Landtag von Baden-Württemberg 16. Wahlperiode Drucksache 16 / 1423 24. 01. 2017 1Eingegangen: 24. 01. 2017 / Ausgegeben: 05. 04. 2017 K l e i n e A n f r a g e Ich frage die Landesregierung: 1. Warum bevorzugt sie in der Gemeinde Dautmergen im Zollernalbkreis Ranaturierungsmaßnahmen für 747.000 Euro statt einen effizienteren Hochwasserschutz voranzutreiben? 2. Warum treibt sie keinen technisch möglichen Hochwasserschutz in der Gemeinde Dautmergen voran, obwohl Gutachten besagen, der Hochwasserschutz würde nicht schlechter als bisher? 3. Warum wurde für diese Maßnahme in der Gemeinde Dautmergen kein sonst üblicher Flächennutzungsplan erstellt? 4. Warum wird die in Europa und Deutschland streng geschützte Bachmuschel für dieses Projekt aus dem Landschaftsbild beseitigt? 5. Welche Gemeinden im Zollernalbkreis werden nach ihrer Kenntnis von welchen Gutachtern beraten (Nennung aller Gutachter soweit dies der Landes - regierung bekannt ist)? 6. Ist ihr bekannt, ob es in der Gemeinde Dautmergen sowie in allen anderen Gemeinden entlang der Schlichem im Zollernalbkreis Ausschreibungen für diverse unterschiedliche Gutachterauffassungen gegeben hat? 7. Ist ihr bekannt, ob die Schlichemrenaturierung als Projekt noch gestoppt werden kann? Kleine Anfrage des Abg. Stefan Herre AfD und Antwort des Ministeriums für Umwelt, Klima und Energiewirtschaft Hochwasserschutz in Dautmergen an der Schlichem statt Renaturierung – Steuergelder sinnvoll einsetzen Drucksachen und Plenarprotokolle sind im Internet abrufbar unter: www.landtag-bw.de/Dokumente Der Landtag druckt auf Recyclingpapier, ausgezeichnet mit dem Umweltzeichen „Der Blaue Engel“. Landtag von Baden-Württemberg Drucksache 16 / 1423 2 8. Wenn ja, können die Gelder für echten effizienten Hochwasserschutz in der Gemeinde Dautmergen verwendet werden, anstatt mit einer Renaturierung in das Landschaftsbild einzugreifen? 9. Warum erfolgt erst nach Durchführung der Renaturierung eine Vermessung? 10. Ist ihr bekannt, ab wann Grundstücke der Einwohner (Gewässerrandstreifen) gekauft oder getauscht wurden? 24. 01. 2017 Herre AfD B e g r ü n d u n g Dautmergen plant die Schlichem, einen Nebenfluss des Neckars, zu renaturieren. Die Gesamtkosten liegen bei 747.000 Euro, davon 698.400 Euro zuwendungsfähig . Nachdem der Fördersatz gemäß einer Richtlinie des Landes bei 85 Prozent (statt wie früher bei 70 Prozent) liegt, wurde ein Zuschuss von 593.600 Euro bewilligt . Daneben gab es auch noch Mittel aus dem Ausgleichsstock. In der lokalen Presse zeigte man sich seitens der 400-Einwohner-Gemeinde hochzufrieden mit der Maßnahme, nachdem sich der Eigenanteil offenbar „nur“ auf rund 116.000 Euro beläuft. Was für eine Gemeinde dieser Größe dennoch sehr viel Geld ist. Es handelt sich bei diesem Fall um ein typisches Beispiel für eine Mischfinanzierung: Fördermittel werden angeboten und dann nur zu gerne mitgenommen . Seitens mehrerer Anliegerkommunen gibt es auch Planungen für einen umfassenden Hochwasserschutz an der Schlichem. Bei den Renaturierungsmaßnahmen ist jedoch die Erreichung eines guten ökologischen Zustands des Gewässers das primäre Ziel und nicht der Hochwasserschutz. Nachdenklich müssen die Ausführungen des Regierungspräsidiums stimmen, welches meint, dass ein Aufschieben der Renaturierungsmaßnahmen bis zur Fertigstellung von Hochwasserschutzmaßnahmen u. a. wegen der verfügbaren Fördermittel nicht begründbar sei. Im Klartext: Wenn die Fördermittel schon da sind, dann muss das Geld wohl auch ausgegeben werden. Dieser Auffassung sind offenbar das Regierungspräsidium Tübingen und die Gemeinde Dautmergen im Zollernalbkreis. Der Bund der Steuerzahler fordert von der neuen Landesregierung, die Fördermittelrichtlinien generell auf den Prüfstand zu stellen und auch Kürzungen vorzunehmen . „Sonst ist die Verlockung groß, nicht zwingend notwendige und sehr teure Projekte zu realisieren, die man sonst nicht in Angriff genommen hätte.“ (Auszug aus einer Broschüre vom Bund der Steuerzahler im Mai 2016) Mit dieser Kleinen Anfrage sollen die Renaturierungsmaßnahmen in Dautmergen im Zollernalbkreis näher beleuchtet sowie die Maßnahmen begründet werden, warum der Hochwasserschutz vernachlässigt wird und stattdessen eine nicht notwendige Renaturierung und ein Eingriff ins Ökosystem vorgenommen werden sollen. 3 Landtag von Baden-Württemberg Drucksache 16 / 1423 A n t w o r t Mit Schreiben vom 2. März 2017 Nr. 5-0141.5/559 beantwortet das Ministerium für Umwelt, Klima und Energiewirtschaft im Einvernehmen mit dem Ministerium für Ländlichen Raum und Verbraucherschutz die Kleine Anfrage wie folgt: 1. Warum bevorzugt sie in der Gemeinde Dautmergen im Zollernalbkreis Renaturierungsmaßnahmen für 747.000 Euro statt einen effizienteren Hochwasserschutz voranzutreiben? Die Ausbaulast für Gewässer II. Ordnung gemäß § 54 WG i. V. m. § 32 WG liegt bei den Kommunen. Demzufolge entscheiden die Kommunen über die Umsetzung von Maßnahmen zum Hochwasserschutz und zur Gewässerökologie. Bereits im Jahr 2013 haben die Kommunen im Einzugsgebiet der Schlichem die Durchführung einer Flussgebietsuntersuchung mit anschließendem Hochwasserschutzkonzept beschlossen. Ziel dabei ist die Erstellung eines Hochwasserschutzkonzeptes und die Erarbeitung von Maßnahmen für einen förderfähigen Hochwasserschutz . Das Vorhaben wird seit Beginn durch das Regierungspräsidium Tübingen und das Landratsamt Zollernalbkreis unterstützt. Die Gesamtkosten für das Projekt belaufen sich auf ca.180.000 Euro. Die ersten Untersuchungen hat das Regierungspräsidium Tübingen bereits im Januar 2014 nach den Förderrichtlinien Wasserwirtschaft – FrWw bewilligt. Der Gesamtzuschuss beträgt ca. 125.000 Euro. Aufbauend darauf sollen zur Sicherung eines 100-jährlichen Hochwasserschutzes im Rahmen eines Hochwasserschutzkonzeptes der beteiligten Kommunen lokale Linien- und Objektschutzmaßnahmen sowie Hochwasserrückhaltebecken gebaut werden. Für die von der Gemeinde Dautmergen beantragte Schlichemrenaturierung hat das Landratsamt Zollernalbkreis im Oktober 2014 die wasserrechtliche Genehmigung erteilt. Auf einer Länge von rund einem Kilometer soll der ökologische Zustand der Schlichem verbessert werden. Die Gemeinde Dautmergen kommt damit den Anforderungen der Wasserrahmenrichtlinie, des Wasserhaushaltsgesetzes und des Wassergesetzes nach, die Gewässer in einen guten Zustand zu bringen. Im Dezember 2015 hat das Regierungspräsidium Tübingen der Gemeinde Dautmergen Fördermittel nach FrWw in Höhe von ca. 590.000 Euro bewilligt. 2. Warum treibt sie keinen technisch möglichen Hochwasserschutz in der Gemeinde Dautmergen voran, obwohl Gutachten besagen, der Hochwasserschutz würde nicht schlechter als bisher? Siehe Ziff. 1. 3. Warum wurde für diese Maßnahme in der Gemeinde Dautmergen kein sonst üblicher Flächennutzungsplan erstellt? Ein Flächennutzungsplan ist für Renaturierungsmaßnahmen an Gewässern nicht erforderlich. 4. Warum wird die in Europa und Deutschland streng geschützte Bachmuschel für dieses Projekt aus dem Landschaftsbild beseitigt? Die Bachmuschel hat keine Relevanz für das Landschaftsbild. Aus dem Gewässer wird die Bachmuschel nicht entfernt: Eine limnologische Untersuchung hat er - geben, dass nur Muschelschalen, aber keine lebenden Muscheln im Gewässer vorkommen . Landtag von Baden-Württemberg Drucksache 16 / 1423 4 5. Welche Gemeinden im Zollernalbkreis werden nach ihrer Kenntnis von welchen Gutachtern beraten (Nennung aller Gutachter soweit dies der Landes - regierung bekannt ist)? Die Vergabe von gutachterlich erforderlichen Untersuchungen bei den Kommunen erfolgt in kommunaler Zuständigkeit unter Berücksichtigung der rechtlichen Vorgaben. Über die beratenden Ingenieurbüros bzw. Gutachter der Kommunen führt das Land keine Statistik. 6. Ist ihr bekannt, ob es in der Gemeinde Dautmergen sowie in allen anderen Gemeinden entlang der Schlichem im Zollernalbkreis Ausschreibungen für diverse unterschiedliche Gutachterauffassungen gegeben hat? Siehe Ziff. 5. 7. Ist ihr bekannt, ob die Schlichemrenaturierung als Projekt noch gestoppt werden kann? Nein, die Renaturierung dient der Umsetzung der Wasserrahmenrichtlinie. 8. Wenn ja, können die Gelder für echten effizienten Hochwasserschutz in der Gemeinde Dautmergen verwendet werden, anstatt mit einer Renaturierung in das Landschaftsbild einzugreifen? Siehe Ziff. 7 und Ziff. 1. 9. Warum erfolgt erst nach Durchführung der Renaturierung eine Vermessung? Die Vermessungsarbeiten für die Renaturierungsmaßnahme bewegen sich im üblichen Rahmen für entsprechende Vorhaben, d. h. Absteckung der Baumaßnahmen, Aufmessung des Gewässers und der Gewässerrandstreifen nach dem Ausbau, hoheitliche Vermessung der neuen Grundstücksgrenzen. Für die Vergabe der Vermessungsarbeiten ist die Gemeinde als Maßnahmenträger zuständig. 10. Ist ihr bekannt, ab wann Grundstücke der Einwohner (Gewässerrandstreifen) gekauft oder getauscht wurden? Informationen über bereits getauschte oder gekaufte Grundstücke für die Schlichemrenaturierung liegen derzeit nicht vor. Untersteller Minister für Umwelt, Klima und Energiewirtschaft