Landtag von Baden-Württemberg 15. Wahlperiode Drucksache 15 / 828 03. 11. 2011 1Eingegangen: 03. 11. 2011 / Ausgegeben: 08. 12. 2011 K l e i n e A n f r a g e Ich frage die Landesregierung: 1. Wie wurden bisher Informations-, Diskussions- und Besichtigungsveranstaltungen politischer Parteien und Organisationen zu einem sachbezogenen Thema in den Räumlichkeiten von Schulen und öffentlichen Einrichtungen außerhalb von Wahlkampfzeiten gehandhabt? 2. Wurden ihrerseits neue Richtlinien an die Regierungspräsidien, Schulämter oder Kommunen ausgegeben, nach denen solche Veranstaltungen nicht mehr möglich sein sollen? 3. Nach welchen Kriterien werden solche Veranstaltungen an öffentlichen Schulen , sofern sie sich nicht an die Schüler richten, von ihr bewertet? 4. Sind diese Kriterien als feste Entscheidungskriterien zu verstehen oder sind abweichende Entscheidungen im Einzelfall möglich? 5. Mit welcher konkreten Begründung gelten nunmehr, sofern dies der Fall ist, andere Richtlinien für die genannten Veranstaltungen als bis dato? 6. Wie hält sie es für möglich, dass die Parteien in Zukunft ihren Auftrag aus Artikel 21 Absatz 1 Grundgesetz (GG) sowie § 1 Absatz 1 und 2 Parteiengesetz (PartG) bürgernah erfüllen können, wenn ihnen künftig die direkte Information und Diskussion in und mit öffentlichen Einrichtungen verwehrt werden? Kleine Anfrage der Abg. Katrin Schütz CDU und Antwort des Ministeriums für Kultus, Jugend und Sport Informations-, Diskussions- und Besuchsveranstaltungen po - litischer Parteien in Schulen und öffentlichen Einrichtungen Drucksachen und Plenarprotokolle sind im Internet abrufbar unter: www.landtag-bw.de/Dokumente Der Landtag druckt auf Recyclingpapier, ausgezeichnet mit dem Umweltzeichen „Der Blaue Engel“. Landtag von Baden-Württemberg Drucksache 15 / 828 2 7. Welche Stellen sind gegenwärtig in den Regierungspräsidien bzw. Schulämtern bzw. Gemeinden für die Entscheidung zuständig, ob eine solche Veranstaltung an einer öffentlichen Schule stattfinden darf oder nicht? 31. 10. 2011 Schütz CDU B e g r ü n d u n g Seit jeher stehen in Baden-Württemberg öffentliche Einrichtungen des Landes und solche, über die das Land die Dienstaufsicht führt, den Besuchen von Gruppen der im Landtag vertretenen Parteien und ihrer Vereinigungen offen. Informations -, Diskussions- und Besichtigungsveranstaltungen zu aktuellen Sachthemen waren bisher immer ohne Weiteres möglich. Dies erfuhr lediglich insofern eine Einschränkung, als in Wahlkampfzeiten von solchen Besuchen Abstand zu nehmen war. Ein Vorgang, wie er sich in diesen Tagen im Zusammenhang mit einer für den 15. November 2011 geplanten Veranstaltung der Frauen-Union der CDU Mannheim zusammen mit der Justus-Liebig-Schule zugetragen hat, ist bisher noch nicht vorgekommen. Hier war eine Informations-, Diskussions- und Besichtigungsveranstaltung geplant , bei der die Schulleiterin und ein Vertreter des Schulamtes mit den Teil - nehmern über das Thema „Inklusion“ diskutieren und einen Schulrundgang absolvieren wollten. Im Einvernehmen war zu dieser Veranstaltung bereits eingeladen worden. Nach Einwendungen von verschiedenen Stellen musste die Schulleiterin die Veranstaltung jedoch nun wieder absagen, da sie ihre politische Neutralität gefährdet sah. Auf dem Hintergrund, dass es sich hierbei weder um eine politische Werbeveranstaltung handelt, noch dass eine Kommunal-, Landtags-, Bundestags- oder Europa wahl ansteht, und darüber hinaus sich die Veranstaltung auch nicht an die Schüler richtet, ist dieser Vorgang nicht nachzuvollziehen. In diesem Zusammenhang muss die Landesregierung klarstellen, welche Kriterien sie in Zukunft an solche Veranstaltungen anzulegen gedenkt, auf welcher gesetzlichen Grundlage sie dies tun möchte und ob sie beabsichtigt, dieselben Kriterien für die Allgemeinheit nachvollziehbar und nachprüfbar auch an Veranstaltungen der Koalitionsparteien und ihrer Vereinigungen anzulegen. A n t w o r t Mit Schreiben vom 24. November 2011 Nr. 31-66499.10/506 beantwortet das Ministerium für Kultus, Jugend und Sport die Kleine Anfrage wie folgt: Ich frage die Landesregierung: 1. Wie wurden bisher Informations-, Diskussions- und Besichtigungsveranstaltungen politischer Parteien und Organisationen zu einem sachbezogenen Thema in den Räumlichkeiten von Schulen und öffentlichen Einrichtungen außerhalb von Wahlkampfzeiten gehandhabt? Soweit es sich nicht um schulische Veranstaltungen handelt, entscheidet der Schul - träger nach Maßgabe von § 51 SchG über die Verwendung von Schulräumen. 3 Landtag von Baden-Württemberg Drucksache 15 / 828 Soweit es sich um schulische Veranstaltungen handelt, also Schüler betroffen sind, hat bereits im Jahre 1993 die Kultusministerin hierzu mit Brief vom 19. April 1993 (Az. II/2 0241.3/9) an den Präsidenten des Landtags Folgendes festgehalten: „1. Nach der Verwaltungsvorschrift des Ministeriums für Kultus und Sport ‚Mitwirkung von Fachleuten aus der Praxis im Unterricht‘ vom 18. Dezember 1992 (K. u. U. 1993, S. 3) können Abgeordnete als Fachleute aus der Praxis in den Unterricht einbezogen werden. Dabei ist es auch möglich, mehrere Klassen zusammenzufassen . Es muss sich aber um eine Veranstaltung im Rahmen des kontinuierlichen Unterrichts handeln. 2. Allgemeine politische Diskussionsveranstaltungen kann die Schülermitverantwortung auch in Räumen der Schulen durchführen. Sie kann hierzu Abgeordnete einladen, darf allerdings keine einseitige Auswahl treffen. Die Schülermitverantwortung muss zwar nicht zu jeder Veranstaltung gleichzeitig Abgeordnete von allen im Landtag vertretenen Parteien einladen, sie muss aber, wenn sie solche Veranstaltungen wiederholt durchführt, im Laufe der Zeit allen Landtagsfraktionen die Möglichkeit einräumen, mit den Schülerinnen und Schülern ins Gespräch zu kommen. Die Schule als öffentliche Einrichtung soll nicht Träger solcher Veranstaltungen sein. 3. Daneben haben die Abgeordneten des Wahlkreises und Gremien des Parlaments (z. B. Fraktionen, Arbeitskreise) im Rahmen ihrer demokratischen Kontrollbefugnis die Möglichkeit, Schulen zu besuchen, um sich vor Ort zu informieren . Sie können hierbei mit der Schulleitung, mit Lehrern und mit Eltern oder Schülervertretern Gespräche führen, allerdings keine öffentlichen, insbesondere presseöffentlichen Veranstaltungen durchführen. Dies entspricht im Wesentlichen dem Inhalt eines Schriftwechsels im Jahre 1986 mit dem damaligen Präsidenten des Landtags. Durch solche Besuche darf grundsätzlich kein Unterricht ausfallen. In allen Fällen ist vor Landtagswahlen in Baden-Württemberg, vor Bundestagswahlen sowie vor Wahlen zum Europaparlament eine achtwöchige Karenzzeit zu beachten.“ 2. Wurden ihrerseits neue Richtlinien an die Regierungspräsidien, Schulämter oder Kommunen ausgegeben, nach denen solche Veranstaltungen nicht mehr möglich sein sollen? Die in dem zitierten Brief getroffenen Aussagen sind seither die Grundlage. Im Vorfeld der Landtagswahl 1996 wurde klargestellt, dass sich die achtwöchige Karenzzeit vor Wahlen bei SMV-Veranstaltungen mit Abgeordneten auf die Fälle bezieht, in denen das Podium nicht pluralistisch besetzt ist. Zu einer pluralistischen Podiumsdiskussion kann die SMV auch in der „heißen Phase“ des Wahlkampfes einladen. Neue Richtlinien wurden nicht erlassen. 3. Nach welchen Kriterien werden solche Veranstaltungen an öffentlichen Schulen , sofern sie sich nicht an die Schüler richten, von ihr bewertet? Die Veranstaltungen sind entweder schulisch oder nichtschulisch und danach richtet sich die Frage, ob der Schulträger nach § 51 SchG oder die Schule bzw. die Schulverwaltung nach den o. g. Kriterien entscheidet. 4. Sind diese Kriterien als feste Entscheidungskriterien zu verstehen oder sind abweichende Entscheidungen im Einzelfall möglich? Kriterien sind immer allgemeiner Natur und gelten daher für jeden Einzelfall. Landtag von Baden-Württemberg Drucksache 15 / 828 4 5. Mit welcher konkreten Begründung gelten nunmehr, sofern dies der Fall ist, andere Richtlinien für die genannten Veranstaltungen als bis dato? Das Kultusministerium hat für die in der Begründung der Kleinen Anfrage genannten Veranstaltung keine neuen Kriterien aufgestellt. Für den in der Begründung unterstellten Sachverhalt bedarf es einer gesonderten Würdigung: Die Justus-Liebig-Schule engagiert sich in der Integrierung behinderter Schülerinnen und Schüler. Für den 15. November war eine Veranstaltung zum Thema Inklusion mit der Frauenunion geplant, die Einladung war unterschrieben von deren Vorsitzenden und von der Schulleiterin. Mit der Unterschrift der Schulleiterin war klar, dass es sich um eine schulische Veranstaltung handeln sollte, nicht um eine außerschulische , für welche der Schulträger nach § 51 SchG über die Verwendung von Räumen der Schule entscheidet. Die Schulleiterin streute am 28. Oktober morgens gegen 8:00 Uhr die Einladung per E-Mail an alle Schulen in Mannheim. In den folgenden drei Stunden ging bei ihr eine Flut von Protesten ein, die sich dagegen verwahrten, dass die Schule eine gemeinsame Veranstaltung mit einer parteipolitischen Organisation durchführe. Der Schulleiterin wurde damit klar, dass es in der Veranstaltung um deren Berechtigung , aber kaum um das Thema Inklusion gehen werde, und sie sagte daher um die Mittagszeit von sich aus, ohne jede behördliche Einwirkung, die Ver - anstaltung ab. Das Kultusministerium respektiert diese Entscheidung der Schulleiterin . 6. Wie hält sie es für möglich, dass die Parteien in Zukunft ihren Auftrag aus Artikel 21 Absatz 1 Grundgesetz (GG) sowie § 1 Absatz 1 und 2 Parteiengesetz (PartG) bürgernah erfüllen können, wenn ihnen künftig die direkte Information und Diskussion in und mit öffentlichen Einrichtungen verwehrt werden? Die Schule kann im Hinblick auf ihre parteipolitische Neutralität nicht mit Parteien gemeinsame Veranstaltungen durchführen. Zur Möglichkeit, dass gewählte Politiker mit den Schülerinnen und Schüler ins Gespräch kommen, wird auf Nr. 1 verwiesen . Über die gewählten Abgeordneten haben die Parteien die Möglichkeit, auch in den Schulen ihrem in der Frage genannten Auftrag nachzukommen. 7. Welche Stellen sind gegenwärtig in den Regierungspräsidien bzw. Schulämtern bzw. Gemeinden für die Entscheidung zuständig, ob eine solche Veranstaltung an einer öffentlichen Schule stattfinden darf oder nicht? Je nach Art Veranstaltung – außerschulisch oder schulisch – entscheidet der Schulträger oder die Schule bzw. die Schulaufsichtsbehörde. Warminski-Leitheußer Ministerin für Kultus, Jugend und Sport