Landtag von Baden-Württemberg 16. Wahlperiode Drucksache 16 / 1299 09. 01. 2017 1Eingegangen: 09. 01. 2017 / Ausgegeben: 23. 02. 2017 K l e i n e A n f r a g e Ich frage die Landesregierung: 1. Welche konkreten Kenntnisse besitzt sie über die „Reichsbürger“ in Baden- Württemberg? 2. Wie viele Verfahren gibt es aktuell gegen „Reichsbürger“ in Baden-Württemberg ? 3. Wie viele der ihr bekannten „Reichsbürger“ in Baden-Württemberg besitzen legal Waffen? 4. Welche Handlungsnotwendigkeiten sieht sie bei Personen aus Baden-Württemberg , die offenkundig unsere Rechtsordnung ablehnen, die Waffenerlaubnis zu entziehen? 5. Wie wird Baden-Württemberg künftig gegen „Reichsbürger“ vorgehen, insbesondere vor dem Hintergrund, dass der bayrische Innenminister umfangreiche Maßnahmen gegen diese Gruppierungen angekündigt hat (geplante Maßnahmen erläutern in Baden-Württemberg)? 6. Wie hoch schätzt sie die Anzahl der Reichsbürger in Uniform (Angehörige der Polizei, Justizangestellte u. a. Abteilungen ähnlich wie in Bayern) in Baden- Württemberg? Kleine Anfrage des Abg. Stefan Herre AfD und Antwort des Ministeriums für Inneres, Digitalisierung und Migration Die „Reichsbürger“ in Baden-Württemberg – welche Handlungsnotwendigkeiten sieht die Landesregierung? Drucksachen und Plenarprotokolle sind im Internet abrufbar unter: www.landtag-bw.de/Dokumente Der Landtag druckt auf Recyclingpapier, ausgezeichnet mit dem Umweltzeichen „Der Blaue Engel“. Landtag von Baden-Württemberg Drucksache 16 / 1299 2 7. Wie hoch schätzt sie die Reichsbürgeranzahl in der Bevölkerung und im Öffentlichen Dienst im Zollernalbkreis und in Baden-Württemberg (tabellarisch nach Landkreisen, Kommunen, Städten und Gemeinden auflisten)? 02. 12. 2016 Herre AfD B e g r ü n d u n g Seit den tödlichen Schüssen auf einen Polizeibeamten in Bayern werden die sogenannten „Reichsbürger“ in der Öffentlichkeit stärker thematisiert. Es handelt sich dabei um einzelne Gruppierungen mit unterschiedlichen Ideologien. „Ihr Gedankengebäude besteht aus rechtsextremistischer, rassistischer und antisemitischer Ideologie, Verschwörungstheorien oder esoterischen Weltbildern.“ (vgl. Spiegel online vom 19. Oktober 2016 „Wer sind die „Reichsbürger“ – und was wollen sie?“). Die Gemeinsamkeit der unterschiedlichen Gruppen ist, dass sie die Bundesrepublik Deutschland als Staat nicht anerkennen. „Denn, so behaupten sie, das Deutsche Reich bestehe bis heute fort, sei aber von den Alliierten besetzt und werde von ihnen ausgebeutet.“ (vgl. Spiegel online vom 19. Oktober 2016). Das hat zur Folge, dass die Reichsbürger staatliche Verwaltungsakte, wie die Forderung von Steuern zum Beispiel, nicht anerkennen. Der mutmaßliche Täter ist Jäger. Er besitzt 31 Lang- und Kurzwaffen. Von den Behörden wurde er als nicht mehr zuverlässig eingestuft. Deshalb sollten ihm seine Waffen entzogen werden. Zuvor hatten die Behörden seinen Jagdschein und seine Waffenbesitzkarte als ungültig erklärt.“ (vgl. Stern online vom 20. Oktober 2016 „Von ,Reichsbürgerʻ angeschossener Polizist gestorben“). Der bayerische Innenminister hat nach den tödlichen Schüssen auf den Polizisten in Bayern angekündigt, die ,Reichsbürgerʻ noch stärker zu überwachen. „Unser Ziel ist es, allen Reichsbürgern, die legal eine Waffe besitzen, die Waffenerlaubnis zu entziehen. Wer unsere Rechtsordnung ablehnt, bietet keine Gewähr, ordnungsgemäß mit Waffen umzugehen.“ (vgl. Westfalen-Blatt vom 20. Oktober 2016). Auch in Nordrhein-Westfalen soll es unterschiedlichen Berichten zufolge eine „Reichsbürgerszene“ geben. So berichtet das Westfalen Blatt in seiner Ausgabe vom 20. Oktober 2016 im Artikel „Staatsgegner mit Hang zu Waffen“, dass der Verfassungsschutz in Nordrhein- Westfalen schätzt, dass die Szene hier weniger als 1.000 Menschen umfasst, die jedoch nicht unbemerkt bleiben. „In Porta Westfalica wurde das ,Königreich Preußenʻ ausgerufen, in Löhne sammelten sich ,Reichsbürgerʻ unter dem Namen ,Justizopferhilfeʻ. Diese Organisation gründete 2009 die ,Volksstämme der Germanhumanen und der Germanitenʻ. Sie stellte ihren Mitgliedern Fantasieausweise aus und eröffnete in Löhne die ,Botschaft Germanitenʻ. (vgl. Westfalen-Blatt vom 20. Oktober 2016). Auch in Köln ereignete sich kürzlich ein Fall, den der Kölner Stadt-Anzeiger in einem Bericht darstellte: „So wurde etwa vor einem Monat bei Köln ein Autofahrer von der Polizei gestoppt, weil er mit dem Kennzeichen eines ,Freistaats Preußen‘ herumfuhr.“ (vgl. Kölner Stadt-Anzeiger vom 20. Oktober 2016 „Wie ,Reichsbürgerʻ Gesetze missachten“). Gegenwärtig gibt es zahlreiche Verfahren gegen die sogenannten „Reichsbürger“. „Wie das Verwaltungsgericht in Minden wird auch die Paderborner Behörde mit Eingaben und Beschwerden von „Reichsbürgern“ überschüttet. Meyer: „In unserer Abteilung für politische Straftaten verwendet einer der Staatsanwälte 20 Prozent seiner Arbeitszeit nur auf Reichsbürger.“ (vgl. Westfalen-Blatt vom 20. Oktober 2016). Im Zollern-Alb-Kurier der Ausgabe vom 2. Dezember 2016 wird über eine aktuelle Verurteilung eines Albstädter Reichsbürgers berichtet. Vor diesem Hintergrund soll dieses Thema mit dieser Kleinen Anfrage näher beleuchtet werden. 3 Landtag von Baden-Württemberg Drucksache 16 / 1299 A n t w o r t Mit Schreiben vom 2. Februar 2017 Nr. 3-1228.0/152 beantwortet das Ministerium für Inneres, Digitalisierung und Migration im Einvernehmen mit dem Ministe - rium der Justiz und für Europa die Kleine Anfrage wie folgt: 1. Welche konkreten Kenntnisse besitzt sie über die „Reichsbürger“ in Baden- Württemberg? Zu 1.: Auf die Stellungnahme des Ministeriums für Inneres, Digitalisierung und Migra - tion zur Frage 1 des Antrags der Abg. Sascha Binder u. a. SPD (Drucksache 16/905) vom 28. Oktober 2016 wird inhaltlich verwiesen. 2. Wie viele Verfahren gibt es aktuell gegen „Reichsbürger“ in Baden-Württemberg ? Zu 2.: Hinsichtlich anhängiger Gerichtsverfahren gegen „Reichsbürger“ in Baden-Württemberg wird auf die Stellungnahme des Ministeriums für Inneres, Digitalisierung und Migration zur Frage 6 des vorgenannten Antrags der Abg. Sascha Binder u. a. SPD verwiesen. Zum 1. Januar 2016 wurde im Bereich des Kriminalpolizeilichen Meldedienstes (KPMD) der Politisch motivierten Kriminalität (PMK) der Recherchebegriff „BRD-Leugner“ eingeführt. Zu dieser Tatmotivation wurden für das Jahr 2016 derzeit insgesamt zwölf (dazu gehören auch die bundesweiten Durchsuchungsmaßnahmen vom 25. Januar 2017) und für das Jahr 2017 bislang zwei Ermittlungsverfahren in Baden-Württemberg registriert. Im Bereich des Waffenrechts sind aktuell 26 Verfahren bekannt, in denen die Waffenbehörden bei Inhabern einer waffenrechtlichen Erlaubnis die Zugehörigkeit zur Bewegung der „Reichsbürger und Selbstverwalter“ und die erforderlichen waffenrechtlichen Konsequenzen prüfen. 3. Wie viele der ihr bekannten „Reichsbürger“ in Baden-Württemberg besitzen legal Waffen? Zu 3.: Eine neuerliche Erhebung wird derzeit durchgeführt; auf die Stellungnahme des Ministeriums für Inneres, Digitalisierung und Migration zur Frage 7 des Antrags der Abg. Sascha Binder u. a. SPD (Drucksache 16/905) vom 28. Oktober 2016, wird verwiesen. 4. Welche Handlungsnotwendigkeiten sieht sie bei Personen aus Baden-Württemberg , die offenkundig unsere Rechtsordnung ablehnen, die Waffenerlaubnis zu entziehen? Zu 4.: Die Waffenbehörden wurden vom Ministerium für Inneres, Digitalisierung und Migration aufgefordert, bei Personen, die der Bewegung der sogenannten „Reichs - bürger und Selbstverwalter“ zuzurechnen sind, die Entziehung waffenrechtlicher Erlaubnisse zu prüfen. Landtag von Baden-Württemberg Drucksache 16 / 1299 4 5. Wie wird Baden-Württemberg künftig gegen „Reichsbürger“ vorgehen, insbesondere vor dem Hintergrund, dass der bayrische Innenminister umfangreiche Maßnahmen gegen diese Gruppierungen angekündigt hat (geplante Maßnahmen erläutern in Baden-Württemberg)? Zu 5.: Auf die Antwort zur Frage 4 sowie die Stellungnahme des Ministeriums für Inneres , Digitalisierung und Migration zur Frage 9 des Antrags der Abg. Sascha Binder u. a. SPD (Drucksache 16/905) vom 28. Oktober 2016 wird verwiesen. „Reichsbürger und Selbstverwalter“ wurden im November 2016 zudem zum Beobachtungsobjekt der Verfassungsschutzbehörden erhoben. Die Beobachtung erfolgt gemäß den Vorschriften des Landesverfassungsschutzgesetzes (LVSG). Beim Landesamt für Verfassungsschutz wird derzeit ein entsprechendes Arbeitsgebiet ausgebaut. 6. Wie hoch schätzt sie die Anzahl der Reichsbürger in Uniform (Angehörige der Polizei, Justizangestellte u. a. Abteilungen ähnlich wie in Bayern) in Baden- Württemberg? Zu 6.: Auf die Stellungnahme des Ministeriums für Inneres, Digitalisierung und Migra - tion zur Frage 4 des Antrags der Abg. Sascha Binder u. a. SPD (Drucksache 16/905) vom 28. Oktober 2016, wird verwiesen. 7. Wie hoch schätzt sie die Reichsbürgeranzahl in der Bevölkerung und im Öffentlichen Dienst im Zollernalbkreis und in Baden-Württemberg (tabellarisch nach Landkreisen, Kommunen, Städten und Gemeinden auflisten)? Zu 7.: Hierzu kann momentan keine belastbare Aussage getroffen werden. Strobl Minister für Inneres, Digitalisierung und Migration