Landtag von Baden-Württemberg 16. Wahlperiode Drucksache 16 / 1174 19. 12. 2016 1Eingegangen: 19. 12. 2016 / Ausgegeben: 03. 02. 2017 K l e i n e A n f r a g e Ich frage die Landesregierung: 1. Welche Kommunen oder deren Bürger in Baden-Württemberg (Bürgerentscheid ) haben sich nach ihrer Kenntnis im Zusammenhang mit der Aufstellung der letzten Regionalpläne oder seither gegen weitere Windkraftanlagen ausgesprochen (bitte auflisten)? 2. Sind in diesem Jahr Genehmigungen von Windkraftanlagen in Kommunen erteilt worden, deren Vertretung oder deren Bürger (Bürgerentscheid) das konkrete Vorhaben oder weitere Windkraftanlagen in der Kommune allgemein abgelehnt hatten? 3. Wenn ja, welche (bitte jeweils auch Standortgemeinde, Kreis, Anzahl und Höhe angeben)? 4. Warum möchte sie dennoch mit Nachdruck einen Windpark in Winterlingen und Bitz errichten? 5. Welche Anträge beziehen sich auf Gemeinden, die sich durch ihre Vertretung oder ihre Bürger ablehnend gegen das Vorhaben oder weitere Windkraftanlagen allgemein geäußert haben (bitte auch Standortgemeinde, Kreis, Anzahl und Höhe angeben)? 6. Plant sie, die Bürgerinnen und Bürger über einen Bürgerentscheid über das Projekt zur Errichtung einer Windenergieanlage in Winterlingen und Bitz entscheiden zu lassen? Kleine Anfrage des Abg. Stefan Herre AfD und Antwort des Ministeriums für Umwelt, Klima und Energiewirtschaft Folgen von Windkraftanlagen für Mensch, Tier und Natur – Mitbestimmung der Bürger Drucksachen und Plenarprotokolle sind im Internet abrufbar unter: www.landtag-bw.de/Dokumente Der Landtag druckt auf Recyclingpapier, ausgezeichnet mit dem Umweltzeichen „Der Blaue Engel“. Landtag von Baden-Württemberg Drucksache 16 / 1174 2 7. Wenn nein, warum nicht? 8. Warum möchte sie sieben Hektar Wald zerstören und einen nicht korrigier - baren Eingriff in die Tierwelt sowie in die Natur vornehmen, beziehungsweise alle Risiken für den Menschen unberücksichtigt lassen? 12. 12. 2016 Herre AfD B e g r ü n d u n g In letzter Zeit häufen sich die Beschwerden im Zollernalbkreis, dass es sowohl in Bitz wie auch in Winterlingen zu einem Bürgerentscheid gegen die einseitigen Planungen zur Errichtung eines Windparks durch die Gemeinderäte, Landrat und Regierungspräsidium kommen sollte. Alle benannten Risiken und Einwände seitens der Bürgerinitiative stießen bis dato bei den Verantwortlichen auf taube Ohren. Fallende Immobilienpreise, schlaflose Nächte, Eingriffe in die Natur, mehrere tausend Bäume fallen dem Windparkprojekt in Winterlingen und Bitz im Zollernalbkreis zum Opfer. Die Rentabilität des Projekts ist wegen Windarmut in Frage gestellt. Vogelschlag, ein Eingriff in die Natur und Tierwelt ist unumkehrbar . Der Lärm, der auf die Einwohner der betroffenen Orte zukommt, ist an anderen Orten bereits bewiesen. So sind in allen Bundesländern die negativen Auswirkungen nach der Errichtung spürbar. Mit dieser Kleinen Anfrage soll zum aktuellen Stand des Projekts für die Bürger im Zollernalbkreis um Auskunft gebeten werden. A n t w o r t Mit Schreiben vom 11. Januar 2017 Nr. 4-4516/56 beantwortet das Ministerium für Umwelt, Klima und Energiewirtschaft im Einvernehmen mit dem Ministerium für Inneres, Digitalisierung und Migration, dem Ministerium für Wirtschaft, Arbeit und Wohnungsbau sowie dem Ministerium für Ländlichen Raum und Verbraucherschutz die Kleine Anfrage wie folgt: 1. Welche Kommunen oder deren Bürger in Baden-Württemberg (Bürgerentscheid ) haben sich nach ihrer Kenntnis im Zusammenhang mit der Aufstellung der letzten Regionalpläne oder seither gegen weitere Windkraftanlagen ausgesprochen (bitte auflisten)? Bei der Aufstellung der Regionalpläne zur Ausweisung von Windkraftstandorten werden sowohl die berührten Gemeinden als auch die Bürgerinnen und Bürger (Öffentlichkeit) am Verfahren beteiligt. Allerdings können Bürgerinnen und Bürger nicht nur in formellen Regionalplanverfahren ihre Auffassung zu geplanten Windenergieanlagen äußern, sondern auch unabhängig davon bzw. im zeitlichen Nachgang zu diesen Verfahren, zum Beispiel gegenüber Kommunen, Genehmigungsbehörden , Projektierern, Verbänden und politischen Verantwortungsträgern. Auch die betroffenen Gemeinden sind bei ihren Äußerungen und Stellungnahmen nicht auf das Regionalplanverfahren beschränkt. Der Landesregierung ist nicht bekannt, in welchen Gemeinden Baden-Württembergs sich die Gemeinde selbst oder einzelne ihrer Bürgerinnen und Bürger gegen die Errichtung weiterer Windenergieanlagen ausgesprochen haben. Dies lässt sich angesichts von 1.101 Gemeinden im Land, über 10 Millionen Einwohnern und 3 Landtag von Baden-Württemberg Drucksache 16 / 1174 der Dauer des maßgeblichen Zeitraums (seit Beginn der neuen Regionalplanung im Jahr 2012 bis heute) auch nicht mit vertretbarem Aufwand feststellen. Dies gilt umso mehr, als die Positionierung der Betroffenen für oder gegen die Errichtung von Windenergieanlagen zumeist von bestimmten Faktoren (konkreter Standortwahl , Anlagentypus, Untersuchungsergebnissen wie etwa Artenschutzgutachten, Alternativstandorten etc.) abhängt und die Haltung der berührten Personen und Stellen dementsprechend im Laufe des Planungsprozesses (insbesondere in Abhängigkeit von der jeweiligen Suchraumkulisse) oftmals wechselt. So kann z. B. durch eine Verschiebung des Standorts die auf naturschutz- oder immissionsschutzrechtlichen Bedenken basierende ablehnende Haltung einer Person oder Stelle wieder entfallen. 2. Sind in diesem Jahr Genehmigungen von Windkraftanlagen in Kommunen erteilt worden, deren Vertretung oder deren Bürger (Bürgerentscheid) das konkrete Vorhaben oder weitere Windkraftanlagen in der Kommune allgemein abgelehnt hatten? 3. Wenn ja, welche (bitte jeweils auch Standortgemeinde, Kreis, Anzahl und Höhe angeben)? Mit Stand 30. November 2016 befanden sich in Baden-Württemberg 294 Windkraftanlagen im immissionsschutzrechtlichen Genehmigungsverfahren und 71 Ge - nehmigungen sind im Jahr 2016 bis zu diesem Datum erteilt worden. In Einzelfällen geben Kommunen oder Bürger in Genehmigungsverfahren gegenüber den zuständigen Genehmigungsbehörden ablehnende Stellungnahmen zu einem Vorhaben ab. Die Genehmigungsbehörden berücksichtigen die Stellungnahmen bzw. Einwände im Rahmen der Vorgaben des Immissionsschutzrechtes. Die Landes - regierung wird über entsprechende Einzelfälle nicht informiert. Es liegen hierzu deshalb keine Kenntnisse vor. 4. Warum möchte sie dennoch mit Nachdruck einen Windpark in Winterlingen und Bitz errichten? Eine Bürgerenergiegenossenschaft mit Sitz in Winterlingen und über 100 Mitgliedern aus der Region hat einen immissionsschutzrechtlichen Antrag für die Errichtung und den Betrieb von sieben Windkraftanlagen (Bürgerwindpark Winterlingen ) auf Gemarkung Winterlingen gestellt. Erfüllt der Vorhabenträger die Genehmigungsvoraussetzungen des § 6 Abs. 1 des Bundesimmissionsschutzgesetzes (BImSchG), hat die zuständige Genehmigungsbehörde, das Landratsamt Zollern - albkreis, das Vorhaben zu genehmigen. Der Vorhabenträger hat unter diesen Voraussetzungen einen Rechtsanspruch auf die Genehmigung. Die beantragten sieben Windenergieanlagen sollen im Bereich des Naturparks Obere Donau errichtet werden. Nachdem das Regierungspräsidium Tübingen, das die Naturparkverordnung „Obere Donau“ erlassen hat, sein Einvernehmen zur Errichtung von zunächst vier der beantragten Anlagen erteilt hat, beantragte die Bürgerenergiegenossenschaft eine Teilgenehmigung nach § 8 BImSchG für vier Windenergieanlagen. Das Landratsamt Zollernalbkreis erteilte die immissionsschutzrechtliche Teilgenehmigung hierfür am 9. Dezember 2016. Die Landesregierung möchte die Energiewende weiter voranbringen. Gleichzeitig nimmt sie wahr, dass es bei konkreten Projekten einen Bedarf nach Transparenz, Information, Dialog bis hin zu Konfliktklärung gibt. Das Land unterstützt Städte und Gemeinden mit dem Forum Energiedialog, auf diesen Bedarf einzugehen. Seit Mai 2016 begleitet das Forum Energiedialog in einem interkommunalen Prozess auch die beiden Gemeinden Winterlingen und Bitz. Ein Ergebnis dieses Prozesses war die Veranstaltung von zwei Infomärkten in Bitz und Winterlingen. Allerdings handelt es sich dabei nur um begleitende Maßnahmen. Die Entscheidung über die Errichtung und den Betrieb der Windkraftanlagen trifft das Landratsamt Zollernalbkreis unter Berücksichtigung der rechtlichen Vorgaben. Landtag von Baden-Württemberg Drucksache 16 / 1174 4 5. Welche Anträge beziehen sich auf Gemeinden, die sich durch ihre Vertretung oder ihre Bürger ablehnend gegen das Vorhaben oder weitere Windkraftanlagen allgemein geäußert haben (bitte auch Standortgemeinde, Kreis, Anzahl und Höhe angeben)? Der Landesregierung liegen hierzu keine Kenntnisse vor. 6. Plant sie, die Bürgerinnen und Bürger über einen Bürgerentscheid über das Projekt zur Errichtung einer Windkraftanlage in Winterlingen und Bitz entscheiden zu lassen? 7. Wenn nein, warum nicht? Bürgerentscheide sind in der Gemeindeordnung für Baden-Württemberg geregelt. Ein Bürgerentscheid kann entweder vom Gemeinderat beschlossen oder von der Bürgerschaft über ein Bürgerbegehren beantragt werden. Ein Bürgerentscheid kann ausschließlich Angelegenheiten des Wirkungskreises der Gemeinde, für die der Ge - meinderat zuständig ist, zum Gegenstand haben. Deshalb kann auch eine immissionsschutzrechtliche Genehmigung nicht Gegenstand eines Bürgerentscheids sein. 8. Warum möchte sie sieben Hektar Wald zerstören und einen nicht korrigier - baren Eingriff in die Tierwelt sowie die Natur vornehmen, beziehungsweise alle Risiken für den Menschen unberücksichtigt lassen? Eine immissionsschutzrechtliche Genehmigung für die Errichtung und den Betrieb von Windkraftanlagen darf nur erteilt werden, wenn sichergestellt ist, dass entsprechend § 6 Abs. 1 BImSchG die sich aus § 5 BImSchG und einer aufgrund des § 7 BImSchG erlassenen Rechtsverordnung ergebenden Pflichten erfüllt werden und andere öffentlich-rechtliche Vorschriften und Belange des Arbeitsschutzes der Errichtung und dem Betrieb der Anlage nicht entgegenstehen. In dem durchzuführenden komplexen Genehmigungsverfahren werden umfassend alle Auswirkungen des Vorhabens, insbesondere auch auf Mensch und Natur, im Rahmen der rechtlichen Vorgaben intensiv geprüft. Für den Bau der vier Windenergieanlagen der Teilgenehmigung vom 9. Dezember 2016 wurde eine Waldumwandlungsgenehmigung vom Regierungspräsidium Tübingen für eine dauerhafte Waldumwandlung von 2,64 ha sowie eine befristete Waldumwandlung von 1,63 ha am 20. Dezember 2016 erteilt. Allerdings hat ein Ausgleich für die dauerhafte Waldinanspruchnahme in Form einer flächengleichen Ersatzaufforstung (2,64 ha) mit standortgerechten, naturnahen Baumarten in Absprache mit der zuständigen unteren Forstbehörde auf Gemarkung Winterlingen zu erfolgen. Als zusätzlichen Ausgleich für den Verlust an Schutz- und Erholungsfunktion des Waldes sind als Schutz- und Gestaltungsmaßnahmen Vorbaumaßnahmen mit Tanne und Eibe in strukturarmen Fichtenbeständen auf ca. 1,2 ha umzusetzen. Für das Gesamtvorhaben der beantragten sieben Windenergieanlagen sind dauerhaft insgesamt 2,90 ha Waldinanspruchnahme erforderlich und für den Ausbau der erforderlichen Zuwegung weitere 1,51 ha, insgesamt somit 4,41 ha. Die Fläche des befristet umgewandelten Waldes für die Montageflächen und das Baufeld wird sich bei sieben Anlagen auf 3,00 ha belaufen. Allerdings werden auch für die weiteren Flächen der Waldinanspruchnahme im Rahmen der dann erforderlichen weiteren Waldumwandlungsgenehmigung die entsprechenden Ausgleichsmaßnah - men festgelegt. Insgesamt ist festzuhalten, dass wegen Wiederaufforstung und Ersatzaufforstung keine Waldfläche verloren geht und mit Ausgleichsmaßnahmen Waldflächen öko - logisch aufgewertet werden. Untersteller Minister für Umwelt, Klima und Energiewirtschaft