Landtag von Baden-Württemberg 16. Wahlperiode Drucksache 16 / 1187 16. 12. 2016 1Eingegangen: 16. 12. 2016 / Ausgegeben: 23. 02. 2017 K l e i n e A n f r a g e Ich frage die Landesregierung: 1. Welche Kriterien müssen gegeben sein, damit eine Geschwindigkeitsbegrenzung eingeführt werden kann? 2. Wäre eine Aufschleifung wie auf der B 463 bei Ebingen mit Betonteilen in der Fahrbahnmitte auch bei Weilstetten möglich? 3. Würde die Anbringung von Leitplanken den sich dahinter befindlichen Radund Fußweg an der Unfallstelle nicht besser schützen? 4. Gibt es aus ihrer Sicht Möglichkeiten – nach dem schweren Unfall vom vergangenen Freitag – die Unfallzahlen mit einer Erweiterung von an anderer Stelle bereits existierenden Sicherheitsmaßnahmen zu reduzieren (Betonteile in der Fahrbahnmitte, Geschwindigkeitsreduzierung von 100 auf 70 km/h, fester Radar)? 5. Warum ist die Steige an der B 27 nach ihrer Auffassung und der Auffassung der Polizeibehörden kein Unfallschwerpunkt? 6. Ist ihr bekannt, dass es jeden Tag durch starke Berufspendlerbewegungen in beiden Fahrtrichtungen der B 27 zwischen Ofterdingen und Bad Sebastiansweiler sowie der Ofterdinger Steige zu deutlich erhöhtem Rückstau kommt und warum reduziert sie dort nicht die aktuell gültige Geschwindigkeit von 100 auf 70 km/h wegen der nicht gut einsehbaren Kuppe? Kleine Anfrage des Abg. Stefan Herre AfD und Antwort des Ministeriums für Verkehr Nach den Serien von tödlichen Unfällen im Zollernalbkreis: Tempolimit auf der Bundesstraße (B) 463 und der B 27 Drucksachen und Plenarprotokolle sind im Internet abrufbar unter: www.landtag-bw.de/Dokumente Der Landtag druckt auf Recyclingpapier, ausgezeichnet mit dem Umweltzeichen „Der Blaue Engel“. Landtag von Baden-Württemberg Drucksache 16 / 1187 2 7. Wie viele Unfälle mit Todesfolge müssen auf den genannten Bundesstraßen im Zollernalbkreis stattfinden, bis sie und Polizeibehörden die Verkehrsführung ändert, Geschwindigkeitsreduzierungen und Kontrollen durchführen und auf die Geschehnisse dort reagiert? 05. 12. 2016 Herre AfD B e g r ü n d u n g Am 31. Oktober 2016 kam es auf der B 27 zwischen Ofterdingen und Bad Se - bastiansweiler zu einem der schwersten Unfälle seit Jahren im Regierungsbezirk Tübingen. Eine Frau aus dem Zollernalbkreis und ihr Sohn kamen dabei ums Leben . Die 42-Jährige war am Nachmittag mit ihrem VW-Caddy von Ofterdingen Richtung Balingen unterwegs. Mit ihr im Auto saßen fünf Kinder zwischen zwei und zehn Jahren. Eines davon war ihr zehnjähriger Sohn. Mit dieser Kleinen Anfrage sollen die technischen wie theoretischen Möglichkeiten zu diesen beiden Bundesstraßen im Zollernalbkreis und die aktuelle Situation näher beleuchtet werden. A n t w o r t * ) Mit Schreiben vom 3. Februar 2017 Nr. 3-3851.5-07/774 beantwortet das Ministerium für Verkehr im Einvernehmen mit dem Ministerium für Inneres, Digitalisierung und Migration die Kleine Anfrage wie folgt: 1. Welche Kriterien müssen gegeben sein, damit eine Geschwindigkeitsbegrenzung eingeführt werden kann? Auf Straßen des überörtlichen Verkehrs können Geschwindigkeitsbeschränkungen aus Gründen der Sicherheit oder Ordnung des Verkehrs angeordnet werden. Dies gilt dann, wenn eine konkrete Gefahrenlage durch eine Häufung von Unfällen vorhanden ist oder ein über das normale Maß hinausgehendes Unfallrisiko besteht . Dazu muss aufgrund der besonderen örtlichen Verhältnisse mit hinreichender Wahrscheinlichkeit nach den Erfahrungen der Polizei und der Verkehrsbe - hörde mit Unfällen aufgrund nicht angepasster oder überhöhter Geschwindigkeit zu rechnen sein. Eine Gefahr kann auch von zu hohen Luft- oder Lärmbelastungen ausgehen. 2. Wäre eine Aufschleifung wie auf der B 463 bei Ebingen mit Betonteilen in der Fahrbahnmitte auch bei Weilstetten möglich? Die Landesregierung wirkt mit Hilfe von Unfallkommissionen zur Verhinderung von Unfällen. Die Unfallkommission hat bei einem Ortstermin am 2. Dezember 2016 für die B 463 bei Weilstetten die Aufbringung einer doppelten durchgezo - genen Mittelmarkierung zwischen den Richtungsfahrstreifen festgelegt. Die Ausführung erfolgt als akustisch profilierte Markierung. Gerät ein Verkehrsteilnehmender zu weit nach links und überfährt eine Fahrstreifenbegrenzungslinie, würde er durch ein „singendes Geräusch“ sofort gewarnt. Der Einbau einer Schutzein- *) Der Überschreitung der Drei-Wochen-Frist wurde zugestimmt. 3 Landtag von Baden-Württemberg Drucksache 16 / 1187 richtung in Form von Stahlschutzplanken oder Betonleitwänden in der Mitte der vorhandenen Fahrbahn zur baulichen Trennung der Richtungsfahrstreifen ist aufgrund der nach dem Ausbau vorhandenen Straßenbreite ohne erhebliche Ein - engung der Richtungsfahrstreifen nicht möglich. 3. Würde die Anbringung von Leitplanken den sich dahinter befindlichen Radund Fußweg an der Unfallstelle nicht besser schützen? Zum Schutz beim Abkommen von der Fahrbahn nach rechts werden in Fahrtrichtung Balingen zwischen Fahrbahn und dem begleitenden Weg Stahlschutzplanken angebracht. 4. Gibt es aus ihrer Sicht Möglichkeiten – nach dem schweren Unfall vom vergangenen Freitag – die Unfallzahlen mit einer Erweiterung von an anderer Stelle bereits existierenden Sicherheitsmaßnahmen zu reduzieren (Betonteile in der Fahrbahnmitte, Geschwindigkeitsreduzierung von 100 auf 70 km/h, fester Radar)? B 463: Bezüglich der Verwendung von Betonteilen wird auf die Antwort zu Frage 2 verwiesen . Die Unfallkommission erwartet, dass die beschlossenen verkehrstechnischen Maßnahmen geeignet sind, die Verkehrssicherheit auf diesem Straßenabschnitt zusätzlich zu verbessern. Durch die Aufbringung der doppelten Mittelmarkierung zwischen den Richtungsfahrstreifen sollen Unfälle im Begegnungsverkehr vermeiden werden. Die Installation von Schutzplanken zwischen der Fahrbahn und dem begleitenden Rad- und Gehweg (siehe Antwort zu Frage 3) ist ein ausreichender Schutz, um ein eventuelles Abkommen von der Fahrbahn zu verhindern . Aus Sicht der Unfallkommission liegen die Voraussetzungen für die Anordnung einer Geschwindigkeitsbeschränkung in diesem Abschnitt nicht vor. B 27: An der Ofterdinger Steige müsste beim Einbau einer Schutzeinrichtung in Form von Stahlschutzplanken oder Betonleitwänden in der Mitte der vorhandenen Fahrbahn zur baulichen Trennung der Richtungsfahrstreifen voraussichtlich auf einen Fahrstreifen verzichtet werden, da neben der baulichen Konstruktionsbreite der Mitteltrennung auch beiderseitige Sicherheitsabstände zu den Fahrstreifen erforderlich sind. Auch negative betriebliche Belange hinsichtlich der Straßenentwässerung und des Winterdienstes sind dabei zu beachten. Zur Frage einer Geschwindigkeitsbeschränkung und der Aufstellung permanenter Geschwindigkeitsüberwachungsgeräte wird auf die Antwort zu Frage 6 verwiesen. 5. Warum ist die Steige an der B 27 nach ihrer Auffassung und der Auffassung der Polizeibehörden kein Unfallschwerpunkt? Eine Unfallhäufungsstelle (UHS) liegt vor, wenn die im „Merkblatt zur Örtlichen Unfalluntersuchung in Unfallkommissionen – M Uko 2012“ der Forschungs - gesellschaft für Straßen- und Verkehrswesen vorgegebenen Kriterien erfüllt werden . In diesem Sinne relevant sind alle Unfälle mit Personenschaden, die sich innerhalb eines Zeitrahmens von drei Jahren auf einem Streckenabschnitt von maximal 300 Meter Länge ereignen. Eine UHS ist anzunehmen, wenn in diesem Zeitraum die Anzahl von drei Unfällen mit schwerem Personenschaden oder ein gewichteter Grenzwert aus der Anzahl der Unfälle mit Leichtverletzten (Faktor 2) und Schwerverletzten (Faktor 5) erreicht oder überschritten wird. Auf dem vierstreifigen Streckenabschnitt haben sich im Zeitraum vom 1. Januar 2014 bis 22. Dezember 2016 sieben Unfälle mit Personenschaden ereignet. Vier Unfälle erfolgten zwischen Kilometer 1.6 und 1.7 (vierstreifiger Ausbauabschnitt) und drei Unfälle zwischen Kilometer 1.0 und 1.1 (Übergangsbereich vom vierstreifigen auf den zweistreifigen Streckenabschnitt), letztere alle in Fahrtrichtung Landtag von Baden-Württemberg Drucksache 16 / 1187 4 Hechingen. Die vor Ort zuständigen Behörden sind zu dem Ergebnis gekommen, dass die Steige an der B 27 unter Anlegung der genannten Kriterien kein Unfallschwerpunkt ist. 6. Ist ihr bekannt, dass es jeden Tag durch starke Berufspendlerbewegungen in beiden Fahrtrichtungen der B 27 zwischen Ofterdingen und Bad Sebastiansweiler sowie der Ofterdinger Steige zu deutlich erhöhtem Rückstau kommt und warum reduziert sie dort nicht die aktuell gültige Geschwindigkeit von 100 auf 70 km/h wegen der nicht gut einsehbaren Kuppe? Die Situation ist der Stadt Mössingen als zuständiger Straßenverkehrsbehörde, dem Polizeipräsidium Reutlingen und dem Regierungspräsidium als Straßenbaulastträger bekannt. Die B 27 ist im Bereich der Ofterdinger Steige vierstreifig ausgebaut , Standstreifen fehlen, die Trennung der Richtungsfahrbahnen erfolgt durch eine doppelt markierte Linie (Zeichen 295). Aufgrund dieser baulichen Gegebenheiten wurde die zulässige Höchstgeschwindigkeit auf dem vierstreifigen Abschnitt in Fahrtrichtung Hechingen auf 100 km/h begrenzt. In Fahrtrichtung Tübingen wurde die Geschwindigkeit stufenweise (100–80–60 km/h) reduziert. Den - noch sind auch hier Fahrzeuge auf andere Fahrzeuge aufgefahren. Die genauere Beurteilung der Ursachen der untersuchten Unfälle lässt nicht erwarten , dass eine Reduzierung der zulässigen Höchstgeschwindigkeit oder die Ein - richtung einer stationären Geschwindigkeitsüberwachung Einfluss auf das Unfallgeschehen nehmen kann. Aufgrund der von der Polizei festgestellten Problematik „Unachtsamkeit“ als Unfallursache bei den meisten Auffahrunfällen ist die Warnung der Verkehrsteilnehmenden vor eventuellen Verkehrsstaus ein wichtiger Ansatzpunkt für die weiteren Überlegungen. Im Zuge der Prüfung und Klärung des weiteren Vorgehens beabsichtigt die Stadtverwaltung Mössingen im ersten Quartal 2017 mit den beteiligten Behörden eine Verkehrsschau durchzuführen. 7. Wie viele Unfälle mit Todesfolge müssen auf den genannten Bundesstraßen im Zollernalbkreis stattfinden, bis sie und Polizeibehörden die Verkehrsführung ändert, Geschwindigkeitsreduzierungen und Kontrollen durchführen und auf die Geschehnisse dort reagiert? Die Landesregierung engagiert sich erheblich für die Verbesserung der Verkehrssicherheit . Durch die konsequente Verkehrssicherheitsarbeit im Land konnte ein deutlicher Rückgang der Zahl der getöteten und schwer verletzten Verkehrsteilnehmerinnen und Verkehrsteilnehmer erreicht werden. Mit der Einführung des Verkehrssicherheitskonzeptes des Landes Baden-Württemberg im Jahr 2013 mit 90 Einzelmaßnahmen und der Durchführung von turnusmäßigen Seminaren zur Unterrichtung der Verkehrsschau- und Unfallkommissionen stellt die Landes - regierung sicher, dass das hohe Niveau bei der Verkehrssicherheit ständig verbessert wird und alle Behörden in gleichem Maße gut und verlässlich arbeiten. Die vor Ort zuständigen Behörden stützen ihre Maßnahmenentscheidungen auf eine eingehende Unfallanalyse. Für die Verbesserung der Verkehrsverhältnisse kommen sowohl bauliche, verkehrstechnische, verkehrsrechtliche und verkehrspolizei - liche Maßnahmen in Betracht, die in jedem Einzelfall so kombiniert und zusammengestellt werden, dass mit einem verhältnismäßigen Aufwand und im Rahmen der bundesgesetzlichen Vorgaben die maßgeblichen unfallbegünstigenden Umstände beseitigt werden. Die von der Verkehrsschau- und Unfallkommission für die B 463 und die B 27 erarbeiteten Lösungsansätze sind in der Beantwortung der Fragen 2 bis 6 im Einzelnen beschrieben und begründet. Hermann Minister für Verkehr