Landtag von Baden-Württemberg 16. Wahlperiode Drucksache 16 / 1168 09. 12. 2016 1Eingegangen: 09. 12. 2016 / Ausgegeben: 23. 01. 2017 K l e i n e A n f r a g e Ich frage die Landesregierung: 1. Wie viele Windenergieanlagen sind nach ihrer Kenntnis aktuell im Ortenaukreis in Betrieb, noch nicht in Betrieb aber bereits genehmigt oder projektiert (unter Angabe der Standorte)? 2. Inwieweit sind diesbezüglich weitere Konflikte hinsichtlich der Zertifizierung des Fernwanderwegs „Westweg“ und des Generalwildwegeplans zu erwarten? 3. Welche Windenergieanlagen im Ortenaukreis mussten aus Gründen des Immissionsschutzes (akustische oder optische Immissionen) in den vergangenen fünf Jahren vorübergehend abgestellt oder im Betrieb beschränkt werden (jeweils unter Angabe des zeitlichen Umfangs der Beschränkungen)? 4. Welche Standsicherheits- und Turbulenzgutachten wurden im Zusammenhang mit dem Windpark „Südliche Ortenau“ vorgelegt (unter Angabe der wesentlichen Aussagen)? 5. Trifft es zu, dass die Genehmigung für die Errichtung der Windenergieanlage „WEA 1 Großer Grassert“ im Windpark „Südliche Ortenau“ trotz der Nichtvorlage dreier vorhandener Quellengutachten und des Verbots des Errichtens baulicher Anlagen in der örtlichen Wasserschutzzone (Moserdobel-, Litschental - und Wolfersbachquelle) erteilt wurde? 6. Inwiefern trifft es zu, dass trotz der bekannten Bodeneinbrüche bei der Fertigung der Fundamente am Windrad sieben des Windparks „Südliche Ortenau“ kein Baustopp bis zur Vorlage eines geologischen Gutachtens verhängt wurde? Kleine Anfrage des Abg. Andreas Glück FDP/DVP und Antwort des Ministeriums für Umwelt, Klima und Energiewirtschaft Windenergie im Ortenaukreis Drucksachen und Plenarprotokolle sind im Internet abrufbar unter: www.landtag-bw.de/Dokumente Der Landtag druckt auf Recyclingpapier, ausgezeichnet mit dem Umweltzeichen „Der Blaue Engel“. Landtag von Baden-Württemberg Drucksache 16 / 1168 2 7. Wie bewertet sie es rechtlich, dass zwar die immissionsschutzrechtlichen Genehmigungen der Windenergieanlagen des Windparks „Kambacher Eck“ vom 19. Juni 2015 für Anlagen des Typs „Enercon E115“ mit einer Nennleistung von je 2,5 Megawatt ausgestellt wurden, tatsächlich jedoch später dort Anlagen mit einer Nennleistung von je 3,05 Megawatt in Betrieb genommen wurden? 8. Aus welchen Gründen sind im Rahmen des immissionsschutzrechtlichen Genehmigungsverfahrens für den Windpark „Kambacher Eck“ Standsicherheitsund Turbulenzgutachten vorgelegt bzw. nicht vorgelegt worden? 9. Trifft es zu, dass die Forstliche Versuchs- und Forschungsanstalt Freiburg der Ansicht ist, dass auf dem Gütschkopf bei Oberwolfach ein sicherer Reproduktionsnachweis für Auerwild erbracht wurde und dass das Gebiet in diesem Fall unter Schutz zu stellen wäre? 10. Wenn ja, wie begründet das Regierungspräsidium Freiburg seine Entscheidung , dass der geplanten Fortschreibung des Flächennutzungsplans der Verwaltungsgemeinschaft Wolfach/Oberwolfach keine naturschutzrechtlichen Hin - dernisse entgegenstehen? 05. 12. 2016 Glück FDP/DVP A n t w o r t Mit Schreiben vom 3. Januar 2017 Nr. 4-4516/55 beantwortet das Ministerium für Umwelt, Klima und Energiewirtschaft im Einvernehmen mit dem Ministerium der Justiz und für Europa sowie dem Ministerium für Ländlichen Raum und Verbraucherschutz die Kleine Anfrage wie folgt: 1. Wie viele Windenergieanlagen sind nach ihrer Kenntnis aktuell im Ortenaukreis im Betrieb, noch nicht in Betrieb aber bereits genehmigt oder projektiert (unter Angabe der Standorte)? Im Ortenaukreis sind derzeit 36 Windenergieanlagen (WEA) in Betrieb. Die Stand - orte mit der jeweiligen Zahl an WEA in der Klammer sind: Oberkirch-Nussbach (1), Fischerbach (Brandenkopf) (1), Oberharmersbach (Bran - denkopf) (1), Ettenheim-Wallburg (3), Kippenheim-Schmieheim (1), Mahlberg- Orschweier (1), Seelbach/Lahr (2), Hornberg-Reichenbach Kostbachhöhe (2), Bad Peterstal-Griesbach bei der Schanz (1), Hornberg-Reichenbach Pilfer/Schondelhöhe (2), Hornberg-Reichenbach Steigers Eck (1), Schweighausen Weissmoos (1), Gutach/Mühlenbach Prechtaler Schanze I (3), Sasbachwalden Hornisgrinde (1), Gutach/Mühlenbach Prechtaler Schanze II (3), Schuttertal/ Steinach Kambacher Eck (4), Ettenheim/Seelbach/Schuttertal BWSO (7), Lahr-Sulz Schloßbühl (1). 6 WEA sind derzeit genehmigt, aber noch nicht in Betrieb: Gengenbach/Friesenheim und Hornberg (4), Fischerbach/Unterharmersbach (2). Weitere 7 WEA sind beantragt: Lautenbach (1), Oberwolfach (3), Hornberg-Reichenbach Steigers Eck (1), Gut - ach/Wolfach-Kirnbach (1), Hornberg-Reichenbach (Falkenhöhe) (1). 3 Landtag von Baden-Württemberg Drucksache 16 / 1168 2. Inwieweit sind diesbezüglich weitere Konflikte hinsichtlich der Zertifizierung des Fernwanderwegs „Westweg“ und des Generalwildwegplans zu erwarten? Die derzeit beantragten Windenergieanlagen liegen außerhalb des Einwirkungsbereichs des Generalwildwegeplans und des Westwegs. In den bisher erteilten Genehmigungen wurden die Belange des Generalwildwege - plans sowie des Schwarzwaldvereins hinsichtlich des Westwegs berücksichtigt. Wegesperrungen konnten im Einvernehmen mit dem Schwarzwaldverein durch Einrichtung von Eiswarnlampen, die an das Eiserkennungssystem der Windenergieanlagen gekoppelt sind, in Verbindung mit gemeinsam festgelegten Umleitungstrecken vermieden werden. 3. Welche Windenergieanlagen im Ortenaukreis mussten aus Gründen des Immissionsschutzgesetzes (akustische oder optische Immissionen) in den vergangenen fünf Jahren vorübergehend abgestellt oder im Betrieb beschränkt werden (jeweils unter Angabe des zeitlichen Umfangs der Beschränkungen)? Innerhalb der letzten fünf Jahre wurden im Ortenaukreis an einem Windpark (Bürgerwindpark Südliche Ortenau mit 7 WEA) Betriebseinschränkungen verfügt . Einzelne oder auch mehrere für impulshaltige Geräusche verantwortliche Anlagen sind bis zur Ursachenbeseitigung in einem schallreduzierten Betrieb zu fahren oder ggf. abzuschalten, sodass keine deutlich wahrnehmbaren impulshaltigen Geräusche auftreten dürften. 4. Welche Standsicherheits- und Turbulenzgutachten wurden im Zusammenhang mit dem Windpark „Südliche Ortenau“ vorgelegt (unter Angabe der wesentlichen Aussagen)? Das Landratsamt Ortenaukreis hat für die sieben Windenergieanlagen des Windparks Südliche Ortenau die bautechnische Prüfung nach § 17 Verfahrensverordnung zur Landesbauordnung (LBOVVO) durch einen Prüfingenieur verlangt. Diese umfasst die Prüfung der bautechnischen Nachweise nach § 9 LBOVVO (z. B. Standsicherheitsnachweis) sowie die Überwachung der Ausführung in konstruktiver Hinsicht. Inhalt und Umfang der Prüfung ergeben sich aus § 6 Bauprüfverordnung (BauPrüfVO). Der Prüfingenieur hat dabei alle für die Standsicherheit relevanten Kriterien zu berücksichtigen. Im Fall des Bürgerwindparks Südliche Ortenau wurde vom Prüfstatiker zur Plausibilitätsprüfung u. a. eine Abschätzung des TÜV Süd zur Standsicherheit – Abschätzung der Turbulenzintensität – angefordert . Darüber hinaus lagen ihm Prüfberichte zur Typenprüfung der konkreten Anlagen, eine gutachterliche Stellungnahme des TÜV Nord zur standortspezifischen Lastrechnung und Lastvergleiche sowie ein geotechnischer Untersuchungsbericht vor. Die Überprüfung der Unterlagen ergab für den vorgesehenen Standort keine Beanstandungen. 5. Trifft es zu, dass die Genehmigung für die Errichtung der Windenergieanlage „WEA 1 Großer Grassert“ im Windpark „Südliche Ortenau“ trotz der Nichtvorlage dreier vorhandener Quellengutachten und des Verbots des Errichtens baulicher Anlagen in der örtlichen Wasserschutzzone (Moserdobel-, Litschental - und Wolfersbachquelle) erteilt wurde? Die Ausweisung des Wasserschutzgebietes „Moserdobelquelle, Wolfersbachquelle und Litschentalquellen“ der Gemeinde Seelbach erfolgte in den Jahren 1976 bis 1988 in enger Zusammenarbeit zwischen dem Landesamt für Geologie, Rohstoffe und Bergbau (LGRB), der Gemeinde Seelbach und dem Amt für Wasserwirtschaft und Bodenschutz des Landratsamtes Ortenaukreis. Die angesprochenen „Quellengutachten“ sind weder dem LGRB noch der Gemeinde Seelbach oder dem Landratsamt bekannt. Die WEA 1 liegt in der erweiterten Schutzzone III des v. g. Wasserschutzgebietes. Nach der Rechtsverordnung des Wasserschutzgebietes vom 3. Juni 1988 sind hier bauliche Anlagen im Sinne der Landesbauordnung grundsätzlich verboten. Von diesem Verbot konnte im Rahmen der immissionsschutzrechtlichen Genehmi- Landtag von Baden-Württemberg Drucksache 16 / 1168 4 gung vom 16. Juli 2015 eine Befreiung erteilt werden, da aus wasserwirtschaft - licher Sicht die in der ergänzenden Stellungnahme des Vorhabenträgers vom 17. März 2015 vorgesehenen Schutzvorkehrungen in Verbindung mit den Nebenbestimmungen der immissionsschutzrechtlichen Genehmigung ausreichend waren, um eine Verunreinigung des Grundwassers oder eine sonstige nachteilige Veränderung seiner Eigenschaft nicht zu besorgen. Die vorgesehenen Schutzmaßnahmen haben sich bewährt. Während des Baus und des bisherigen Betriebs konnte keine Beeinträchtigung der öffentlichen Wasserversorgung festgestellt werden. 6. Inwiefern trifft es zu, dass trotz der bekannten Bodeneinbrüche bei der Fertigung der Fundamente am Windrad sieben des Windparks „Südliche Ortenau“ kein Baustopp bis zur Vorlage eines geologischen Gutachtens verhängt wurde? Bei den Aushubarbeiten am östlichen Baugrubenrand wurde ein ca. 3,3 m tiefer und ca. 30 cm bis 50 cm breiter Hohlraum angetroffen. Dieser wurde von einem Sachverständigen für Geotechnik untersucht. Zudem wurde eine Fachfirma beauftragt , das Planum mit Georadar auf eventuell vorhandene Hohlräume zu untersuchen . Die Überprüfung ergab, dass es sich um eine kleine Felsspalte handelte, die mit ca. 7 m³ Beton aufgefüllt wurde, um die Standfestigkeit zu gewährleisten. Für einen Baustopp gab es keine Veranlassung, da der Sachverständige für Geotechnik , der auch den geotechnischen Untersuchungsbericht vor Baufreigabe angefertigt hatte, direkt vor Ort war und die zu ergreifenden Maßnahmen unmittelbar angeordnet hatte. Die ergriffene Maßnahme entspricht den anerkannten Regeln der Technik. 7. Wie bewertet sie es rechtlich, dass zwar die immissionsschutzrechtlichen Genehmigungen der Windenergieanlagen des Windparks „Kambacher Eck“ vom 19. Juni 2015 für Anlagen des Typs „Enercon E115“ mit einer Nennleistung von je 2,5 Megawatt ausgestellt wurden, tatsächlich jedoch später dort Anlagen mit einer Nennleistung von je 3,05 Megawatt in Betrieb genommen wurden? Die immissionsschutzrechtliche Genehmigung für die Errichtung und den Betrieb des Windparks „Kambacher Eck“ vom 19. Juni 2015 mit vier WEA wurde mit dem Typ ENERCON E-115 mit einer Nennleistung von je 2,5 MW erteilt. Mit einer Anzeige entsprechend § 15 Abs. 1 BImSchG wurde die geplante Änderung einer höheren Nennleistung von je 3,05 MW statt je 2,5 MW gegenüber der Genehmigungsbehörde angezeigt. Die Genehmigungsbehörde hat nach erfolgter Prüfung der angezeigten Änderung mit Entscheidung vom 18. August 2015 auf der Grundlage von § 15 Abs. 2 BImSchG festgestellt, dass die angezeigte Änderung an den vier Windenergieanlagen – Einbau eines veränderten Generators und damit einhergehender Nennleistungssteigerung auf 3,05 MW – keiner immis - sionsschutzrechtlichen Änderungsgenehmigung bedarf. 8. Aus welchen Gründen sind im Rahmen des immissionsschutzrechtlichen Genehmigungsverfahrens für den Windpark „Kambacher Eck“ Standsicherheitsund Turbulenzgutachten vorgelegt bzw. nicht vorgelegt worden? Für die vier WEA des Windparks „Kambacher Eck“ wurde die bautechnische Prüfung durch einen Prüfingenieur verlangt. Diese umfasst die Prüfung der bautechnischen Nachweise nach § 9 LBOVVO (z. B. Standsicherheitsnachweis) sowie die Überwachung der Ausführung in konstruktiver Hinsicht. Inhalt und Umfang der Prüfung ergeben sich aus § 6 BauPrüfVO. Der Prüfingenieur hat dabei alle für die Standsicherheit relevanten Kriterien zu berücksichtigen – im Fall „Kambacher Eck“ daher auch die standortbezogenen Turbulenzen. Ob er hierfür weitere Unterlagen – z. B. ein Turbulenzgutachten – anfordert, obliegt grundsätzlich seiner sachverständigen Einschätzung. Für die WEA „Kambacher Eck“ hat der Sachverständige ein Turbulenzgutachten mit projektbezogenen, für die ge - nauen Standorte der vier WEA ermittelten Turbulenzintensitäten erhalten, welches seine fachtechnische Stellungnahme, dass prüfseitig keine Bedenken hinsichtlich der Standsicherheit der WEA am Kambacher Eck bestehen, bestätigt. 5 Landtag von Baden-Württemberg Drucksache 16 / 1168 9. Trifft es zu, dass die Forstliche Versuchs- und Forschungsanstalt Freiburg der Ansicht ist, dass auf dem Gütschkopf bei Oberwolfach ein sicherer Reproduktionsnachweis für Auerwild erbracht wurde und dass das Gebiet in diesem Fall unter Schutz zu stellen wäre? 10. Wenn ja, wie begründet das Regierungspräsidium Freiburg seine Entscheidung , dass der geplanten Fortschreibung des Flächennutzungsplans der Verwaltungsgemeinschaft Wolfach/Oberwolfach keine naturschutzrechtlichen Hin - dernisse entgegenstehen? Zu 9. und 10.: Laut Stellungnahme der Forstlichen Versuchs- und Forschungsanstalt Freiburg (FVA) wurde auf dem Gütschkopf bei Oberwolfach Auerhuhnküken- und Auerhennenlosung im Nahbereich der dort geplanten Windenergieanlagen gefunden. Diese indirekten Nachweise werden in Verbindung mit weiteren Hinweisen von der FVA als ein Reproduktionsnachweis für Auerwild eingeordnet. Reproduktionsnachweise führen zu einer Einstufung des Fundorts in die Auerhuhnkategorie 1, um die herum in einem 1-Kilometer-Radius keine Windenergieanlagen errichtet werden dürfen. Die FVA sieht eine über den aktuellen Schutz hinausgehende Unterschutzstellung als nicht notwendig an. Das Regierungspräsidium Freiburg hat im laufenden Flächennutzungsplanverfahren der Verwaltungsgemeinschaft Wolfach/Oberwolfach keine Entscheidung getroffen , sondern lediglich eine Stellungnahme abgegeben. Demnach werden die bisherigen, auf einer breiten Datengrundlage basierenden gutachterlichen Feststellungen hinsichtlich der durchgehenden Besiedelung des Bereichs durch die Losungsfunde nicht substantiiert erschüttert. Die Bewertung des fraglichen Standorts erfolgt in einer Einzelfallbetrachtung anhand aller bekannten Erkenntnisse – den bisher vorliegenden Gutachten sowie der fachlichen Stellungnahmen der FVA und des Regierungspräsidiums Freiburg. Möglicherweise sind weitere Kartierungen des Auerhuhns notwendig, um eine Klärung herbei zu führen. In Vertretung Meinel Ministerialdirektor