Landtag von Baden-Württemberg 16. Wahlperiode Drucksache 16 / 1459 01. 02. 2017 1Eingegangen: 01. 02. 2017 / Ausgegeben: 12. 04. 2017 K l e i n e A n f r a g e Wir fragen die Landesregierung: 1. Wie kann es sein, dass das Innenministerium keine detaillierten Aussagen (mit Förderungen bzw. Haushaltstiteln) zu geförderten Maßnahmen gegen den Linksund Rechtsextremismus treffen kann (vgl. Drucksache 16/189, Frage 1)? 2. Was genau behandelt die Publikation „Gender und Rechtsextremismus“, die im Bereich der Prävention politisch motivierter Kriminalität (PMK) veröffentlicht wurde? 3. An wen flossen und fließen für die unter Frage 2 genannte Publikation Gelder (unter Angabe der jeweiligen Höhe)? 4. Sieht sie linksextremistisches Vorgehen gegen Gruppen von politisch Andersdenkenden als „gruppenbezogene Menschenfeindlichkeit“ an, denn immerhin definierte die Bundesregierung der 17. Wahlperiode in Drucksache 17/1928 Versuche, die sich gegen das Recht auf Bildung und Ausübung einer parlamentarischen Opposition (ein Verfassungsgrundsatz) richten, unmissverständlich als extremistische Kriminalität? 5. Ist Linksextremismus dementsprechend ein Thema bei landesweiten Aktionsplänen gegen gruppenbezogene Menschenfeindlichkeit (GMF)? 6. Wieso gibt es im Bildungs- und Wissensportal POLIZEI-ONLINE keine Lernanwendungen zu den Themen Linksextremismus und Islamismus, jedoch zum Thema „Grundlagen zum Rechtsextremismus“ − sind die Themen Linksextremismus und Islamismus unbedeutend für die Polizei? Kleine Anfrage der Abg. Thomas Axel Palka, Dr. Rainer Podeswa und Carola Wolle AfD und Antwort des Ministeriums für Inneres, Digitalisierung und Migration Weitere Maßnahmen gegen den Links- und Rechtsextremismus Drucksachen und Plenarprotokolle sind im Internet abrufbar unter: www.landtag-bw.de/Dokumente Der Landtag druckt auf Recyclingpapier, ausgezeichnet mit dem Umweltzeichen „Der Blaue Engel“. Landtag von Baden-Württemberg Drucksache 16 / 1459 2 7. Wie viele Polizisten nutzten bisher nach ihrem Kenntnisstand das Bildungsund Wissensportal POLIZEI-ONLINE (unter Auflistung der Nutzungszahlen nach Jahren)? 8. Wieso gab es für Richter vom Ministerium der Justiz und für Europa in Zusammenarbeit mit dem Landesamt für Verfassungsschutz nur Veranstaltungen zum Thema Rechtsextremismus und keine Veranstaltungen zu den Themen Linksextremismus oder Islamismus? 9. Was war der Inhalt der Veranstaltungen vom Ministerium der Justiz in Zusammenarbeit mit dem Landesamt für Verfassungsschutz zum Thema Rechtsextremismus ? 10. Haben die unter Frage 9 und 10 in der Landtagsdrucksache 16/189 genannten Universitäten Heidelberg, Konstanz und Ulm ihre Antworten inzwischen nachgereicht? 19. 01. 2017 Palka, Dr. Podeswa, Wolle AfD B e g r ü n d u n g Die Kleine Anfrage soll Fragen zum Links- und Rechtsextremismus klären und dabei auch auf offene Punkte aus der Drucksache 16/189 eingehen. A n t w o r t Mit Schreiben vom 9. März 2017 Nr. 4-1082.2/431-1/ beantwortet das Ministe - rium für Inneres, Digitalisierung und Migration im Einvernehmen mit dem Minis - terium für Wissenschaft, Forschung und Kunst, dem Ministerium für Soziales und Integration und dem Ministerium der Justiz und für Europa die Kleine Anfrage wie folgt: 1. Wie kann es sein, dass das Innenministerium keine detaillierten Aussagen (mit Förderungen bzw. Haushaltstiteln) zu geförderten Maßnahmen gegen den Linksund Rechtsextremismus treffen kann (vgl. Drucksache 16/189, Frage 1)? Zu 1.: Im Doppelhaushalt 2015/2016 sind Mittel für polizeiliche Präventionsmaßnahmen im Bereich des Extremismus nicht gesondert ausgewiesen. Für präventive Maßnahmen standen beim Landeskriminalamt Baden-Württemberg in den Jahren 2015 und 2016 jeweils 124.600 Euro und bei den regionalen Polizeipräsidien jeweils 35.100 Euro für die vorbeugende Kriminalitätsbekämpfung insgesamt zur Verfügung. Dem Landesamt für Verfassungsschutz (LfV) werden zur Wahrnehmung seines gesetzlichen Auftrags die erforderlichen Personalmittel, Sachmittel und Stellen im Kapitel 0319 zur Verfügung gestellt. Die Mittel und Stellen werden dem LfV zur Bewirtschaftung zugewiesen und dort in eigener Zuständigkeit bedarfsgerecht eingesetzt. Die für Präventionsmaßnahmen im Bereich des Extremismus eingesetzten Haushaltsmittel werden nicht gesondert ausgewiesen. 3 Landtag von Baden-Württemberg Drucksache 16 / 1459 2. Was genau behandelt die Publikation „Gender und Rechtsextremismus“, die im Bereich der Prävention politisch motivierter Kriminalität (PMK) veröffentlicht wurde? Zu 2.: Die Publikation „Gender und Rechtsextremismus“ ist die Dokumentation des gleichnamigen Fachtags vom 24. April 2013 für Mitarbeiter der Kinder- und Jugendarbeit im Marianum in Hegne. Hauptthemen waren die Betrachtung des Rechtsextremismus aus geschlechtsspezifischer Sicht und die Bedeutung für die pädagogische Arbeit mit Mädchen und Jungen in der Extremismusprävention. Darüber hinaus fanden verschiedene Workshops statt, deren Ergebnisse ebenso in die Dokumentation eingingen, z. B. zu den Themen „Hinschauen und Handeln – gegen Rechtsextremismus bei Jugendlichen!“, „Mädchen und junge Frauen im Kontext der Black Jackets – Annäherungen an eine pädagogische Herausforderung “ oder „Kompetent vor Ort – die Entstehung eines lokalen Bündnisses“. 3. An wen flossen und fließen für die unter Frage 2 genannte Publikation Gelder (unter Angabe der jeweiligen Höhe)? Zu 3.: Die Landeskoordinierungsstelle des Beratungsnetzwerks „kompetent vor Ort“ (heute: Landeskoordinierungsstelle Demokratiezentrum Baden-Württemberg) bei der Jugendstiftung Baden-Württemberg erhielt 2013 einen Landeszuschuss in Höhe von 2.110,60 Euro. Die Publikation wurde in den Folgejahren nicht weitergeführt . 4. Sieht sie linksextremistisches Vorgehen gegen Gruppen von politisch Andersdenkenden als „gruppenbezogene Menschenfeindlichkeit“ an, denn immerhin definierte die Bundesregierung der 17. Wahlperiode in Drucksache 17/1928 Versuche, die sich gegen das Recht auf Bildung und Ausübung einer parlamentarischen Opposition (ein Verfassungsgrundsatz) richten, unmissverständlich als extremistische Kriminalität? Zu 4.: Die statistische Erfassung Politisch motivierter Kriminalität (PMK) erfolgt auf der Grundlage des Kriminalpolizeilichen Meldedienstes (KPMD). Mit Beschluss der ständigen Konferenz der Innenminister und -senatoren der Länder vom 10. Mai 2001 sind rückwirkend zum 1. Januar 2001 mit dem „Definitionssystem Politisch motivierte Kriminalität“ und den „Richtlinien für den Kriminalpolizeilichen Meldedienst in Fällen Politisch motivierter Kriminalität (KPMD-PMK)“ die bundesweit einheitlich geltenden Kriterien zur Definition und Erfassung Politisch motivierter Straftaten in Kraft gesetzt worden. Straftaten mit extremistischem Hintergrund stellen dabei eine Teilmenge der PMK dar, bei denen tatsächliche Anhaltspunkte dafür vorliegen, dass sie gegen die freiheitliche demokratische Grundordnung gerichtet sind. Der Begriff „extremistische Kriminalität“ orientiert sich dagegen am Extremismusbegriff der Verfassungsschutzgesetze des Bundes und der Länder und dazu vorhandener Rechtsprechung. Das Recht auf Bildung und Ausübung einer parlamentarischen Opposition ist ein Bestandteil der freiheitlichen demokratischen Grundordnung. Der Begriff „politisch Andersdenkende“ ist allerdings nicht mit dem Begriff der „Opposition“ gleichzusetzen. Als „politisch Andersdenkende“ werden von Linksextremisten die politischen Gegner von „rechts“ in gewisser Spannweite – von rechtsextremis - tisch bis rechtspopulistisch – wahrgenommen. Der in Rede stehende Begriff der „gruppenbezogenen Menschenfeindlichkeit“ (GMF) hat sich hingegen im Bereich der Sozialwissenschaften etabliert. Im Kern geht es bei der GMF um die Abwertung und Diskriminierung schwacher Gruppen , resultierend aus einer „Ideologie der Ungleichwertigkeit“. Ein solches Verständnis von GMF ist in hohem Maße kompatibel mit der Ideologie der Ungleich- Landtag von Baden-Württemberg Drucksache 16 / 1459 4 heit als Bestandteil des Rechtsextremismus. Dem gegenüber steht das „Ideal der absoluten Gleichheit“ als ein zentraler Bestandteil linksextremistischer Ideologie. Überdies bekämpfen Linksextremisten nach ihrer Sicht nicht Menschen als Individualrechtsträger , sondern den Staat bzw. die freiheitlich demokratische Grundordnung als Säule des „Systems“. Insofern ist die Verwendung des Begriffes „Gruppenbezogene Menschenfeindlichkeit “ im Zusammenhang mit dem Linksextremismus unpassend. 5. Ist Linksextremismus dementsprechend ein Thema bei landesweiten Aktionsplänen gegen gruppenbezogene Menschenfeindlichkeit (GMF)? Zu 5.: Die Landeszentrale für politische Bildung Baden-Württemberg (LpB) bearbeitet GMF im Rahmen eigener Veranstaltungen und Publikationen sowie von Projektförderungen . Thematisiert werden dabei Einzelfacetten von gruppenbezogener Menschenfeindlichkeit wie zum Beispiel Antisemitismus, Homophobie, Sexismus und Antiziganismus sowie die Förderung von demokratischer Kultur und Gleichwertigkeitsvorstellungen. Zu den Aktivitäten der LpB gegen Linksextremismus wird auf die Stellungnahmen in den Landtagsdrucksachen 16/189 (Kleine Anfrage der Abgeordneten Carola Wolle: Maßnahmen gegen den Links- und Rechtsextremismus) und 16/1285 (Kleine Anfrage des Abgeordneten Lars Patrick Berg: Schutz der Polizei vor Linksextremisten und Reichsbürgern) verwiesen. 6. Wieso gibt es im Bildungs- und Wissensportal POLIZEI-ONLINE keine Lernanwendungen zu den Themen Linksextremismus und Islamismus, jedoch zum Thema „Grundlagen zum Rechtsextremismus“ − sind die Themen Linksextremismus und Islamismus unbedeutend für die Polizei? Zu 6.: Im Bildungs- und Wissensportal POLIZEI-ONLINE sind im Bereich „Online Lernen“ neben der Lernanwendung „Grundlagenwissen Rechtsextremismus“ auch Lernanwendungen zum Thema „Grundlagenwissen Islamismus“ sowie zum „Extremismus“ enthalten. Die Lernanwendung „Extremismus“ behandelt dabei verschiedene Erscheinungsformen, unter anderem auch den Linksextremismus sowie den Ausländerextremismus. 7. Wie viele Polizisten nutzten bisher nach ihrem Kenntnisstand das Bildungsund Wissensportal POLIZEI-ONLINE (unter Auflistung der Nutzungszahlen nach Jahren)? Zu 7.: Es werden ausschließlich die Seitenaufrufzahlen der Startseite POLIZEI-ONLINE – ohne weitere Differenzierung – statistisch erfasst. Die Erfassung hält die letzten 365 Tage und die vorhergehenden 365 Tage fest. Weitergehende Statistikzahlen sind nicht vorhanden. Demnach wurde im Zeitraum von 22. Februar 2016 bis 20. Februar 2017 die Startseite von POLIZEI-ONLINE 2.393.517-mal durch Beschäftigte der Polizei Baden-Württemberg aufgerufen; im Zeitraum von 23. Feb - ruar 2015 bis 21. Februar 2016 3.734.898-mal. 5 Landtag von Baden-Württemberg Drucksache 16 / 1459 8. Wieso gab es für Richter vom Ministerium der Justiz und für Europa in Zusammenarbeit mit dem Landesamt für Verfassungsschutz nur Veranstaltungen zum Thema Rechtsextremismus und keine Veranstaltungen zu den Themen Links - extremismus oder Islamismus? Zu 8.: Für baden-württembergische Richterinnen und Richter sowie Staatsanwältinnen und Staatsanwälte gab es Veranstaltungen zu den Themen Linksextremismus oder Islam: Zum einen erfolgte im Rahmen des durch das Ministerium der Justiz und für Europa in Zusammenarbeit mit dem Landeskriminalamt Baden-Württemberg organisierten jährlich stattfindenden Steuerungskreises PMK wie in den vergangenen Jahren ein Austausch zwischen dem Landeskriminalamt und den für diesen Bereich zuständigen Angehörigen des höheren Justizdienstes, bei dem regelmäßig extremistisch relevante Entwicklungen aller Ausprägungen erörtert werden. Des Weiteren wird baden-württembergischen Richterinnen und Richtern sowie Staatsanwältinnen und Staatsanwälten die Tagung der Deutschen Richterakademie zu dem Thema „Politischer Extremismus – Herausforderung für Gesellschaft und Justiz“ angeboten, bei der Links- und Rechtsextremismus in den Fokus genommen werden. Im Rahmen der weiteren Tagung „Justiz und Islam“ werden ausdrücklich Erscheinungsformen des Islamismus thematisiert. Ergänzend wird darauf hingewiesen, dass die Sonderveranstaltungen zum Rechtsextremismus im vergangenen Jahr auch der Umsetzung der Empfehlungen des NSU-Untersuchungsausschusses dienten. 9. Was war der Inhalt der Veranstaltungen vom Ministerium der Justiz in Zusammenarbeit mit dem Landesamt für Verfassungsschutz zum Thema Rechtsextremismus ? Zu 9.: In den Veranstaltungen vom Ministerium der Justiz hat sich das LfV der Justiz vorgestellt und Aufbau und Arbeitsweise in allgemeiner Form beschrieben. Außerdem wurden Fragen der Zusammenarbeit zwischen Verfassungsschutz und Justiz erörtert. Hierbei wurden neben aktuellen Entwicklungen im Bereich des Rechtsextremismus auch andere extremistische Strömungen thematisiert. 10. Haben die unter Frage 9 und 10 in der Landtagsdrucksache 16/189 genannten Universitäten Heidelberg, Konstanz und Ulm ihre Antworten inzwischen nachgereicht? Zu 10.: Die Universitäten Heidelberg, Konstanz und Ulm haben auf die Frage 9 der Landtagsdrucksache 16/189 (Kleine Anfrage der Abgeordneten Carola Wolle: Maßnahmen gegen Links- und Rechtsextremismus) mitgeteilt, dass es im Sommer - semester 2015 sowie im Wintersemester 2015/2016 keine speziellen Lehrveranstaltungen zur Thematik „linksextremistisch motivierte Straftaten und Tatmotive“ oder „rechtsextremistisch motivierte Straftaten und Tatmotive“ im Bereich der Juristenausbildung gegeben hat. Auf die Frage 10 haben die o. g. Universitäten mitgeteilt, dass im Sommersemes - ter 2016 sowie im Wintersemester 2015/2016 keine Seminare zum Links- oder Rechtsextremismus im Rahmen der Ausbildung von Sozialkunde-/Sozialwissenschaften -Lehrern stattgefunden haben. Strobl Minister für Inneres, Digitalisierung und Migration