Landtag von Baden-Württemberg 16. Wahlperiode Drucksache 16 / 1294 05. 01. 2017 1Eingegangen: 05. 01. 2017 / Ausgegeben: 17. 02. 2017 K l e i n e A n f r a g e Ich frage die Landesregierung: 1. Inwieweit hat sie auf Grundlage der ihr bekannten Informationen geprüft, welche Auswirkungen TTIP und CETA auf die Landwirtschaft im Zollernalbkreis und in Baden-Württemberg haben? 2. Inwieweit und wann wurden die Auswirkungen von TTIP und CETA auf die heimische Landwirtschaft im Zollernalbkreis und in Baden-Württemberg durch die Agrarminister auf Bundes- oder Landesebene thematisiert und diskutiert? 3. Inwieweit haben TTIP und CETA nach ihrer Einschätzung Auswirkungen auf die gesamte Arbeitswelt, Bevölkerung, und Wirtschaft im Zollernalbkreis und in Baden-Württemberg? 4. Welche Risiken sind aus ihrer Sicht mit diesen beiden Abkommen verbunden? 23. 12. 2016 Herre AfD Kleine Anfrage des Abg. Stefan Herre AfD und Antwort des Staatsministeriums Schutz der heimischen Landwirtschaft vor negativen Auswirkungen der Transatlantischen Freihandels- und Investitionspartnerschaft (TTIP) und des Freihandels - abkommens Comprehensive Economic and Trade Agreement (CETA) Drucksachen und Plenarprotokolle sind im Internet abrufbar unter: www.landtag-bw.de/Dokumente Der Landtag druckt auf Recyclingpapier, ausgezeichnet mit dem Umweltzeichen „Der Blaue Engel“. Landtag von Baden-Württemberg Drucksache 16 / 1294 2 B e g r ü n d u n g Die heimische Landwirtschaft steht unter enormem Druck. Nicht nur die Milchund Schweinefleischpreise sind für Landwirte existenzbedrohend, auch die Getreidepreise , insbesondere für Roggen und Weizen fallen seit Monaten. Viele deutsche und auch Bauern in Baden-Württemberg und dem Zollernalbkreis können unter diesen Bedingungen nicht mehr wirtschaftlich arbeiten. Ihr Überlebenskampf wird derzeit durch Hilfszahlungen verlängert. Es ist zu erwarten, dass viele Bauern dem steigenden wirtschaftlichen Druck durch eine weitere Öffnung des Marktes aufgrund von TTIP und CETA nicht Stand halten können, da die sehr hohen deutschen Umwelt- und Lebensmittelanforderungen nicht deckungsgleich auch von amerikanischen Bauern verlangt werden. Ein im Zuge der beiden Abkommen daraus resultierendes Ergebnis des Höfesterbens kann jedoch nicht das Ziel des Freihandels sein. A n t w o r t Mit Schreiben vom 1. Februar 2017 Nr. V-0148.TTIP/CETA beantwortet das Staatsministerium im Einvernehmen mit dem Ministerium der Justiz und für Europa, dem Ministerium für Wirtschaft, Arbeit und Wohnungsbau sowie dem Ministerium für Ländlichen Raum und Verbraucherschutz die Kleine Anfrage wie folgt: Ich frage die Landesregierung: 1. Inwieweit hat sie auf Grundlage der ihr bekannten Informationen geprüft, welche Auswirkungen TTIP und CETA auf die Landwirtschaft im Zollernalbkreis und in Baden-Württemberg haben? Die Landesregierung begrüßt die breite öffentliche Diskussion zu geplanten bzw. notifizierten Freihandelsabkommen wie TTIP oder CETA und setzt sich intensiv mit den Abkommen auseinander. Unter anderem hat sie 2015 einen TTIP-Beirat eingerichtet, dessen Mitglieder sich aus Vertreterinnen und Vertretern der Wirtschaft , Wissenschaft, Gewerkschaften, Kirchen, Landwirtschaft, des Umwelt- und Verbraucherschutzes, der Kultur und Medien, der Justiz und des Landtags zusammensetzen . Baden-Württemberg ist nach Kenntnis der Landesregierung das ein - zige Bundesland mit einem solchen Gremium. Mit dem öffentlich tagenden TTIP- Beirat leistet sie einen wichtigen Beitrag zu einer transparenten Interessensabwägung und Entscheidungsfindung. In den öffentlichen Sitzungen des TTIP-Beirats werden die zentralen Aspekte von TTIP, auch dessen mögliche Auswirkungen auf die baden-württembergische Landwirtschaft, intensiv diskutiert. Als Basis für die Bewertung der Ergebnisse von ausgehandelten Handelsabkommen betrachtet die Landesregierung ihr Eckpunktepapier zur „Transatlantischen Handels- und Investitionspartnerschaft“ (TTIP) vom 17. März 2015. Darin hat sich die Landesregierung in den Eckpunkten 15 bis 17 („Landwirtschaft und Ernährung“) zugunsten der gegenwärtigen europäischen Landwirtschaftsstruktur und der europäischen Qualitäts- und Sicherheitsstandards positioniert. Darüber hinaus hat die Landesregierung klargestellt, dass aufgrund der Betriebsgrößen - unterschiede zwischen Europa und den USA eine klare Mengenbegrenzung der wechselseitig handelbaren Agrarprodukte gesichert werden muss. In ihrem Koalitionsvertrag vom Mai 2016 haben die die Landesregierung tragenden Parteien von Bündnis 90/Die Grünen und der CDU deutlich gemacht, dass aus der Sicht des Landes aus Handelsverträgen und Handelspartnerschaften zwischen der Europäischen Union (EU) und Drittstaaten Chancen, aber auch Risiken erwachsen können. Gleichzeitig haben die Regierungsparteien vereinbart, die Zustimmung zu solchen Abkommen unter anderem von der Einhaltung der für die EU vereinbarten Standards für Verbraucherschutz und Verbraucherrechte, der 3 Landtag von Baden-Württemberg Drucksache 16 / 1294 Sicherstellung der hohen europäischen Qualitäts- und Sicherheitsstandards sowie zugleich dem Schutz garantiert traditioneller Spezialitäten abhängig zu machen. Aufgrund des aktuellen Diskussionsstands ist die Landesregierung der Auffassung , dass sich für die deutsche und baden-württembergische Land- und Ernäh - rungswirtschaft durch den freien Handel bei gleichzeitigem Schutz geographischer Herkunftsangaben und der Sicherstellung der hohen europäischen Qualitätsund Sicherheitsstandards Chancen ergeben. Freihandelsabkommen können Markt - chancen auf beiden Seiten eröffnen. Daneben stehen Lebensmittel aus heimischer Erzeugung nicht nur für hohe Qualität, sondern auch für die höchsten Standards weltweit. Das hohe Schutzniveau darf aus Sicht der Landesregierung nicht in Frage gestellt werden und ist somit Voraussetzung für eine Zustimmung zu jedem Handelsabkommen. 2. Inwieweit und wann wurden die Auswirkungen von TTIP und CETA auf die heimische Landwirtschaft im Zollernalbkreis und in Baden-Württemberg durch die Agrarminister auf Bundes- oder Landesebene thematisiert und diskutiert? Berichte des Bundesministeriums für Ernährung und Landwirtschaft zum jeweiligen Stand der Verhandlungen bei WTO und zu bilateralen Freihandelsabkommen sind seit vielen Jahren regelmäßige Tagesordnungspunkte der Agrarministerkonferenzen . TTIP- und CETA-Abkommen werden seit der Herbst-Agrarministerkonferenz 2014 im Rahmen der Berichte vertieft angesprochen. Zentrale Aussagen der Berichte sind von Anfang an die Forderung nach einer transparenten und demokratisch legitimierten Verhandlung und Entscheidung sowie die Einhaltung der europäischen Verbraucherschutz- und Sozialstandards. 3. Inwieweit haben TTIP und CETA nach ihrer Einschätzung Auswirkungen auf die gesamte Arbeitswelt, Bevölkerung, und Wirtschaft im Zollernalbkreis und in Baden-Württemberg? 4. Welche Risiken sind aus ihrer Sicht mit diesen beiden Abkommen verbunden? Über die konkreten regionalen Auswirkungen von TTIP und CETA im Zollern - albkreis liegen derzeit keine Informationen vor. Die bilateralen Verhandlungen der EU mit dem für Baden-Württemberg wich - tigsten Wirtschaftspartner USA und anderen Staaten über Handelsabkommen bzw. Handelspartnerschaften wie TTIP und CETA zielen auf den Abbau bestehender Handelshemmnisse und die Schaffung eines klaren Rahmens für Unternehmen und Verbraucher. Die Landesregierung hat im Koalitionsvertrag deutlich gemacht, dass hierin aus Landessicht Chancen, aber auch Risiken liegen. Gleichzeitig haben die Regierungsparteien vereinbart, die Zustimmung zu solchen Abkommen unter anderem von der Einhaltung der für die EU vereinbarten Standards in den Bereichen Verbraucherschutz und Verbraucherrechte, Arbeitsschutz, Umweltschutz , Datenschutz, soziale Sicherheit, Gesundheitsversorgung, kommunale Daseinsvorsorge, Kultur, Bildung, öffentliche Gerichtsbarkeit bei Investor-Staats- Klagen abhängig zu machen. Außerdem tritt die Landesregierung dafür ein, dass das Recht auf Regulierung und die Verwirklichung berechtigter politischer Ziele auf kommunaler, regionaler, nationaler und europäischer Ebene erhalten bleibt und weiterentwickelt werden kann. Als Basis für die Bewertung der Ergebnisse von ausgehandelten Handelsabkommen betrachtet die Landesregierung weiterhin ihr Eckpunktepapier zur „Transatlantischen Handels- und Investitionspartnerschaft“ (TTIP) vom 17. März 2015. Die Landesregierung hat dies somit zu einer Voraussetzung für eine Zustimmung zu jedem Handelsabkommen gemacht. Aufgrund des aktuellen Diskussionsstands ist die Landesregierung der Auffassung, dass die deutsche und baden-württembergische Wirtschaft durch den freien Handel bei gleichzeitigem Schutz der für die EU vereinbarten Standards gewinnen kann. Die Landesregierung hat die aus der Gesellschaft – die Landwirtschaft eingeschlossen – geäußerten Sorgen im Zusammenhang mit TTIP und CETA von Beginn an ernst genommen. Sie beschäftigt sich soweit ersichtlich so intensiv wie keine andere Landesregierung mit den beiden (geplanten) Freihandelsabkommen. Sie hat im Hinblick auf TTIP mit dem öffentlich tagenden TTIP-Beirat ein Forum Landtag von Baden-Württemberg Drucksache 16 / 1294 4 für eine sachliche und transparente Debatte geschaffen und bereits zu mehreren CETA betreffenden Landtagsanträgen Stellung genommen. Die TTIP-Verhandlungen sind noch lange nicht abgeschlossen. Ob es zu weiteren Verhandlungen mit den USA sowie gegebenenfalls einem Abschluss kommen wird, ist derzeit nicht absehbar. CETA wurde am 30. Oktober 2016 unterzeichnet und steht im Februar 2017 zur Abstimmung im Europäischen Parlament. Vor seinem verbindlichen Inkrafttreten wird das Abkommen in allen EU-Mitgliedstaaten zu ratifizieren sein. Infolge - dessen wird sich auch der Bundesrat mit CETA zu befassen haben. Die Landes - regierung wird in diesem Rahmen die Bedeutung des Abkommens unter Berücksichtigung aller damit einhergehenden Aspekte für das gesamte Land (den Zol - lernalbkreis eingeschlossen) gesamthaft zu bewerten haben. Murawski Staatsminister und Chef der Staatskanzlei