Landtag von Baden-Württemberg 15. Wahlperiode Drucksache 15 / 8104 23. 03. 2016 1Eingegangen: 23. 03. 2016 / Ausgegeben: 04. 05. 2016 K l e i n e A n f r a g e Ich frage die Landesregierung: 1. Wie bewertet sie grundsätzlich das Angebot psychosozialer medizinischer Beratungsstellen ? 2. Welches Konzept liegt der psychosozialen Krebsberatungsstelle im Helios-Klinikum in Pforzheim zugrunde, aufgrund dessen sie gegenwärtig Förderung aus Landesmitteln erhält? 3. Wo bestehen im Land weitere vergleichbare Beratungsstellen, die öffentliche Förderungen erhalten? 4. Wie schätzt sie die Wahrscheinlichkeit ein, dass Betroffene, die sich in dieser Beratungsstelle beraten lassen, im Anschluss auch eine Behandlung im Helios- Klinikum antreten? 5. Wie bewertet sie die Besorgnis anderer niedergelassener Ärzte und Kliniken in der Region, dass sich über den Weg der Beratung in der psychosozialen Krebsberatungsstelle eine überdurchschnittliche Zahl der Patienten im Helios-Klinikum behandeln lässt? 6. Wie wird sie mit diesem Interessenkonflikt umgehen? 22. 03. 2016 Dr. Engeser CDU Kleine Anfrage der Abg. Dr. Marianne Engeser CDU und Antwort des Ministeriums für Arbeit und Sozialordnung, Familie, Frauen und Senioren Unabhängigkeit psychosozialer medizinischer Beratungsstellen Drucksachen und Plenarprotokolle sind im Internet abrufbar unter: www.landtag-bw.de/Dokumente Der Landtag druckt auf Recyclingpapier, ausgezeichnet mit dem Umweltzeichen „Der Blaue Engel“. Landtag von Baden-Württemberg Drucksache 15 / 8104 2 B e g r ü n d u n g Krebs als Volkskrankheit Nummer eins betrifft viele Menschen und belastet dabei die Betroffenen, aber auch die Angehörigen schwer. Deshalb ist die Einrichtung psychosozialer medizinischer Beratungsstellen, die neben den medizinischen auch die psychologischen und sozialen Komponenten einer Erkrankung in den Blick nehmen, allgemein und insbesondere in Bezug auf Krebs, ausdrücklich zu begrüßen. In Pforzheim jedoch ist nun eine psychosoziale Krebsberatungsstelle in den Räumen des dortigen Helios-Klinikums entstanden. Zwar ist sie unabhängig von den Helios-Kliniken, trotzdem besteht die Gefahr, dass eine dort erfolgte Beratung in vielen Fällen zu einer Behandlung in derselben Klinik führen wird. Dieser Umstand hat zu erheblicher Beunruhigung der anderen Kliniken und niedergelassenen Ärzte in der Region geführt, die nun um ihre Auslastung fürchten. Ziel dieser Kleinen Anfrage ist es daher zu erfahren, wie die Landesregierung mit diesem Interessenkonflikt umzugehen gedenkt. Es erscheint bedenklich, dass eine Einrichtung mit Mitteln des Landes gefördert wird, deren Arbeit den Effekt haben kann, einem bestimmten Klinikum Patienten zuzuführen. A n t w o r t * ) Mit Schreiben vom 28. April 2016 Nr. 51-0141.55/15/8104 beantwortet das Minis - terium für Arbeit und Sozialordnung, Familie, Frauen und Senioren die Kleine Anfrage wie folgt: Vorbemerkung: Bei der Beratungsstelle in Pforzheim handelt es sich um eine der vom Land geförderten „ambulanten psychosozialen Krebsberatungsstellen“. Das Sozialministe - rium geht deshalb im Folgenden davon aus, dass sich die Fragen insgesamt auf diese Form der Beratungsstellen beziehen. Ich frage die Landesregierung: 1. Wie bewertet sie grundsätzlich das Angebot psychosozialer medizinischer Beratungsstellen ? Die Landesregierung bewertet das Angebot der ambulanten psychosozialen Krebsberatungsstellen positiv. Psychosoziale Krebsberatungsstellen dienen Krebs - patientinnen und -patienten und Angehörigen als niedrigschwellige ambulante Anlaufstellen bei psychosozialen Belastungen. Schwerpunkt der Beratung können sowohl soziale und sozialrechtliche Probleme, aber auch psychische Belastungen und Krisen im Zusammenhang mit der Krebserkrankung oder der medizinischen Behandlung sein. Insbesondere erfüllen Krebsberatungsstellen eine Lotsenfunk - tion, indem sie zu regional verfügbaren psychosozialen Hilfen vermitteln. Die Begleitung durch die Krebsberatungsstelle setzt dort an, wo die eigenen Ressourcen der Betroffenen nicht ausreichen, um die Situation zu bewältigen. Die Begleitung unter Einbezug von Netzwerkpartnern und deren Hilfsressourcen zielt auf die Befähigung der Klientin bzw. des Klienten ab, selbstbestimmt zu agieren. Die Beratung erfolgt unabhängig von der Behandlungsphase und orientiert sich an der Bedarfslage der Klientin bzw. des Klienten. Eine medizinische Beratung findet hier grundsätzlich nicht statt. *) Der Überschreitung der Drei-Wochen-Frist wurde zugestimmt. 3 Landtag von Baden-Württemberg Drucksache 15 / 8104 2. Welches Konzept liegt der psychosozialen Krebsberatungsstelle im Helios-Klinikum in Pforzheim zugrunde, aufgrund dessen sie gegenwärtig Förderung aus Landesmitteln erhält? 3. Wo bestehen im Land weitere vergleichbare Beratungsstellen, die öffentliche Förderungen erhalten? Bis Sommer 2015 stellte sich die ambulante Beratungssituation in Baden-Württemberg wie folgt dar: Von den insgesamt acht Krebsberatungsstellen im Land wurden vier überwiegend oder vollständig aus Mitteln der Deutschen Krebshilfe e. V. (DKH) finanziert (Tübingen, Freiburg, Karlsruhe [AWO] und Stuttgart). Vier weitere Beratungsstellen finanzierten sich mit entsprechend limitierten Angeboten ausschließlich aus Spenden und Eigenmitteln der Träger (Mutlangen, Schwäbisch Hall, Karlsruhe [Diakonie] und Böblingen/Leonberg). Um eine Verbesserung der Beratungssituation von Krebspatientinnen und -patienten und deren Angehörigen zu erreichen, hat das Land Baden-Württemberg das Projekt „Auf- und Ausbau eines flächendeckenden Netzes von qualitätsgesicherten ambulanten psychosozialen Krebsberatungsstellen in Baden-Württemberg“ initiiert mit dem gesundheitspolitischen Ziel, zusätzlich zu den vier DKH-geförderten Krebsberatungsstellen • in bislang unterversorgten Regionen vier neue Beratungsstellen einzurichten (Anschubfinanzierung bis 31. Dezember 2016), die ausgehend von den guten Erfahrungen in Tübingen, Freiburg und Stuttgart im Umfeld von Tumorzentren oder Onkologischen Schwerpunkten eingerichtet oder an diese angebunden sind, und • die bedarfsgerechte Existenzsicherung und Qualitätsverbesserung der vier nicht DKH-geförderten Krebsberatungsstellen (Bezuschussung mit dem Ziel, die Qualitätsstandards an die in der Ausschreibung vorgegebenen Standards anzupassen ) zu erreichen. Konzeptionelle Grundlage für die Landesförderung ist das Papier „Eckpunkte für die Errichtung eines flächendeckenden Netzes von ambulanten psychosozialen Krebsberatungsstellen in Baden‐Württemberg“. Der erste Teil des Papiers beschreibt und definiert allgemein Bedarf, Aufgaben, Leistungsspektrum und Qualitätssicherung von psychosozialen Krebsberatungsstellen. Der zweite Teil geht auf die aktuelle Versorgungssituation in Baden‐Württemberg ein und skizziert Vorschläge, wie eine flächendeckende Versorgung mit Krebsberatungsstellen erreicht werden kann. 4. Wie schätzt sie die Wahrscheinlichkeit ein, dass Betroffene, die sich in dieser Beratungsstelle beraten lassen, im Anschluss auch eine Behandlung im Helios- Klinikum antreten? 5. Wie bewertet sie die Besorgnis anderer niedergelassener Ärzte und Kliniken in der Region, dass sich über den Weg der Beratung in der psychosozialen Krebsberatungsstelle eine überdurchschnittliche Zahl der Patienten im Helios-Klinikum behandeln lässt? Die Schwerpunkte der Beratungen liegen im psychosozialen und sozialrechtlichen Bereich und in der Infovermittlung (z. B. Selbsthilfegruppen, Sportange - bote). Eine direkte Einflussnahme auf den medizinischen Behandlungsprozess oder gar eine akquirierende Tätigkeit für einzelne Krankenhäuser gehört keinesfalls zum Aufgabenspektrum einer psychosozialen Beratungsstelle. Untersuchungen von Prof. Dr. Joachim Weis, Klinik für Tumorbiologie Freiburg, bilden deutlich ab, dass der Beginn der Beratung in der Krebsberatungsstelle in der Regel 13 Monate nach Diagnosestellung erfolgt. Das bedeutet, dass die Akutphase der medizinischen Behandlung dann (meist) schon abgeschlossen ist. Landtag von Baden-Württemberg Drucksache 15 / 8104 4 Die Diagnosestellung beginnt bei der niedergelassenen Ärztin bzw. beim niedergelassenen Arzt, die/der die Patientin bzw. den Patienten an Fachärztinnen und -ärzte oder in die entsprechenden Kliniken überweist. Somit ist davon auszugehen , dass die Patientenströme über diesen Weg geleitet werden. Der Baden-Württembergischen Krankenhausgesellschaft sind aus ganz Baden- Württemberg keine Konflikte zwischen Krankenhäusern, an denen psychosoziale Krebsberatungsstellen angesiedelt sind, und anderen niedergelassenen Ärztinnen bzw. Ärzten und Kliniken in den jeweiligen Regionen bekannt. Sie begrüßt die Ansiedlung von psychosozialen Krebsberatungsstellen an Krankenhäusern oder in Kooperation mit Krankenhäusern. 6. Wie wird sie mit diesem Interessenkonflikt umgehen? Aufgrund der vorgenannten Erläuterungen sieht die Landesregierung keinen Interessenkonflikt vorliegen. Altpeter Ministerin für Arbeit und Sozialordnung, Familie, Frauen und Senioren