Landtag von Baden-Württemberg 16. Wahlperiode Drucksache 16 / 1333 10. 01. 2017 1Eingegangen: 10. 01. 2017 / Ausgegeben: 23. 02. 2017 K l e i n e A n f r a g e Ich frage die Landesregierung: 1. Wie organisiert die Ärzteschaft den kinderärztlichen Notdienst zur Nachtzeit und am Wochenende im Zollernalbkreis (unter Angabe der Festlegungen der Kriterien der Dienste, räumlich und zeitlich)? 2. Nach welchen Grundsätzen erfolgt die Organisation der kinderärztlichen Notdienstversorgung im Zollernalbkreis und in Baden-Württemberg (Beleuchtung der zukünftigen Herangehensweise im Zollernalbkreis ab 2017)? 3. Sieht sie die Notdienstreform durch die Kassenärztliche Vereinigung Baden- Württemberg im Zollernalbkreis flächendeckend, ausreichend und in allen Bereichen als umgesetzt an aus heutiger Sicht? 4. Wie bewertet sie die Umsetzung der Neukonzeption der ärztlichen Notfall - dienste durch die Kassenärztliche Vereinigung Baden-Württemberg im Hinblick auf die Betroffenen und Beteiligten im Zollernalbkreis (Patienten, Ärzte, Kommunen)? 5. Welche gebietsärztlichen Notdienste werden im Zollernalbkreis sowie im Regierungspräsidium Tübingen neben dem allgemeinen Notfall- bzw. Bereitschaftsdienst – also in den Bereichen der Kinderheilkunde, Augenheilkunde und Hals-Nasen-Ohren-Heilkunde – in Zukunft noch eingerichtet (unter Angabe , welche Notdienste aus welchen Gründen nicht eingeführt werden können)? 6. Wie haben sich die Anfahrtswege für die Patientinnen und Patienten im Zollern - albkreis im Vergleich zu den früheren Regelungen der gebietsärztlichen Notdienste verändert (mit Angabe, ob die ggf. wesentlich längeren Anfahrtswege aus ihrer Sicht zumutbar sind)? Kleine Anfrage des Abg. Stefan Herre AfD und Antwort des Ministeriums für Soziales und Integration Weite Wege und lange Wartezeiten – Organisation des kinderärztlichen Notdienstes im Zollernalbkreis und in Baden-Württemberg Drucksachen und Plenarprotokolle sind im Internet abrufbar unter: www.landtag-bw.de/Dokumente Der Landtag druckt auf Recyclingpapier, ausgezeichnet mit dem Umweltzeichen „Der Blaue Engel“. Landtag von Baden-Württemberg Drucksache 16 / 1333 2 7. Wie bewertet sie die bisherige sowie die sich zukünftig abzeichnende Versorgung der Bevölkerung des Zollernalbkreises im Rahmen der gebietsärztlichen Notdienste? 8. Wie beurteilt sie die Erreichbarkeit der gebietsärztlichen kinderärztlichen Notdienste sowie der allgemeinärztlichen Notdienste für Patientinnen und Patienten aus dem ländlichen Raum des Zollernalbkreises sowie angrenzender ländlicher Regionen? 9. In welchem Umfang pro Jahr wurden bisher die Notfalldienste und Einsatz - tage im Zollernalbkreis in Anspruch genommen? 10. Liegen ihr Erkenntnisse darüber vor, dass große Kliniken/Universitätskliniken (z. B. Tübingen) durch die Nichteinführung eines gebietsärztlichen Notdiensts über Gebühr (Personal- und Sachkosten) belastet sind, beispielsweise durch fehlende oder nicht auskömmliche Vergütung durch die Kassenärztliche Vereinigung gegenüber den Kliniken im Zollernalbkreis? 22. 12. 2016 Herre AfD B e g r ü n d u n g Die Notdienstreform der Kassenärztlichen Vereinigung Baden-Württemberg wurde 2013 vor dem Hintergrund des demografischen und gesellschaftlichen Wandels durchgeführt. Um insbesondere die Attraktivität des Arztberufs im ländlichen Raum zu stärken, die Anzahl der Notdienste zu senken und denen der größeren Städte anzugleichen, wurden durch die Kassenärztliche Vereinigung recht große Dienstbezirke mit Notfallpraxen als Mittelpunkt geschaffen. Im Zollernalbkreis und umliegenden Landkreisen kommen Ärzte zunehmend an ihre Belastungsgrenzen. Kinderärzte im Zollernalbkreis schlagen inzwischen Alarm, so berichtete der Schwarzwälder Bote am 22. Dezember 2016 „Weite Wege und ewig lange Wartezeiten“. Die Versorgung ist weder für Ärzte noch für Kinder und Eltern zukünftig zumutbar. Mit der Kleinen Anfrage soll die Umsetzung der Notdienstreform im Zollernalbkreis , insbesondere die dortige Situation der gebietsärztlichen Notdienste und die Situation der kinderärztlichen Notdienste abgefragt und die Landesregierung diesbezüglich um Auskunft gebeten werden. 3 Landtag von Baden-Württemberg Drucksache 16 / 1333 A n t w o r t Mit Schreiben vom 3. Februar 2017 Nr. 52-0141.5/73 beantwortet das Ministerium für Soziales und Integration im Einvernehmen mit dem Ministerium für Inneres, Digitalisierung und Migration die Kleine Anfrage wie folgt: 1. Wie organisiert die Ärzteschaft den kinderärztlichen Notdienst zur Nachtzeit und am Wochenende im Zollernalbkreis (unter Angabe der Festlegungen der Kriterien der Dienste, räumlich und zeitlich)? 2. Nach welchen Grundsätzen erfolgt die Organisation der kinderärztlichen Notdienstversorgung im Zollernalbkreis und in Baden-Württemberg (Beleuchtung der zukünftigen Herangehensweise im Zollernalbkreis ab 2017)? In Erfüllung des durch den Bundesgesetzgeber gemäß § 75 Absatz 1 b Sozialgesetzbuch Fünftes Buch (SGB V) den Kassenärztlichen Vereinigungen übertragenen Sicherstellungsauftrages für die ambulante medizinische Versorgung, organisiert die Kassenärztliche Vereinigung Baden-Württemberg (KVBW) – und nicht die Landesregierung – den vertragsärztlichen Bereitschaftsdienst (Notfalldienst) in Baden-Württemberg. Der gesetzliche Auftrag sieht vor, dass die Kassenärztlichen Vereinigungen den Notdienst durch Kooperation und organisatorische Verknüpfung mit Krankenhäusern sicherstellen sollen. 3. Sieht sie die Notdienstreform durch die Kassenärztliche Vereinigung Baden- Württemberg im Zollernalbkreis flächendeckend, ausreichend und in allen Bereichen als umgesetzt an aus heutiger Sicht? Ja. 4. Wie bewertet sie die Umsetzung der Neukonzeption der ärztlichen Notfall - dienste durch die Kassenärztliche Vereinigung Baden-Württemberg im Hinblick auf die Betroffenen und Beteiligten im Zollernalbkreis (Patienten, Ärzte, Kommunen)? Seitens der Landesregierung ist festzustellen, dass die KVBW im Rahmen der zum 1. Januar 2014 vollzogenen Notfalldienstreform zum Teil schwierige Entscheidungen treffen musste, bei denen nicht in allen Fällen ein Konsens mit allen Betroffenen vor Ort erzielt werden konnte. Im Vorfeld der Reform hat sich der sektorenübergreifende Landesbeirat mit der Konzeption der KVBW auseinandergesetzt und im Jahr 2012 den Beschluss gefasst, dass er die Initiative der KVBW, den Notfalldienst im Lande zu reformieren, unterstützt. Indem die KVBW mit den Beteiligten und Betroffenen vor Ort das Gespräch gesucht und ihnen die Hintergründe und Ziele der Reform erläutert hat, ist eine Beteiligung im Sinne einer Anhörung der Betroffenen erfolgt. Im Übrigen wird auf die Antwort zu Ziffer 3 verwiesen. 5. Welche gebietsärztlichen Notdienste werden im Zollernalbkreis sowie im Regierungspräsidium Tübingen neben dem allgemeinen Notfall- bzw. Bereitschaftsdienst – also in den Bereichen der Kinderheilkunde, Augenheilkunde und Hals-Nasen-Ohren-Heilkunde – in Zukunft noch eingerichtet (unter Angabe , welche Notdienste aus welchen Gründen nicht eingeführt werden können)? 7. Wie bewertet sie die bisherige sowie die sich zukünftig abzeichnende Versorgung der Bevölkerung des Zollernalbkreises im Rahmen der gebietsärztlichen Notdienste? Im Regierungsbezirk Tübingen gibt es kinderärztliche Notfallpraxen in Tübingen, Reutlingen, Ulm und Ravensburg sowie eine HNO-Notfallpraxis in Tübingen. Landtag von Baden-Württemberg Drucksache 16 / 1333 4 Die KVBW teilt mit, dass die Einrichtung weiterer Notfallpraxen nicht vorgesehen und auch nicht verpflichtend sei. Hauptgrund für die Ablehnung einer kinderärztlichen Notfallpraxis am Zollernalb-Klinikum sei für die KVBW, dass in den von der Reform betroffenen beiden Landkreisen die Anzahl der vorhandenen Kinderärztinnen und Kinderärzte zu gering sei, um eine wie in den übrigen Notfalldienstbereichen vergleichbare Dienstbelastung zu erzielen. Sei die Dienstbe - lastung durch Notfalldienste zu hoch, würde damit eine Niederlassung an Attraktivität verlieren. Im Übrigen gibt die KVBW zu bedenken, dass eine zentrale Notfallpraxis nur dann einen Sinn ergebe, wenn die KVBW sie in Zusammenarbeit mit einer Klinik mit der jeweiligen Fachrichtung einrichten könne. Im Zollernalbkreis gebe es keine Kinderklinik. Die Ansiedlung einer kinderärztlichen Notfallpraxis am Krankenhaus Albstadt sei daher keine Option. Die Vorgehensweise der KVBW ist aus Sicht der Landesregierung vertretbar und sachgerecht. Die ambulante ärztliche Versorgung der Bevölkerung im Zollernalbkreis außerhalb der Sprechstunden ist durch die allgemeinen Notfallpraxen in Balingen und Albstadt gewährleistet. 6. Wie haben sich die Anfahrtswege für die Patientinnen und Patienten im Zol - lernalbkreis im Vergleich zu den früheren Regelungen der gebietsärztlichen Notdienste verändert (mit Angabe, ob die ggf. wesentlich längeren Anfahrts - wege aus ihrer Sicht zumutbar sind)? 8. Wie beurteilt sie die Erreichbarkeit der gebietsärztlichen kinderärztlichen Notdienste sowie der allgemeinärztlichen Notdienste für Patientinnen und Patienten aus dem ländlichen Raum des Zollernalbkreises sowie angrenzender ländlicher Regionen? Seit dem 1. Februar 2017 ist der Notfalldienst in diensthabenden Praxen von Kinderärzten im Zollernalbkreis und im Landkreis Sigmaringen weggefallen. Dadurch kann nicht ausgeschlossen werden, dass für die betroffenen Eltern, die die Hilfe der nächstgelegenen Kindernotfallpraxen in Anspruch nehmen wollen, im Einzelfall die Wegstrecken länger werden. Dieser Nachteil wird jedoch aufgehoben durch die Vorteile einer zentralen kinderärztlichen Notfallpraxis: • durch die größere Gebietsstruktur wird die Dienstbelastung der Ärzte in der Region reduziert bzw. gleichmäßig verteilt; • Ressourcen des Notfalldienstes der niedergelassenen Ärzte und der Krankenhäuser werden effizienter ausgelastet; • für Patienten entfällt die Suche nach dem Praxisstandort des diensthabenden niedergelassenen Arztes; • falls eine stationäre Einweisung erforderlich oder Diagnosemöglichkeiten der Krankenhäuser genutzt werden müssen, entfallen für Patienten zusätzliche Wege. Die KVBW erfüllt im Übrigen ihren Auftrag zur Sicherstellung der ambulanten vertragsärztlichen Versorgung in den sprechstundenfreien Zeiten, indem sie flä - chendeckend einen allgemeinen Notfalldienst eingerichtet hat. Ergänzend wird auf die Antworten zu Ziffer 1 und Ziffer 3 Bezug genommen. 9. In welchem Umfang pro Jahr wurden bisher die Notfalldienste und Einsatztage im Zollernalbkreis in Anspruch genommen? Nach Mitteilung der KVBW wurden für den Notfalldienstbezirk Zollernalb/Sigmaringen im allgemeinen Notfalldienst (NFD) und im Kinder-Notfalldienst durch - schnittliche Fallzahlen in folgender Höhe registriert: 5 Landtag von Baden-Württemberg Drucksache 16 / 1333 Die Abrechnungszahlen stammen aus den Quartalen 4/2015 bis 3/2016. 10. Liegen ihr Erkenntnisse darüber vor, dass große Kliniken/Universitätskliniken (z. B. Tübingen) durch die Nichteinführung eines gebietsärztlichen Notdiensts über Gebühr (Personal- und Sachkosten) belastet sind, beispielsweise durch fehlende oder nicht auskömmliche Vergütung durch die Kassenärztliche Vereinigung gegenüber den Kliniken im Zollernalbkreis? Nein. Lucha Minister für Soziales und Integration Werktags Wochenende/Feiertag Fahrdienst Wochenende/Feiertag Sitzdienst Allgemeiner NFD 2,6 6,0 43,3 Kinder-NFD 3,5 – 41,0