Landtag von Baden-Württemberg 16. Wahlperiode Drucksache 16 / 1203 17. 01. 2017 1Eingegangen: 17. 01. 2017 / Ausgegeben: 07. 03. 2017 K l e i n e A n f r a g e Ich frage die Landesregierung: 1. Welche Konsequenzen wurden bis heute aus den Forschungen des Fraunhofer- Instituts gezogen, das bereits 2011 die Wirkungslosigkeit von Umweltzonen nachwies? 2. Teilt sie die Einschätzung des Fraunhofer-Instituts für Verkehrs- und Infrastruktursysteme , speziell die Einschätzung dessen Leiters, der laut der Augsburger Allgemeinen äußerte „Die Umweltzonen sind nicht nur wirkungslos für die Belastung durch Feinstaub, sondern auch durch Stickstoffdioxid.“? 3. Wie steht sie dazu, dass die Umweltplaketten von vielen als Lobbyismus für die Industrie gesehen werden? 4. Welche Maßnahmen hat nach ihrer Einschätzung die letzte grün-rote Landes - regierung getroffen, um den Verkehrsfluss in Stuttgart wesentlich zu verbessern? 5. Welche Maßnahmen hat sie als aktuelle Landesregierung getroffen, um den Verkehrsfluss in Stuttgart wesentlich zu verbessern? 6. Wie steht sie zu Demonstrationen von „Umweltaktivisten“, die den Verkehr in Stuttgart lahmlegen und damit faktisch noch mehr Feinstaub verursachen? 7. Überlegt sie, kostenlose Parkplätze in der Region Stuttgart zu fördern oder den Kommunen zur Förderung zu raten, um die Attraktivität von Park and Ride- Parkplätzen (P&R) zu erhöhen (beispielsweise ähnlich dem öffentlichen Personennahverkehr [ÖPNV]-Umsteiger-Parkhaus „Unterer Grund“ in Stuttgart- Vaihingen)? Kleine Anfrage des Abg. Thomas Palka AfD und Antwort des Ministeriums für Verkehr Feinstaub-Problematik: Umweltzonen, Verkehrsfluss und Holzheizungen Drucksachen und Plenarprotokolle sind im Internet abrufbar unter: www.landtag-bw.de/Dokumente Der Landtag druckt auf Recyclingpapier, ausgezeichnet mit dem Umweltzeichen „Der Blaue Engel“. Landtag von Baden-Württemberg Drucksache 16 / 1203 2 8. Wird die Anschaffung von Holzheizungen oder werden Umrüstungen auf Holz - heizungen (keine reinen Komfortheizungen) ihrerseits als eine Form der er - neuerbaren Energien gefördert? 9. Was unternimmt sie, damit sich künftig nicht mehr Haushalte in Städten mit massiven Feinstaubproblemen – wie Stuttgart – für die Heizung mit Holz entscheiden ? 22. 11. 2016 Palka AfD B e g r ü n d u n g Das Fraunhofer-Institut untersuchte wissenschaftlich den Nutzen von Umwelt - zonen. Es kam bereits 2011 zum Ergebnis, dass keine Verbesserung der Luftsituation (Minimierung der Stickstoffdioxidemissionen) gegeben ist. Der Leiter des Fraunhofer-Instituts für Verkehrs- und Infrastruktursysteme IVI wird z. B. in der Augsburger Allgemeinen (26. Oktober 2011) zitiert: „Die Umweltzonen sind nicht nur wirkungslos für die Belastung durch Feinstaub, sondern auch durch Stickstoffdioxid.“ Das größte Schadstoffminderungspotenzial liegt stattdessen im Verkehrsfluss. Hier können demnach 29 bis 55 Prozent eingespart werden. Stu - dien des ADAC belegen gleichzeitig seit Jahren, dass die Einführung von Umweltzonen ab dem Jahr 2008 auch zu keiner spürbaren Erneuerung des Pkw-Bestands geführt haben. Dennoch meint Ministerpräsident Kretschmann, für die „blaue Plakette“ kämpfen zu müssen, da seiner Meinung nach anders die Grenzwerte nicht eingehalten werden könnten (Süddeutsche Zeitung, 11. Oktober 2016). Insbesondere in Stuttgart besteht ein massives Feinstaub-Problem. Den Ergebnissen des Fraunhofer-Instituts nach müssten Projekte wie neue Umweltplaketten auf Eis gelegt werden und stattdessen dringend andere Maßnahmen, insbesondere zur Verbesserung des Verkehrsflusses, getroffen werden. Laut einer Studie der Landesanstalt für Umwelt, Messungen und Naturschutz (LUBW) sind Holzöfen in Stuttgart für bis zu 32 Prozent der Feinstaubbelastung verantwortlich (Dokumentation -Nummer 33-12/2016). Zitate von der Internetseite der Stadt Stuttgart: „Ein erheblicher Teil der Feinstaub-Emissionen, die in Stuttgart gemessen werden, entstehen aus der Holzverbrennung.“ „Die Feinstaub-Emissionen aus Holzfeuerungsanlagen übersteigen in Deutschland mit etwa 28 Tausend Tonnen mittlerweile die aus den Motoren von Lkw und Pkw.“ „So stieg der Feinstaub-Ausstoß aus Holzöfen in den letzten Jahren deutlich an.“ Trotz der Feinstaubprobleme durch Holzöfen fördert das Land aber Holzheizungen als eine Form der erneuerbaren Energie. 3 Landtag von Baden-Württemberg Drucksache 16 / 1203 A n t w o r t Mit Schreiben vom 16. Februar 2017 Nr. 4-0141.5/233 beantwortet das Ministe - rium für Verkehr im Einvernehmen mit dem Ministerium für Umwelt, Klima und Energiewirtschaft und dem Ministerium für Wirtschaft, Arbeit und Wohnungsbau die Kleine Anfrage wie folgt: 1. Welche Konsequenzen wurden bis heute aus den Forschungen des Fraunhofer- Instituts gezogen, das bereits 2011 die Wirkungslosigkeit von Umweltzonen nachwies? 2. Teilt sie die Einschätzung des Fraunhofer-Instituts für Verkehrs- und Infrastruktursysteme , speziell die Einschätzung dessen Leiters, der laut der Augsburger Allgemeinen äußerte „Die Umweltzonen sind nicht nur wirkungslos für die Belastung durch Feinstaub, sondern auch durch Stickstoffdioxid.“? Die Fragen 1 und 2 werden aufgrund ihres Sachzusammenhangs gemeinsam beantwortet . Die Einschätzungen des Fraunhofer-Instituts für Verkehrs- und Infrastruktursysteme zur Wirkung von Umweltzonen werden durch Gutachten widerlegt. Die Wirkung von Umweltzonen basiert auf dem Ausschluss von Fahrzeugen mit hohen Schadstoffemissionen. Hierdurch wird ein Anreiz zum Einsatz von Fahrzeugen neuesten technischen Standards gesetzt. Die Wirkung der Einführung oder Ausweitung einer Umweltzone hängt dabei von vielen Faktoren ab. Im Vorfeld der Einführung oder Ausweitung von Umweltzonen wird die Wirkung auf die Immissionsbelastung stets unter Beachtung der spezifischen Bedingungen vor Ort gutachterlich belegt. Der Erfolg der Einführung von Umweltzonen kann an der Entwicklung der Mess - werte an den straßennahen Messstellen des Landes nachvollzogen werden. 2006 gab es in Baden-Württemberg noch mehr als 20 Stationen mit Überschreitungen der maximal zulässigen 35 Tage mit mehr als 50 µg/m³ Feinstaub PM10. Seit 2014 wird dieser Wert in Baden-Württemberg nur noch an der Station Stuttgart Am Neckartor überschritten. Im Übrigen wird auf die Antwort der Landesregierung in der Drs. 16/1219 ver - wiesen. 3. Wie steht sie dazu, dass die Umweltplaketten von vielen als Lobbyismus für die Industrie gesehen werden? Die Wirksamkeit der Einführung einer neuen Umweltzone oder die Ausweitung einer bestehenden Umweltzone wird im Vorfeld der Anordnung anhand des jeweiligen Einzelfalls wissenschaftlich untersucht. Nur wenn dabei die Minderung der Luftbelastung belegt werden kann, wird die Maßnahme in den Luftreinhalteplan übernommen und umgesetzt. 4. Welche Maßnahmen hat nach ihrer Einschätzung die letzte grün-rote Landesregierung getroffen, um den Verkehrsfluss in Stuttgart wesentlich zu verbessern? 5. Welche Maßnahmen hat sie als aktuelle Landesregierung getroffen, um den Verkehrsfluss in Stuttgart wesentlich zu verbessern? Die Fragen 4 und 5 werden aufgrund ihres Sachzusammenhangs gemeinsam beantwortet . Eine Verkehrsverstetigung wirkt sich positiv auf das Emissionsverhalten von Fahrzeugen und damit auf die Immissionsbelastung an den straßennahen Messstellen aus. Für die Verkehrslenkung und damit den Verkehrsfluss in Stuttgart ist die Landeshauptstadt Stuttgart zuständig. Sie optimiert beständig und erfolgreich die Stetigkeit des Verkehrs. Stellvertretend kann auf die Maßnahmen an der Hohenheimer Landtag von Baden-Württemberg Drucksache 16 / 1203 4 Straße verwiesen werden. Dort führte die Kombination aus Geschwindigkeits - begrenzung, Lichtsignalkoordinierung und Parkregelung zur deutlichen Reduk - tion der Luftschadstoffbelastung. Die Auswertung der Stickstoffdioxidkonzentration an der Messstelle Hohenheimer Straße zeigt vom Jahr 2012 zum Jahr 2013 einen deutlichen Rückgang des Stickstoffdioxid-Jahresmittelwertes von 91 auf 80 µg/m³. 2016 lag der Wert bei 76 µg/m³. Die dort erzielten Ergebnisse stellen die Grundlage für Geschwindigkeitsbeschränkungen an bestimmten Steigungsstrecken in Stuttgart dar. Landesregierung und Landeshauptstadt knüpfen an den Erfolg dieser Maßnahmen an. Derzeit wird in engem Kontakt mit der Stadt Stuttgart und dem Regierungspräsidium Stuttgart an der Fortschreibung des Luftreinhalteplans Stuttgart gearbeitet . Als Teil dieser Fortschreibung wird u. a. auch der Ausbau der intelligenten Verkehrssteuerung diskutiert. 6. Wie steht sie zu Demonstrationen von „Umweltaktivisten“, die den Verkehr in Stuttgart lahmlegen und damit faktisch noch mehr Feinstaub verursachen? Als Ausdruck des Grundrechts auf freie Meinungsäußerung sind im Rahmen der geltenden Gesetze Demonstrationen, einschließlich der „Feinstaub“-Demonstrationen im Bereich Stuttgart Am Neckartor, Teil eines demokratischen Staates. Ob ggf. damit verbundene Verkehrsbehinderungen einen Anstieg oder Rückgang der Feinstaubimmissionen bewirken, ist nicht eindeutig feststellbar. 7. Überlegt sie, kostenlose Parkplätze in der Region Stuttgart zu fördern oder den Kommunen zur Förderung zu raten, um die Attraktivität von Park and Ride- Parkplätzen (P&R) zu erhöhen (beispielsweise ähnlich dem öffentlichen Personennahverkehr [ÖPNV]-Umsteiger-Parkhaus „Unterer Grund“ in Stuttgart- Vaihingen)? Die P+R-Anlagen in der Region Stuttgart verteilen sich auf 70 unterschiedliche Eigentümer. Derzeit bestimmen die Eigentümer bzw. Betreiber der P+R-Anlagen die Tarife für die Stellplätze. Von den 107 P+R-Standorten in der Region Stuttgart wird lediglich an 55 Standorten eine Parkgebühr verlangt. Auf den beiden P+R-Anlagen in Stuttgart-Österfeld und Stuttgart-Albstraße, an denen das Parkticket gleichzeitig der VVS-Fahrschein ist, werden die vergünstigten VVS-Tarife bei Feinstaubalarm an die Käuferinnen und Käufer eines Parktickets weitergegeben . Somit gelten für diese beiden Anlagen vergünstigte Tarife bei Feinstaub - alarm. Derartige Maßnahmen dürfen jedoch nicht isoliert betrachtet werden. Vielmehr geht es um den Ausbau umweltverträglicher Verkehrsmittel. Hierbei setzt sich die Landesregierung auch für die Entwicklung und Umsetzung eines regionalen P+R- Konzepts ein. Es besteht enger Kontakt mit dem zuständigen Verband Region Stuttgart (VRS). 8. Wird die Anschaffung von Holzheizungen oder werden Umrüstungen auf Holzheizungen (keine reinen Komfortheizungen) ihrerseits als eine Form der er - neuerbaren Energien gefördert? 9. Was unternimmt sie, damit sich künftig nicht mehr Haushalte in Städten mit massiven Feinstaubproblemen – wie Stuttgart – für die Heizung mit Holz entscheiden ? Die Fragen 8 und 9 werden aufgrund ihres Sachzusammenhangs gemeinsam beantwortet . Vom Ministerium für Umwelt, Klima und Energiewirtschaft können Holzheizungen im Rahmen des Förderprogramms „Energieeffiziente Wärmenetze“ gefördert werden. Bei Bau oder Erweiterung eines Wärmenetzes sind auch Investitionen in erneuerbare Wärmeerzeugungsanlagen wie z. B. Hackschnitzelkessel förderfähig. Einzelfeuerstätten sollen dabei durch große zentrale Anlagen ersetzt werden. Bei großen Anlagen können durch den Einsatz entsprechender Filtertechnik die Staub - 5 Landtag von Baden-Württemberg Drucksache 16 / 1203 emissionen deutlich reduziert werden, durch die automatische Beschickung wird die Verfeuerung nicht geeigneter Brennstoffe vermieden und durch die regelmäßige Überprüfung durch die Schornsteinfeger ist die Einhaltung der geforderten Grenzwerte auch im Betrieb gewährleistet. Zusätzlich ist eine Förderung ausgeschlossen , wenn die Wärmeerzeugung ausschließlich über einen Hackschnitzelkessel erfolgt. Dadurch soll ein Betrieb im Sommer vermieden werden, bei dem durch hohe Teillastanteile ungünstigere Feuerungsbedingungen gegeben sind. Außerdem werden über das Programm Klimaschutz-Plus Hackschnitzel- und Pelletfeuerungen bei Nichtwohngebäuden in Kombination mit einer energetischen Sanierung gefördert. Auch dabei werden durch die Fokussierung auf automatisch beschickte Feuerungsanlagen ausschließlich umweltfreundliche Systeme gefördert. Das Erneuerbare-Wärme-Gesetz Baden-Württemberg (EWärmeG) verpflichtet Eigentümerinnen und Eigentümer bestehender Wohn- und Nichtwohngebäude, erneuerbare Energien einzusetzen, sobald sie ihre Heizungsanlagen austauschen. Das Gesetz ist technologieoffen ausgestaltet, d. h. es steht eine Vielzahl an Technologien zur Nutzung erneuerbarer Wärme zur Verfügung. Die Verfeuerung von Holz kann anerkannt werden, wenn zentrale Holzkessel auf Basis von Scheitholz, Pellets oder Hackschnitzel zum Einsatz kommen. Kaminöfen sind prinzipiell nicht anrechenbar, Ausnahmen bestehen nur für Grund- und Kachel/Putz- und Pelletöfen, die einen bestimmten Flächenanteil des Gebäudes überwiegend beheizen können und gewisse Mindestwirkungsgrade erreichen. Diese im EWärmeG anrechenbaren Ofenarten sind im Hinblick auf die Belange der Luftreinhaltung wegen ihrer Bauart und Betriebsweise günstiger zu bewerten als herkömmliche Kaminöfen. Auch im EWärmeG wird also für die Betreiberinnen und Betreiber von Holzfeuerungsanlagen ein Anreiz zu effizienten und sauberen Feuerungstechniken gesetzt. Hermann Minister für Verkehr