Landtag von Baden-Württemberg 15. Wahlperiode Drucksache 15 / 8077 17. 02. 2016 1Eingegangen: 10. 03. 2016 / Ausgegeben: 17. 03. 2016 K l e i n e A n f r a g e Wir fragen die Landesregierung: 1. Welche Erkenntnisse hat sie über die von Sicherheitsexperten und Gutachtern jüngst öffentlich kritisierten Mängel bei Biogasanlagen? 2. Wie bewertet sie den Umstand, dass demnach fast 50 Prozent der Biogasbrüter in Baden-Württemberg Mängel aufweisen, mehr als 10 Prozent sogar grobe Schäden? 3. Welche konkreten sicherheitsrelevanten Vorfälle sind ihr bekannt? 4. Was tut sie, um hier auf eine Verbesserung der Sicherheit hinzuwirken? 17. 02. 2016 Glück, Dr. Bullinger FDP/DVP Kleine Anfrage der Abg. Andreas Glück und Dr. Friedrich Bullinger FDP/DVP und Antwort des Ministeriums für Umwelt, Klima und Energiewirtschaft Sicherheitszustand von Biogasanlagen Drucksachen und Plenarprotokolle sind im Internet abrufbar unter: www.landtag-bw.de/Dokumente Der Landtag druckt auf Recyclingpapier, ausgezeichnet mit dem Umweltzeichen „Der Blaue Engel“. Landtag von Baden-Württemberg Drucksache 15 / 8077 2 A n t w o r t Mit Schreiben vom 8. März 2016 Nr. 4-5551.22-3/216 beantwortet das Ministe - rium für Umwelt, Klima und Energiewirtschaft im Einvernehmen mit dem Minis - terium für Ländlichen Raum und Verbraucherschutz die Kleine Anfrage wie folgt: 1. Welche Erkenntnisse hat sie über die von Sicherheitsexperten und Gutachtern jüngst öffentlich kritisierten Mängel bei Biogasanlagen? Das Ministerium für Umwelt, Klima und Energiewirtschaft Baden-Württemberg hatte in Abstimmung mit dem Ministerium für Ländlichen Raum und Verbraucherschutz aufgrund von bundesweiten Schadensfällen und Beanstandungen eine Überwachung der Biogasanlagen im Land durch die zuständigen Behörden der Stadt- und Landkreise sowie Regierungspräsidien veranlasst. Ziel dieser Schwerpunktaktion „Biogasanlagen zukunftssicher betreiben“ durch die Gewerbeaufsicht war mögliches Verbesserungspotenzial auch im Interesse der Betreiber zu erkennen und den rechtskonformen und umweltgerechten Betrieb zu überprüfen. Weiter sollte ein Überblick über die Einsatzstoffe gewonnen werden. Die Überprüfungen erfolgten im Zeitraum vom 1. März 2013 bis 15. Februar 2015 und umfassten die Bereiche Immissionsschutz, Abfallrecht, Explosionsschutz und Gefahrstoffverordnung , Wasserrecht, baulicher Zustand der Anlagen und die Produktsicherheit. Mit Pressemitteilung vom 5. August 2015 hatte das Umweltministerium über die Ergebnisse der umfassenden Überprüfung berichtet. Der Ergebnisbericht ist im Internetauftritt des Umweltministeriums und im Internetauftritt der „Gewerbeaufsicht Baden-Württemberg“ verfügbar und offenbar die Grundlage für die Fragen 1 und 2, da in diesem Bericht festgestellt wurde, dass bei nahezu jeder zweiten Anlage Mängel vorlagen. Die Betreiber von Biogasanlagen, bei denen Mängel festgestellt wurden, forderte die Gewerbeaufsicht unmittelbar zur Beseitigung dieser Mängel auf. Im Rahmen ihrer Vollzugsaufgaben verfolgt sie die Mängelbeseitigung. 2. Wie bewertet sie den Umstand, dass demnach fast 50 Prozent der Biogasbrüter in Baden-Württemberg Mängel aufweisen, mehr als 10 Prozent sogar grobe Schäden? Biogas entsteht durch Vergärung von Biomasse jeder Art in Biogasanlagen. Es werden Abfälle und nachwachsende Rohstoffe vergoren, weshalb im Fachjargon von einem „Fermenter“ gesprochen wird. Bei der Konzeption der Überwachungsaktion wurde darauf geachtet, die wesentlichen Kriterien für einen sicheren Betrieb festzulegen und den Aufwand für die Betreiber von Biogasanlagen und die Überwachungsbehörden möglichst auf einen einzigen Ortstermin zu begrenzen. Da die Einhaltung von Vorgaben aus sieben verschiedenen Bereichen (Immissionsschutz, Abfallrecht, Explosionsschutz und Gefahrstoffverordnung, Wasserrecht, baulicher Zustand der Anlagen und die Produktsicherheit ) überprüft wurde, wurden zwangsläufig mehr Mängel festgestellt als wenn beispielsweise nur die Anforderungen des Explosionsschutzes überprüft worden wären. So wurde bei fast jeder zweiten Biogasanlage einschließlich der Fahrsilos ein Mangel oder mehrere Mängel aus den o. g. Bereichen festgestellt, angefangen von nicht durchgeführten Prüfungen bis zur fehlenden Betriebsanweisung in deutscher Sprache. Wie der Ergebnisbericht des Umweltministeriums ausführt, wurden bei etwa 11 % der überprüften Anlagen vor Ort grobe Bauschäden oder andere bauliche Mängel festgestellt; angefangen von Rissen an den Wänden des Fahrsilos bis zur ungenehmigten Errichtung von Bauten. Eine Differenzierung zwischen groben Bauschäden und anderen baulichen Mängeln ist nicht erfolgt. 3 Landtag von Baden-Württemberg Drucksache 15 / 8077 3. Welche konkreten sicherheitsrelevanten Vorfälle sind ihr bekannt? Für die Wasserbehörden existieren Meldepflichten nach dem Umweltstatistikgesetz des Bundes. Danach sind Unfälle beim Umgang mit wassergefährdenden Stoffen zu erheben und (in Baden-Württemberg dem Statistischen Landesamt) zu melden. Diese Statistik erlaubt jedoch keine Differenzierung hinsichtlich des Anlagentyps , z. B. zwischen einem landwirtschaftlichen Betrieb oder einer Biogasanlage . Eine systematische Erfassung von anderweitigen Störungen oder Unfällen bei Biogasanlagen wird nicht vorgenommen. Das Umweltministerium erhält von Vorfällen durch Mitteilungen nachgeordneter Behörden, der Medien oder der Polizei Kenntnis. Als größere Unfälle sind in den letzten 10 Jahren das Versagen je eines Fermenters an einer Biogasanlage im Landkreis Biberach und im Landkreis Esslingen sowie ein Brandereignis im Landkreis Ravensburg bekannt geworden. Die Behälter von zwei Biogasanlagen im Alb-Donau-Kreis wurden abweichend vom Bauantrag errichtet und waren nicht ausreichend standsicher. Vor Inbetriebnahme erfolgte eine Begutachtung mit anschließender Sanierung. Schadensfälle an Substratlagern (z. B. Fahrsilos) werden nicht im Hinblick auf die Zugehörigkeit zu einer Biogasanlage differenziert . Weitere Informationen über Einzelfälle liegen dem Umweltministerium nicht vor. Eine Zusammenstellung von Ereignissen auch außerhalb Baden-Württembergs enthält das von der Kommission für Anlagensicherheit (KAS) im Juni 2009 herausgegebene und auf der Internetseite veröffentlichte Merkblatt Nr. 12 „Sicherheit in Biogasanlagen“. 4. Was tut sie, um hier auf eine Verbesserung der Sicherheit hinzuwirken? Durch die Überprüfung wurden die Betreiber dafür sensibilisiert, dass sie für den sicheren Betrieb ihrer Biogasanlagen verantwortlich sind. Die Gewerbeaufsicht hat eine Vielzahl von Betreibern aufgefordert, die festgestellten Mängel an ihren Anlagen zügig zu beheben. Die Beseitigung der Mängel wird im Rahmen der Aufgabenzuständigkeit im Verwaltungsverfahren begleitet. Die Überwachungsbehörde legt in eigener Entscheidung fest, ob sie anlassbezogene Nachkontrollen durchführt oder sich auf die Vorlage von entsprechenden Prüfbescheinigungen beschränkt. Aufgabe der Überwachungsbehörde war es nicht nur, eventuell festgestellte Defizite zu dokumentieren, sondern die Betreiber gleichzeitig über die gesetzlichen Vorgaben – beispielsweise geltende Prüffristen oder organisatorische Regelungen – zu beraten. Im Februar 2015 hat das Bundesministerium für Arbeit und Soziales die Technische Regel für Gefahrstoffe TRGS 529 „Tätigkeiten bei der Herstellung von Biogas “ im Gemeinsamen Ministerialblatt bekannt gegeben. Sie gilt für alle Tätigkeiten zur Herstellung von Biogas und den Betrieb von Biogasanlagen und enthält Hinweise, welche Gefährdungen durch Biogas zu berücksichtigen, welche Prüfungen und Überprüfungen durchzuführen und welche Instandhaltungsmaßnahmen vorzunehmen sind. Auf Bundesebene ist eine Biogasanlagenverordnung geplant. In ihr sollen die Vorgaben für einen sicheren Betrieb von Biogasanlagen transparenter dargestellt werden. Untersteller Minister für Umwelt, Klima und Energiewirtschaft