftsbild - und Denkmalschutz in Genehmigungsverfahren finden sich unter den Ziffern 5.6.4.1 und 5.6.4.5 des Windenergieerlasses. Eine Untersuchung von Kulturdenkmalen und Kulturlandschaft im Rahmen der Landschaftsbildbewertung durch die Antragstellerin fand statt. Insbesondere wurden die Sichtbeziehungen zum Schloss Lichtenstein in der Landschaftsbildanalyse (Kapitel 8) dargestellt. Auf der Grundlage der Stellungnahmen der Unteren Naturschutzbehörde und der Unteren Denkmalschutzbehörde bleibt zu prüfen, ob dieser Belang in den Antragsunterlagen angemessen berücksichtigt wurde. 5. Wie bewertet sie den Umstand, dass das Landratsamt zunächst öffentlich erklärte , Ausnahmen vom artenschutzrechtlichen Tötungsverbot erteilen zu wollen und danach – als durch die Hinweise der Landesanstalt für Umwelt, Messungen und Naturschutz Baden-Württemberg (LUBW) sowie durch das Hinweispapier des Ministeriums für Ländlichen Raum und Verbraucherschutz (beide vom 1. Juli 2015) dies in einem Dichtezentrum des Roten Milans nicht mehr möglich war – die erneute Auslegung mit einer sogenannten Raumnutzungsanalyse vornahm, welche in Abkehr von der bisherigen Beurteilung und ohne erneute Untersuchung die Unschädlichkeit der Anlagen für den Milan feststellen zu müssen meint? Derartige öffentliche Erklärungen sind den Ministerien nicht bekannt. Allerdings wurde im Rahmen des Regionalplan- und Flächennutzungsplanverfahrens von einer artenschutzrechtlichen Ausnahmelage bezüglich der westlichen Standorte ausgegangen. Im Hinblick auf die artenschutzrechtliche Problematik wurde von der Antragstellerin auf Hinweis der Unteren Naturschutzbehörde der Antrag für die beiden betroffenen Standorte zurückgenommen. Der Antragstellerin wurde nach der ersten Auslegung empfohlen, die artenschutzrechtlichen Erhebungen entsprechend den neuen Vorgaben von MLR und LUBW zu überprüfen. Es bleibt zu prüfen, ob die erfolgten Erhebungen diesen Vorgaben genügen. 6. Wie bewertet sie den Umstand, dass von privaten Naturschützern dokumentierte und dem Landratsamt gemeldete Milanhorste in weniger als 1.000 Meter Entfernung von den Anlagen nicht untersucht wurden bzw. – falls dies erfolgt sein sollte – das Ergebnis nicht offengelegt wurde? Die von privaten Naturschützern vorgelegten Daten wurden im Rahmen der speziellen artenschutzrechtlichen Prüfung bereits vollumfänglich berücksichtigt. Die vorgelegten Daten wurden überprüft und der Antragstellerin zugeleitet. Die Überprüfung ergab, dass es sich bei einer der Meldungen nicht um einen Horst handelte, sondern um eine Verwachsung („Hexenbesen“). Die übrigen Meldungen stellten tatsächlich Horste dar, für welche eine aktuelle oder frühere Belegung durch Greifvögel bekannt ist. Zwei dieser Horste waren 2012 nachweislich vom Mäusebussard belegt. Einer der gemeldeten Horste war 2012 vom Rotmilan belegt . Allerdings liegt dieser Horst außerhalb des 1.000 m-Radius um die geplanten Anlagen. Alle diese Horste waren jedoch bereits in einer Übersichtskarte zum Landschaftspflegerischen Begleitplan (Stand: Oktober 2014) verzeichnet. 5 Landtag von Baden-Württemberg Drucksache 15 / 8051 Die Entfernung der Horste windkraftsensibler Vogelarten zu den beantragten Windenergieanlagen ist bei Vorliegen einer Raumnutzungsanalyse für die artenschutzrechtliche Bewertung nicht maßgeblich. Über die Raumnutzungsanalyse kann der Nachweis geführt werden, dass die beplanten Bereiche nicht regelmäßig frequentiert werden und damit trotz Unterschreitung des empfohlenen Mindest - abstandes kein signifikant erhöhtes Tötungsrisiko besteht. Untersteller Minister für Umwelt, Klima und Energiewirtschaft