Landtag von Baden-Württemberg 15. Wahlperiode Drucksache 15 / 845 08. 11. 2011 1Eingegangen: 08. 11. 2011 / Ausgegeben: 10. 01. 2012 G r o ß e A n f r a g e Wir fragen die Landesregierung: I . F ö r d e r k u l i s s e 1. Welche Förderprogramme des Landes beinhalten Fördertatbestände, die sich auf die Art und Qualität der Tierhaltung in der Nutztierhaltung auswirken? 2. In welchem Umfang wurden in 2009 und 2010 Investitionen in Tierhaltung, -schlachtung und -transport mit dem Ziel der Verbesserung des Tierschutzes vom Land gefördert? I I . R i n d e r - u n d K ä l b e r h a l t u n g 1. Welche Haltungsformen in der Rinderhaltung werden im Land praktiziert und welche dominieren hinsichtlich der Anzahl der Betriebe und der gehaltenen Tiere im Land (konventionelle Stallhaltung, Offenstallhaltung, weitgehende, bzw. ganzjährige Freilandhaltung, etc.)? 2. Wie viele Betriebe im Land betreiben Kälbermast und welche Haltungsformen kommen dabei jeweils in welchem Umfang zur Anwendung? I I I . S c h w e i n e h a l t u n g 1. Wie viele Schweine wurden 2009 und 2010 in wie vielen Betrieben im Land gehalten, bzw. erzeugt und geschlachtet? 2. Wie viele Schweine werden jeweils in den verschiedenen Haltungsformen gehalten , insbesondere in biologischem Landbau und in welchen Betriebsgrößen werden die Schweine gehalten (soweit hierzu die Zahlen statistisch vorliegen oder es eine Abschätzung des Berufsverbandes gibt)? Große Anfrage der Fraktion der SPD und Antwort der Landesregierung Tierschutz in der Nutztierhaltung in Baden-Württemberg Drucksachen und Plenarprotokolle sind im Internet abrufbar unter: www.landtag-bw.de/Dokumente Der Landtag druckt auf Recyclingpapier, ausgezeichnet mit dem Umweltzeichen „Der Blaue Engel“. Landtag von Baden-Württemberg Drucksache 15 / 845 2 3. Welche Haltungsformen von Schweinen werden aus ihrer Sicht als hinreichend tiergerecht betrachtet? 4. Wie bewertet sie unter ökonomischen und Tierschutzgesichtspunkten die Schweinehaltung in sogenannten Erdhöhlenställen? 5. Liegen ihr Erfahrungen mit dieser Haltungsform vor und inwieweit wurde diese bislang gefördert? 6. In welchem Umfang und aus welchen Programmen wurden in den vergangenen fünf Jahren Investitionen in Schweinehaltung gefördert? 7. Welche Änderungen (mit welchen Übergangsfristen) wurden in den vergangenen Jahren in der Schweinehaltungsverordnung vorgenommen? 8. Welche Tierschutzverbesserungen wurden bei der Ferkelkastration, die bislang noch meist betäubungslos erfolgt ist, in den vergangenen Jahren erreicht, und welche Alternativen zur Ferkelkastration werden europaweit bereits praktiziert bzw. sind in der Einführungsphase? I V. L e g e h e n n e n h a l t u n g 1. Welche Neuregelung der Tierschutz-Nutztierhaltungsverordnung/Abschnitt Lege - hennen wird aufgrund des diesbezüglichen Verfassungsgerichtsbeschlusses aus dem Jahr 2010 erwartet? 2. Wie bewertet sie die jüngsten Ankündigungen der Bundesministerin für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten, diese Regelungskompetenz den Ländern zu überlassen? V. M a s t h ä h n c h e n h a l t u n g 1. Wie viele Betriebe erzeugen derzeit im Land, im Bund und EU-weit Masthähnchen und wie viele Masthähnchen werden jährlich im Land erzeugt? 2. Welche Änderungen, bzw. Verbesserungen (Besatzdichte, Belüftung, Tageslichtmenge etc.) haben sich im Zuge der im Jahr 2009 geänderten Tierschutz- Nutztierhaltungsverordnung/Abschnitt Masthühner ergeben? 3. Inwieweit ist sie der Auffassung, dass diese Änderungen ausreichend waren, um eine aus Tierschutzsicht befriedigende Haltung von Masthähnchen zu gewährleisten ? V I . M a s t k a n i n c h e n h a l t u n g 1. Auf welchen Umfang schätzt sie die Zahl der Betriebe und gehaltenen Tiere in Bezug auf Mastkaninchen (und jährliche Schlachtungen) im Land und wie hat sich die Mastkaninchenhaltung in den vergangenen Jahren entwickelt? 2. Welche Änderungen der deutschen Tierschutz-Nutztierhaltungsverordnung im Sinne der Regelung spezieller Anforderungen für die erwerbsmäßige Haltung von Kaninchen als Nutztiere erwartet die Landesregierung? V I I . P u t e n - u n d E n t e n h a l t u n g 1. Wie hat sich die Zahl der Betriebe und der gehaltenen Tiere/Schlachtungen im Bereich der Puten- und Entenmast seit 2002 (vgl. Drucksache 13/824) entwickelt ? 2. Welche Verbesserungen insbesondere auch durch Aufnahme der Enten und Puten in die Tierschutz-Nutztierhaltungsverordnung sind seitens der Bundes - regierung geplant? 3 Landtag von Baden-Württemberg Drucksache 15 / 845 3. Welche Verbesserungen der Haltungsbedingungen (Besatzdichte, Anforderungen an Ställe, etc.) befürwortet sie und wie will sie dies durch Fördermaßnahmen und auf anderen Wegen im Land umsetzen? 03. 11. 2011 Schmiedel, Winkler, Reusch-Frey und Fraktion B e g r ü n d u n g Die neue Landesregierung hat sich im Koalitionsvertrag zum Ziel gesetzt, insbesondere durch die Neuausrichtung der Agrarinvestitionsförderung auf eine tier - gerechtere Haltung der Nutztiere hinzuwirken. Daneben gilt es, auch auf Bundesebene auf tierschutzbezogene Verbesserungen in der Nutztierhaltung hinzuwirken . Hierzu gehören insbesondere die noch völlig unbefriedigenden Anforderungen an die Masthühner-, Puten- und Entenhaltung, die Defizite im Tierschutz bei der Schweinehaltung und die Haltung von Mastkaninchen. Da das Bundesverfassungsgericht die derzeit gültige Tierschutz-Nutztierhaltungsverordnung /Kapitel Legehennen, in der die Kleingruppen-Käfige erlaubt sind, für verfassungswidrig erklärt hat, und die Bundesregierung bis zum 31. März 2012 eine Neuregelung festlegen muss, gilt es auch hier, den Einfluss des Landes auf eine tiergerechte Neuregelung geltend zu machen. A n t w o r t Schreiben des Staatsministeriums vom 13. Dezember 2011 Nr. III-9185.: In der Anlage übersende ich unter Bezugnahme auf § 63 der Geschäftsordnung des Landtags von Baden-Württemberg die von der Landesregierung beschlossene Antwort auf die Große Anfrage. Krebs Ministerin im Staatsministerium Landtag von Baden-Württemberg Drucksache 15 / 845 4 Anlage: Schreiben des Ministeriums für Ländlichen Raum und Verbraucherschutz Mit Schreiben vom 8. Dezember 2011 Nr. Z(34)0141.5/32M beantwortet das Ministerium für Ländlichen Raum und Verbraucherschutz im Namen der Landesregierung die Große Anfrage wie folgt: I . F ö r d e r k u l i s s e I. 1. Welche Förderprogramme des Landes beinhalten Fördertatbestände, die sich auf die Art und Qualität der Tierhaltung in der Nutztierhaltung auswirken? Zu I. 1.: Fördertatbestände, die sich auf die Art und Qualität der Nutztierhaltung auswirken , sind in der laufenden Förderperiode 2007 bis 2013 im Agrarinvestitionsförderprogramm (AFP) und im MEKA III enthalten. Im AFP erhalten landwirtschaftliche Unternehmen für Investitionsmaßnahmen, die besondere Anforderungen zur Verbesserung des Tierschutzes und der Tier - hygiene durch Schaffung der baulichen und technischen Anforderungen erfüllen, eine erhöhte Förderung. Die Anforderungen sind für die einzelnen Nutztierarten in Anlehnung an die Tierschutz-Nutztierhaltungsverordnung in der Verwaltungsvorschrift zur einzelbetrieblichen Förderung festgelegt. Im Rahmen des MEKA III geht es bei der Untermaßnahme „Erhaltung gefährdeter Nutztierrassen“ um die gezielte Erhaltung von gefährdeten regionaltypischen Nutztierrassen wie Hinterwälder und Limpurger Rind, Braunvieh alter Zuchtrichtung sowie von Schwarzwälder Füchsen und Altwürttemberger Pferden. Ziel ist es, die Rassenvielfalt als bedeutendes Kulturgut des Landes zu erhalten und genetische Ressourcen für die Zukunft zu sichern. Mit der Entwicklung bzw. Erhaltung tragfähiger Populationen werden diese Rassen in ihrer natürlichen Umgebung bewahrt und können dort aufgrund ihrer speziellen Eigenschaften einen wichtigen Beitrag zum Erhalt der Kulturlandschaft leisten. I. 2. In welchem Umfang wurden in 2009 und 2010 Investitionen in Tierhaltung, -schlachtung und -transport mit dem Ziel der Verbesserung des Tierschutzes vom Land gefördert? Zu I. 2.: In den Jahren 2009 und 2010 wurden mit dem Agrarinvestitionsförderprogramm (AFP) insgesamt 704 Maßnahmen im Bereich Tierhaltung gefördert. Von diesen Maßnahmen wurden in 287 Fällen Zuschüsse im Umfang von rd. 7,5 Mio. Euro für besonders tiergerechte Haltung gewährt. Tab. 1: Investitionen in Tierhaltungen nach dem AFP 1) Erfüllung baulicher Anforderungen an eine besonders tiergerechte Haltung der Verwaltungsvorschrift (VwV) zur einzelbetrieblichen Förderung Quelle: MLR Förderfälle im Bereich Tierhaltung Fördermittel für Investitionen i.d. Tierhaltung in Mio. Euro Förderfälle mit besonders tierartgerechter Haltung1) Zuschuss für besonders tiergerechte Haltung1) in Mio. Euro 2009 415 39,5 157 2,5 2010 289 36,9 130 5,0 insgesamt 704 76,4 287 7,5 5 Landtag von Baden-Württemberg Drucksache 15 / 845 Gemäß der Richtlinie Marktstrukturverbesserung sind Aufwendungen für die Schlachtung von Schweinen und Rindern jeweils von der Betäubung/Tötung bis einschließlich der Abkühlung der Schlachtkörper bundesweit von der Förderung ausgeschlossen. Der Transport von Schlachtvieh ist ebenfalls nicht Fördergegenstand des AFP. I I . R i n d e r - u n d K ä l b e r h a l t u n g II. 1. Welche Haltungsformen in der Rinderhaltung werden im Land praktiziert und welche dominieren hinsichtlich der Anzahl der Betriebe und der gehaltenen Tiere im Land (konventionelle Stallhaltung, Offenstallhaltung, weitgehende , bzw. ganzjährige Freilandhaltung, etc.)? Zu II. 1.: In der Rinderhaltung in Baden-Württemberg dominieren die Haltung in Laufställen (rd. 70 Prozent der Plätze) sowie die Haltung in Anbindeställen (rd. 28 Prozent der Plätze). Andere Haltungsformen wie die weitgehende oder ganzjährige Freilandhaltung spielen im Land praktisch kaum eine Rolle. Die Form des Offenstalles ist bei Laufställen zu finden. Sowohl die Laufstall- wie auch die Anbinde - haltung können in Kombination mit Weidegang und/oder ganzjährigem Freigeländezugang erfolgen. Nach Angaben des Statistischen Landesamtes wurden in Baden-Württemberg im Jahr 2010 von insgesamt 18.800 landwirtschaftlichen Betrieben insgesamt 1.015.000 Rinder gehalten. Diese Betriebe verfügen über insgesamt 1.165.000 Hal - tungsplätze für Rinder. Davon sind 819.200 Plätze in Laufstallhaltung. Die Anbindehaltung hat insbesondere im Bereich der Milchkuhhaltung mit einem Anteil von rund 37 Prozent bzw. 151.300 Milchkühen noch eine gewisse Bedeutung. Tiere der Kategorie „Übrige Rinder“, hierzu zählen Kälber, Jungrinder, männliche Tiere zur Mast und Mutterkühe, werden zum überwiegenden Teil in Laufställen gehalten (558.900 Plätze bzw. 74 Prozent). Knapp ein Viertel (175.600 Plätze) der Haltungsplätze für übrige Rinder fallen in die Kategorie Anbindehaltung, die restlichen Plätze sind den „anderen Haltungsverfahren“ zuzuordnen. Landtag von Baden-Württemberg Drucksache 15 / 845 6 II. 2. Wie viele Betriebe im Land betreiben Kälbermast und welche Haltungsformen kommen dabei jeweils in welchem Umfang zur Anwendung? Zu II. 2.: Die spezialisierte Kälbermast spielt in Baden-Württemberg keine wesentliche Rolle, dem MLR liegen hierzu keine gesonderten statistischen Informationen vor. Auch für diesen Produktionszweig gelten die tierschutzrechtlichen Vorschriften, insbesondere die der Tierschutz-Nutztierhaltungsverordnung (§§ 3 bis 11). Darin sind insbesondere auch Mindestanforderungen an die Raufuttergabe und den Eisen - gehalt im Blut enthalten, um die traditionell vom Verbraucher gewünschte Blut - armut („Weißfleischigkeit“) des Kalbfleisches auf ein physiologisch akzeptables Niveau zu begrenzen. I I I . S c h w e i n e h a l t u n g III. 1. Wie viele Schweine wurden 2009 und 2010 in wie vielen Betrieben im Land gehalten, bzw. erzeugt und geschlachtet? Zu III. 1.: Nach Angaben des Statistischen Landesamtes wurden in Baden-Württemberg im Jahr 2010 von insgesamt rund 8.700 landwirtschaftlichen Betrieben insgesamt 2.132.800 Schweine gehalten, für das Jahr 2009 liegen keine Zahlen vor. 2007 wurden von 12.763 Betrieben 2.238.322 Schweine gehalten. Die Zahlen sind nur bedingt vergleichbar, da Anhebungen der Erfassungsgrenzen sowie Änderungen in der Methodik der Erhebung erfolgten. In Baden-Württemberg nahm die Zahl der Schweineschlachtungen insgesamt (gewerbliche Schlachtungen und Hausschlachtungen) im Jahr 2010 gegenüber dem Vorjahr um 0,37 Mio. oder fast 10 Prozent auf 4,13 Mio. Tiere zu. III. 2. Wie viele Schweine werden jeweils in den verschiedenen Haltungsformen gehalten, insbesondere in biologischem Landbau und in welchen Betriebsgrößen werden die Schweine gehalten (soweit hierzu die Zahlen statistisch vorliegen oder es eine Abschätzung des Berufsverbandes gibt)? Zu III. 2.: Die Schweinehaltungsbetriebe verfügen über insgesamt 2.411.500 Haltungsplätze für Schweine. Davon sind 1.343.500 Plätze auf Vollspaltenböden, 686.400 Plätze auf Teilspaltenböden und 79.200 planbefestigte Plätze mit Einstreu und 79.200 Plätze in anderen Haltungsverfahren. Der Voll- und Teilspaltenboden hat insbesondere im Bereich der Mastschweinehaltung mit einem Anteil von rund 86 Prozent eine große Bedeutung. Die Zuchtsauen durchlaufen von der Belegung über die Trächtigkeit, das Abferkeln bis zum Säugen der Ferkel mehrere Produktionsstufen in unterschiedlichen Haltungsbedingungen. Die häufigste Haltungsform für Zuchtsauen ist der Teilspaltenboden (124.000 von insgesamt 310.000 Plätzen). Jedoch haben von den insgesamt knapp 3.000 Zuchtsauenhaltern rund zwei Drittel auch planbefestigte Haltungsplätze mit Einstreu, insgesamt rund 75.000 Plätze. In diesen Betrieben stehen insgesamt deutlich über 100.000 Zuchtsauen, nahezu die Hälfte des gesamten Zuchtsauenbestandes. Daten über die Haltungsverfahren in Ökobetrieben liegen nicht vor. 7 Landtag von Baden-Württemberg Drucksache 15 / 845 III. 3. Welche Haltungsformen von Schweinen werden aus ihrer Sicht als hinreichend tiergerecht betrachtet? Zu III. 3.: Der § 2 des Tierschutzgesetzes (TierSchG) fordert bezüglich der Tierhaltung Folgendes : „Wer ein Tier hält, betreut oder zu betreuen hat, 1. muss das Tier seiner Art und seinen Bedürfnissen entsprechend angemessen ernähren, pflegen und verhaltensgerecht unterbringen, 2. darf die Möglichkeit des Tieres zu artgemäßer Bewegung nicht so einschränken, dass ihm Schmerzen oder vermeidbare Leiden oder Schäden zugefügt werden, 3. muss über die für eine angemessene Ernährung, Pflege und verhaltensgerechte Unterbringung des Tieres erforderlichen Kenntnisse und Fähigkeiten verfügen.“ Diese allgemeinen Vorschriften werden insbesondere durch weitere Vorgaben des TierSchG (z. B. für die Durchführung von Eingriffen an Nutztieren in §§ 5 und 6) und Vorgaben der Tierschutz-Nutztierhaltungsverordnung (TierSchNutztV) näher bestimmt. Die genannten Vorschriften setzen auch das EU-Recht um (RL 98/ 58/ EG und RL 2008/120/EG). Für die Kontrollbehörden (Veterinärämter der unteren Verwaltungsbehörden) sind die genannten Rechtsvorschriften Grundlage für die Kontrollen und die Sanktionierung von Verstößen. Verschiedene Haltungsverfahren haben systembedingte Vor- und Nachteile bezüglich der Tiergerechtheit, den Umweltauswirkungen und der Wirtschaftlichkeit. Das Konzept der Bedarfsdeckung und Schadensvermeidung (TSCHANZ, 1985) fordert, dass Lebewesen zu Selbstaufbau, Selbsterhalt und Fortpflanzung fähig sein können. Voraussetzung ist das Vorhandensein der erforderlichen Stoffe und Reize sowie einer Umgebung, die die Bedarfsdeckung ermöglicht. Außerdem muss das Lebewesen befähigt sein, schädigenden Einwirkungen zu begegnen. In der Nutztierhaltung sind bestimmte Einschränkungen (z. B. der Bewegung oder des Zugangs zum Freiland) nach den Vorgaben des § 2 TierSchG zulässig. Landtag von Baden-Württemberg Drucksache 15 / 845 8 Eine Zusammenstellung und Bewertung zahlreicher Haltungsverfahren im Hinblick auf deren Tiergerechtheit findet sich z. B. in: Nationaler Bewertungsrahmen. Methode zur Bewertung von Tierhaltungsanlagen, Kuratorium für Technik und Bauwesen in der Landwirtschaft e. V. (KTBL), 2006 ISBN: 3-939371-13-0 Der nationale Bewertungsrahmen stellt dar, dass die gängigen Haltungssysteme (Vollspalten- oder Teilspaltenböden) nicht hinreichend tiergerecht sind, verweist aber auch darauf, dass es derzeit keine ökonomisch darstellbare Alternative gibt. Leider hätten tiergerechte Haltungssysteme infolge deutlich höherer Produktionskosten bisher keine größere Verbreitung am Markt erreicht. Bestimmte Verfahren in der modernen Tierproduktion stehen in der Kritik von Tierschutzorganisationen und der Öffentlichkeit. Dies betrifft z. B. die erhebliche Bewegungseinschränkung von Sauen bei Haltung in Kastenständen sowie derzeit insbesondere auch die Haltung von (Mast-)Schweinen in reizarmer Umgebung. Solche Haltungsverfahren können zu Verhaltensstörungen führen (z. B. Stangenbeißen , Leerkauen bei Sauen, Schwanzbeißen/Kannibalismus bei Mastschweinen). Eingriffe wie das Kürzen der Schwänze von Ferkeln zur Reduzierung des Schwanzbeißens werden häufig routinemäßig durchgeführt. Zur Sicherstellung eines hohen Tierschutzniveaus sind hier weitere Verbesserungen erforderlich. Aufgrund der komplexen Ursachen z. B. des Kannibalismus sind weitere Forschungsarbeiten nötig, um z. B. einen Verzicht auf routinemäßige Eingriffe zu ermöglichen, ohne dass damit vermehrt Kannibalismusprobleme erkauft werden, die wiederum nachteilig für die Tiere sind. III. 4. Wie bewertet sie unter ökonomischen und Tierschutzgesichtspunkten die Schweinehaltung in sogenannten Erdhöhlenställen? Zu III. 4.: Die Erdhöhlenställe, die in Baden-Württemberg in geringer Anzahl bis Anfang 2000 gebaut wurden, sind aus Sicht des Tierschutzes hinsichtlich der im Stall - system umgesetzten Prinzipien der getrennten Klimabereiche sowie der freien Lüftung als vorteilhaft zu bewerten. Dies bedeutet, dass die Schweine zwischen einem wärmegedämmten Liegebereich (in der Erdhöhle) sowie einem außenklima - nahen Aktivitäts-, Fress- und Kotbereich wählen können. Über die Klimareize sowie die hohe Luftaustauschmenge können die Tiere eine erhöhte Fitness und Tiergesundheit aufweisen. Allerdings hat sich gezeigt, dass das System eine ungenügende Funktionssicherheit hat und dies negative Einflüsse auf die Tier - gesundheit und Verschmutzung der Tiere mit sich bringt. Somit können diese positiven Effekte oftmals nicht erreicht werden. Bei den Investitionskosten unterscheiden sich die Nettobaukosten mit ca. 500 € pro Tierplatz nur unwesentlich von denen konventioneller Ställe. Bei den laufenden Betriebskosten weist das System deutliche Vorteile gegenüber zwangsbelüfteten Gebäuden auf, da auf Energie für Lüftung, Heizung und Kühlung Großteils verzichtet werden kann. Eine Aussage zur Ökonomik, bezogen auf die potenziellen biologischen Leistungen in diesem Stallsystem, kann aufgrund vielfacher Einflussgrößen nicht gemacht werden. Aus der Aktualität dieses Haltungssystems vor ca. 10 Jahren resultierte auch die diesbezügliche Landtagsanfrage aus dem Jahr 2002 (Landtags-Drucksache 13/1416). III. 5. Liegen ihr Erfahrungen mit dieser Haltungsform vor und inwieweit wurde diese bislang gefördert? Zu III. 5.: Aufgrund gravierender Mängel kam es zu keiner nennenswerten Verbreitung des Systems, insbesondere wegen der erhöhten Anfälligkeit für Verschmutzung der Höhlen und den damit verbundenen negativen Auswirkungen auf das Tierwohl 9 Landtag von Baden-Württemberg Drucksache 15 / 845 (hohe Schadgasgehalte) sowie die Arbeitswirtschaft (Höhlen können nur in gebückter Haltung händisch gereinigt werden). Des Weiteren sind die Höhlen trotz Erddämmung im Winter oftmals zu kalt für Jungtiere, eine Zusatzheizung ist jedoch nur schwierig zu integrieren. Die Mängel konnten trotz intensiver Bemühungen nicht zufriedenstellend behoben werden, weshalb das System nicht sehr verbreitet ist. Heute gibt es mit dem Offenfrontstallsystem „Pig-Port“ ein Alternativkonzept, ebenfalls mit freier Lüftung und getrennten Klima- bzw. Funktionsbereichen, welches über eine erhöhte Funktionssicherheit verfügt. Dieses findet regen Einzug in die landwirtschaftliche Praxis und kann im Rahmen des Agrarinvestitionsförderprogramms (AFP) gefördert werden. Neben der materiellen Förderung werden die landwirtschaftlichen Betriebe in Baden-Württemberg auch durch Wissenstransfer und Hilfestellungen bei Planung, Bau und Management dieses noch nicht ausreichend bekannten Stallsystems über die Landesanstalt für Schweinezucht Boxberg unterstützt. III. 6. In welchem Umfang und aus welchen Programmen wurden in den vergangenen fünf Jahren Investitionen in Schweinehaltung gefördert? Zu III. 6.: Investitionen in der Schweinehaltung können über das Agrarinvestitionsförderprogramm (AFP) gefördert werden. In den vergangenen fünf Jahren wurden in der Schweinehaltung insgesamt 371 Fördervorhaben bewilligt mit einer Fördersumme von 38,3 Mio. Euro (vgl. Tabelle 2). Förderfähig sind bauliche Maßnahmen sowie der Kauf von neuen Maschinen und Anlagen der Innenwirtschaft. Tab. 2: Investitionen in der Schweinehaltung nach dem AFP Quelle: MLR III. 7. Welche Änderungen (mit welchen Übergangsfristen) wurden in den vergangenen Jahren in der Schweinehaltungsverordnung vorgenommen? Zu III. 7.: Tierschutzvorschriften für die Schweinehaltung sind, wie oben ausgeführt, im Tierschutzgesetz und der Tierschutz-Nutztierhaltungsverordnung geregelt. Wesent - liche materielle Änderungen resultieren aus Änderungen im EU-Recht im Jahr 2001 (enthalten in der aktuellen konsolidierten Fassung der Richtlinie 2008/120/EG). Die nationale Umsetzung in der TierSchNutztV ist zum 4. August 2006 erfolgt. Wesentlichste Änderungen sind: • Erweiterte Flächen- und Maßvorgaben; • Erweiterte Vorgaben für Versorgungseinrichtungen (z. B. zusätzliche Tränken); • Vorgaben zu Beschäftigungsmaterial für alle Schweine; Bewilligungen nach der VwV AFP, 2007 bis 2011 Anzahl Fördersumme in Mio. Euro Zuchtschweineställe 173 16,9 Aufzuchtferkelställe 40 3,9 Mastschweineställe 158 17,5 insgesamt 371 38,3 Landtag von Baden-Württemberg Drucksache 15 / 845 10 • Erweiterte Vorgaben zur Unterbringung kranker und unverträglicher Tiere; • Gruppenhaltungsgebot – Verbot der durchgehenden Haltung von Sauen im Kas tenstand (seit 2006 müssen tragende Sauen in Gruppen gehalten werden, für bestehende Betriebe Übergangsfrist bis Ende 2012); • Verbesserte Schulung/Fortbildung von Personen, die mit Schweinen umgehen. Die Regelungen finden sich im Einzelnen im 5. Abschnitt der TierSchNutztV (§§ 21 bis 30), die Übergangsregelungen in § 38 Nr. 8 bis 16. III. 8. Welche Tierschutzverbesserungen wurden bei der Ferkelkastration, die bislang noch meist betäubungslos erfolgt ist, in den vergangenen Jahren erreicht , und welche Alternativen zur Ferkelkastration werden europaweit bereits praktiziert bzw. sind in der Einführungsphase? Zu III. 8.: Die Durchführung von Eingriffen an Nutztieren ohne Betäubung steht seit einigen Jahren vermehrt in der Kritik der Öffentlichkeit. Die Wirtschaft hat auf die Kritik mit einer entsprechenden Vereinbarung („Düssel - dorfer Erklärung vom 29. September 2008) reagiert (s. http://www.zds-bonn.de/ duesseldorfererklaerung_zur_ferkelkastration.html). Danach erfolgt die Ferkelkastration mit Gabe eines geeigneten Schmerzmittels. Die Einhaltung wird im Rahmen des QS-Systems der „QS Qualität und Sicherheit GmbH“ überwacht (Infos: http://www.q-s.de/dc_lw_infopaket_tierschutz.html). Weiteres Ziel ist die Entwicklung von Alternativen zur Kastration der Ferkel. Auf EU-Ebene wurden im Rahmen der sog. „Brüsseler Erklärung“ insbesondere folgende Vereinbarungen getroffen: • Kastration unter Betäubung oder Schmerzmittelgabe ab 2012 • Verzicht auf die Kastration ab 2018. (s.: http://ec.europa.eu/food/animal/welfare/farm/docs/castration_pigs_declaration_de.pdf). Für einen Übergangszeitraum sind chirurgische Kastrationen von Schweinen demnach nur noch unter verlängerter Schmerzfreiheit und/oder Anästhesie vorgesehen . In der Schweiz wird die Isofluran-Narkose flächendeckend angewendet. Eine Anwendbarkeit unter deutschen Produktionsverhältnissen bleibt zu prüfen. Als derzeit praxisreife Alternativen im Sinne eines Verzichts auf die chirurgische Kastration verfügbar sind: • Ebermast • Impfung gegen Ebergeruch mit Improvac ® Die Ebermast wird in anderen Ländern (z. B. Vereinigtes Königreich) bereits länger angewandt, einige Schlachtbetriebe etablieren derzeit eine entsprechende Vermarktungsschiene in Deutschland. Improvac ® ist ein injizierbares Tierarzneimittel, mit dem auf immunologischem Weg die Bildung der für den Ebergeruch verantwortlichen Sexualhormone unterdrückt wird. Das Präparat ist seit Mai 2009 EU-weit zugelassen. Nach Angaben der Herstellerfirma wird es weltweit in verschiedenen Ländern eingesetzt, in Australien und Neuseeland seit 1998. Allerdings wird dieses Verfahren derzeit in Deutschland von der Wirtschaft nicht akzeptiert. 11 Landtag von Baden-Württemberg Drucksache 15 / 845 I V. L e g e h e n n e n h a l t u n g IV. 1. Welche Neuregelung der Tierschutz-Nutztierhaltungsverordnung/Abschnitt Legehennen wird aufgrund des diesbezüglichen Verfassungsgerichtsbeschlusses aus dem Jahr 2010 erwartet? Zu IV. 1.: Aufgrund des genannten Beschlusses (2 BvF 1/07 vom 12. Oktober 2010) hat die Bundesregierung dem Bundesrat einen Entwurf zur Änderung der TierSchNutztV vorgelegt. Der Bundesrat hat diesen Entwurf am 23. September 2011 abgelehnt. Einigkeit zwischen Bund und Ländern besteht in der Einschätzung, dass die Regelungen des § 13 b zur Kleingruppenhaltung aus der Verordnung gestrichen werden sollen, da die Haltungsform Kleingruppenhaltung in Deutschland nicht mehr als zukunftsträchtig angesehen wird. Kritischer Punkt ist derzeit die Frage der Übergangs-/Ausstiegsfrist für bestehende Haltungen. Der Bund hatte eine Frist bis Ende 2035 vorgesehen. Dieser langen Übergangsfrist hat der Bundesrat mehrheitlich nicht zugestimmt. Derzeit wird versucht, im Rahmen einer Arbeitsgruppe einen Kompromiss zu finden , der für Bund und Länder akzeptabel ist. IV. 2. Wie bewertet sie die jüngsten Ankündigungen der Bundesministerin für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten, diese Regelungskompetenz den Ländern zu überlassen? Zu IV. 2.: Aufgrund der Vorgabe des Bundesverfassungsgerichts (BVerfG) ist die Regelung des § 13 b ab dem 1. April 2012 nichtig. Kleingruppenhaltungen wären dann nach den allgemeinen Vorgaben des Tierschutzgesetzes und der TierSchNutztV zu beurteilen . Die Landesregierung setzt sich für eine Beendigung der Käfighaltung von Legehennen in sog. Kleingruppenkäfigen ein und strebt eine Frist für bestehende Betriebe an, die einen vernünftigen Kompromiss darstellt zwischen den berechtigten Interessen der Tierhalter, die in den Jahren 2006 bis 2009 in solche Anlagen in - vestiert haben, und den Interessen des Tierschutzes. Die zuständigen Behörden vor Ort benötigen für ihre Tätigkeit in jedem Fall eindeutige Rechtsvorgaben. Die Rechtsetzungskompetenz liegt beim Bund. V. M a s t h ä h n c h e n h a l t u n g V. 1. Wie viele Betriebe erzeugen derzeit im Land, im Bund und EU-weit Masthähnchen und wie viele Masthähnchen werden jährlich im Land erzeugt ? Zu V. 1.: Nach Angaben der Landwirtschaftszählung 2010 gibt es in Baden-Württemberg 362 Masthühnerhalter mit einem Bestand von gut 1 Mio. Masthühnern. In Deutschland werden von rund 4.500 Mastbetrieben rund 67,5 Mio. Masthähnchen gehalten. Tab. 3: Masthühnerhaltung 2010 Baden-Württemberg Deutschland Halter von Masthühnern 362 4.532 Bestand an Masthühnern (Tiere) 1.008.134 67.531.078 Landtag von Baden-Württemberg Drucksache 15 / 845 12 Eurostat weist für das Jahr 2005 für die 27 EU-Mitgliedstaaten 1,5 Mio. Betriebe mit Masthühnern aus. Nach Angaben des Statistischen Bundesamtes betrug die Erzeugung von Jungmasthühnern im Jahr 2010 in Deutschland insgesamt 802.861 Tonnen Schlacht - gewicht. V. 2. Welche Änderungen, bzw. Verbesserungen (Besatzdichte, Belüftung, Tageslichtmenge etc.) haben sich im Zuge der im Jahr 2009 geänderten Tierschutz- Nutztierhaltungsverordnung/Abschnitt Masthühner ergeben? Zu V. 2.: Die Anforderungen sind geregelt im 4. Abschnitt der TierSchNutztV (§§ 16 bis 20). Dort werden insbesondere auch die Vorgaben der EU-Richtlinie 2007/43/EG umgesetzt . Zunächst ist zu begrüßen, dass es in diesem Bereich seit 2009 verbindliche Rechtsvorschriften gibt. Damit wurde Rechtssicherheit geschaffen. Bis 2009 hatten die Behörden die Masthühnerhaltungen nach allgemeinen Vor - gaben sowie den mit der Wirtschaft im Rahmen freiwilliger Vereinbarungen beschlossenen Eckwerten beurteilt. Die Verordnung regelt jetzt erstmals verbindlich die Mindestanforderungen. Im Vergleich zur vorher angewandten Praxis ergeben sich nur geringfügige Änderungen in den in Deutschland bislang üblichen und weitgehend standardisierten Haltungsverfahren. In anderen Mitgliedstaaten, die traditionell höhere Besatzdichten gefahren haben, wurde durch die Richtlinie allerdings eine Reduzierung der Tierdichte in den Ställen erreicht. Wesentlich geändert haben sich die umfangreichen Vorgaben zur Dokumentation und Qualitätssicherung im Betrieb (insb. Erstellung von Leitlinien für die Tier - haltung, Dokumentation der Besatzdichte und Registrierung der Mortalität im Bestand und im Schlachtbetrieb). Auf die Landtagsdrucksachen 14/1637 und 14/1649 wird im Zusammenhang mit der Beratung der Masthühner-RL der EU hingewiesen. V. 3. Inwieweit ist sie der Auffassung, dass diese Änderungen ausreichend waren, um eine aus Tierschutzsicht befriedigende Haltung von Masthähnchen zu gewährleisten ? Zu V. 3.: Die Zucht und Produktion von Masthühnern in der Intensivhaltung ist europaweit ein von wenigen Unternehmen dominierter Marktbereich. Die Produktion ist weitgehend auf Kosteneffizienz ausgerichtet, was sich insbesondere in günstigen Verbraucherpreisen für das erzeugte Geflügelfleisch niederschlägt. Bei den Beratungen der Masthühner-Richtlinie in Brüssel wurde erkennbar, dass es offensichtlich schwierig ist, Anforderungen des Tierschutzes und der Wirtschaftlichkeit EU-weit zu einem tragfähigen Kompromiss zu bringen. Zu begrüßen ist, dass in den Beratungen auf EU-Ebene erstmals versucht wurde, Tierschutzindikatoren in der Rechtsetzung zu verankern, allerdings mit unbefriedigendem Ergebnis. Die Landesregierung setzt sich dafür ein, dass das Konzept der Anwendung von Tierschutzindikatoren weiterverfolgt wird. Für die Masthühnerhaltung heißt das konkret, dass neben der Mortalität weitere, geeignete Indikatoren wie z. B. die Fußballendermatitis (Entzündung im Bereich der Fußsohlen, bedingt durch das Gewicht der Tiere einerseits und ungeeignete, feuchte Einstreu andererseits) sys - tematisch bei der Schlachtung erfasst werden und als Grundlage für Verbesserungen in der Tierhaltung herangezogen werden. 13 Landtag von Baden-Württemberg Drucksache 15 / 845 Zu begrüßen sind außerdem Ansätze zur Verbesserung der Qualifizierung des Personals , das mit den Tieren umgeht. Diskussions-, Forschungs- und ggf. Handlungsbedarf gibt es im Bereich der Genetik der Mastlinien (einseitige Zucht auf extremes Wachstumspotenzial), im Bereich Fütterungs- und Haltungsmanagement und bei der Haltung der Elterntiere. Die Züchter reagieren allerdings bereits auf die Forderungen nach einer stärkeren Berücksichtigung der Tiergesundheit. Auch die Verbraucher müssen sich ihrer Verantwortung für die Art der Tierhaltung bewusst sein und deshalb verstärkt aufgeklärt werden. V I . M a s t k a n i n c h e n h a l t u n g VI. 1. Auf welchen Umfang schätzt sie die Zahl der Betriebe und gehaltenen Tiere in Bezug auf Mastkaninchen (und jährliche Schlachtungen) im Land und wie hat sich die Mastkaninchenhaltung in den vergangenen Jahren entwickelt ? Zu VI. 1.: Bezüglich der aktuellen Situation in Baden-Württemberg und in der Bundesre - publik Deutschland wird auf die Landtagsdrucksachen 14/1332 und 14/6960 sowie auf einen Bericht der Bundesregierung für den Deutschen Bundestag – Link: http://www.paktev.de/artikel/395d.pdf?PHPSESSID=ssjbbjt9045helr2ff7sbk2ts2 hingewiesen. Wesentliche Änderungen in diesem Marktsegment gab es seither nicht. In Baden-Württemberg gibt es derzeit ca. 15 Betriebe, die erwerbsmäßig Zucht- und Mastkaninchen produzieren. Die Tiere werden teilweise im Land, zu einem erheblichen Anteil aber in Frankreich (Elsass) geschlachtet. VI. 2. Welche Änderungen der deutschen Tierschutz-Nutztierhaltungsverordnung im Sinne der Regelung spezieller Anforderungen für die erwerbsmäßige Haltung von Kaninchen als Nutztiere erwartet die Landesregierung? Zu VI. 2.: Am 6. März 2009 hat der Deutsche Bundesrat die Bundesregierung in einer Entschließung aufgefordert, die Anforderungen zum Tierschutz bei der Haltung von Kaninchen zu Erwerbszwecken konkret zu regeln (DS 115/09/B). Die Bundesregierung hat am 10. Juni 2011 ein Eckpunktepapier für Regelungen im Rahmen der TierSchNutztV zur Stellungnahme an Länder und Verbände versandt (s. Anlage). Die Diskussion mit den Beteiligten ist noch in der Anfangsphase, ein konkretes Ergebnis ist derzeit noch nicht absehbar. Die Landesregierung wird eine zeitnahe Umsetzung verbindlicher tiergerechter Vorschriften in diesem Bereich weiter einfordern . V I I . P u t e n - u n d E n t e n h a l t u n g VII. 1. Wie hat sich die Zahl der Betriebe und der gehaltenen Tiere/Schlachtungen im Bereich der Puten- und Entenmast seit 2002 (vgl. Drucksache 13/824) entwickelt? Zu VII. 1.: Nach Angaben des Statistischen Landesamtes wurden in Baden-Württemberg im Jahr 2010 von 576 Haltern 61.865 Enten gehalten, 298 Halter hielten 927.671 Puten. Da die Erfassungsgrenzen der Landwirtschaftszählung 2010 von den für frühere Jahre gültigen Erfassungsgrenzen stark abweichen, ist die Darstellung von Zeitreihen nicht möglich. Landtag von Baden-Württemberg Drucksache 15 / 845 14 Die Erhebung von Geflügelschlachtungen wurde bis einschließlich 2009 dezentral in den Statistischen Landesämtern durchgeführt. Aufgrund des Agrarstatis - tikgesetzes 2009 wird ab dem Berichtsjahr 2010 diese Statistik zentral vom Sta - tistischen Bundesamt erhoben und aufbereitet. Aus Datenschutzgründen wird kein Landesergebnis veröffentlicht, da die Anzahl der Betriebe mit „2.000 und mehr Tieren Schlachtkapazität im Monat“ zu gering ist. Es ist davon auszugehen, dass ein Teil der Produktion im Rahmen der Direktvermarktung saisonal auf den Betrieben geschlachtet wird. VII. 2. Welche Verbesserungen insbesondere auch durch Aufnahme der Enten und Puten in die Tierschutz-Nutztierhaltungsverordnung sind seitens der Bundesregierung geplant? Zu VII. 2.: Konkrete Initiativen der Bundesregierung zur Regelung von Mindestanforderungen für diese Bereiche der Tierhaltung sind der Landesregierung derzeit nicht bekannt . Im aktuellen Tierschutzbericht der Bundesregierung1 hat das BMELV mitgeteilt, sich für EU-weite, rechtsverbindliche Vorgaben einsetzen zu wollen, um den Tierschutz in der Mastputenhaltung zu verbessern. Konkrete Initiativen seitens der EU-Kommission gibt es bislang nicht. Die Behörden orientieren sich im Bereich Mastputen und Enten deshalb wie - derum an den allgemeinen Tierhaltungsvorschriften und an den Empfehlungen zum Europäischen Übereinkommen zum Schutz von Tieren in landwirtschaftlichen Tierhaltungen des Europarats2. Für die Mastputenhaltung existieren national freiwillige Vereinbarungen mit der Wirtschaft, die bei der Beurteilung ebenfalls berücksichtigt werden. Derzeit gibt es Bestrebungen seitens der Geflügelwirtschaft, die darin enthaltenen Empfehlungen an neue Erkenntnisse anzupassen. VII. 3. Welche Verbesserungen der Haltungsbedingungen (Besatzdichte, Anforderungen an Ställe, etc.) befürwortet sie und wie will sie dies durch Fördermaßnahmen und auf anderen Wegen im Land umsetzen? Zu VII. 3.: Aus neueren Untersuchungen ist bekannt, dass die intensive Putenmast mit einer erheblichen Tierschutzrelevanz verbunden sein kann. Ebenso existieren aktuelle Untersuchungen zu Verbesserungsmöglichkeiten in der Mastentenhaltung, insbesondere bezüglich der Wasserversorgung. Hier müssen zeitnah wirtschaftlich und hygienisch vertretbare sowie tiergerechte Systeme entwickelt und in die Ställe eingebaut werden, die den Tieren mindestens das Eintauchen des Schnabels, besser noch des ganzen Kopfes, und zumindest das Benetzen des Gefieders ermöglichen. Baden-Württemberg spielt bezüglich der Produktionszahlen bei Enten keine Rolle (laut Statistischem Landesamt 0,02 % der Schlachtungen in Deutschland), lediglich die überwiegend in Hohenlohe angesiedelte Putenmast hat eine überregionale Bedeutung. _____________________________________ 1 Tierschutzbericht 2011 – Link: http://www.bmelv.de/SharedDocs/Downloads/Landwirtschaft/Tier/Tierschutz/ Tierschutzbericht_2011.pdf;jsessionid=095094B6E815685B74E649C47E836D17.2_ cid154?__blob=publicationFile 2 Link zu den Europaratsempfehlungen: http://www.bmelv.de/DE/Landwirtschaft/Tier/Tierschutz/Tierschutzgutachten/ tierschutzgutachten_node.html;jsessionid=095094B6E815685B74E649C47E836D17.2_cid154 15 Landtag von Baden-Württemberg Drucksache 15 / 845 Die Landesregierung wird sich intensiv für notwendige Verbesserungen in diesen Bereichen einsetzen. Wie bei Masthühnern ist auch bei Puten die Frage nach der Notwendigkeit einer Begrenzung des genetischen Leistungspotenzials von großer Bedeutung. Eine einseitige Besatzdichtediskussion – wie leider bei den Masthühnern erfolgt – ist sicher nicht zielführend. Ein weiteres Problem – analog zur Haltung von Legehennen – ist das Federpicken , das häufig in Kannibalismus übergeht. Die derzeit üblichen Maßnahmen zur Verhinderung/Reduzierung dieses Verhaltens (Kürzen der Schnabelspitze, Haltung bei geringer Lichtintensität) sind aus Tierschutzsicht kritisch zu hinter - fragen. Die Erkenntnisse aus neueren und noch laufenden Untersuchungen lassen klar erkennen, dass alle Stellschrauben (Genetik, Stallklima, Einstreu, Besatzdichte, Fütterung, Strukturierung der Haltung, aber auch die Wirtschaftlichkeit und Umweltfragen ) berücksichtigt werden müssen, um die Haltung der Tiere nachhaltig wesentlich zu verbessern. Auch hier wird die systematische Erfassung und Auswertung von Tierschutzindikatoren zur Beurteilung der Tiergesundheit zukünftig eine wichtige Rolle einnehmen . Literaturhinweis: Eine Übersicht über die aktuelle Situation bezüglich des Tierschutzes in der Nutztierhaltung ist folgendem Bericht der EFSA (European Food Safety Authority der EU) aus dem Jahr 2010 zu entnehmen: http://www.efsa.europa.eu/en/supporting/doc/87e.pdf Bonde Minister für Ländlichen Raum und Verbraucherschutz