Landtag von Baden-Württemberg 16. Wahlperiode Drucksache 16 / 1297 10. 01. 2017 1Eingegangen: 10. 01. 2017 / Ausgegeben: 17. 02. 2017 K l e i n e A n f r a g e Ich frage die Landesregierung: 1. Wie bewertet sie die Mütter- und Mutter-Kind-Kuren hinsichtlich ihrer Bedeutung für Prävention, Vorsorge und Rehabilitation im Zollernalbkreis? 2. Wie bewertet sie das Beratungskonzept des Müttergenesungswerks „Therapeutische Kette“ und hält sie es für notwendig, dass die Krankenkassen ihre Versicherten auf dieses Beratungsangebot hinweisen? 3. Wie hat sich die Zahl der Anträge der Mütter- und Mutter-Kind-Kuren von 2002 bis Dezember 2016 – unter Angabe der Anzahl der Genehmigungen und Ablehnungen – entwickelt? 4. Wie viele Krankenkassen haben nach ihrer Kenntnis entsprechende Anträge erhalten (tabellarisch die Art der Krankenkassen, Ablehnungen und Art der Gründe darstellen)? 5. Inwieweit hat sich das Genehmigungsverfahren zur Antragsstellung in den letzten Jahren verändert (mit Angabe, ob die Kassen einheitliche Formulare anwenden )? 6. Welche Maßnahmen hat das Ministerium für Arbeit und Soziales als Aufsichtsbehörde der Krankenkassen unternommen, um die Genehmigungsverfahren für die stationären Vorsorge- und Rehabilitationsmaßnahmen der Mütter- und Mutter-Kind-Kuren zu prüfen und mit welchem Ergebnis? 22. 12. 2016 Herre AfD Kleine Anfrage des Abg. Stefan Herre AfD und Antwort des Ministeriums für Soziales und Integration Entwicklung der Mütter- und Mutter-Kind-Kuren im Zollernalbkreis Drucksachen und Plenarprotokolle sind im Internet abrufbar unter: www.landtag-bw.de/Dokumente Der Landtag druckt auf Recyclingpapier, ausgezeichnet mit dem Umweltzeichen „Der Blaue Engel“. Landtag von Baden-Württemberg Drucksache 16 / 1297 2 B e g r ü n d u n g Trotz des im Sommer 2002 beschlossenen Gesetzes zur Verbesserung der Vor - sorge und Rehabilitation meldeten im Jahr 2005 viele Frauenorganisationen und allen voran das Müttergenesungswerk, dass immer mehr Mütter-/Mutter-Kind- Kuren von den Krankenkassen abgelehnt werden. Diese Entwicklung ist leider nicht auf eine erkennbare Besserung der gesundheitlichen Situation von Müttern zurückzuführen, sondern auf eine zunehmend restriktivere Praxis der Krankenkassen . Die Einrichtungen melden, dass mittlerweile über 50 Prozent der Kurteilnehmerinnen einer Mutter-Kind-Kur alleinerziehende Frauen sind. Die Mehrzahl der Frauen befindet sich in einer extremen – psychisch oder physischen – Problemlage , dazu gehören Gewalterfahrungen, Probleme in der Partnerschaft, Tod eines Angehörigen, ein oder mehrere behinderte Kinder. Hinzu kommen außerdem vielschichtige gesundheitliche Beeinträchtigungen. In keinem Fall einer genehmigten Mütter- und Mutter-Kind-Kur kann von einem „Urlaub auf Krankenschein “ gesprochen werden. Vor allem in Anbetracht der zunehmenden Zahl von alleinerziehenden, berufstätigen Frauen ist im Rahmen von Prävention und Vorsorge , eben bevor es zu Gesundheitsschädigungen der Mütter kommt, nicht nachvollziehbar , dass die Krankenkassen gerade in dem Bereich Mittel einsparen. Auf Nachfrage bei einigen Organisationen spitzt sich diese Situation in den vergangenen drei Jahren eher weiter zu, sodass es seit Verabschiedung des Gesetzes eher keine spürbaren Verbesserungen für die Mütter der Kinder gibt. Mit dieser Kleinen Anfrage soll die Landesregierung zur derzeitigen tatsächlichen Situation hinsichtlich dieser Problematik befragt und der Sachverhalt näher beleuchtet werden. A n t w o r t Mit Schreiben vom 1. Februar 2017 Nr. 5-0141.5/16/1297 beantwortet das Minis - terium für Soziales und Integration die Kleine Anfrage wie folgt: 1. Wie bewertet sie die Mütter- und Mutter-Kind-Kuren hinsichtlich ihrer Bedeutung für Prävention, Vorsorge und Rehabilitation im Zollernalbkreis? Dem Ministerium für Soziales und Integration liegen keine Erkenntnisse zur Bedeutung von Mütter- und Mutter-Kind-Kuren im Zollernalbkreis vor. 2. Wie bewertet sie das Beratungskonzept des Müttergenesungswerks „Therapeutische Kette“ und hält sie es für notwendig, dass die Krankenkassen ihre Versicherten auf dieses Beratungsangebot hinweisen? Das Ministerium für Soziales und Integration bewertet bei der „Therapeutischen Kette“ das Ineinandergreifen der bisher einzelnen Maßnahmen in einen abgestimmten , ganzheitlichen Unterstützungsprozess für das Rehabilitationsziel des Versicherten als positiv. Dies entspricht dem Ansatz einer sektorenübergreifenden Versorgung, bei der präventive, kurative und rehabilitative Leistungen besser aufeinander abgestimmt werden und auch das Ziel der Nachhaltigkeit einer Rehabilitationsmaßnahme am Wohnort berücksichtigt wird. Die bessere Vernetzung von Rehabilitationsmaßnahmen ist auch ein erklärtes Ziel der Landesregierung, weshalb im Koalitionsvertrag vereinbart wurde: „Wir werden die Notwendigkeit eines breitgefächerten Angebots an Rehabilitationsleistungen und eine auskömmliche Finanzierung der Einrichtungen im Auge behalten. Nahtlose Übergänge durch eine enge Vernetzung der Akteure wollen wir sicherstellen und so einen zeitnahen Beginn der Rehabilitation ermöglichen.“ Darunter sind auch die Kostenträger wie z. B. die Krankenkassen zu subsumieren. 3 Landtag von Baden-Württemberg Drucksache 16 / 1297 Ob und in welcher Form die gesetzlichen Krankenkassen in Baden-Württemberg ihre Versicherten über das Beratungskonzept „Therapeutische Kette“ informieren, obliegt aufgrund ihres Selbstverwaltungsrechts der Entscheidungshoheit der Kassen. 3. Wie hat sich die Zahl der Anträge der Mütter- und Mutter-Kind-Kuren von 2002 bis Dezember 2016 – unter Angabe der Anzahl der Genehmigungen und Ablehnungen – entwickelt? 4. Wie viele Krankenkassen haben nach ihrer Kenntnis entsprechende Anträge erhalten (tabellarisch die Art der Krankenkassen, Ablehnungen und Art der Gründe darstellen)? Mit dem Gesetz zur Stärkung des Wettbewerbs in der gesetzlichen Krankenver - sicherung (GKV-WSG) wurden § 23 Absatz 4, § 24 Absatz 1, § 40 Absatz 2 und § 41 Absatz 1 des Fünften Buches Sozialgesetzbuch (SGB V) dahingehend erweitert , dass von den Krankenkassen neben den bereits erfassten Daten zu Fallzahlen und Ausgaben erstmals für das Jahr 2008 auch Daten zur Antrags- und Bewilligungspraxis von Vorsorge- und Rehabilitationsmaßnahmen zu erheben waren. Die Ergebnisse sind im Rahmen der Statistik „KG5“ vorzulegen. Danach liegen derzeit folgende Daten für die dem Zuständigkeitsbereich des Ministeriums für Soziales und Integration unterliegenden landesunmittelbaren Krankenkassen vor: a) Anträge auf Mutter/Vater-Kind-Maßnahmen bei den landesunmittelbaren Krankenkassen in Baden-Württemberg b) Abgelehnte Anträge auf Mutter/Vater-Kind-Maßnahmen bei den landesunmittelbaren Krankenkassen in Baden-Württemberg Im Blick auf die Ablehnungen ist zu beachten, dass zunächst abgelehnte Anträge evtl. im Widerspruchs- bzw. Klageverfahren noch bewilligt wurden. Jahre Maßnahme 2008 5.267 2009 4.982 2010 4.976 2011 4.203 2012 5.346 2013 5.385 2014 5.518 2015 5.512 Jahre Maßnahme 2008 2.503 2009 2.339 2010 1.919 2011 835 2012 409 2013 403 2014 385 2015 336 Landtag von Baden-Württemberg Drucksache 16 / 1297 4 Hauptsächliche Ablehnungsgründe waren eine erneute Antragstellung innerhalb der Vier-Jahresfrist (und keine erneute medizinische Notwendigkeit), nicht angetretene Maßnahmen (aufgrund Krankheit etc.) oder der Bedarf einer anderen Versorgungsform (z. B. Kinderrehabilitation). 5. Inwieweit hat sich das Genehmigungsverfahren zur Antragsstellung in den letzten Jahren verändert (mit Angabe, ob die Kassen einheitliche Formulare anwenden )? Unter Bezugnahme auf die Daten der Statistik „KG5“ der Jahre 2008 bis 2015 wird deutlich, dass sowohl die Zahl der Anträge als auch die Anzahl der Bewilligungen (Rückgang der Ablehnungen) in diesem Zeitraum eine positive Tendenz zeigen. Die Krankenkassen unterliegen den bundesgesetzlichen Bestimmungen des Sozial - gesetzbuches (SGB V). Eine wesentliche Maßnahme der letzten Gesundheitsreform war die Stärkung der Mutter/Vater-Kind-Maßnahmen durch die Umwandlung in Pflichtleistungen (§§ 24, 41 SGB V). Die Medizinische Rehabilitation für Mütter und Väter wird nach den Bestimmungen des § 41 SGB V erbracht. Danach haben Versicherte unter den in § 27 Absatz 1 SGB V genannten Voraussetzungen Anspruch auf aus medizinischen Gründen erforderliche Rehabilitationsleistungen in einer Einrichtung des Müttergenesungswerks oder einer gleichartigen Einrichtung ; die Leistung kann in Form einer Mutter/Vater-Kind-Maßnahme erbracht werden. In § 27 Absatz 1 SGB V sind die Antragsvoraussetzungen für einen Anspruch der Versicherten definiert. Diese sind von den Krankenkassen als Kostenträger bei einer Antragsprüfung als Voraussetzungskriterien inhaltlich abzufragen . Dabei fällt die Form des Formulars hierfür in die Gestaltungsfreiheit der jeweiligen Krankenkasse. Vom GKV-Spitzenverband, von den Verbänden der Krankenkassen auf Bundesebene, dem Bundesverband Deutscher Privatkliniken und der Elly-Heuss-Knapp-Stiftung Deutsches Müttergenesungswerk sind vereinheitlichte Formulare hierzu erhältlich. 6. Welche Maßnahmen hat das Ministerium für Arbeit und Soziales als Aufsichtsbehörde der Krankenkassen unternommen, um die Genehmigungsverfahren für die stationären Vorsorge- und Rehabilitationsmaßnahmen der Mütter- und Mutter-Kind-Kuren zu prüfen und mit welchem Ergebnis? Das Land führt über die landesunmittelbaren Krankenkassen die Rechtsaufsicht. Der Aufsicht liegen derzeit keine Anhaltspunkte für ein rechtlich zu beanstandendes Verhalten der landesunmittelbaren gesetzlichen Krankenkassen im Zusammen - hang mit der Genehmigung von Vorsorge- und Rehabilitationsleistungen für Mütter und Väter vor. Versicherte haben nach § 24 SGB V (Vorsorge) und § 41 SGB V (Rehabilitation) Anspruch auf Leistung, soweit die entsprechenden Anspruchsvoraussetzungen erfüllt sind. Hierzu gehört insbesondere, dass die Mutter/Vater-Kind-Maßnahme medizinisch notwendig und die Maßnahme für den Einzelfall auch geeignet ist. Zur Thematik „ambulant vor Reha“ hat das Ministerium für Soziales und Integration mit Rundschreiben vom 22. Juni 2010 die Krankenkassen und die Krankenkassenverbände in Baden-Württemberg angeschrieben und nähere Ausführungen zum Bewilligungsverfahren gemacht. Es wurde klargestellt, dass es für die Gewährung einer medizinischen Vorsorge- und Rehabilitationsmaßnahme für Mütter und Väter nicht erforderlich ist, dass zunächst die ambulanten Behandlungsmöglichkeiten ausgeschöpft sein müssen. Ist eine Vorsorge- oder Rehabilitationsmaßnahme medizinisch notwendig und kann das mit der Maßnahme angestrebte Vorsorge - oder Rehabilitationsziel nicht mit anderen, ggf. wirtschaftlicheren und zweckmäßigeren Maßnahmen erreicht werden, hat die Krankenkasse die Leistung zu bewilligen. Lucha Minister für Soziales und Integration