Landtag von Baden-Württemberg 15. Wahlperiode Drucksache 15 / 8108 31. 03. 2016 1Eingegangen: 31. 03. 2016 / Ausgegeben: 29. 04. 2016 K l e i n e A n f r a g e Ich frage die Landesregierung: 1. Unter welchen Umständen ist ein gewählter ehrenamtlicher kommunaler Entscheidungsträger in einem baden-württembergischen Gemeinderat als „befangen “ von einer Sitzung bzw. einer Entscheidungsfindung auszuschließen? 2. In welcher Beziehung zu einem von einer Entscheidung „betroffenen“ und daher befangenen gewählten ehrenamtlichen Entscheidungsträger in einem baden -württembergischen Gemeinderat muss ein Mitglied desselben Gremiums stehen, um ebenfalls als befangen zu gelten? 3. Reicht die Zugehörigkeit zur selben Fraktion, um einen gewählten ehrenamt - lichen Entscheidungsträger in einem baden-württembergischen Gemeinderat von einer Entscheidung als „befangen“ auszuschließen, bei der ein anderes Mitglied desselben Gremiums, das derselben Fraktion angehört, wegen Betroffenheit ausgeschlossen ist? 31. 03. 2016 Dr. Rülke FDP/DVP Kleine Anfrage des Abg. Dr. Hans-Ulrich Rülke FDP/DVP und Antwort des Innenministeriums Befangenheit im kommunalen Entscheidungsprozess des Landes Baden-Württemberg Drucksachen und Plenarprotokolle sind im Internet abrufbar unter: www.landtag-bw.de/Dokumente Der Landtag druckt auf Recyclingpapier, ausgezeichnet mit dem Umweltzeichen „Der Blaue Engel“. Landtag von Baden-Württemberg Drucksache 15 / 8108 2 A n t w o r t Mit Schreiben vom 25. April 2016 Nr. 2-2203.1/26 beantwortet das Innenministerium die Kleine Anfrage wie folgt: 1. Unter welchen Umständen ist ein gewählter ehrenamtlicher kommunaler Entscheidungsträger in einem baden-württembergischen Gemeinderat als „befangen “ von einer Sitzung bzw. einer Entscheidungsfindung auszuschließen? 2. In welcher Beziehung zu einem von einer Entscheidung „betroffenen“ und daher befangenen gewählten ehrenamtlichen Entscheidungsträger in einem baden -württembergischen Gemeinderat muss ein Mitglied desselben Gremiums stehen, um ebenfalls als befangen zu gelten? Zu 1. und 2.: Nach § 18 der Gemeindeordnung (GemO) dürfen ehrenamtlich tätige Bürger, also auch die ehrenamtlichen Gemeinderatsmitglieder, weder beratend noch entscheidend mitwirken, wenn einer der in § 18 Absatz 1 und 2 GemO aufgeführten Befangenheitstatbestände vorliegt. Befangenheit liegt danach vor, wenn die Entscheidung einer Angelegenheit dem Gemeinderatsmitglied einen unmittelbaren Vorteil oder Nachteil bringen kann. Befangenheit liegt ebenfalls vor, wenn die Entscheidung einer Angelegenheit folgenden Personen einen unmittelbaren Vorteil oder Nachteil bringen kann: – dem Ehegatten oder dem Lebenspartner nach § 1 des Lebenspartnerschaftsgesetzes des Gemeinderatsmitglieds, – einem mit dem Gemeinderatsmitglied in gerader Linie oder in der Seitenlinie bis zum dritten Grad Verwandten, – einem mit dem Gemeinderatsmitglied in gerader Linie oder in der Seitenlinie bis zum zweiten Grad Verschwägerten oder als verschwägert Geltenden, solange die die Schwägerschaft begründende Ehe oder Lebenspartnerschaft nach § 1 des Lebenspartnerschaftsgesetzes besteht, – einer von dem Gemeinderatsmitglied kraft Gesetzes oder Vollmacht vertretenen Person. Ob die andere Person, der die Entscheidung einen unmittelbaren Vor- oder Nachteil bringen kann, ebenfalls Mitglied des Gemeinderats ist oder nicht, ist dabei nicht entscheidend. Weiter liegt Befangenheit vor, wenn – das Gemeinderatsmitglied gegen Entgelt bei jemand beschäftigt ist, dem die Entscheidung der Angelegenheit einen unmittelbaren Vorteil oder Nachteil bringen kann, es sei denn, dass nach den tatsächlichen Umständen der Beschäftigung anzunehmen ist, dass sich das Gemeinderatsmitglied deswegen nicht in einem Interessenwiderstreit befindet, – das Gemeinderatsmitglied oder sein Ehegatte, sein Lebenspartner nach § 1 des Lebenspartnerschaftsgesetzes oder ein Verwandter ersten Grades Gesellschafter einer Handelsgesellschaft oder Mitglied des Vorstands, des Aufsichtsrats oder eines gleichartigen Organs eines rechtlich selbstständigen Unternehmens ist, denen die Entscheidung der Angelegenheit einen unmittelbaren Vorteil oder Nachteil bringen kann, sofern er diesem Organ nicht als Vertreter oder auf Vorschlag der Gemeinde angehört, – das Gemeinderatsmitglied Mitglied eines Organs einer juristischen Person des öffentlichen Rechts ist, der die Entscheidung der Angelegenheit einen unmittelbaren Vorteil oder Nachteil bringen kann und die nicht Gebietskörperschaft ist, sofern er diesem Organ nicht als Vertreter oder auf Vorschlag der Gemeinde angehört, oder 3 Landtag von Baden-Württemberg Drucksache 15 / 8108 – das Gemeinderatsmitglied in der Angelegenheit in anderer als öffentlicher Eigenschaft ein Gutachten abgegeben hat oder sonst tätig geworden ist. Eine Befangenheit liegt jedoch auch in den o. a. Fällen nicht vor, wenn die Entscheidung nur die gemeinsamen Interessen einer Berufs- oder Bevölkerungsgruppe be - rührt sowie bei Wahlen zu einer ehrenamtlichen Tätigkeit (§ 18 Absatz 3 GemO). Ein Gemeinderatsmitglied, bei dem ein Tatbestand vorliegt, der Befangenheit zur Folge haben kann, hat dies vor Beginn der Beratung über diesen Gegenstand dem Vorsitzenden mitzuteilen. Ob ein Ausschließungsgrund vorliegt, entscheidet in Zweifelsfällen in Abwesenheit des Betroffenen der Gemeinderat (§ 18 Absatz 4 GemO). 3. Reicht die Zugehörigkeit zur selben Fraktion, um einen gewählten ehrenamt - lichen Entscheidungsträger in einem baden-württembergischen Gemeinderat von einer Entscheidung als „befangen“ auszuschließen, bei der ein anderes Mitglied desselben Gremiums, das derselben Fraktion angehört, wegen Betroffenheit ausgeschlossen ist? Zu 3.: Ob ein Gemeinderatsmitglied bei Beratung und Beschlussfassung eines bestimmten Tagesordnungspunkts im Gemeinderat wegen Befangenheit ausgeschlossen ist, muss bezogen auf seinen konkreten Einzelfall anhand der Kriterien des § 18 GemO geprüft werden. Der Umstand, dass ein anderes Gemeinderatsmitglied, das derselben Fraktion angehört, wegen Befangenheit ausgeschlossen ist, stellt für sich alleine keinen Befangenheitsgrund dar. Andererseits sind auch Fallkonstellationen denkbar, in denen bei allen Mitgliedern einer Fraktion ein Befangenheitsgrund vorliegen kann. Gall Innenminister