Landtag von Baden-Württemberg 16. Wahlperiode Drucksache 16 / 1282 22. 12. 2016 1Eingegangen: 22. 12. 2016 / Ausgegeben: 10. 02. 2017 K l e i n e A n f r a g e Ich frage die Landesregierung: 1. Welche Unterstützung lässt sie der Armenischen Gemeinde Baden-Württemberg e. V. zukommen? 2. Ist ihr bekannt, ob der Armenischen Gemeinde Baden-Württemberg e. V. Hürden beim Bau bzw. der Anmietung eigener Räumlichkeiten entgegengesetzt werden? 3. Wie steht sie zur Armenien-Resolution der Bundesregierung? 4. Befürwortet sie die Behandlung des Völkermords an den Armeniern im Schulunterricht ? 5. Strebt sie eine partnerschaftliche Beziehung Baden-Württembergs mit Arme - nien im wirtschaftlichen und kulturellen Bereich an? 6. Hat sie Kenntnisse über die Diskriminierung von armenischen Christen in Asyl - unterkünften und Landeserstaufnahmestellen durch andere Asylbewerber und Wachpersonal? 7. Wie war 2016 die Anerkennungsquote von armenischen Christen auf Asyl? 8. Liegen ihr Kenntnisse vor, ob Asylanträge von armenischen Christen eine andere Bearbeitungsdauer haben als die anderer Asylbewerber? Kleine Anfrage des Abg. Lars Patrick Berg AfD und Antwort des Ministeriums für Inneres, Digitalisierung und Migration Armenische Gemeinde in Baden-Württemberg Drucksachen und Plenarprotokolle sind im Internet abrufbar unter: www.landtag-bw.de/Dokumente Der Landtag druckt auf Recyclingpapier, ausgezeichnet mit dem Umweltzeichen „Der Blaue Engel“. Landtag von Baden-Württemberg Drucksache 16 / 1282 2 9. Wie gut stuft sie die Integrationschancen für armenische Christen ein? 10. Welche Kenntnisse hat sie über Gewalt gegen armenische Christen? 13. 12. 2016 Berg AfD B e g r ü n d u n g Wie dem Fragesteller von Betroffenen und Helfern mitgeteilt wurde, soll es Hinweise auf eine Schlechterstellung von armenischen Christen im Bereich Asyl geben . Diese Kleine Anfrage soll helfen, die Informationen zu gewichten und einzuordnen . A n t w o r t Mit Schreiben vom 26. Januar 2017 Nr. 7-0141.5/16/1282 beantwortet das Minis - terium für Inneres, Digitalisierung und Migration im Einvernehmen mit dem Staats - ministerium, dem Ministerium für Kultus, Jugend und Sport, dem Ministerium für Wissenschaft, Forschung und Kunst, dem Ministerium für Wirtschaft, Arbeit und Wohnungsbau, dem Ministerium für Soziales und Integration die Kleine Anfrage wie folgt: 1. Welche Unterstützung lässt sie der Armenischen Gemeinde Baden-Württemberg e. V. zukommen? Zu 1.: Die Landesregierung pflegt mit allen Kirchen, Religions- und Weltanschauungsgemeinschaften sowie religiösen Vereinen im Land Kontakte und nimmt ihnen gegenüber eine – wie es das Bundesverfassungsgericht in seinem Beschluss vom 27. Januar 2015 (1 BvR 471/10, 1 BvR 1181/10) formulierte – „offene und übergreifende , die Glaubensfreiheit für alle Bekenntnisse gleichermaßen fördernde Haltung“ ein. Dies gilt auch für die Armenische Gemeinde Baden-Württemberg e. V. So steht das Ministerium für Soziales und Integration im regelmäßigen Kontakt mit Vertreterinnen und Vertretern der Armenischen Gemeinde Baden-Württemberg e. V., die beispielsweise auch zu den Sitzungen des künftigen Runden Tischs der Religionen Baden-Württemberg eingeladen wird. In der Vergangenheit fanden außerdem mehrere Besprechungen des Kultusministeriums mit Vertretern der Armenischen Gemeinde Baden-Württemberg e. V. statt, in denen diese über Möglichkeiten finanzieller Förderung, insbesondere der Jugendarbeit des Vereins, beraten wurden. Zudem hat die Landesregierung die Armenischen Kulturtage 2015 der Armenischen Gemeinde Baden-Württemberg e. V. mit 11.900 Euro finanziell unterstützt. 3 Landtag von Baden-Württemberg Drucksache 16 / 1282 2. Ist ihr bekannt, ob der Armenischen Gemeinde Baden-Württemberg e. V. Hürden beim Bau bzw. der Anmietung eigener Räumlichkeiten entgegengesetzt werden? Zu 2.: Der Landesregierung sind Bestrebungen der Armenischen Gemeinde Baden- Württemberg e. V. bekannt, geeignete Gemeinderäumlichkeiten im Raum Stuttgart zu erwerben. Dazu ist ein tragfähiges Konzept zur langfristigen Finanzierung eines entsprechenden Vorhabens erforderlich. 3. Wie steht sie zur Armenien-Resolution der Bundesregierung? Zu 3.: Eine Armenien-Resolution der Bundesregierung ist der Landesregierung nicht bekannt . Hingegen hat der Deutsche Bundestag am 2. Juni 2016 die Resolution „Erinnerung und Gedenken an den Völkermord an den Armeniern und anderen christlichen Minderheiten vor 101 Jahren“ verabschiedet. Im Übrigen kommentiert die Landesregierung Entscheidungen und Äußerungen des Deutschen Bundestags in außenpolitischen Angelegenheiten nicht. 4. Befürwortet sie die Behandlung des Völkermords an den Armeniern im Schulunterricht ? Zu 4.: Die Landesregierung befürwortet, dass sich Schülerinnen und Schüler in jeweils konkretem fachlichem Kontext mit der Geschichte der Armenier auseinandersetzen . Hierfür bestehen auf Grundlage der geltenden Bildungspläne in unterschiedlichen Fächern und in verschiedenen Klassenstufen geeignete Möglichkeiten. Das Kultusministerium hat im Jahr 2016 die Schulen des Landes auf aktuelle Unterrichtsmaterialien zum Thema hingewiesen. 5. Strebt sie eine partnerschaftliche Beziehung Baden-Württembergs mit Arme - nien im wirtschaftlichen und kulturellen Bereich an? Zu 5.: Die Landesregierung legt großen Wert darauf, dass die exportorientierte badenwürttembergische Wirtschaft mit allen Handelspartnern in der Welt gute wirtschaftliche Beziehungen pflegt. In Bezug auf den in der Fragestellung thematisierten kulturellen Bereich ist wie mit anderen Ländern eine projektbezogene kulturelle Zusammenarbeit möglich, sofern konkrete Projekte im beiderseitigen Interesse sind. Eine offizielle Partnerschaft des Landes mit Armenien wird aktuell in keinem der genannten Bereiche angestrebt. 6. Hat sie Kenntnisse über die Diskriminierung von armenischen Christen in Asyl - unterkünften und Landeserstaufnahmestellen durch andere Asylbewerber und Wachpersonal? Zu 6.: Der Landesregierung sind keine Vorfälle von Diskriminierung armenischer Chris - ten in Landeserstaufnahmeeinrichtungen bekannt. Auch vonseiten der unteren Aufnahmebehörden (Landratsämter und Bürgermeisterämter der Stadtkreise) wurden soweit ersichtlich keine Fälle von Diskriminierung armenischer Christen in der vorläufigen Unterbringung an die Landesregierung herangetragen. Landtag von Baden-Württemberg Drucksache 16 / 1282 4 7. Wie war 2016 die Anerkennungsquote von armenischen Christen auf Asyl? 8. Liegen ihr Kenntnisse vor, ob Asylanträge von armenischen Christen eine andere Bearbeitungsdauer haben als die anderer Asylbewerber? Zu 7. und 8.: Ausweislich der Halbjahresstatistik 2016 des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge (BAMF) lag die Gesamtschutzquote bei armenischen Asylbewerbern bei 6,8 %. Die Statistik differenziert allerdings nicht nach der Konfession der Asyl - bewerber. Hierzu und zu der Frage, ob sich die Bearbeitungsdauer im Hinblick auf Asylanträge armenischer Christen im Vergleich zur Bearbeitung von Anträgen anderer Asylbewerber unterscheidet, wurde das BAMF angefragt. Es konnten jedoch keine Informationen übermittelt werden; das BAMF als Bundesbehörde unterliegt nicht der parlamentarischen Kontrolle durch das Parlament des Landes. 9. Wie gut stuft sie die Integrationschancen für armenische Christen ein? Zu 9.: Die Landesregierung kann keine generellen Aussagen zu den Integrationschancen ganzer religiöser Gruppen treffen. Integration ist vielmehr als individueller Prozess zu verstehen, dessen Gelingen von einer Vielzahl von Faktoren abhängig ist. Neben der persönlichen Auseinandersetzung mit den eigenen ethnischen, kulturellen und/oder religiösen Wurzeln, ist dabei die erfolgreiche Integration in die Gesamtgesellschaft von Bedeutung, die nur im wechselseitigen Austausch von Zugewanderten und Aufnahmebevölkerung gelingen kann. Die Landesregierung verfolgt hier das Ziel der gleichberechtigten gesellschaftlichen Teilhabe aller Bürgerinnen und Bürger. 10. Welche Kenntnisse hat sie über Gewalt gegen armenische Christen? Zu 10.: Mit Blick auf die Beantwortung der Fragestellung zu konkreten Fallzahlen ist festzustellen, dass die Religionszugehörigkeit kein Teil der Personalien (vgl. § 111 Abs. 1 OWiG) ist und damit von der Polizei im Rahmen der Bearbeitung von Strafanzeigen grundsätzlich nicht in der Polizeilichen Kriminalstatistik (PKS) erfasst wird. Angaben zu Opfern werden anonymisiert und in begrenztem Umfang erfasst. Es können daher auf Grundlage der PKS keine statistisch validen Aus - sagen über die Religionszugehörigkeit armenischer Opfer getroffen werden. Für das Jahr 2014 weist die PKS insgesamt neun, für das Jahr 2015 insgesamt zwölf armenische Staatsangehörige aus, die Opfer sogenannter Opferdelikte1 wurden. Die Anzahl an Opfern im Jahr 2016 entsprach dem Vorjahresniveau. Unabhängig von der PKS erfolgt die statistische Erfassung der Politisch motivierten Kriminalität (PMK) auf Grundlage des Kriminalpolizeilichen Meldedienstes (KPMD). Mit Beschluss der Ständigen Konferenz der Innenminister und -senatoren der Länder vom 10. Mai 2001 sind rückwirkend zum 1. Januar 2001 mit dem „Definitionssystem Politisch motivierte Kriminalität“ und den „Richtlinien für den Kriminalpolizeilichen Meldedienst in Fällen Politisch motivierter Kriminalität (KPMD-PMK)“ die bundesweit einheitlich geltenden Kriterien zur Defini - tion und Erfassung politisch motivierter Straftaten in Kraft gesetzt worden. Nach diesen Kriterien erfolgt die Erfassung der Einzelstraftaten auf Basis des Tatortes. Auf Grundlage des Kriminalpolizeilichen Meldedienstes wurden in der PMK für die Jahre 2014 und 2015 keine Fälle gegen armenische Christen bekannt. _____________________________________ 1 Hierbei handelt es sich gemäß der bundesweit geltenden PKS-Richtlinien v. a. um Tötungs - delikte, Sexualdelikte, Raubdelikte, Körperverletzungsdelikte und Straftaten gegen die persönliche Freiheit. 5 Landtag von Baden-Württemberg Drucksache 16 / 1282 Zum 1. Januar 2017 wurde in den statistischen Erfassungsparametern der PMK bundesweit zusätzlich der Phänomenbereich „PMK – religiöse Ideologie“ eingeführt . Darunter werden demnach Straftaten erfasst, bei denen in Würdigung aller Erkenntnisse zur Tat und zur Einstellung des Täters – auch unter Berücksichtigung der Sicht des Betroffenen – Anhaltspunkte dafür vorliegen, dass eine religiöse Ideologie für die Tatbegehung einschlägig war. Seither liegen der Landes - regierung keine diesbezüglichen Erkenntnisse vor. Strobl Minister für Inneres, Digitalisierung und Migration