Landtag von Baden-Württemberg 16. Wahlperiode Drucksache 16 / 1298 05. 01. 2017 1Eingegangen: 05. 01. 2017 / Ausgegeben: 17. 02. 2017 K l e i n e A n f r a g e Ich frage die Landesregierung: 1. In wie vielen Einzelfällen und in welchen Landkreisen wurden Wölfe einzeln oder in Gruppen in Ortschaften, auf Hofstellen oder in der Nähe von Kindergärten zwischen 2014 bis heute in Baden-Württemberg gesichtet? 2. Hält sie an der Auffassung fest, dass regelmäßige Begegnungen zwischen Wolf und Mensch in Ortschaften oder der freien Natur als für den Menschen risikolos einzustufen sind? 3. Ist ihr der Bericht über einen potenziellen Wolfsangriff auf einen Jäger in der Göhrde (Bundesland Niedersachsen) bekannt, über den das Jägermagazin auf seiner Internetseite mit Datum vom 8. April 2015 berichtete und wie bewertet sie diesen mit heutigen Erkenntnissen? 4. Wie bewertet sie die vermehrt festzustellenden Begegnungen zwischen Wolf und Mensch im Hinblick auf potenzielle Gefahren für Reiter, Spaziergänger und Nutztierhalter (Schäfer) in Baden-Württemberg in der Zukunft? 5. Bis zu welcher Anzahl an Wölfen kann nach ihrer Auffassung die Population in Baden-Württemberg anwachsen, ohne ein Problem für Gesellschaft und Weidetierhalter zu werden? 6. Vertritt sie den Standpunkt, dass Wölfe in allen Teilen Baden-Württembergs heimisch werden sollen, oder ist es geboten, regional „wolfsfreie Gebiete“ zu definieren, in denen Wölfe aufgrund zu hoher Besiedelungsdichte oder nichtdurchführbarer Übergriffprävention auf Weidetiere generell der Natur entnommen werden sollten, sofern zukünftig die Population und Einwanderung verstärkt zunimmt? Kleine Anfrage des Abg. Stefan Herre AfD und Antwort des Ministeriums für Umwelt, Klima und Energiewirtschaft Einwanderung von Wölfen nach Baden-Württemberg und die zu erwartenden Folgen für Mensch und Natur Drucksachen und Plenarprotokolle sind im Internet abrufbar unter: www.landtag-bw.de/Dokumente Der Landtag druckt auf Recyclingpapier, ausgezeichnet mit dem Umweltzeichen „Der Blaue Engel“. Landtag von Baden-Württemberg Drucksache 16 / 1298 2 7. Welche Kriterien müssen aus ihrer Sicht erfüllt sein, damit zum Schutz von Menschen eine Begrenzung des Wolfsbestands nach erfolgreicher Vermehrung in der Zukunft erforderlich erscheint? 8. Über wie viele Wolfsrisse in Baden-Württemberg ist sie zwischen 2014 bis heute durch Schäfer, Berufsverbände oder Behörden in Kenntnis gesetzt worden? 23. 12. 2016 Herre AfD B e g r ü n d u n g Wölfe sind große Beutegreifer, gemeinsam mit Bär, Luchs und Mensch stehen sie in Europa an der Spitze der Nahrungspyramide. Das bedeutet, dass sie in der Natur bei uns keine direkten Feinde zu fürchten haben und auch von diesen ist einzig der Mensch der Feind, der Wölfen aus eigenem Antrieb nachstellt – und das auch erst seit der Jungsteinzeit, seit dem Beginn der Nutztierhaltung, einer evolutionär betrachtet sehr kurzen Zeitspanne. Somit hat der Wolf evolutionär betrachtet in Europa „nichts zu befürchten“. Als psychische Grundausstattung bringt der Wolf daher keine „Scheu“ mit, die Verwendung dieses Begriffs ist missverständlich, besser spricht man von Vorsicht. Vorsicht ist ein Verhalten, das dazu dient, Schaden am eigenen Körper zu vermeiden; Grundlage für vorsichtiges Verhalten ist in hohem Umfang die eigene Erfahrung − das ist bei Wölfen nicht anders als bei Menschen. Erfahrungen aber muss jedes Individuum selber machen, daher erscheinen Jungwölfe – auch wenn sie schon fast so groß sind wie ihre Eltern – dem Beobachter sehr unbedarft und neugierig. Ein Wolf ist auf der Baar unterwegs. Seit Mai 2016 ist er in Baden-Württemberg mehrfach gesichtet worden. Nunmehr der dritte Wolf seit 2015, von denen bereits zwei nicht mehr leben. Landwirtschaftsminister Hauk ist über Zuwanderung erfreut – so eine Pressemittelung in der Badischen Zeitung vom 5. Dezember 2016. Aufgrund der Berichte aus Brandenburg, Mecklenburg-Vorpommern, Sachsen- Anhalt und Niedersachsen über erhebliche Wolfsrisse an Schafen von Berufsschäfern sollte aber auch zur Vorsicht gemahnt werden. Die Kleine Anfrage soll die aktuelle Situation in Baden-Württemberg zur Einwanderung von Wölfen aus der Schweiz oder anderen Bundesländern näher beleuchten . A n t w o r t Mit Schreiben vom 2. Februar 2017 Nr. 72-0141 beantwortet das Ministerium für Umwelt, Klima und Energiewirtschaft die Kleine Anfrage, die nahezu wortgleich von der CDU im niedersächsischen Landtag (LT-Drs. 17/3346) am 21. April 2015 gestellt wurde, im Einvernehmen mit dem Ministerium für Ländlichen Raum und Verbraucherschutz wie folgt: Ich frage die Landesregierung: 1. In wie vielen Einzelfällen und in welchen Landkreisen wurden Wölfe einzeln oder in Gruppen in Ortschaften, auf Hofstellen oder in der Nähe von Kindergärten zwischen 2014 bis heute in Baden-Württemberg gesichtet? Im Jahr 2015 wurden im Landkreis Lahr an der Bundesautobahn A 5 und im Alb- Donaukreis an der Bundesautobahn A 8 jeweils ein überfahrener Wolf aufgefun- 3 Landtag von Baden-Württemberg Drucksache 16 / 1298 den. Im Mai 2016 wurde im Schwarzwald-Baar-Kreis von einem Spaziergänger ein Wolf auf einem Acker gefilmt. Über jedes dieser Ereignisse hat das Ministe - rium die Öffentlichkeit in den Medien ausführlich unterrichtet. 2. Hält sie an der Auffassung fest, dass regelmäßige Begegnungen zwischen Wolf und Mensch in Ortschaften oder der freien Natur als für den Menschen risikolos einzustufen sind? Die hier geschilderte Auffassung hat die Landesregierung nie vertreten. Von regelmäßigen Begegnungen zwischen Wolf und Mensch in Ortschaften oder in der freien Natur ist derzeit in Baden-Württemberg nicht auszugehen. Im Übrigen wird auf die Antworten zu den Fragen 5 und 6 des Antrags des Abg. Dr. Rösler zu Wölfen in Baden-Württemberg (LT-Drs. 16/990) verwiesen. 3. Ist ihr der Bericht über einen potenziellen Wolfsangriff auf einen Jäger in der Göhrde (Bundesland Niedersachsen) bekannt, über den das Jägermagazin auf seiner Internetseite mit Datum vom 8. April 2015 berichtete und wie bewertet sie diesen mit heutigen Erkenntnissen? Zu diesem Vorfall wird auf die Antwort der niedersächsischen Landesregierung vom 30. Juli 2015 (LT-Drs. 17/3991) auf die wortgleiche Anfrage von Abgeordneten der CDU-Fraktion vom 21. April 2015 (LT-Drs. 17/3346) verwiesen, die nachfolgend zitiert wird: „Der von diesem Jäger geschilderte Vorgang wurde von der Landesregierung sehr ernst genommen, stellte er doch einen möglichen Paradigmenwechsel im Verhalten freilebender Wölfe in Deutschland dar. Allerdings zeichneten sich bereits in der Darstellung des Berichterstatters sowohl innerhalb der ersten Darstellung als auch zwischen den Darstellungen einige Zweifel an deren Richtigkeit ab. Fachkräfte der Polizei haben zusätzlich zu der Protokollierung des Vorfalls im Rahmen des Wolfsmonitorings die Aussage vor Ort aufgenommen und dokumentiert. Um jeden möglichen Hinweis auf das tatsächliche Geschehen zu ergründen, wurde in unmittelbarer zeitlicher Folge ein Fachmann für Tierspuren mit der genauen Analyse der Spurenlage am Ort des Geschehens und dessen näherer Umgebung beauftragt. Diese Spurensuche erbrachte eine Vielzahl verschiedener und verschieden alter Tier- und Menschenspuren. Unter den Spuren in unmittelbarer Umgebung des Orts des geschilderten Geschehens fand sich keine Wolfsfährte. Eine Canidenfährte fand sich dagegen in der weiteren Umgebung. Diese war sehr gut verfolgbar, ihr Verlauf wäre ohne Störung in einigem Abstand zum Hochsitz in gerader Linie an diesem vorbeigelaufen, wies aber eine deutliche Abweichung weg vom Hochsitz auf, der in einem ungefähren Halbkreis vom Caniden umschlagen wurde, bevor dieser seine vorher eingeschlagene Richtung wieder aufnahm. Die von dem Jäger geschilderten Entfernungen konnten an keiner Stelle des Spurverlaufs bestätigt werden. Am Ort des Geschehens festgestellte Tierhaare wurden genetisch untersucht und konnten einem Fuchs zugeordnet werden. Im Ergebnis muss festgestellt werden, dass die Schilderungen des Jägers mit den durch Spuren nachvollziehbaren tatsächlichen Vorkommnissen nicht in Übereinstimmung zu bringen sind.“ 4. Wie bewertet sie die vermehrt festzustellenden Begegnungen zwischen Wolf und Mensch im Hinblick auf potenzielle Gefahren für Reiter, Spaziergänger und Nutztierhalter (Schäfer) in Baden-Württemberg in der Zukunft? In Baden-Württemberg sind außer der unter Nr. 1 im Schwarzwald-Baar-Kreis genannten Begegnung keine Begegnungen zwischen Wolf und Mensch bekannt. Für etwaige Begegnungen zwischen Mensch und Wolf wird auf die „Allgemeinen Verhaltenshinweise beim Zusammentreffen von Mensch und Wolf“ (http://um.baden-wuerttemberg.de/fileadmin/redaktion/m-mlr/intern/dateien/ PDFs/Tierschutz_und_Tiergesundheit/Verhaltenshinweise_Wolfsbegegnung.pdf) verwiesen. Landtag von Baden-Württemberg Drucksache 16 / 1298 4 5. Bis zu welcher Anzahl an Wölfen kann nach ihrer Auffassung die Population in Baden-Württemberg anwachsen, ohne ein Problem für Gesellschaft und Weide - tierhalter zu werden? Eine „baden-württembergische“ Population des Wolfes gibt es nicht, die bisher im Land aufgefundenen Wölfe gehören der italienischen Linie der alpinen Population an. Die Einschätzung, ab wann eine Wolfspopulation als Problem wahrgenommen wird ist von der subjektiven Einstellung der/des Beurteilenden zum Wolf abhängig . Für die Beurteilung, ob Wolfsvorkommen in einem Land unter Berücksich - tigung aller rechtlichen und gesellschaftlichen Aspekte als tragfähig angesehen werden kann, ist jedoch weniger die Anzahl an Wölfen, sondern primär die Qualität des Managements maßgeblich. 6. Vertritt sie den Standpunkt, dass Wölfe in allen Teilen Baden-Württembergs heimisch werden sollen, oder ist es geboten, regional „wolfsfreie Gebiete“ zu definieren, in denen Wölfe aufgrund zu hoher Besiedelungsdichte oder nicht durchführbarer Übergriffprävention auf Weidetiere generell der Natur entnommen werden sollten, sofern zukünftig die Population und Einwanderung verstärkt zunimmt? Da in Baden-Württemberg aktuell keine Wölfe vorkommen, stellt sich diese Frage zum gegenwärtigen Zeitpunkt nicht, sondern bleibt künftigen Erkenntnissen des Wolfsmonitorings vorbehalten. 7. Welche Kriterien müssen aus ihrer Sicht erfüllt sein, damit zum Schutz von Menschen eine Begrenzung des Wolfsbestands nach erfolgreicher Vermehrung in der Zukunft erforderlich erscheint? Keine. Der Schutz von Menschen hat immer höchste Priorität. Im Falle einer tatsächlichen Gefahrensituation, also bei Auftreten sogenannter „Problemwölfe“, ist jederzeit eine Entnahme aus der Natur möglich und auch vorgesehen. In diesem Zusammenhang wird auf die Antwort zu Frage 6 des Antrags des Abg. Dr. Rösler zu Wölfen in Baden-Württemberg (LT-Drs. 16/990) und die Ausführungen zu verhaltensauffälligen Wölfen im Handlungsleitfaden Wolf (http://um.baden-wuerttemberg.de/fileadmin/redaktion/m-mlr/intern/dateien/ publikationen/Rueckkehr_des_Wolfes.pdf) verwiesen. 8. Über wie viele Wolfsrisse in Baden-Württemberg ist sie zwischen 2014 bis heute durch Schäfer, Berufsverbände oder Behörden in Kenntnis gesetzt worden? Wolfsrisse sind für Baden-Württemberg bisher nicht dokumentiert. Untersteller Minister für Umwelt, Klima und Energiewirtschaft