Landtag von Baden-Württemberg 16. Wahlperiode Drucksache 16 / 1321 05. 01. 2017 1Eingegangen: 05. 01. 2017 / Ausgegeben: 20. 02. 2017 K l e i n e A n f r a g e Ich frage die Landesregierung: 1. Wie positioniert sie sich zu einer Kooperation bei der Überwachung des flie - ßenden Verkehrs mit den Kommunen? 2. Auf welcher rechtlichen Grundlage basiert − sofern keine Zusammenarbeit statt - findet − diese Ablehnung? 3. Was steht einer Überwachung von Rotlicht-Verstößen durch die kommunalen Gebietskörperschaften entgegen? 4. Unter welchen genauen Voraussetzungen ist das Land selbst bereit, Rotlicht- Verstöße durch die Anbringung von „Starenkästen“ zu überwachen? 5. Was versteht sie in diesem Zusammenhang unter einer Gefährdung des fließenden Verkehrs, um diese Überwachung vorzunehmen (muss beispielsweise erst ein Unfall geschehen, bevor Gefährdung erfüllt ist)? 6. Ist die Polizei gegenwärtig personell in der Lage, flächendeckend eine Über - wachung des fließenden Verkehrs aufgrund von Rotlicht-Verstößen zu gewährleisten ? 7. Muss nach ihrer Auffassung erst etwas passieren, bevor Maßnahmen eingeleitet werden (Beantwortung unter dem Aspekt der Prävention)? 8. Was hält sie von einer Personalaufstockung der Polizei in allen Landkreisen sowie einer Erhöhung der Ausbildungsplätze um mindestens 1.600 Auszubildende bis 2020? Kleine Anfrage des Abg. Stefan Herre AfD und Antwort des Ministeriums für Inneres, Digitalisierung und Migration Überwachung von Rotlichtverstößen im Zollernalbkreis und in Baden-Württemberg und ihre Folgen Drucksachen und Plenarprotokolle sind im Internet abrufbar unter: www.landtag-bw.de/Dokumente Der Landtag druckt auf Recyclingpapier, ausgezeichnet mit dem Umweltzeichen „Der Blaue Engel“. Landtag von Baden-Württemberg Drucksache 16 / 1321 2 9. Wie viele Verkehrskontrollen mit dem Ziel, Rotlichtverstöße zu ahnden, gab es im Zollernalbkreis und in Baden-Württemberg zwischen 2002 und 2016 (bitte tabellarisch darstellen nach Anzahl, Örtlichkeit und Jahr)? 10. Wie viele Personen kamen infolge von Rotlichtverstößen zwischen 2002 und 2016 im Zollernalbkreis und in Baden-Württemberg zu Schaden oder ums Leben (Anzahl der Schadenereignisse sowie Anzahl der zu Schaden gekommenen sowie tödlich verunglückten Personen tabellarisch angeben)? 15. 12. 2016 Herre AfD B e g r ü n d u n g Zwei Schwerverletzte und einen Sachschaden von mehr als 22.000 Euro forderte ein Verkehrsunfall am Dienstag kurz vor 18 Uhr auf der Calwer Straße. Ein 55-Jähriger war in einem Mercedes unterwegs und kam aus Richtung Gottlieb- Daimler-Straße. An der Kreuzung zur Calwer Straße missachtete er laut Polizeibericht vermutlich die rot zeigende Ampel und stieß mit dem Ford-Transporter eines 29-Jährigen zusammen, der aus Richtung Böblingen heranfuhr. Durch die Wucht des Aufpralls geriet der Ford in den Gegenverkehr und prallte gegen einen Sattelzug, an dessen Steuer ein 46-Jähriger saß. Verkehrsbedingt wartete neben dem Sattelzug ein 53-Jähriger in einem Renault. Sein Auto wurde durch umherfliegende Teile beschädigt. Sowohl der Mercedes- als auch der Ford-Fahrer erlitten schwere Verletzungen und mussten vom Rettungsdienst in ein Krankenhaus gebracht werden. Für die Dauer der Unfallaufnahme und Bergungsarbeiten wurde die Calwer Straße ortsauswärts gesperrt. Eine Umleitung wurde eingerichtet. Der Mercedes, der Ford und der Sattelzug mussten abgeschleppt werden. Die Feuerwehr Böblingen rückte mit zwei Fahrzeugen und fünf Wehrleuten an die Unfallstelle aus (Bericht der Kreiszeitung – Böblinger Bote − vom 25. Oktober 2016). Mit dieser Kleinen Anfrage soll die Situation im Zollernalbkreis und Baden- Württemberg näher beleuchtet werden. A n t w o r t Mit Schreiben vom 2. Februar 2017 Nr. 3-3859.1/461/1 beantwortet das Ministerium für Inneres, Digitalisierung und Migration im Einvernehmen mit dem Minis - terium für Verkehr und dem Ministerium für Finanzen die Kleine Anfrage wie folgt: 1. Wie positioniert sie sich zu einer Kooperation bei der Überwachung des flie - ßenden Verkehrs mit den Kommunen? 2. Auf welcher rechtlichen Grundlage basiert − sofern keine Zusammenarbeit statt - findet − diese Ablehnung? 3. Was steht einer Überwachung von Rotlicht-Verstößen durch die kommunalen Gebietskörperschaften entgegen? Zu 1. bis 3.: Die Ortspolizeibehörden können sich nach § 80 des Polizeigesetzes für Baden- Württemberg (PolG BW) für die Wahrnehmung bestimmter, auf den Gemeinde - bereich beschränkter, polizeilicher Aufgaben gemeindlicher Vollzugsbediensteter 3 Landtag von Baden-Württemberg Drucksache 16 / 1321 bedienen. Damit wird dem Bedürfnis der Gemeinden Rechnung getragen, neben dem Polizeivollzugsdienst für gewisse polizeiliche Aufgaben innerhalb des Gemeindegebietes über eigene Vollzugskräfte zu verfügen. In § 31 Absatz 1 der Verordnung des Innenministeriums zur Durchführung des Polizeigesetzes (DVO PolG) ist der Katalog der den gemeindlichen Vollzugsbediensteten übertragbaren Aufgaben niedergelegt. Danach ist eine mögliche Aufgabenübertragung im Bereich des Straßenverkehrsrechts im fließenden und ruhenden Verkehr, insbesondere bei der Überwachung von Verkehrsverboten in verkehrlich wenig frequentierten und mit geringer Geschwindigkeit befahrenen Bereichen (z. B. Feld- und Waldwege, Fußgängerzonen und verkehrsberuhigte Bereiche) vorgesehen. Darüber hinausgehende Befugnisse für den gemeindlichen Vollzugsdienst, die beispielsweise mit einem Anhalterecht aus dem fließenden Verkehr einhergehen, sieht die Straßenverkehrsordnung (StVO) nicht vor und sind wegen der mit dem Anhaltevorgang verbundenen Gefahren grundsätzlich abzulehnen. Werden durch gemeindliche Vollzugsbedienstete im Rahmen ihrer Verkehrsüberwachung im fließenden Verkehr Wahrnehmungen getroffen, die ein kompetenzüberschreitendes Tätigwerden erfordern, kann das jeweils örtlich zuständige Polizeirevier zur Veranlassung in eigener Zuständigkeit unterrichtet werden. Kooperationen zwischen den Kommunen und dem Polizeivollzugsdienst im Rahmen der aufgezeigten Zuständigkeitsverteilung sind grundsätzlich zu begrüßen. 4. Unter welchen genauen Voraussetzungen ist das Land selbst bereit, Rotlicht- Verstöße durch die Anbringung von „Starenkästen“ zu überwachen? Zu 4.: Die Verfolgung von Verkehrsordnungswidrigkeiten ist – neben dem Polizeivollzugsdienst – bereits den unteren staatlichen Verwaltungsbehörden zugewiesen, die zugleich für die Ahndung zuständig sind (vgl. § 36 Absatz 1 Gesetz über Ordnungswidrigkeiten [OWiG], § 47 OWiG, § 26 Absatz 1 Straßenverkehrsgesetz [StVG] in Verbindung mit der Verordnung der Landesregierung über Zuständigkeiten nach dem Gesetz über Ordnungswidrigkeiten [§ 2 Absatz 1 i. V. m. § 5 Absatz 1 Nr. 7 OWiZuVO]). Die Bußgeldbehörden in Baden-Württemberg engagieren sich seit vielen Jahren erfolgreich auf dem Gebiet der Verkehrsüberwachung. Dazu gehören insbesondere die innerörtliche Geschwindigkeits- und die Rotlichtüberwachung. 5. Was versteht sie in diesem Zusammenhang unter einer Gefährdung des fließenden Verkehrs, um diese Überwachung vorzunehmen (muss beispielsweise erst ein Unfall geschehen, bevor Gefährdung erfüllt ist)? Zu 5.: Die Überwachung der straßenverkehrsrechtlichen Vorschriften liegt im pflichtgemäßen Ermessen der Verfolgungsbehörden und orientiert sich grundsätzlich an Aspekten der Verkehrssicherheit. Noch immer stellt überhöhte bzw. nicht angepasste Geschwindigkeit eine Hauptunfallursache auf den baden-württembergischen Straßen dar. Ebenso kann die Missachtung von Lichtzeichensignalanlagen zu erheblichen Gefahren für die Verkehrsteilnehmenden führen. Überwachungsmaßnahmen finden – im Sinne einer ursachen- und lageorientierten Verkehrssicherheitsarbeit – an Unfallschwerpunkten, besonders gefahrenträch - tigen Stellen oder schutzwürdigen Straßenabschnitten, so zum Beispiel im Bereich von Kindergärten, statt. Ferner wird auf die Beantwortung der Frage 7 verwiesen. Landtag von Baden-Württemberg Drucksache 16 / 1321 4 6. Ist die Polizei gegenwärtig personell in der Lage, flächendeckend eine Überwachung des fließenden Verkehrs aufgrund von Rotlicht-Verstößen zu gewährleisten ? Zu 6.: Die Überwachung des fließenden Verkehrs ist eine der Kernaufgaben des Polizeivollzugsdienstes . Gleichwohl muss die Polizei angesichts der vielfältigen und sich ständig wandelnden operativen Aufgabenstellungen, auch im Bereich der Verkehrsüberwachung unter Berücksichtigung der jeweiligen örtlichen Verkehrs - sicherheitslage Prioritäten setzen. Mit Bezug auf die Beantwortung der Frage 4 darf dabei nicht unberücksichtigt bleiben, dass seit langem zum ganz überwiegenden Teil Rotlichtverstöße durch fest installierte Überwachungseinrichtungen der jeweils zuständigen Bußgeldstellen geahndet werden. 7. Muss nach ihrer Auffassung erst etwas passieren, bevor Maßnahmen eingeleitet werden (Beantwortung unter dem Aspekt der Prävention)? Zu 7.: Polizeiliche Maßnahmen zur Verkehrssicherheitsarbeit richten sich nach der Verwaltungsvorschrift des Innenministeriums für die Verkehrssicherheitsarbeit der Polizei (VwV-VkSA). Der Verkehrsprävention wird dabei ein hoher Stellenwert zugesprochen. Die bestehende Vielzahl von Verkehrspräventionskampagnen verfolgen das Ziel, die Verkehrsteilnehmenden möglichst frühzeitig über die vom öffentlichen Straßenverkehr ausgehenden Gefahren zu informieren und sie zielgruppenorientiert zu sensibilisieren. Darüber hinaus wird durch regionale und überregionale Verkehrsüberwachungsaktionen ein flächendeckender Kontrolldruck erreicht und somit zur Verkehrssicherheit beigetragen. 8. Was hält sie von einer Personalaufstockung der Polizei in allen Landkreisen sowie einer Erhöhung der Ausbildungsplätze um mindestens 1.600 Auszubildende bis 2020? Zu 8.: In Kenntnis der hohen Belastung der Polizei hat die Landesregierung im Koali - tionsvertrag das Ziel festgehalten, bis zum Ende der Legislaturperiode 1.500 zusätzliche Stellen bei der Polizei zu schaffen. 900 Stellen davon sind für den Polizeivollzugsdienst vorgesehen. Unter anderem führt dies dazu, dass ab 2017 mehrjährig 1.400 Einstellungen pro Jahr in den Polizeivollzugsdienst erfolgen. 9. Wie viele Verkehrskontrollen mit dem Ziel, Rotlichtverstöße zu ahnden, gab es im Zollernalbkreis und in Baden-Württemberg zwischen 2002 und 2016 (bitte tabellarisch darstellen nach Anzahl, Örtlichkeit und Jahr)? Zu 9.: Die Anzahl der Verkehrskontrollen, mit der Zielrichtung Rotlichtverstöße zu ahnden , wird nicht erfasst. 5 Landtag von Baden-Württemberg Drucksache 16 / 1321 10. Wie viele Personen kamen infolge von Rotlichtverstößen zwischen 2002 und 2016 im Zollernalbkreis und in Baden-Württemberg zu Schaden oder ums Leben (Anzahl der Schadenereignisse sowie Anzahl der zu Schaden gekommenen sowie tödlich verunglückten Personen tabellarisch angeben)? Zu 10.: Eine statistische Erfassung von Verkehrsunfällen, welche explizit im Zusammenhang mit der Missachtung von Lichtzeichensignalanlagen stehen, erfolgt nicht, sodass hierzu keine Zahlen vorliegen. Strobl Minister für Inneres, Digitalisierung und Migration