Landtag von Baden-Württemberg 15. Wahlperiode Drucksache 15 / 8087 18. 02. 2016 1Eingegangen: 18. 02. 2016 / Ausgegeben: 21. 03. 2016 K l e i n e A n f r a g e Ich frage die Landesregierung: 1. Wie beurteilt sie die EU-Verordnung Nr. 1143/2014 hinsichtlich der Einschränkungen für Zoologische Gärten? 2. Inwieweit sind Zoologische Gärten in Baden-Württemberg von einem möglichen Haltungsverbot invasiver Tierarten betroffen? 3. Wie beurteilt sie die Möglichkeit, Zoologische Einrichtungen, die die Bedingungen der Richtlinie 199/22/EG und des § 42 Bundesnaturschutzgesetz erfüllen , von den Durchführungsverordnungen der EU, des Bundes und des Landes auszunehmen? 4. Ist sie mit dem Ziel der Ausnahmebeantragung bereits an die entsprechenden Stellen in der EU und im Bund herangetreten? 5. Welche in Zoologischen Gärten in Baden-Württemberg gehaltenen Tierarten sind derzeit von der Liste gebietsfremder invasiver Arten von unionsweiter Bedeutung betroffen? 6. Hält sie die Kriterien für die Aufnahme von Arten in die Unionsliste für verhältnismäßig ? 7. Wie beurteilt sie die Gefahr vermehrter illegaler Aussetzungen von Tieren, die unter die Unionsliste fallen? Kleine Anfrage des Abg. Dr. Reinhard Löffler CDU und Antwort des Ministeriums für Ländlichen Raum und Verbraucherschutz Zucht- und Haltungsverbot gebietsfremder invasiver Tierarten in Zoologischen Gärten gemäß der Verordnung Nr. 1143/2014 des Europäischen Parlaments und des Rates über die Prävention und das Management der Einbringung und Ausbreitung invasiver gebietsfremder Arten Drucksachen und Plenarprotokolle sind im Internet abrufbar unter: www.landtag-bw.de/Dokumente Der Landtag druckt auf Recyclingpapier, ausgezeichnet mit dem Umweltzeichen „Der Blaue Engel“. Landtag von Baden-Württemberg Drucksache 15 / 8087 2 8. Welche Haltung hat sie im Vorfeld der Verabschiedung der Verordnung Nr. 1143/2014 eingenommen? 9. Waren ihr die Bedenken der Zoologischen Gärten bekannt und wenn ja, in welcher Weise hat sie darauf reagiert? 08. 02. 2016 Dr. Löffler CDU B e g r ü n d u n g Am 1. Januar 2015 ist die Verordnung Nr. 1143/2014 des Europäischen Parlaments und des Rates über die Prävention und das Management der Einbringung und Ausbreitung invasiver gebietsfremder Arten in Kraft getreten. Zentrales Element der Verordnung ist die „Liste invasiver gebietsfremder Arten von unionsweiter Bedeutung“. Es besteht die Möglichkeit, für bestimmte Zwecke und unter bestimmten Auflagen Ausnahmen zu beantragen. Solche Zwecke betreffen die Forschung, die ex-situ-Erhaltung, die Erzielung von Fortschritten für die menschliche Gesundheit oder Gründe des zwingenden öffentlichen Interesses, einschließlich solcher sozialer oder wirtschaftlicher Art. Seitens der Zoologischen Gärten wird das mögliche Haltungsverbot für bestimmte Tierarten, die in diese Liste aufgenommen werden, als unverhältnismäßig und den übergeordneten Bildungs-, Forschungs- und Erhaltungszielen widersprechend angesehen. A n t w o r t Mit Schreiben vom 7. März 2016 Nr. Z(62)-0141.5/616F beantwortet das Ministerium für Ländlichen Raum und Verbraucherschutz die Kleine Anfrage wie folgt: 1. Wie beurteilt sie die EU-Verordnung Nr. 1143/2014 hinsichtlich der Einschrän - kungen für Zoologische Gärten? 2. Inwieweit sind Zoologische Gärten in Baden-Württemberg von einem möglichen Haltungsverbot invasiver Tierarten betroffen? Zu 1. und 2.: Gemäß Art. 4 der Verordnung der Europäischen Kommission (VO EU) 1143/2014 erstellt und veröffentlicht die EU-Kommission eine Liste, die gebietsfremde Tierund Pflanzenarten enthält, deren Einbringung oder Ausbreitung die Biodiversität und die damit verbundenen Ökosystemdienstleistungen nach Einschätzung der Kommission gefährdet oder nachteilig beeinflusst (Unionsliste). Im sechsjährigen Rhythmus wird die Unionsliste auf ihre Aktualität überprüft, d. h. in diesem Turnus können gebietsfremde invasive Arten von unionsweiter Bedeutung von der Liste gestrichen werden oder aber Arten neu aufgenommen werden. Ein aktueller Entwurf der Liste beinhaltet 37 Arten, die von der Europäischen Kommission als invasiv eingestuft werden. Dieser Entwurf wurde jedoch noch nicht im Amtsblatt der Europäischen Kommission veröffentlicht. Gemäß Art. 7 Abs. 1 der VO EU 1143/2014 dürfen Arten, die auf der Unionsliste aufgeführt sind, nicht mehr in das Gebiet der Union verbracht oder innerhalb der Union befördert, gehalten, gezüchtet, zur Fortpflanzung gebracht oder aufgezogen werden, auch nicht in Haltung unter Verschluss, sowie nicht mehr in Verkehr ge- 3 Landtag von Baden-Württemberg Drucksache 15 / 8087 bracht, verwendet, getauscht oder in die Umwelt freigesetzt werden. Abweichend von den genannten Beschränkungen können die Mitgliedstaaten auf der Grund - lage des Art. 8 der VO EU 1143/2014 Einrichtungen die Durchführung von Forschung und Ex-situ-Erhaltung an invasiven gebietsfremden Arten von unionsweiter Bedeutung gestatten. Zoologische Gärten sind von der Verordnung der Europäischen Kommission 1143/2014 betroffen, wenn sie Tiere halten oder zu halten beabsichtigen, die in der Unionsliste enthalten sind. Gemäß Art. 8 der VO EU 1143/2014 können die zoologischen Gärten Genehmigungen für die Haltung von gebietsfremden invasiven Arten der Unionsliste mit der Maßgabe erhalten, dass diese Tiere gekennzeichnet und gegen Entweichen gesichert sind. 3. Wie beurteilt sie die Möglichkeit, Zoologische Einrichtungen, die die Bedingungen der Richtlinie 199/22/EG und des § 42 Bundesnaturschutzgesetz erfüllen , von den Durchführungsverordnungen der EU, des Bundes und des Landes auszunehmen? Zu 3.: Eine Freistellung für zoologische Einrichtungen sieht die VO EU 1143/2014 nicht vor. Da die Verordnung in der gesamten Europäischen Union unmittelbar gilt, ist eine generelle Ausnahme für zoologische Einrichtungen durch nationales Recht nicht zulässig. 4. Ist sie mit dem Ziel der Ausnahmebeantragung bereits an die entsprechenden Stellen in der EU und im Bund herangetreten? Zu 4.: Die VO EU 1143/2014 wurde bereits 2014 beschlossen, sie trat zum 1. Januar 2015 in Kraft. Ein Antrag mit dem Ziel der generellen Freistellung von zoologischen Einrichtungen in der EU-Verordnung wird als wenig aussichtsreich erachtet . Eine diesbezügliche Initiative seitens der zoologischen Gärten während des Gesetzgebungsverfahrens auf europäischer Ebene ist nicht bekannt. Wie unter Ziffer 2 dargelegt, sieht Art. 8 der VO EU 1143/2014 die Erteilung einer Genehmigung im Einzelfall – unter verhältnismäßigen Maßgaben – zur Haltung gebietsfremder invasiver Arten der Unionsliste vor. 5. Welche in Zoologischen Gärten in Baden-Württemberg gehaltenen Tierarten sind derzeit von der Liste gebietsfremder invasiver Arten von unionsweiter Bedeutung betroffen? Zu 5.: Folgende Tierarten, die derzeit in der Unionsliste enthalten sind, werden nach Kenntnis der Landesregierung in zoologischen Gärten gehalten: Schwarzkopf- Ruderente (Oxyura jamaicensi), Heiliger Ibis (Threskiornis aethiopicus), Chinesischer Muntjak (Muntiacus reevesii), Nasenbär (Nasua nasua), Waschbär (Procyon lotor), Sibirisches Streifenhörnchen (Tamias sibiricus). 6. Hält sie die Kriterien für die Aufnahme von Arten in die Unionsliste für verhältnismäßig ? 8. Welche Haltung hat sie im Vorfeld der Verabschiedung der Verordnung Nr. 1143/2014 eingenommen? Zu 6. und 8.: Die Auswahlkriterien in Art. 4 Abs. 3 VO EU 1143/2014 werden bei konsequenter Anwendung als verhältnismäßig eingeschätzt, zumal die Verordnung für For- Landtag von Baden-Württemberg Drucksache 15 / 8087 4 schungszwecke oder ex-situ-Haltung, wie sie in zoologischen Gärten praktiziert wird, die Erteilung einer Genehmigung vorsieht. Die aktuelle Artenauswahl der Unionsliste wird jedoch als problematisch angesehen . Die Liste enthält Arten, die die Kriterien der Verordnung nicht erfüllen, weil sie beispielsweise weit verbreitet sind. Die Bundesregierung hat daher mit Unterstützung der Länder die Europäische Kommission gebeten, folgende Arten vom Entwurf der Unionsliste zu streichen: Chinesische Wollhandkrabbe (Eriocheir sinensis ), Nasenbär (Nasua nasua), Kamberkrebs (Orconectes limosus), Signalkrebs (Pacifastacus leniusculus), Blaubandbärbling (Pseudorasbora parva), Nutria (Myocastor coypus), Waschbär (Procyon lotor), Karottenkraut (Parthenium hys - terophorus) und Sibirisches Streifenhörnchen (Tamias sibiricus). Die Bundes - regierung konnte mit ihrem Vorschlag in der entscheidenden Sitzung des Ausschusses gemäß Art. 27 VO EU 1143/2014 jedoch keine Mehrheiten erreichen. Schon im Herbst 2013 hat sich Baden-Württemberg über den Bundesrat dafür eingesetzt, dass die Bundesregierung bei der Europäischen Kommission u. a. auf die Aufnahme vorwiegend solche Arten in die Unionsliste drängt, die noch nicht in der Union vorkommen oder sich in einem frühen Etablierungsstadium befinden . Denn für diese besteht eine gute Chance, durch präventive Einbringungsverbote und rasche Ausrottungsmaßnahmen eine Etablierung zu verhindern. Arten, bei denen Kontroll- und Tilgungsmaßnahmen sehr wahrscheinlich keine Aussicht auf Erfolg haben oder ein sehr ungünstiges Kosten-Nutzen-Verhältnis besteht, sollten nicht berücksichtigt werden. Eine Änderung konnte jedoch nicht erreicht werden. 7. Wie beurteilt sie die Gefahr vermehrter illegaler Aussetzungen von Tieren, die unter die Unionsliste fallen? Zu 7.: Zur Haltung gebietsfremder invasiver Arten sind künftig eine Genehmigung und Maßnahmen gegen das Entweichen erforderlich. Der Aufwand hierfür könnte zu vermehrten Aussetzungen führen. Allerdings sind in Deutschland nur wenige Arten betroffen, z. B. die Nordamerikanische Schmuckschildkröte (Trachemys scripta), die hier nicht fortpflanzungsfähig ist. 9. Waren ihr die Bedenken der Zoologischen Gärten bekannt und wenn ja, in welcher Weise hat sie darauf reagiert? Zu 9.: Dem Verfahren zum Erlass der Verordnung durch die Europäische Kommission gingen verschiedene wissenschaftliche Studien voraus, aus denen ersichtlich ist, dass in einzelnen Mitgliedstaaten u. a. das unabsichtliche Entweichen gebietsfremder invasiver Arten aus zoologischen Einrichtungen aufgrund entsprechender Vorkommnisse – auch in Deutschland – als Problem angesehen wurde. Bedenken vonseiten der zoologischen Gärten waren zu diesem Zeitpunkt nicht bekannt; solche wurden auch offensichtlich im Rahmen der in den Jahren 2008 und 2012 durchgeführten öffentliche Konsultationen, an denen sich Privatpersonen und Institutionen beteiligen konnten, nicht thematisiert. Angesichts der bestehenden Möglichkeit zur Erteilung einer Genehmigung gem. Art. 8 der VO EU 1143/2014 zur Haltung gebietsfremder invasiver Arten der Unionsliste waren Aktivitäten zugunsten der zoologischen Gärten nicht erforderlich. Bonde Minister für Ländlichen Raum und Verbraucherschutz