Landtag von Baden-Württemberg 16. Wahlperiode Drucksache 16 / 1183 16. 12. 2016 1Eingegangen: 16. 12. 2016 / Ausgegeben: 25. 01. 2017 K l e i n e A n f r a g e Ich frage die Landesregierung: 1. Welche Konsequenzen zieht die Landesregierung aus den Ergebnissen bei PISA 2016 hinsichtlich des nationalen Pakts für Frauen in MINT-Berufen (Mathematik, Informatik, Naturwissenschaften und Technik) und der Studienund Berufsorientierung bei jungen Frauen? 2. Hat sie die Erwartung, Maßnahmen zu ergreifen, um hinsichtlich der Kompetenzen in Mathematik den Anteil jener Schülerinnen und Schüler zu reduzieren, die sich in der sogenannten Risikogruppe befinden? 3. Wie sind die Ergebnisse der Schülerinnen und Schüler der aktuellen PISA-Studie in 2016 im Zollernalbkreis im Vergleich zu allen zurückliegenden PISA- Studien vorher und wo befindet sich der Zollernalbkreis im Vergleich zu allen anderen Landkreisen in Baden-Württemberg (bitte alle Ergebnisse zu allen Tests seit 1999 auflisten)? 4. Warum hat sie zugeschaut, dass Baden-Württemberg stetig in den PISA-Stu dien nach hinten durchgereicht wurde, während andere Bundesländer wie Schleswig- Holstein in den Studien Verbesserungen nach oben machen konnten? 5. Warum sind nach ihrer Einschätzung unter der CDU-geführten Landesregierung bereits 2004 Lehrer mit dem von ihr zur Verfügung gestellten Bildungsplan scheinbar überfordert gewesen und was unternimmt die Landesregierung um innerhalb von zehn Jahren die Spitzengruppe innerhalb der Bundesländer wieder zu erreichen? 06. 12. 2016 Herre AfD Kleine Anfrage des Abg. Stefan Herre AfD und Antwort des Ministeriums für Kultus, Jugend und Sport PISA Studie: Abschneiden der Schülerinnen und Schüler im Zollernalbkreis Drucksachen und Plenarprotokolle sind im Internet abrufbar unter: www.landtag-bw.de/Dokumente Der Landtag druckt auf Recyclingpapier, ausgezeichnet mit dem Umweltzeichen „Der Blaue Engel“. Landtag von Baden-Württemberg Drucksache 16 / 1183 2 B e g r ü n d u n g Zwar hat Deutschland kein erneutes PISA-Debakel heimgesucht, dennoch muss man ganz klar sagen: Deutschland ist nur Durchschnitt im internationalen Vergleich . Die Verbesserungen in der Lesekompetenz sind erfreulich und auch die Entwicklungen in einzelnen Punkten der Naturwissenschaften und der Mathematik sind anzuerkennen. Aber mit einem geteilten 15. Platz im Ländervergleich sowie einem Abrutschen im Inlandsvergleich von ganz vorne nach ganz hinten muss ein Umdenken und Gegensteuern der Verantwortlichen kommen. Dennoch wird durch die Studie das klar, was auch schon aus der TIMSS-Studie abzulesen war: Naturwissenschaften und Mathematik sind bei den deutschen Schülerinnen und Schülern unbeliebt. Hier muss ganz klar die Unterrichtsqualität erhöht werden . Das setzt engagierte und gut ausgebildete Lehrkräfte voraus. Hier muss sich die Aus- und Fortbildung für Lehrkräfte signifikant verbessern. Auch die Arbeitsbedingungen müssen attraktiver gestaltet werden. Vor allem im Zollernalbkreis und in Baden-Württemberg sind diese Änderungen aufgrund von anhaltendem Lehrermangel gerade in den naturwissenschaftlichen Fächern dringend erforderlich . In der 2010 präsentierten Studie lag Baden-Württemberg noch in fast allen Bereichen auf dem zweiten Platz hinter Bayern: Beim Hörverstehen und bei der Orthografie in Deutsch und beim Lesen und Hörverstehen in den Fremdsprachen. Nur beim Lesen im Fach Deutsch landeten die Schüler aus dem Land hinter Bayern und Sachsen auf dem dritten Platz. Die Studie ergab aber auch, dass der Schulerfolg in Baden-Württemberg stark von der sozialen Herkunft der Schüler abhing . Auch aus diesem Grund führte nach Auffassung des Fragestellers Grün-Rot die Gemeinschaftsschule ein. Mit dieser Kleinen Anfrage sollen die Ergebnisse der PISA Studie in 2016 für den Zollernalbkreis erfragt und näher beleuchtet werden . A n t w o r t Mit Schreiben vom 9. Januar 2017 Nr. 52-6500.4/634/1 beantwortet das Ministerium für Kultus, Jugend und Sport beantwortet im Einvernehmen mit dem Minis - terium für Wirtschaft, Arbeit und Wohnungsbau sowie dem Ministerium für Wissenschaft , Forschung und Kunst die Kleine Anfrage wie folgt: Ich frage die Landesregierung: 1. Welche Konsequenzen zieht die Landesregierung aus den Ergebnissen bei PISA 2016 hinsichtlich des nationalen Pakts für Frauen in MINT-Berufen (Mathematik, Informatik, Naturwissenschaften und Technik) und der Studienund Berufsorientierung bei jungen Frauen? Um Frauen und Mädchen für MINT-Berufe zu gewinnen, wurde in Baden-Württemberg 2010 die Landesinitiative „Frauen in MINT-Berufen“ initiiert, die vom Ministerium für Wirtschaft, Arbeit und Wohnungsbau sowie vom Ministerium für Wissenschaft, Forschung und Kunst umgesetzt wird. Das Kultusministerium ist Bündnispartner der Landesinitiative, der zwischenzeitlich insgesamt 52 Partnerorganisationen angehören. Das Kultusministerium wirkt zudem in vielfältiger Weise darauf hin, das Interesse von Mädchen und Frauen an mathematisch-naturwissenschaftlich-technischen Themen zu fördern und sie durch eine gezielte berufliche Orientierung für Ausbildungsberufe und Studiengänge im MINT-Bereich zu motivieren. Beispielsweise wurde mit den Bildungsplänen 2016 nicht nur die MINT-Förderung für alle weiterführenden allgemein bildenden Schulen weiter ausgebaut und gestärkt, sondern auch die Leitperspektive „Berufliche Orientierung“ für alle Schularten und Klassenstufen eingeführt und alle Fächer verpflichtet, ihren Beitrag zum Prozess der beruflichen Orientierung der Kinder und Jugendlichen zu leisten. Die Konkretisierungen der Leitperspektive „Berufliche Orientierung“ 3 Landtag von Baden-Württemberg Drucksache 16 / 1183 berücksichtigen „geschlechtsspezifische Aspekte bei der Berufswahl, Familienund Lebensplanung“, mit denen die MINT-Fächer gezielt Mädchen und Frauen ihre Berufs- und Karriereperspektiven im MINT-Bereich verdeutlichen können. Die über die Fächer gewonnenen Erkenntnisse und Erfahrungen der beruflichen Orientierung werden im Unterrichtsfach „Wirtschaft/Berufs- und Studienorientierung “ (WBS) gebündelt und können insbesondere Mädchen und junge Frauen motivieren, ihre Potenziale im MINT-Bereich für eine entsprechende Berufswahl zu nutzen. Weiterhin unterstützt und fördert das Kultusministerium gemeinsam mit dem Ministerium für Wirtschaft, Arbeit und Wohnungsbau, dem Ministerium für Soziales und Integration und der Regionaldirektion Baden-Württemberg der Bundes - agentur für Arbeit den jährlich stattfindenden Girls’Day sowie das Angebot der Girls’Day-Akademie. Am Girls'Day erhalten Mädchen ab dem 5. Schuljahr die Möglichkeit, in Unternehmen, Betrieben und Hochschulen Ausbildungsberufe und Studiengänge in IT, Handwerk, Naturwissenschaften und Technik kennenzulernen . Das Kultusministerium sieht sich vor dem Hintergrund der Ergebnisse bei PISA 2015 bestätigt, u. a. mit den vorgenannten Maßnahmen zur Förderung von Mädchen und Frauen für den Weg in MINT-Berufen unterstützend beizutragen. 2. Hat sie die Erwartung, Maßnahmen zu ergreifen, um hinsichtlich der Kompetenzen in Mathematik den Anteil jener Schülerinnen und Schüler zu reduzieren, die sich in der sogenannten Risikogruppe befinden? In allen Schularten helfen Lernstandsdiagnosen, um hieraus für jede Schülerin und jeden Schüler individuell angepasste pädagogische Förderprozesse abzuleiten . Zahlreiche Schulen haben bereits ihre pädagogischen Konzepte auf stärker differenzierte Lernmethoden ausgerichtet und ein individuelles Förderkonzept entwickelt, das sich am Entwicklungsstand und den individuellen Potenzialen der Schülerinnen und Schüler orientiert. Diese Konzepte umfassen beispielsweise Intensivierungs - sowie zusätzliche Übungs- und Lerneinheiten, auch zur Vertiefung von Lernstrategien und Arbeitsmethoden, sowie regelmäßige Lernstandserhebungen und Rückmeldesequenzen. Im Fach Mathematik werden den Lehrkräften entsprechende Fortbildungslehrgänge angeboten, sodass die Professionalität, die Fachlichkeit und die Qualität des Unterrichts kontinuierlich verbessert und den Anforderungen angepasst werden. Mit der Erhöhung der Kontingentstundentafel der Grundschule in den Fächern Deutsch und Mathematik ergeben sich erweiterte Möglichkeiten für eine differenzierende und dadurch lerneffizientere Gestaltung des Mathematikunterrichts. Darüber hinaus erfolgen aus den in der Grundschule zusätzlich eingesetzten 180 Deputaten auch Fördermaßnahmen für Kinder mit besonderen Schwierigkeiten in Mathematik. Um die Realschulen weiter zu stärken, beabsichtigt die Landesregierung das Kontingent für Maßnahmen zur individuellen Förderung im Schuljahr 2017/2018 auf 13 Stunden pro Zug zu erhöhen. Dies gibt den Realschulen deutlich mehr Möglichkeiten einer individuellen, am Leistungsvermögen der einzelnen Schülerin bzw. des einzelnen Schülers ausgerichteten Förderung. Ungeachtet dessen werden alle Ebenen der Schulverwaltung sowie die Schulen Anstrengungen unternehmen, damit sich die Leistungen der jungen Menschen verbessern. 3. Wie sind die Ergebnisse der Schülerinnen und Schüler der aktuellen PISA-Studie in 2016 im Zollernalbkreis im Vergleich zu allen zurückliegenden PISA- Studien vorher und wo befindet sich der Zollernalbkreis im Vergleich zu allen anderen Landkreisen in Baden-Württemberg (bitte alle Ergebnisse zu allen Tests seit 1999 auflisten)? Dem Kultusministerium liegen weder kreisbezogene noch schulscharfe PISA-Ergebnisdaten vor. Landtag von Baden-Württemberg Drucksache 16 / 1183 4 4. Warum hat sie zugeschaut, dass Baden-Württemberg stetig in den PISA-Stu - dien nach hinten durchgereicht wurde, während andere Bundesländer wie Schleswig-Holstein in den Studien Verbesserungen nach oben machen konnten ? Die PISA-Studien weisen nach 2006 keine gesonderten Länderdaten mehr auf, sondern beziehen sich auf Deutschland als Ganzes im internationalen Vergleich. In Bezug auf die Ländervergleiche des Instituts zur Qualitätsentwicklung im Bildungswesen (IQB) hat das Kultusministerium allerdings die Veränderungen in den Leistungswerten der baden-württembergischen Schülerinnen und Schüler stets sehr aufmerksam verfolgt. Den gemessenen Leistungsveränderungen liegen vielschichtige und komplexe Ursachen zugrunde, zu deren Identifikation das Kultusministerium jeweils intensive Überlegungen angestellt hat und dies auch weiterhin tun wird. Im Rahmen des Machbaren und der jeweiligen politischen Akzentuierung hat das Kultusministerium stets darauf reagiert und Förder- bzw. Korrekturmaßnahmen durchgeführt. 5. Warum sind nach ihrer Einschätzung unter der CDU-geführten Landesregierung bereits 2004 Lehrer mit dem von ihr zur Verfügung gestellten Bildungsplan scheinbar überfordert gewesen und was unternimmt die Landesregierung um innerhalb von zehn Jahren die Spitzengruppe innerhalb der Bundesländer wieder zu erreichen? Mit den Bildungsplänen 2004 wurde ein grundlegender Paradigmenwechsel in den verbindlichen Vorgaben für den Unterricht an den Schulen vollzogen: Wäh - rend frühere Bildungsplangenerationen vorrangig auswiesen, was zu unterrichten ist, heben die Bildungspläne 2004 darauf ab, welche Kompetenzen Kinder und Jugendliche erwerben sollen. Ausgehend von den jüngsten Ergebnissen des IQB-Bildungstrends 2015 unternimmt das Kultusministerium zahlreiche Anstrengungen, die Ursachen für das vergleichsweise schlechte Abschneiden von Baden-Württemberg zu identifizieren , Handlungsbereiche zu benennen und geeignete Maßnahmen mit dem Ziel abzuleiten , die Leistungsfähigkeit des Schulsystems in Baden-Württemberg zu steigern . In diesem Kontext werden auch die Konzeptionierung und Implementierung der Bildungspläne in den Blick genommen. Dr. Eisenmann Ministerin für Kultus, Jugend und Sport