Landtag von Baden-Württemberg 15. Wahlperiode Drucksache 15 / 978 07. 12. 2011 1Eingegangen: 07. 12. 2011 / Ausgegeben: 20. 01. 2012 K l e i n e A n f r a g e Ich frage die Landesregierung: 1. Wie stellt sie sicher, dass Land- und Forstwirte und deren Organisationen frühzeitig bei der Planung und beim Bau von Windkraftanlagen beteiligt werden – und nicht erst im Zusammenhang mit notwendigen Zufahrten, Leitungstrassen oder bei der Bereitstellung von ökologischen Ausgleichsflächen? 2. Ist sie bereit, die erforderlichen rechtlichen und tatsächlichen Voraussetzungen zu schaffen, dass die Wertschöpfung im Zusammenhang mit Planung und Bau von Windkraftanlagen vor allem den Standortgemeinden und der örtlichen Land- und Forstwirtschaft zugutekommt? 3. Auf welche Art und Weise soll gewährleistet werden, dass land- und forstwirtschaftliche Flächen bei der Planung und beim Bau von Windkraftanlagen rechtlich und tatsächlich gleich behandelt werden und wie sollen Schutzauf - lagen ausgeglichen werden? 4. Nach welchen Kriterien sollen Standorte für Windkraftanlagen – neben ihrer Eignung unter wirtschaftlichen Aspekten – bewertet werden, z. B. Landschaftsverträglichkeit , Auswirkungen auf Naturschutz-, Fauna-Flora-Habitat-Gebiete und Tourismus? 07. 12. 2011 Rombach CDU Kleine Anfrage des Abg. Karl Rombach CDU und Antwort des Ministeriums für Umwelt, Klima und Energiewirtschaft Ausbau von Windkraftanlagen Drucksachen und Plenarprotokolle sind im Internet abrufbar unter: www.landtag-bw.de/Dokumente Der Landtag druckt auf Recyclingpapier, ausgezeichnet mit dem Umweltzeichen „Der Blaue Engel“. Landtag von Baden-Württemberg Drucksache 15 / 978 2 B e g r ü n d u n g Die Planung und der Bau von Windkraftanlagen, wie dies von der Landesregierung angestrebt wird, braucht die enge Abstimmung mit den Land- und Forst - wirten sowie mit den Bürgern vor Ort und mit den Standortgemeinden. Für die Land- und Forstwirte, die Standortflächen bereitstellen sollen oder sich selbst unternehmerisch bei Windkraftanlagen einbringen wollen, sind eine Reihe von Fragen offen, die von der Landesregierung beantwortet werden müssen, um Klarheit zu schaffen und die Akzeptanz zu fördern. A n t w o r t * ) Mit Schreiben vom 29. Dezember 2011 Nr. 64-4583/431 beantwortet das Ministerium für Umwelt, Klima und Energiewirtschaft im Einvernehmen mit dem Minis - terium für Ländlichen Raum und Verbraucherschutz und dem Ministerium für Verkehr und Infrastruktur die Kleine Anfrage wie folgt: 1. Wie stellt sie sicher, dass Land- und Forstwirte und deren Organisationen frühzeitig bei der Planung und beim Bau von Windkraftanlagen beteiligt werden – und nicht erst im Zusammenhang mit notwendigen Zufahrten, Leitungstrassen oder bei der Bereitstellung von ökologischen Ausgleichsflächen? Das immissionsschutzrechtliche Genehmigungsverfahren sieht für die Errichtung einer Windkraftanlage eine Öffentlichkeitsbeteiligung vor, wenn eine Umweltverträglichkeitsprüfung durchzuführen ist. Durch die öffentliche Bekanntmachung im amtlichen Veröffentlichungsblatt und im Internet oder den örtlichen Tageszeitungen wird allen Betroffenen die Möglichkeit gegeben, sich vor der Erteilung der Genehmigung zu dem Vorhaben zu äußern. Soweit Windkraftanlagen in einem vereinfachten immissionsschutzrechtlichen Verfahren genehmigt werden können (insbesondere Einzelanlagen), ist eine Öffentlichkeitsbeteiligung nicht vorgeschrieben. Diese ist jedoch auf freiwilliger Basis möglich. Der Antragsteller kann beantragen, dass statt des vereinfachten Verfahrens ein förmliches Verfahren mit Öffentlichkeitsbeteiligung durchgeführt wird. Über eine dahin gehende Beratung des Antragstellers seitens der Genehmigungsbehörden soll dies erreicht werden, um so eine aktive Beteiligung der Bürgerinnen und Bürger zu ermöglichen. Aus Gründen der Akzeptanz wird die Landesregierung bei den Interessenverbänden und Investorengruppen dafür werben, dass eine aktive Beteiligung der Bürgerinnen und Bürger in den Genehmigungsverfahren erfolgt. Sofern der Antragsteller sich dennoch gegen das förmliche Verfahren entscheidet, soll ihm die Genehmigungsbehörde nahelegen, aus Gründen der Akzeptanz die Pläne auf kommunaler Ebene in einer Informationsveranstaltung zu präsentieren. Um auch im Vorfeld des Genehmigungsverfahren eine möglichst frühzeitige Information der Öffentlichkeit über ein geplantes Projekt zu ermöglichen, setzt sich die Landesregierung dafür ein, dass ein Dialog aller Beteiligten vor Ort bereits im Planungsstadium erfolgt. Öffentliche Informationsveranstaltungen eignen sich besonders gut für einen direkten Meinungsaustausch. In Regional- und Bauleitplanverfahren zur Ausweisung von Standorten für Windkraftanlagen besteht für alle Betroffenen die Möglichkeit, sich im Rahmen der jeweiligen gesetzlich geregelten umfassenden Öffentlichkeitsbeteiligung zu den Planentwürfen zu äußern. *) Nach Ablauf der Drei-Wochen-Frist eingegangen. 3 Landtag von Baden-Württemberg Drucksache 15 / 978 2. Ist sie bereit, die erforderlichen rechtlichen und tatsächlichen Voraussetzungen zu schaffen, dass die Wertschöpfung im Zusammenhang mit Planung und Bau von Windkraftanlagen vor allem den Standortgemeinden und der örtlichen Land- und Forstwirtschaft zugutekommt? Die Landesregierung ist grundsätzlich bereit, geeignete Flächen insbesondere im Staatswald für die Errichtung von Windkraftanlagen an Investoren oder ihre Zusammenschlüsse zu verpachten, sofern dem keine übergeordneten Gesichtspunkte (z. B. naturschutzfachlicher Art) entgegenstehen und vonseiten der betroffenen Gemeinde keine Einwände bestehen. Im Hinblick auf die Wertschöpfung vor Ort kommt „Bürgerwindrädern“ eine besondere Bedeutung zu. Die Landesregierung unterstützt entsprechende Initiativen im Rahmen ihrer Möglichkeiten. Dabei ist allerdings zu bedenken, dass landeseigene Grundstücke gemäß § 63 Abs. 5 Landeshaushaltsordnung (LHO) in Verbindung mit § 63 Abs. 3 LHO nur zu ihrem „vollen Wert“ veräußert werden dürfen. Der volle Wert im Sinne von § 63 Abs. 3 LHO wird durch den Preis bestimmt, der im gewöhnlichen Geschäftsverkehr nach der Beschaffenheit des Gegenstandes bei einer Veräußerung bzw. bei einer Verpachtung zu erzielen wäre. Nach § 63 Abs. 4 LHO kann das Finanzministerium unter bestimmten Bedingungen mit Zustimmung des Landtags Ausnahmen vom § 63 Abs. 3 LHO zulassen. Die zuständigen Ministerien haben Gespräche aufgenommen, um die Grenzen dieser Ausnahmeregelung auszuloten. Für Projektplanungen auf Flächen, bei denen eine mehr oder minder große Anzahl von verschiedenen Grundstückseigentümern von der Errichtung einer Windkraftanlage berührt wäre, empfiehlt die Landesregierung den Standortkommunen die Initiierung sogenannter „Pool-Lösungen“. Bei diesem Konzept werden alle Grundstückseigentümer innerhalb einer Windparkfläche nach einem zuvor bestimmten Aufteilungsschlüssel an der Pachtauszahlung beteiligt. Darüber hinaus bietet ein solches Modell die Gewähr, dass potenzielle Standorte für Windkraft - anlagen durch den Projektträger nutzungsoptimiert beplant werden können. 3. Auf welche Art und Weise soll gewährleistet werden, dass land- und forstwirtschaftliche Flächen bei der Planung und beim Bau von Windkraftanlagen rechtlich und tatsächlich gleich behandelt werden und wie sollen Schutzauf - lagen ausgeglichen werden? Bezüglich der Windhöffigkeit gelten für land- und forstwirtschaftliche Standorte bei der Planung grundsätzlich die gleichen Anforderungen. Die in der Vergangenheit zwischen land- und forstwirtschaftlichen Standorten getroffenen Unterschiede beruhten vorrangig auf der Berücksichtigung von Verwirbelungseffekten, die allerdings bei den heute üblichen Nabenhöhen moderner Windkraftanlagen nicht mehr ins Gewicht fallen. Für die immissionsschutzrechtliche Genehmigung gelten für alle Windkraftstandorte die nach dem Immissionsschutzrecht bestehenden gesetzlichen Regelungen gleichermaßen. Für den forst- und naturschutzrechtlichen Ausgleich wird in aller Regel eine Gleichbehandlung land- und forstwirtschaftlicher Flächen nicht möglich sein, da unterschiedliche Schutzgüter betroffen sein werden. 4. Nach welchen Kriterien sollen Standorte für Windkraftanlagen – neben ihrer Eignung unter wirtschaftlichen Aspekten – bewertet werden, z. B. Landschaftsverträglichkeit , Auswirkungen auf Naturschutz-, Fauna-Flora-Habitat-Gebiete und Tourismus? Als praxisorientierte Handreichung und Leitlinie für das gesamte Verfahren zur Planung, Genehmigung und zum Bau von Windenergieanlagen erstellt die Landesregierung derzeit einen „Windenergieerlass Baden-Württemberg“. Dieser Erlass enthält – neben Ausführungen zur ausreichenden Windhöffigkeit als wirtschaftliche Grundvoraussetzung – Hinweise sowohl zur Berücksichtigung von Naturschutzbelangen wie Natur- und Landschaftsschutzgebieten, Flora-Fauna -Habitat-(FFH-)Gebieten, Naturparks und dem Schutz bedrohter Arten als auch Landtag von Baden-Württemberg Drucksache 15 / 978 4 zur Gewichtung des Landschaftsbildes. Die Veröffentlichung dieses Erlasses ist für Frühjahr 2012 geplant. In Naturschutzgebieten sind Windkraftanlagen regelmäßig nicht zulassungsfähig. In FFH-Gebieten ist der Bau von Windkraftanlagen nicht generell ausgeschlossen . Windkraftanlagen dürfen jedoch nicht zu erheblichen Beeinträchtigungen der Erhaltungsziele und des Schutzzweckes von FFH-Gebieten führen. Um dies auszuschließen , ist im Rahmen der jeweiligen Verfahrensstufe eine Verträglichkeits - prüfung durchzuführen. Die Vorgaben anderer Schutzgebietskategorien, artenschutzrechtliche Vorgaben (§§ 44 f Bundesnaturschutzgesetz – BNatSchG) und die Eingriffsregelung (§ 14 ff BNatSchG) sind zu berücksichtigen. Zu den Auswirkungen von Windkraftanlagen auf naturschutzrechtliche Belange wird auch auf die Ausführungen der Landesregierung unter Pkt. 8 und 9 im Antrag „Ziele und Folgen des Ausbaus der Windkraft in Baden-Württemberg“ (DS 15/44) vom 26. Mai 2011 hingewiesen. Die Belange des Tourismus und der Landschaftsverträglichkeit werden von den Trägern der Regionalplanung und der Bauleitplanung berücksichtigt und in ihre Abwägung mit einbezogen. Soweit keine planerische Steuerung durch Regionaloder Flächennutzungsplanung erfolgt, wird im immissionsrechtlichen Verfahren geprüft, ob Belange der Vielfalt, Eigenart und Schönheit sowie des Erholungswertes von Natur- und Landschaft entgegenstehen. Zum diesem Aspekt der Landschaftsbildverträglichkeit und den Auswirkungen auf den Tourismus hat die Landesregierung auch im Antrag „Windkraft, Landschaftsbild und Tourismus“ (DS 15/767) vom 21. Oktober 2011 ausführlich Stellung genommen. Untersteller Minister für Umwelt, Klima und Energiewirtschaft