Landtag von Baden-Württemberg 16. Wahlperiode Drucksache 16 / 1180 13. 12. 2016 1Eingegangen: 13. 12. 2016 / Ausgegeben: 15. 02. 2017 K l e i n e A n f r a g e Ich frage die Landesregierung: 1. Werden Falschfahrerunfälle in der amtlichen Unfallstatistik ausgewiesen? 2. Wenn ja, wie hat sich die Zahl der Falschfahrerunfälle 2016 im Vergleich zu den Vorjahren 2001 bis 2015 entwickelt – aufgeschlüsselt nach Schwere des Unfalls? 3. Was unternimmt sie, um Geisterfahrerunfälle zu verhindern (bspw. durch Krallen , elektronische Warntafeln oder Blinklichter)? 4. Sind ihr die positiven Erfahrungen aus Österreich durch den Einsatz von Krallen bekannt? 5. Wie viele Polizeieinsätze gab es in Bezug auf Geisterfahrer in den Jahren 2001 bis 2016 in Baden-Württemberg? 6. Mit welchem Ergebnis wurden die Einsätze jeweils abgeschlossen (zum Beispiel Warnungen/Medieninformationen, veranlasste Fahrbahnsperrungen, Anhalten des Falschfahrers usw.)? 7. Wie bewertet sie bei der Prävention von Falschfahrten die Zusammenarbeit mit anderen involvierten Behörden und Unternehmen (zum Beispiel Bundesminis - terium für Verkehr und digitale Infrastruktur, Bundesanstalt für Straßenwesen, private Autobahnbetreiber)? 8. Wie viele Falschfahrer gab es in den letzten fünfzehn Jahren auf welchen Autobahnen sowie Bundesstraßen in Baden-Württemberg (Auflistung nach Städten, Kommunen, Landkreisen und Ursachen)? Kleine Anfrage des Abg. Stefan Herre AfD und Antwort des Ministeriums für Verkehr Maßnahmen zur Verhinderung von Geisterfahrern in Baden-Württemberg Drucksachen und Plenarprotokolle sind im Internet abrufbar unter: www.landtag-bw.de/Dokumente Der Landtag druckt auf Recyclingpapier, ausgezeichnet mit dem Umweltzeichen „Der Blaue Engel“. Landtag von Baden-Württemberg Drucksache 16 / 1180 2 9. Welche technischen Hilfsmittel hält sie aus welchen Gründen für am besten geeignet? 10. Wie viele Falschfahrer gab es im Zollernalbkreis in den Jahren 2001 bis 2016 (mit Angabe der Schwere der Schäden sowie Anzahl der Verletzten und Getöteten )? 09. 12. 2016 Herre AfD B e g r ü n d u n g Geisterfahrer sind keineswegs ein Massenphänomen, dennoch fordern sie regelmäßig Tote und Verletzte. Nach Angaben des ADAC werden ca. 3 Prozent der tödlichen Unfälle auf deutschen Straßen durch Geisterfahrer verursacht. Dies entspricht einer Zahl von etwa 20 Toten pro Jahr, die durch einfache Mittel ggf. verhindert werden könnten. Die Polizeigewerkschaft DPolG fordert den Einsatz von „Krallen“ und weiteren technischen Einrichtungen zur Verhinderung von „Geis - terfahrten“. Krallen verhindern derartige Fahrten, indem die Reifen des Fahrzeuges bei verbotener Einfahrt beschädigt werden und damit letztendlich eine Weiterfahrt verhindert wird. Auch elektronische Warntafeln und Blinklichter, die sich bei falscher Einfahrt aktivieren, wären eine geeignete Zusatzalternative (siehe Pressemitteilung der DPolG NRW vom 22. Oktober 2012). Die Stuttgarter Nachrichten berichten in der Ausgabe vom 9. Dezember 2016, dass die Zahl der Un - fälle durch Falschfahrer zunimmt. In Baden-Württemberg haben wir in 2016 51 Falschfahrerunfälle, ein Anstieg um das Doppelte zu 2015 mit 28 Falschfah - rerunfällen. Auch das Innenministerium in Stuttgart erwartet eine Verdopplung. Mit dieser Kleinen Anfrage soll die Entwicklung und deren Ursachen zu diesem Thema im Zollernalbkreis und Baden-Württemberg näher beleuchtet werden. A n t w o r t * ) Mit Schreiben vom 30. Januar 2017 Nr. 2-3961.1/49 beantwortet das Ministerium für Verkehr im Einvernehmen mit dem Ministerium für Inneres, Digitalisierung und Migration die Kleine Anfrage wie folgt: 1. Werden Falschfahrerunfälle in der amtlichen Unfallstatistik ausgewiesen? 2. Wenn ja, wie hat sich die Zahl der Falschfahrerunfälle 2016 im Vergleich zu den Vorjahren 2001 bis 2015 entwickelt – aufgeschlüsselt nach Schwere des Unfalls? 10. Wie viele Falschfahrer gab es im Zollernalbkreis in den Jahren 2001 bis 2016 (mit Angabe der Schwere der Schäden sowie Anzahl der Verletzten und Ge - töteten)? Die Fragen 1., 2. und 10. werden wegen ihres Sachzusammenhangs gemeinsam beantwortet: Die Unfallursache „Falschfahrt“ wird erst seit Juli 2015 in der bundeseinheit - lichen Straßenverkehrsunfallstatistik erfasst. Die Anzahl der durch die Polizei Baden-Württemberg registrierten Verkehrsunfälle durch Falschfahrer/-innen kön- *) Der Überschreitung der Drei-Wochen-Frist wurde zugestimmt. 3 Landtag von Baden-Württemberg Drucksache 16 / 1180 nen für den Zeitraum Juli 2015 bis November 2016 im Bereich Baden-Württemberg sowie dem Zollernalbkreis den nachfolgenden Tabellen entnommen werden. 3. Was unternimmt sie, um Geisterfahrerunfälle zu verhindern (bspw. durch Krallen , elektronische Warntafeln oder Blinklichter)? 7. Wie bewertet sie bei der Prävention von Falschfahrten die Zusammenarbeit mit anderen involvierten Behörden und Unternehmen (zum Beispiel Bundesminis - terium für Verkehr und digitale Infrastruktur, Bundesanstalt für Straßenwesen, private Autobahnbetreiber)? Die Fragen 3. und 7. werden wegen ihres Sachzusammenhangs gemeinsam beantwortet : Die örtlich zuständigen Verkehrsschau- und Unfallkommissionen haben in den Jahren 2013 bis 2014 im gesamten Land Baden-Württemberg alle Anschlussstellen und Tank- und Rastanlagen in Augenschein genommen. Dabei wurde die Beschilderung , Markierung und Wegweisung auf ihren technisch einwandfreien Zustand , Sichtbarkeit und Verständlichkeit überprüft und erforderlichenfalls ergänzt. Dabei wurden auch die in Zusammenarbeit mit dem Bundesministerium für Verkehr und digitale Infrastruktur (BMVI), der Bundesanstalt für Straßenbau (BASt) und den Bundesländern entwickelten Checklisten zur Überprüfung von Anschluss - stellen und Rastanlagen angewendet. Außerdem wurden alle Anschlussstellen und Rastanlagen nach den speziellen Vorgaben des BMVI und der BASt markiert und Baden-Württemberg Gesamt 2015 (6 Monate, Juli – Dez.) 2016 (11 Monate, Jan. – Nov.) Verkehrsunfälle gesamt 28 52 Verkehrsunfälle mit Personenschaden 9 27 Verkehrsunfälle mit Sachschaden 19 25 Verunglückte gesamt 15 34 – davon Leichtverletzte 10 24 – davon Schwerverletzte 5 8 – davon Getötete 0 2 Baden-Württemberg davon nur Zollernalbkreis 2015 (6 Monate, Juli – Dez.) 2016 (11 Monate, Jan. – Nov.) Verkehrsunfälle gesamt 2 0 Verkehrsunfälle mit Personenschaden 0 0 Verkehrsunfälle mit Sachschaden 2 0 Verunglückte gesamt 0 0 – davon Leichtverletzte 0 0 – davon Schwerverletzte 0 0 – davon Getötete 0 0 Landtag von Baden-Württemberg Drucksache 16 / 1180 4 beschildert. Damit wurden aus Sicht der Straßenverkehrstechnik alle Maßnahmen zur Verbesserung der Falschfahrer-Prävention umgesetzt. Die Maßnahmen stehen im Einklang mit der Straßenverkehrs-Ordnung (StVO). Das BMVI behält sich für den Bereich der Bundesfernstraßen den Einsatz von Falschfahrerwarntafeln und anderen technischen Hilfsmitteln vor, die über den Regelungsinhalt der StVO hinausgehen , vor. Sie sollen nur dort eingesetzt werden, wo eine Falschfahrt eindeutig zugeordnet werden konnte und andere Maßnahmen der Straßenverkehrstechnik nicht geholfen haben. Solche örtlichen Schwerpunkte sind in Baden-Württemberg nicht bekannt. Für die Verkehrsteilnehmer/-innen ist wesentlich, dass sie bundesweit an allen Anschlussstellen und Rastanlagen die gleichen Ausstattungsmerkmale vorfinden. Die Zusammenarbeit mit dem BMVI, der BASt und den anderen Bundesländern ist stets gut und konstruktiv. Die Zusammenarbeit hilft, alle Informationen und Erfahrungen gemeinsam zu bündeln, zu beraten und notwen - dige Maßnahmen zur bundesweiten Anwendung gemeinsam zu erörtern und umzusetzen . Private Autobahnbetreiber (Betreiber der Konzessionsstrecken) werden für die Umsetzung der erforderlichen Maßnahmen von den Regierungspräsidien eingebunden. Das Verkehrsministerium Baden-Württemberg lehnt den Einsatz technischer Hilfs - mittel zum gewaltsamen Anhalten (z. B. Krallen) von Falschfahrer/-innen ab, weil für solche Eingriffe, die Sach- und/oder Personenschäden nach sich ziehen, eine Rechtsgrundlage fehlt. Außerdem stellt das so gestoppte Fahrzeug eine Gefahr für andere Verkehrsteilnehmer/-innen dar. Der Einsatz blinkender Lampen an Auffahrten ist in seiner Wirksamkeit umstritten, nachdem Fälle bekannt wurden, dass Falschfahrer/-innen auch diese Lampen ignorierten. 4. Sind ihr die positiven Erfahrungen aus Österreich durch den Einsatz von Krallen bekannt? Die ASFINAG hat zur Prävention gegen Falschfahrten die gleichen Maßnahmen ergriffen wie die Bundesrepublik Deutschland: Eindeutige Führung der Verkehrsteilnehmer /-innen mit Hilfe von Markierung, Beschilderung und Wegweisung an Anschlussstellen und Rastanlagen. Sie verwendet in ihrem Bereich der Autobahnen und Schnellstraßen Krallen und andere mechanische Barrieren nur dort, wo andere Maßnahmen der Verkehrstechnik nachweislich nicht gewirkt haben. In sehr wenigen Einzelfällen haben Krallen Falschfahrer/-innen wirksam gestoppt. 5. Wie viele Polizeieinsätze gab es in Bezug auf Geisterfahrer in den Jahren 2001 bis 2016 in Baden-Württemberg? 8. Wie viele Falschfahrer gab es in den letzten fünfzehn Jahren auf welchen Autobahnen sowie Bundesstraßen in Baden-Württemberg (Auflistung nach Städten, Kommunen, Landkreisen und Ursachen)? Die Fragen 5. und 8. werden wegen ihres Sachzusammenhangs gemeinsam beantwortet : Die Landesmeldestelle für den Verkehrswarndienst der Polizei Baden-Württemberg erfasst Falschfahrtmeldungen seit dem Jahr 2003. Die Falschfahrtmeldungen werden grundsätzlich im Rahmen der Erstmeldung nicht infrage gestellt, sodass eine Überprüfung durch die Polizei erfolgt. Hierbei lässt sich nur ein geringer Anteil als tatsächliche „Falschfahrt“ verifizieren. Die Motivation und Begleitumstände, die zu Falschfahrten führen, sind vielfältig. Wissenschaftliche Erkenntnisse zeigen, dass Schwerpunkte bei Falschfahrten in Verbindung mit Alkohol-, Drogen- und Medikamentenkonsum sowie bei Orientierungsproblemen der Fahrerinnen und Fahrer ausgemacht werden können. Die Anzahl der Falschfahrtmeldungen auf den Straßen Baden-Württembergs kann der nachfolgenden Tabelle entnommen werden. Eine detaillierte Darstellung und Untergliederung in einzelne Städte, Kommunen und Landkreise ist nicht leistbar. 5 Landtag von Baden-Württemberg Drucksache 16 / 1180 6. Mit welchem Ergebnis wurden die Einsätze jeweils abgeschlossen (zum Beispiel Warnungen/Medieninformationen, veranlasste Fahrbahnsperrungen, Anhalten des Falschfahrers usw.)? Hierzu liegen keine statistischen Auswertungen vor. 9. Welche technischen Hilfsmittel hält sie aus welchen Gründen für am besten geeignet ? Das BMVI hat im Zuge der A 9 zwischen Nürnberg und München das „Digitale Testfeld Autobahn“ eingerichtet, wo an drei unterschiedlichen Anschlussstellen Technologien zur Erfassung von Falschfahrer/-innen getestet werden. Die Ergebnisse hieraus liegen derzeit noch nicht vor. Es erscheint jedoch sinnvoll, in Zukunft die in der Straßeninfrastruktur neu zu installierenden Erfassungseinrichtungen für die Kopplung mit Fahrzeugen vorzusehen (Car-2-Infrastructure-Kommunikation ). Damit könnten bei Falschfahrten die Fahrzeuginsassen und andere Verkehrsteilnehmer /-innen gewarnt und weitere Maßnahmen ergriffen werden. Der Bund und die Bundesländer arbeiten bereits hieran. Für eine wirksame Falschfahrer -Prävention ist eine flächendeckende Ausstattung aller Anschlussstellen und Rastanlagen erforderlich. Zudem werden mit Blick auf die Vision des autonomen und vernetzten Fahrens wesentliche Funktionen von den Fahrzeugen wahrgenommen werden. Hermann Minister für Verkehr Jahr Falschfahrtmeldungen in Baden-Württemberg 2003 325 2004 300 2005 336 2006 337 2007 330 2008 320 2009 370 2010 339 2011 342 2012 339 2013 410 2014 443 2015 392 2016 374 (Stand: 30. November 2016)