Landtag von Baden-Württemberg 16. Wahlperiode Drucksache 16 / 1461 26. 01. 2017 1Eingegangen: 26. 01. 2017 / Ausgegeben: 27. 03. 2017 K l e i n e A n f r a g e Ich frage die Landesregierung: 1. Erlauben die Informationsfreiheitsgesetze (auf Landes- und Bundesebene) Bürgern in Baden-Württemberg Auskunft über Beteiligung jedweder Höhe von z. B. einem Landkreis oder einer Stadt an Unternehmen zu verlangen oder wird diese Auskunft beispielsweise schon mit der Begründung „Betriebsgeheimnis“ verhindert, wenn beispielsweise nur ein Mitarbeiter des Unternehmens nicht zustimmt oder der Landkreis die genauen Vertragsdetails nicht offenlegen will? 2. Erlauben die Informationsfreiheitsgesetze Bürgern Auskunft über gezahlte Aufwandsentschädigungen, Vergütungen, Diäten etc. von Aufsichtsräten, Verwaltungsräten und sonstigen Kontrollorganen von Unternehmen, an denen die öffentliche Hand (zum Beispiel eine Stadt oder ein Landkreis) eine Beteiligung hält, zu verlangen oder ist das ebenfalls mit der Begründung „Betriebsgeheimnis “ oder einer vergleichbaren Begründung verhinderbar? 3. Erlauben die Informationsfreiheitsgesetze Bürgern Auskunft über von Kommunen gezahlte Mietpreise und Vertragsdauern zu verlangen, beispielsweise um ausschließen zu können, dass nach dem Grundsatz „ich mauschle schon immer “ verfahren wird? 4. Hält sie das Interesse der Öffentlichkeit, zu wissen wie viel Geld eine Kommune für angemietete Objekte ausgibt, für größer als das Interesse des Vermieters die Miethöhe als „Betriebsgeheimnis“ geheim zu halten? 5. Stimmt sie zu, dass sich Vermieter darüber bewusst sein sollten, wenn sie an die öffentliche Hand vermieten, dass diese Verträge öffentliche Belange und Gelder betreffen und daher mehr Transparenz herrschen muss als bei einem Vertrag zwischen zwei privaten Unternehmen oder Personen? Kleine Anfrage des Abg. Thomas Axel Palka AfD und Antwort des Ministeriums für Inneres, Digitalisierung und Migration Konkrete Anwendungsmöglichkeiten der Informations - freiheitsgesetze gegenüber Städten und Landkreisen Drucksachen und Plenarprotokolle sind im Internet abrufbar unter: www.landtag-bw.de/Dokumente Der Landtag druckt auf Recyclingpapier, ausgezeichnet mit dem Umweltzeichen „Der Blaue Engel“. Landtag von Baden-Württemberg Drucksache 16 / 1461 2 6. Sieht sie Handlungsbedarf bzw. Nachbesserungsbedarf, um diese Auskunftsmöglichkeit für den Bürger zu ermöglichen, falls eine der Fragen 1 bis 3 mit „nein“ beantwortet wurde, da das Ziel des Informationsfreiheitsgesetzes schließlich mehr Transparenz für den Bürger war? 7. Wie lässt sich die Aussage von Ministerpräsident Winfried Kretschmann „Nur gut informierte Bürger sind auch in der Lage, engagiert und kompetent mitzugestalten ”, im Video-Interview des Beteiligungsportals Baden-Württemberg damit in Einklang bringen, wenn gerade Kommunen, mit denen der Bürger tagtäglich zu tun hat und wo er lebt, sich vor Auskünften z. B. zu ihren Ausgaben, durch Verweise auf „Betriebsgeheimnisse“ schützen können? 8. Bis wann ist mit einer Nachbesserung beim Informationsfreiheitsgesetz des Landes zu rechnen, dass es dem Bürger ermöglicht wird, sich gut zu informieren (inklusive allen finanziellen Ausgaben von Städten und Landkreisen), so wie Herr Kretschmann dies für engagierte und kompetente Mitgestaltung bewirbt? 9. Auf welche Rechtsgrundlagen können sich Bürger bei ihren Anfragen jeweils stützen, sofern eine der Fragen 1 bis 3 mit „ja“ beantwortet wurde? 19. 01. 2017 Palka AfD B e g r ü n d u n g Vielfach verweigern Städte und Landkreise Auskünfte und verhindern damit, dass sich Bürger vollständig informieren können. Unternehmen und Personen, die mit der öffentlichen Hand Geschäfte machen, sollten sich nicht auf „Betriebsgeheimnisse “ berufen dürfen. Ausgaben der öffentlichen Hand müssen kontrollierbar und daher einsehbar sein. Nur so ist Transparenz gegeben und nur so lassen sich geheime Absprachen ausschließen. Das stärkt das Vertrauen der Bürger in die Politik . Wer öffentliche Gelder und Aufträge erhalten will, muss sich dem bewusst sein. A n t w o r t Mit Schreiben vom 2. März 2017 Nr. 2-0510.1/19-1 beantwortet das Innenminis - terium im Einvernehmen mit dem Staatsministerium und dem Ministerium für Finanzen die Kleine Anfrage wie folgt: 1. Erlauben die Informationsfreiheitsgesetze (auf Landes- und Bundesebene) Bürgern in Baden-Württemberg Auskunft über Beteiligung jedweder Höhe von z. B. einem Landkreis oder einer Stadt an Unternehmen zu verlangen oder wird diese Auskunft beispielsweise schon mit der Begründung „Betriebsgeheimnis“ verhindert, wenn beispielsweise nur ein Mitarbeiter des Unternehmens nicht zustimmt oder der Landkreis die genauen Vertragsdetails nicht offenlegen will? 2. Erlauben die Informationsfreiheitsgesetze Bürgern Auskunft über gezahlte Aufwandsentschädigungen , Vergütungen, Diäten etc. von Aufsichtsräten, Verwaltungsräten und sonstigen Kontrollorganen von Unternehmen, an denen die öffentliche Hand (zum Beispiel eine Stadt oder ein Landkreis) eine Beteiligung hält, zu verlangen oder ist das ebenfalls mit der Begründung „Betriebsgeheimnis “ oder einer vergleichbaren Begründung verhinderbar? 3 Landtag von Baden-Württemberg Drucksache 16 / 1461 Zu 1. und 2.: Das Landesinformationsfreiheitsgesetz (LIFG) vom 17. Dezember 2015 verpflichtet alle Stellen des Landes, der Gemeinden und Gemeindeverbände sowie der sonstigen der Aufsicht des Landes unterstehenden juristischen Personen des öffentlichen Rechts und deren Vereinigungen, soweit sie öffentlich-rechtliche Verwaltungsaufgaben wahrnehmen. Dagegen gewährt das Informationsfreiheitsgesetz des Bundes nur einen Anspruch auf Informationszugang gegenüber Behörden des Bundes. Das LIFG gewährt grundsätzlich einen Anspruch auf Zugang zu amtlichen Informationen , sofern nicht der Schutz personenbezogener Daten oder der Schutz geis - tigen Eigentums und von Betriebs- und Geschäftsgeheimnissen entgegenstehen. Soweit dies der Fall ist, liegt ein absoluter Ablehnungsgrund nach § 6 LIFG vor, soweit die betroffene Person nicht einwilligt. Hinsichtlich der Beteiligungen des Landes an privatrechtlichen Unternehmen ergibt sich aus § 11 Abs. 1 Nr. 9 LIFG die Pflicht des Landes, die wesentlichen Unternehmensdaten zu veröffentlichen. Für die Gemeinden und Gemeindeverbände sieht das LIFG keine entsprechende Verpflichtung vor. Die Gemeinden und Gemeindeverbände erstellen aber gemäß § 105 Absatz 2 Gemeindeordnung einen Beteiligungsbericht, der ortsüblich bekanntgemacht wird und daher öffentlich ist. Dagegen betreffen Auskünfte über Aufwandsentschädigungen und Vergütungen von Aufsichtsräten, Verwaltungsräten oder sonstigen Kontrollorganen sowohl personenbezogene Daten wie Betriebs- und Geschäftsgeheimnisse. Der Zugang zu diesen Daten ist nach dem LIFG ausgeschlossen, soweit nicht eine Einwilligung der betroffenen Person sowie des betroffenen Unternehmens vorliegt. 3. Erlauben die Informationsfreiheitsgesetze Bürgern Auskunft über von Kommunen gezahlte Mietpreise und Vertragsdauern zu verlangen, beispielsweise um ausschließen zu können, dass nach dem Grundsatz „ich mauschle schon immer “ verfahren wird? 4. Hält sie das Interesse der Öffentlichkeit, zu wissen wie viel Geld eine Kommune für angemietete Objekte ausgibt, für größer als das Interesse des Vermieters die Miethöhe als „Betriebsgeheimnis“ geheim zu halten? 5. Stimmt sie zu, dass sich Vermieter darüber bewusst sein sollten, wenn sie an die öffentliche Hand vermieten, dass diese Verträge öffentliche Belange und Gelder betreffen und daher mehr Transparenz herrschen muss als bei einem Vertrag zwischen zwei privaten Unternehmen oder Personen? Zu 3., 4. und 5.: Sofern die Mietverträge mit natürlichen Personen geschlossen werden, ist der Informationszugang insoweit gemäß § 5 LIFG eingeschränkt, als die Mietverträge personenbezogene Daten enthalten. Personenbezogene Daten sind Einzelangaben über persönliche oder sachliche Verhältnisse einer bestimmten oder bestimm - baren natürlichen Person, mithin auch Angaben über Mietpreise oder Vertragsdauern . Ohne Einwilligung dürfen diese Daten nur übermittelt werden, soweit das öffentliche Informationsinteresse an der Bekanntgabe das schutzwürdige Interesse am Ausschluss des Informationszugangs überwiegt. Dies ist im Einzelfall zu beurteilen und erst nachdem der Antragsteller seinen Antrag begründet hat und die betroffene Person angehört worden ist. Grundsätzlich genießt der Schutz personenbezogener Daten Vorrang vor dem Informationsinteresse des Antragstellers, es sei denn das Informationsinteresse überwiegt im Einzelfall. Zum anderen besteht die Möglichkeit, dass die Kommunen Mietverträge mit juris - tischen Personen schließen. Hier stehen in der Regel der von § 6 LIFG geforderte Schutz von Betriebs- und Geschäftsgeheimnissen sowie der Schutz geistigen Eigentums dem Informationszugang entgegen. Landtag von Baden-Württemberg Drucksache 16 / 1461 4 Der Schutz von Betriebs- und Geschäftsgeheimnissen durch § 6 Satz 2 LIFG trägt der Berufs- und Eigentumsfreiheit in Artikel 12 und 14 Grundgesetz sowie für fiskalisches Handeln der öffentlichen Hand haushaltsrechtlichen Grundsätzen Rechnung . Als Betriebs- und Geschäftsgeheimnis werden nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts (BVerfGE 115, 205, 230) „alle auf ein Unternehmen bezogene Tatsachen, Umstände und Vorgänge verstanden, die nicht offenkundig , sondern nur einem begrenzten Personenkreis zugänglich sind und an deren Nichtverbreitung der Rechtsträger ein berechtigtes Interesse hat.“ Bei Verträgen mit der öffentlichen Hand kommt es also auf die Reichweite des Unternehmensbezugs der Information an, um zu beurteilen, inwieweit Teile des Vertragswerks als Betriebs- und Geschäftsgeheimnis zu schützen sind. Auch das besondere Informationsinteresse der Bürger ist hier zu berücksichtigen. 6. Sieht sie Handlungsbedarf bzw. Nachbesserungsbedarf, um diese Auskunftsmöglichkeit für den Bürger zu ermöglichen, falls eine der Fragen 1 bis 3 mit „nein“ beantwortet wurde, da das Ziel des Informationsfreiheitsgesetzes schließlich mehr Transparenz für den Bürger war? Zu 6.: Sowohl der Schutz der personenbezogenen Daten als auch der Schutz von Betriebs - oder Geschäftsgeheimnissen ist durch die Grundrechte der betroffenen Personen auf informationelle Selbstbestimmung sowie durch die Grundrechte der Berufsfreiheit sowie des Eigentumsrechts legitimiert und kann durch das Landes - informationsfreiheitsgesetz nicht abbedungen werden. 7. Wie lässt sich die Aussage von Ministerpräsident Winfried Kretschmann „Nur gut informierte Bürger sind auch in der Lage, engagiert und kompetent mitzugestalten ”, im Video-Interview des Beteiligungsportals Baden-Württemberg damit in Einklang bringen, wenn gerade Kommunen, mit denen der Bürger tagtäglich zu tun hat und wo er lebt, sich vor Auskünften z. B. zu ihren Ausgaben, durch Verweise auf „Betriebsgeheimnisse“ schützen können? 8. Bis wann ist mit einer Nachbesserung beim Informationsfreiheitsgesetz des Landes zu rechnen, dass es dem Bürger ermöglicht wird, sich gut zu informieren (inklusive allen finanziellen Ausgaben von Städten und Landkreisen), so wie Herr Kretschmann dies für engagierte und kompetente Mitgestaltung bewirbt? Zu 7. und 8.: Die Kommunen in Baden-Württemberg sind bei der Ausgestaltung ihrer Vertragsbeziehungen an vielfältige Gesetzesvorgaben, insbesondere durch das Ver - gabe- und Haushaltsrecht gebunden. Daneben haben sie das LIFG zu beachten. Im Rahmen dieser rechtlichen Vorgaben haben die Kommunen vielfältige Gestaltungsmöglichkeiten , um den Bürgern eine gute Information zu ermöglichen. Das LIFG sieht eine Evaluierung nach einem Erfahrungszeitraum von fünf Jahren vor, über deren Ergebnis der Landtag unterrichtet wird. Nach dem Kabinettsbeschluss vom 17. November 2015 ist ferner nach drei Jahren eine Evaluation in Bezug auf die finanziellen Folgen des Gesetzes durchzuführen. 9. Auf welche Rechtsgrundlagen können sich Bürger bei ihren Anfragen jeweils stützen, sofern eine der Fragen 1 bis 3 mit „ja“ beantwortet wurde? Zu 9.: Auf die Antworten zu den Fragen 1. bis 3. wird verwiesen. Strobl Minister für Inneres, Digitalisierung und Migration