Landtag von Baden-Württemberg 16. Wahlperiode Drucksache 16 / 1520 30. 01. 2017 1Eingegangen: 30. 01. 2017 / Ausgegeben: 24. 03. 2017 K l e i n e A n f r a g e Ich frage die Landesregierung: 1. Wie konnte nach ihrer Kenntnis diese Anlage überhaupt betrieben werden? 2. Welche Ursachen sind für dieses Unglück auszumachen? 3. Welche Genehmigungen müssen Behörden vonseiten der Betreiber vorliegen, um eine solche Anlage ordnungsgemäß betreiben zu dürfen? 4. Warum konnte laut Aussage des Reutlinger Landrats Thomas Reumann und Kontrollen seitens der Behörden diese Anlage dennoch betrieben werden, obwohl Mängel an der Anlage bekannt waren? 5. Wer kommt für die Kosten des Einsatzes sowie den entstandenen Schaden auf? 6. Wie viele Biogasanlagen gibt es im Zollernalbkreis, im Regierungsbezirk Tübingen sowie in Baden-Württemberg (nach Landkreisen, Kommunen und Gemeinden tabellarisch listen)? 7. Welche Gefahren können zukünftig von alten, nicht korrekt gewarteten Biogasanlagen für die Bevölkerung ausgehen? 8. In welchem Ausmaß ist die Trinkwasserversorgung in den betroffenen Landkreisen – unter anderem auch Sigmaringen – von diesem Vorfall beeinträchtigt worden? 9. Welche Maßnahmen wurden zum Schutz der Bevölkerung in Bezug auf die Trinkwasserqualität in den betroffenen Landkreisen unternommen? Kleine Anfrage des Abg. Stefan Herre AfD und Antwort des Ministeriums für Umwelt, Klima und Energiewirtschaft Unfall an Biogasanlage Engstingen – Anlage ohne gültige Genehmigung Drucksachen und Plenarprotokolle sind im Internet abrufbar unter: www.landtag-bw.de/Dokumente Der Landtag druckt auf Recyclingpapier, ausgezeichnet mit dem Umweltzeichen „Der Blaue Engel“. Landtag von Baden-Württemberg Drucksache 16 / 1520 2 10. In welchen Zustand, Alter und baulicher Substanz sind die Biogasanlagen im Zollernalbkreis, dem Regierungsbezirk Tübingen sowie in Baden-Württemberg ? 24. 01. 2017 Herre AfD B e g r ü n d u n g 1,5 Millionen Liter Biosubstrat sind am Mittwoch, 11. Januar 2017 aus einer Biogasanlage in Engstingen im Landkreis Reutlingen ausgelaufen. Laut Aussage des zuständigen Landrats haben die Betreiber keine gültige Genehmigung für die Anlage . Wer für den Schaden aufkommt, ist weiter unklar. Zu dieser Problematik bittet der Fragesteller die Landesregierung um Stellungnahme. A n t w o r t Mit Schreiben vom 2. März 2017 Nr. 44-5551.22.3/216 beantwortet das Ministerium für Umwelt, Klima und Energiewirtschaft im Einvernehmen mit dem Minis - terium für Ländlichen Raum und Verbraucherschutz die Kleine Anfrage wie folgt: 1. Wie konnte nach ihrer Kenntnis diese Anlage überhaupt betrieben werden? 4. Warum konnte laut Aussage des Reutlinger Landrats Thomas Reumann und Kontrollen seitens der Behörden diese Anlage dennoch betrieben werden, obwohl Mängel an der Anlage bekannt waren? Dem Betreiber der Biogasanlage in Engstingen wurde im November 2015 die immissionsschutzrechtliche Genehmigung für den Bau und Betrieb von zwei Gärsubstratlagern erteilt. Gebaut wurde bislang nur eines der zwei genehmigten Gärsubstratlager . Im Oktober 2016 erfolgte die Bauabnahme durch das Landratsamt Reutlingen. Bei dieser Bauabnahme wurde festgestellt, dass beim Bau des Gärsubstratlagers von den Maßgaben der immissionsschutzrechtlichen Genehmigung abgewichen wurde und erhebliche Mängel bestehen. Das Landratsamt Reutlingen teilte dem Betreiber daraufhin mit, dass der Behälter des Gärsubstratlagers erst befüllt werden darf, wenn die Mängel beseitigt und die Anlage von einem Sachverständigen nach der Verordnung des Umweltministeriums über Anlagen zum Umgang mit wassergefährdenden Stoffen und über Fachbetriebe (Anlagenverordnung wassergefährdende Stoffe – VAwS) abgenommen wurde. 2. Welche Ursachen sind für dieses Unglück auszumachen? Nach derzeitigem Erkenntnisstand des Landratsamtes Reutlingen ist das Versagen eines am Behälter des Gärsubstratlagers angebrachten Reservestutzens ursächlich für den Austritt des Gärsubstrates. Dieser Reservestutzen einschließlich dessen Schieber hielt dem Druck des im Behälter befindlichen Gärsubstrates offensichtlich nicht stand und wurde herausgedrückt. Die Ermittlungen der Staatsanwaltschaft zur genauen Unglücksursache dauern noch an. 3 Landtag von Baden-Württemberg Drucksache 16 / 1520 3. Welche Genehmigungen müssen Behörden vonseiten der Betreiber vorliegen, um eine solche Anlage ordnungsgemäß betreiben zu dürfen? Biogasanlagen unterliegen je nach Leistung einer baurechtlichen Genehmigungspflicht oder einer Genehmigungspflicht nach dem Bundes-Immissionsschutzgesetz . Besteht eine Genehmigungspflicht nach dem Bundes-Immissionsschutzgesetz schließt die immissionsschutzrechtliche Genehmigung die Baugenehmigung ein. Daneben kann eine wasserrechtliche Erlaubnis erforderlich sein. Weiter haben Betreiber der Behörde die Prüfbescheinigungen über gesetzlich vorgeschriebene Prüfungen vor der Inbetriebnahme vorzulegen; z. B. die Prüfung der Explosionssicherheit nach Betriebssicherheitsverordnung oder die Sachverständigenprüfung nach den wasserrechtlichen Bestimmungen. 5. Wer kommt für die Kosten des Einsatzes sowie den entstandenen Schaden auf? Nach Presseberichten prüft das Versicherungsunternehmen des betroffenen Biogasbetreibers derzeit, ob und ggf. in welchem Umfang Anspruch auf Begleichung des entstandenen Schadens besteht. Davon unabhängig hat das Versicherungsunternehmen laut Presseberichten Gelder für Sofortmaßnahmen zur Verfügung gestellt . Im Übrigen wird auf die Antwort zu Ziffer 8 der kleinen Anfrage DS 16/1352 verwiesen. 6. Wie viele Biogasanlagen gibt es im Zollernalbkreis, im Regierungsbezirk Tübingen sowie in Baden-Württemberg (nach Landkreisen, Kommunen und Gemeinden tabellarisch listen)? Nach Angaben des Ministeriums für Ländlichen Raum und Verbraucherschutz beläuft sich die Anzahl der Biogasanlagen zum 31. Dezember 2016 im Zollernalbkreis auf 13 Anlagen, im Regierungsbezirk Tübingen auf 417 und in Baden- Württemberg auf 928 Anlagen. Diese verteilen sich wie folgt auf die Stadt- und Landkreise: 5HJLHUXQJVEH]LUN 6WXWWJDUW LQVJHVDPW /DQGHVKDXSWVWDGW 6WXWWJDUW /DQGNUHLV %|EOLQJHQ /DQGNUHLV (VVOLQJHQ /DQGNUHLV *|SSLQJHQ /DQGNUHLV /XGZLJVEXUJ 5HPV 0XUU .UHLV /DQGNUHLV +HLOEURQQ XQG 6WDGW +HLOEURQQ +RKHQORKHNUHLV /DQGNUHLV 6FKZlELVFK +DOO 0DLQ 7DXEHU .UHLV /DQGNUHLV +HLGHQKHLP 2VWDOENUHLV Landtag von Baden-Württemberg Drucksache 16 / 1520 4 Die vom Ministerium für Ländlichen Raum und Verbraucherschutz geführte Statistik beinhaltet keine Aufschlüsselung nach Kommunen und Gemeinden. 7. Welche Gefahren können zukünftig von alten, nicht korrekt gewarteten Biogasanlagen für die Bevölkerung ausgehen? Bei nicht korrekt gewarteten Biogasanlagen ist mit Gefährdungen für die Umwelt und Beschäftige, andere Personen und Sachgüter zu rechnen. Daher sehen die einschlägigen Rechtsvorschriften regelmäßige Prüfungen der Anlage durch den Betreiber selbst bzw. die Beauftragung von wiederkehrenden Prüfungen durch externe Sachverständige vor. Beispielhaft genannt seien die Betriebssicherheitsver - ordnung, das Gefahrstoffrecht – hier speziell die Technische Regel Gefahrstoffe Nr. 529 „Tätigkeiten bei der Herstellung von Biogas“ – oder wasserrechtliche Bestimmungen . Für die korrekte Wartung und die ordnungsgemäße Beauftragung von Prüfungen ist unabhängig vom Alter der Biogasanlage deren Betreiber verantwortlich. 5HJLHUXQJVEH]LUN .DUOVUXKH LQVJHVDPW /DQGNUHLV .DUOVUXKH XQG 6WDGW .DUOVUXKH /DQGNUHLV 5DVWDWW XQG 6WDGW %DGHQ %DGHQ 1HFNDU 2GHQZDOG .UHLV 5KHLQ 1HFNDU .UHLV XQG 6WDGW +HLGHOEHUJ /DQGNUHLV &DOZ (Q]NUHLV XQG 6WDGW 3IRU]KHLP /DQGNUHLV )UHXGHQVWDGW 5HJLHUXQJVEH]LUN )UHLEXUJ LQVJHVDPW %UHLVJDX +RFKVFKZDU]ZDOG XQG 6WDGW )UHLEXUJ /DQGNUHLV (PPHQGLQJHQ 2UWHQDXNUHLV /DQGNUHLV 5RWWZHLO 6FKZDU]ZDOG %DDU .UHLV /DQGNUHLV 7XWWOLQJHQ /DQGNUHLV .RQVWDQ] /DQGNUHLV /|UUDFK /DQGNUHLV :DOGVKXW 5HJLHUXQJVEH]LUN 7ELQJHQ LQVJHVDPW /DQGNUHLV 5HXWOLQJHQ /DQGNUHLV 7ELQJHQ =ROOHUQDOENUHLV $OE 'RQDX .UHLV XQG 6WDGW 8OP /DQGNUHLV %LEHUDFK %RGHQVHHNUHLV /DQGNUHLV 5DYHQVEXUJ /DQGNUHLV 6LJPDULQJHQ 5 Landtag von Baden-Württemberg Drucksache 16 / 1520 8. In welchem Ausmaß ist die Trinkwasserversorgung in den betroffenen Landkreisen – unter anderem auch Sigmaringen – von diesem Vorfall beeinträchtigt worden? Bisher wurden keine Auffälligkeiten in den Trinkwasserfassungen festgestellt. Die Untersuchungen werden fortgesetzt. Die Möglichkeit der kurzfristigen Umschaltung auf Ersatzwasserversorgung im Bedarfsfall ist sichergestellt. 9. Welche Maßnahmen wurden zum Schutz der Bevölkerung in Bezug auf die Trinkwasserqualität in den betroffenen Landkreisen unternommen? Das Gesundheitsamt im Landratsamt Reutlingen veranlasste umgehend eine engmaschige Beprobung der Trinkwasserversorgungen im Einzugsgebiet. Diese intensivierte Überwachung wurde bis Anfang März aufrechterhalten. Alle Ergebnisse waren unauffällig. Das Zuschalten einer Trinkwasserersatzversorgung wäre bei Bedarf möglich gewesen. Hierzu bestand jedoch keine Notwendigkeit. 10. In welchen Zustand, Alter und baulicher Substanz sind die Biogasanlagen im Zollernalbkreis, dem Regierungsbezirk Tübingen sowie in Baden-Württemberg ? Das Umweltministerium verweist auf den Bericht zu der im Zeitraum vom 1. März 2013 bis zum 15. Februar 2015 durchgeführten Aktion zur landesweiten Überprüfung der Biogasanlagen in Baden-Württemberg durch die Regierungspräsidien bzw. unteren Verwaltungsbehörden. (s. https://um.baden-wuerttemberg.de/ de/service/presse/pressemitteilung/pid/ergebnisse-der-umfassenden-ueberpruefung -der-biogasanlagen-in-baden-wuerttemberg-vorgelegt/). Eine spezifische Aus wertung nach Landkreisen oder Regierungsbezirken erfolgte nicht. Auch eine Auswertung nach dem Alter der Anlagen ist nicht erfolgt, da sie unabhängig von ihrem Alter den gesetzlichen Bestimmungen entsprechen müssen. Die Regierungspräsidien bzw. unteren Verwaltungsbehörden verfolgen die Beseitigung der festgestellten Mängel in eigener Zuständigkeit. Untersteller Minister für Umwelt, Klima und Energiewirtschaft