Landtag von Baden-Württemberg 16. Wahlperiode Drucksache 16 / 1352 17. 01. 2017 1Eingegangen: 17. 01. 2017 / Ausgegeben: 01. 03. 2017 K l e i n e A n f r a g e Ich frage die Landesregierung: 1. Welche Kenntnisse hat sie über das Austreten von Flüssigkeit aus einer Biogasanlage im Gewerbegebiet Engstingen-Haid? 2. Um welche Flüssigkeit handelt es sich nach ihrer Kenntnis? 3. Welche Umweltgefährdung ist dadurch zu erwarten? 4. Ist ihr bekannt, wie viel Flüssigkeit ausgetreten ist? 5. Welche Gefahren sind für die Wasserversorgung und für die Abwasserentsorgung der Region zu erwarten? 6. Welche Kenntnisse hat sie über die Anzahl und das Ausmaß der Geschädigten sowie über die Schadenshöhe und Schadensart? 7. Welche Kenntnisse hat sie über die Rechtmäßigkeit des Baus und des Betriebs der betroffenen Biogasanlage? 8. Wer kommt für den Fall eines nicht rechtmäßigen Betriebs der betroffenen Anlage für entstandene Schäden auf bzw. welche Möglichkeiten der finanziellen Soforthilfe für Betroffene bestehen beispielsweise durch die Inanspruchnahme von Elementarschadenversicherungen oder einer verursacherunabhängigen Ver - sicherung des Betreibers? Kleine Anfrage des Abg. Andreas Glück FDP/DVP und Antwort des Ministeriums für Umwelt, Klima und Energiewirtschaft Biogas-Unfall im Gewerbegebiet Engstingen-Haid Drucksachen und Plenarprotokolle sind im Internet abrufbar unter: www.landtag-bw.de/Dokumente Der Landtag druckt auf Recyclingpapier, ausgezeichnet mit dem Umweltzeichen „Der Blaue Engel“. Landtag von Baden-Württemberg Drucksache 16 / 1352 2 9. Welche Möglichkeiten der finanziellen Entschädigung und gegebenenfalls Soforthilfe bestehen für Betroffene darüber hinaus? 10. Ist sie gegebenenfalls dazu bereit, über ein Sonderprogramm oder ein Sofortpaket Mittel des Landes zur Verfügung zu stellen? 13. 01. 2017 Glück FDP/DVP B e g r ü n d u n g Aufgrund des Austretens von wohl circa 1,5 Millionen Litern Flüssigkeit aus einer Biogasanlage droht den dort ansässigen Gewerbetreibenden ein hoher wirtschaftlicher Schaden. Aufgrund eines möglichen Betreibens ohne entsprechende Genehmigung folgt ein möglicherweise langwieriges Schadenausgleichsverfahren. Die Langfristigkeit bedroht konkret mehrere ortsansässige Unternehmen. Aus diesem Grund erscheint ein Soforthilfepaket sinnvoll. Des Weiteren sollen mögliche Folgen für die Wasserversorgung und Abwasser - entsorgung in der Region abgeschätzt werden. A n t w o r t Mit Schreiben vom 9. Februar 2017 Nr. 53-8914.30-VAWS/18 beantwortet das Ministerium für Umwelt, Klima und Energiewirtschaft im Einvernehmen mit dem Finanzministerium die Kleine Anfrage wie folgt: Vorbemerkung: Da die Ermittlungen u. a. auch der Staatsanwaltschaft noch nicht abgeschlossen sind, können zum Unfall selbst nur vorläufige Angaben gemacht werden. 1. Welche Kenntnisse hat sie über das Austreten von Flüssigkeit aus einer Biogasanlage im Gewerbegebiet Engstingen-Haid? Am frühen Morgen des 11. Januar 2017 trat, offenbar durch Versagen eines Reservestutzens eine große Menge Gärsubstrat aus einem neuen Lagerbehälter bei der Biogasanlage aus. Die Flüssigkeit verteilte sich breitflächig im Gelände und gelangte in benachbarte Gebäude und in die Kanalisation. Ein kleiner Teil versickerte im Karst, ein Großteil wurde im Regenwassersystem zurückgehalten, mit einsetzendem Regen und Tauwetter wurde davon ein Teil in die Kläranlage bzw. das Gewässer ausgetragen. 2. Um welche Flüssigkeit handelt es sich nach ihrer Kenntnis? Es handelt sich um noch nicht vergorenes Gärsubstrat der Biogasanlage, die nicht mit Gülle, sondern mit Speiseabfällen beschickt wird. 3 Landtag von Baden-Württemberg Drucksache 16 / 1352 3. Welche Umweltgefährdung ist dadurch zu erwarten? Durch die hohe organische Belastung des Gärsubstrats war mit einer höheren Sauerstoffzehrung in Kläranlage und Gewässer zu rechnen. Durch hohe Ammoniumgehalte können Fische und andere Wasserlebewesen geschädigt werden. Durch Zufluss stärker belasteten Abwassers aus der Kläranlage sowie durch Entlastung des Regenwassersystems waren Beeinträchtigungen der Seckach und der Lauchert gegeben. In geringem Umfang starben Fische. Zur weiteren Folgenabschätzung wurde ein Gewässermonitoring beauftragt. Eine mögliche Beeinträchtigung des Grundwassers konnte bisher nicht festgestellt werden. 4. Ist ihr bekannt, wie viel Flüssigkeit ausgetreten ist? Es dürften etwa 1.500 m3 ausgetreten sein. 5. Welche Gefahren sind für die Wasserversorgung und für die Abwasserentsorgung der Region zu erwarten? Wasserversorgung: Da der Havarieort an der Wasserscheide auf der Schwäbischen Alb liegt, können mehrere Einzugsgebiete von Wasserversorgern in den Kreisen Reutlingen, Tübingen und Zollernalb betroffen sein. Bisher wurden keine Auffälligkeiten in den Trinkwasserfassungen festgestellt, die Untersuchungen werden fortgesetzt. Die Möglichkeit der kurzfristigen Umschaltung auf Ersatzwasserversorgung im Bedarfsfall ist sichergestellt. Abwasserentsorgung: Die zunächst in Regenbecken zurückgehaltene Gärflüssigkeit wurde durch einsetzenden Starkregen und Tauwetter zum Teil in die Seckach gespült. Zum Schutz des Gewässers wurde daher der Großteil der Gärflüssigkeit in einen Zwischenbehälter auf der Kläranlage Trochtelfingen-Mägerkingen verbracht . Die durch die Havarie und die Abarbeitung des zwischengespeicherten Volumens verursachte Ammoniumbelastung der Kläranlage wurde durch Puffermaßnahmen im Kanalsystem und Optimierung der Schlammbehandlung vermindert , aktuell sind keine nachhaltigen Beeinträchtigungen mehr feststellbar. 6. Welche Kenntnisse hat sie über die Anzahl und das Ausmaß der Geschädigten sowie über die Schadenshöhe und Schadensart? Dazu liegen der Landesregierung keine Erkenntnisse vor. 7. Welche Kenntnisse hat sie über die Rechtmäßigkeit des Baus und des Betriebs der betroffenen Biogasanlage? Bei der betroffenen Biogasanlage wurde ein zusätzlicher Behälter für Gärsubstrat genehmigt und errichtet, aber die geplante Nutzung noch untersagt, da Mängel festgestellt wurden und das dazu geforderte Sachverständigengutachten zum Havariezeitpunkt noch nicht vorlag. 8. Wer kommt für den Fall eines nicht rechtmäßigen Betriebs der betroffenen Anlage für entstandene Schäden auf bzw. welche Möglichkeiten der finanziellen Soforthilfe für Betroffene bestehen beispielsweise durch die Inanspruchnahme von Elementarschadenversicherungen oder einer verursacherunabhängigen Versicherung des Betreibers? Schäden Dritter aus dem Betrieb einer Anlage sind zunächst privat- und versicherungsrechtlich zu klären, darüber hinaus kommen ggf. Ansprüche nach dem Umwelthaftungsgesetz in Betracht. Über bestehende Versicherungen und deren Konditionen bei den Geschädigten und bei dem Biogasanlagen-Betreiber liegen der Landesregierung keine Erkenntnisse vor. Landtag von Baden-Württemberg Drucksache 16 / 1352 4 9. Welche Möglichkeiten der finanziellen Entschädigung und gegebenenfalls Soforthilfe bestehen für Betroffene darüber hinaus? Gegenüber dem Land bestehen nach derzeitiger Kenntnis keine Ansprüche. Nach Presseberichten hat eine Versicherung des Betreibers bereits Gelder für Sofortmaßnahmen zur Verfügung gestellt. 10. Ist sie gegebenenfalls dazu bereit, über ein Sonderprogramm oder ein Sofortpaket Mittel des Landes zur Verfügung zu stellen? Landesmittel können nach derzeitiger Sachlage nicht zur Verfügung gestellt werden. Untersteller Minister für Umwelt, Klima und Energiewirtschaft