Landtag von Baden-Württemberg 16. Wahlperiode Drucksache 16 / 1229 15. 12. 2016 1Eingegangen: 15. 12. 2016 / Ausgegeben: 06. 02. 2017 K l e i n e A n f r a g e Ich frage die Landesregierung: 1. Nach welchen Kriterien wird darüber befunden, welche innovative Forschung als mutig aufgefasst werden kann? 2. Wie definiert sie „Mut im Denken und Handeln“ in der Forschung, wie sie den Preisträgern in der Pressemitteilung des Wissenschaftsministeriums am 5. Dezember 2016 zugeschrieben werden? 3. Wie geschieht die Abgrenzung zu Bereichen, die beispielsweise ethische Dimensionen betreffen, die besonderen Vorbehalten unterliegen und damit keine Freiräume darstellen können, „die kluge Köpfe heute brauchen, um Ideen zu verfolgen“ (Zitat aus der Pressemitteilung des Wissenschaftsministeriums vom 5. Dezember 2016)? 4. Welches Gremium befindet darüber, welche Forschung mutig, welche feige und welche durch den Preis für mutige Wissenschaft honorierbar ist? 5. Erkennt sie ein Spannungsverhältnis zu dem landesweiten Dialogprozess zu ethischen Fragen der wissenschaftlichen Forschung, der ausweislich des Koalitionsvertrags im Land begonnen werden soll? 6. Wie gehen die ideologischen Prämissen der Partei Bündnis 90/Die Grünen, die eine weitreichende Folgeabschätzung, begleitende Risikoforschung und ein Ver - ständnis der komplexen technischen und gesellschaftlichen Wechselbeziehungen voraussetzt, mit der Auslobung eines Preises für mutige Wissenschaft zusammen , die im Wortlaut der Ministerin unkonventionelle Ansätze auch gegen Widerstände verfolgen soll? Kleine Anfrage des Abg. Nico Weinmann FDP/DVP und Antwort des Ministeriums für Wissenschaft, Forschung und Kunst Preis für mutige Wissenschaft Drucksachen und Plenarprotokolle sind im Internet abrufbar unter: www.landtag-bw.de/Dokumente Der Landtag druckt auf Recyclingpapier, ausgezeichnet mit dem Umweltzeichen „Der Blaue Engel“. Landtag von Baden-Württemberg Drucksache 16 / 1229 2 7. In welchem Verhältnis stehen der mit 100.000 Euro dotierte Landesforschungspreis , als wohlgemerkt höchstdotierter Forschungspreis, den ein Bundesland ausschreibt, und der mit 30.000 Euro dotierte Preis für mutige Wissenschaft? 15. 12. 2016 Weinmann FDP/DVP B e g r ü n d u n g Im Dezember 2016 wurde erstmals der „Preis für mutige Wissenschaft“ vergeben. Ausweislich der begleitenden Pressemitteilung aus dem Wissenschaftsministerium honoriert dieser eine Forschung, die auch gegen nicht näher definierte Widerstände betrieben wird. Diese Kleine Anfrage soll klären, nach welchen Kriterien der Preis vergeben wird. A n t w o r t * ) Mit Schreiben vom 16. Januar 2017 Nr. 31-7536-0/74/1 beantwortet das Ministerium für Wissenschaft, Forschung und Kunst die Kleine Anfrage wie folgt: Ich frage die Landesregierung: 1. Nach welchen Kriterien wird darüber befunden, welche innovative Forschung als mutig aufgefasst werden kann? Mit dem Preis für mutige Wissenschaft sollen exzellente Forscherinnen/Forscher an Hochschulen und außeruniversitären Forschungseinrichtungen in Baden-Württemberg gewürdigt werden, die ungewöhnliche Wege beschreiten und die im Rahmen ihrer Forschung besondere Wagnisse eingegangen sind. Mit dem Preis setzt Baden-Württemberg ein Signal dafür, wie sehr innovative Wissenschaft davon lebt, dass Forscherinnen und Forscher Vorhaben verfolgen, die auch die Gefahr des Scheiterns beinhalten. Der Preis wird an außergewöhnliche Nachwuchswissenschaftler vergeben, • die sich wissenschaftlich riskanten Projekten gewidmet haben bzw. widmen und die gegen die Erwartungen der Peers Erfolge erzielt haben; • die sich auf dem Weg zu wissenschaftlichen Erfolgen gegen Widerstände durchgesetzt haben (wie etwa abgelehnte Stipendien oder Anträge auf Finanzierung von Publikationsvorhaben); • die an einem vielversprechenden wissenschaftlichen Ansatz arbeiten oder ge - arbeitet haben, dessen Ergebnis auf Vorarbeiten beruht, die in einem wissenschaftlich produktiven Sinne zwar „gescheitert“ sind, aber gerade dadurch neue Erkenntnisse und Forschungswege ermöglicht haben. *) Der Überschreitung der Drei-Wochen-Frist wurde zugestimmt. 3 Landtag von Baden-Württemberg Drucksache 16 / 1229 2. Wie definiert sie „Mut im Denken und Handeln“ in der Forschung, wie sie den Preisträgern in der Pressemitteilung des Wissenschaftsministeriums am 5. Dezember 2016 zugeschrieben werden? Am Beispiel der beiden Preisträger soll veranschaulicht werden, was unter preiswürdigem „Mut im Denken und Handeln“ zu verstehen ist: Der eine Preisträger forscht an der Schnittstelle zwischen verschiedenen Fachgebieten. Seine Ausbildung vollzog sich in den Vereinigten Staaten, den Niederlanden und Deutschland. Er begann mit Physik, wechselte in die Polymerchemie, danach in die Zoologie und ist nun in einem Botanik-Department Professor für Zelluläre Nanowissenschaften . Ein nicht nur einmaliger, sondern mehrfacher Wechsel des wissenschaftlichen Fachgebiets erfordert in der Tat großen Mut, da für die wissenschaftliche Karriere immer noch die Fachexpertise in einem Gebiet mehr zählt als interdisziplinäre Kenntnisse. Der Karriereweg des Wissenschaftlers wird umso beeindruckender , da er auch nach jedem Wechsel außerordentlich erfolgreich Forschung betrieben hat. In jedem dieser Gebiete hat er herausragende Publikationen vorzuweisen. Der andere Preisträger hat sich mit der Baubotanik eine neue Disziplin zu eigen gemacht. Sein Ansatz – der heute als spektakulär gilt – wurde zu Beginn seiner Forschungsarbeit, also vor über zehn Jahren, eher skeptisch beurteilt – und zwar sowohl in der Architektur als auch in den Lebenswissenschaften. Doch hat ihn dies zu keiner Zeit davon abbringen können, couragiert seinen Weg zu gehen. Schon bald gelang es ihm, Kolleginnen und Kollegen in der Architektur und in der Botanik mit seinem Ansatz zu überzeugen. Einige Baumbauwerke gibt es bereits – auch in Baden-Württemberg. Sie stehen für ein enormes Erneuerungs - potenzial im Städtebau, besonders in Zeiten der Nachverdichtung. 3. Wie geschieht die Abgrenzung zu Bereichen, die beispielsweise ethische Dimensionen betreffen, die besonderen Vorbehalten unterliegen und damit keine Freiräume darstellen können, „die kluge Köpfe heute brauchen, um Ideen zu verfolgen“ (Zitat aus der Pressemitteilung des Wissenschaftsministeriums vom 5. Dezember 2016)? Siehe gemeinsame Antwort zu 3., 5. und 6. unten. 4. Welches Gremium befindet darüber, welche Forschung mutig, welche feige und welche durch den Preis für mutige Wissenschaft honorierbar ist? Über die Vergabe des Preises entscheidet ein international besetzter Auswahlausschuss , der auch die Preisträgerinnen und Preisträger für den etablierten Landesforschungspreis für Grundlagen- und angewandte Forschung auswählt. Der Ausschuss besteht aus 17 erfahrenen Persönlichkeiten der Wissenschaft, Wirtschaft und des Medienbereichs. Darunter die Präsidentin/der Präsident der Heidelberger Akademie der Wissenschaften als Vorsitzende/Vorsitzender, der Präsident/die Prä - sidentin der Max-Planck-Gesellschaft, die Präsidentin/der Präsident der Deutschen Forschungsgemeinschaft, der Chemie-Nobelpreisträger des Jahres 2014 und der Chefredakteur des Magazins „Spektrum der Wissenschaft“. Landtag von Baden-Württemberg Drucksache 16 / 1229 4 5. Erkennt sie ein Spannungsverhältnis zu dem landesweiten Dialogprozess zu ethischen Fragen der wissenschaftlichen Forschung, der ausweislich des Koalitionsvertrags im Land begonnen werden soll? 6. Wie gehen die ideologischen Prämissen der Partei Bündnis 90/Die Grünen, die eine weitreichende Folgeabschätzung, begleitende Risikoforschung und ein Verständnis der komplexen technischen und gesellschaftlichen Wechselbeziehungen voraussetzt, mit der Auslobung eines Preises für mutige Wissenschaft zusammen, die im Wortlaut der Ministerin unkonventionelle Ansätze auch gegen Widerstände verfolgen soll? Zu 3., 5. und 6.: Der Preis bezieht sich auf den Mut des Wissenschaftlers/der Wissenschaftlerin, das eigene Forschungsthema voranzutreiben, auch wenn dies im Sinne der akademischen Karriere zunächst nicht vielversprechend erscheint (siehe Frage 1. und 2.). Er bewertet nicht in besonderer Weise den Forschungsgegenstand selbst, weshalb kein Zusammenhang zu den genannten Aspekten feststellbar ist. Unabhängig davon sind Folgeabschätzung, Risikoforschung und Reflexion über ethische Aspekte des wissenschaftlichen Wandels elementarer Bestandteil verantwortlich agierender Wissenschaft. 7. In welchem Verhältnis stehen der mit 100.000 Euro dotierte Landesforschungspreis , als wohlgemerkt höchstdotierter Forschungspreis, den ein Bundesland ausschreibt, und der mit 30.000 Euro dotierte Preis für mutige Wissenschaft? Der Landesforschungspreis wird geteilt in einen Preis für Grundlagenforschung und einen Preis für angewandte Forschung. Er ist mit 200.000 Euro (je 100.000 Euro) dotiert. Er stellt die wissenschaftliche Leistung in Bezug auf einen bestimmten Forschungserfolg in den Mittelpunkt, während beim Preis für mutige Wissenschaft auch der Weg dorthin ausschlaggebend ist. Der Preis für mutige Wissenschaft richtet sich im Vergleich zum Landesforschungspreis stärker an junge Forschende, da er in der Regel an Personen gehen soll, die zum Zeitpunkt der Ausschreibung nicht älter als 45 Jahre sind. Beide Preise werden im Rahmen einer gemeinsamen Festveranstaltung übergeben. Bauer Ministerin für Wissenschaft, Forschung und Kunst