Landtag von Baden-Württemberg 16. Wahlperiode 1 Drucksachen und Plenarprotokolle sind im Internet abrufbar unter: www.landtag-bw.de/Dokumente Der Landtag druckt auf Recyclingpapier, ausgezeichnet mit dem Umweltzeichen „Der Blaue Engel“. Drucksache 16 / 1536 31. 01. 2017 Große Anfrage der Fraktion der AfD und Antwort der Landesregierung Verhinderung der Abschiebung eines afghanischen Staatsangehörigen G r o ß e A n f r a g e Wir fragen die Landesregierung: I. 1. Lagen im Fall des Betroffenen von Anfang an Identitätspapiere beziehungsweise ein Pass vor, mittels derer eine Abschiebung schon im Jahr 2011 hätte erfolgen können? 2. Wurde ein Eilantrag gegen die mit der Asylablehnung verbundene Abschiebeandrohung eingelegt und wie wurde dieser gegebenenfalls beschieden? 3. Warum wurde – falls von Anfang an Reisepapiere vorlagen und ein Eilantrag gegen die Abschiebeandrohung zurückgewiesen wurde – nicht schon früher abgeschoben ? 4. Aus welchem Grund vergingen zwischen der erstinstanzlichen Entscheidung im März 2013 und der Terminierung der Abschiebung im Dezember 2016 über drei Jahre ohne Abschiebung? II. 1. Trifft es zu, dass der Betroffene zwar Cannabiskonsument ist, aber nicht wegen Verstoßes gegen das Betäubungsmittelgesetz vorbestraft gewesen ist? 2. Wie oft und mit wie viel Gramm Cannabis oder anderen Rauschmitteln in seinem Besitz ist der Betroffene aufgrund der Tatsache, dass der Besitz von Betäubungsmittel (BtM) kausale Voraussetzung für dessen Konsum ist, polizeiauffällig geworden? Eingegangen: 31. 01. 2017 / Ausgegeben: 31. 03. 2017 Landtag von Baden-Württemberg Drucksache 16 / 1536 2 3. Ab wie viel Gramm Cannabis ist dessen Besitz auch zum Eigenverbrauch strafbar („geringe Menge“)? 4. Sind Strafverfahren gegen den Betroffenen wegen des Besitzes von Cannabis beziehungsweise BtM oder wegen des Verdachts auf andere Straftaten geführt worden? 5. Falls Frage 4 bejaht wird, wie viele dieser Verfahren sind nach § 153, 153 a bis e, 154, 154 a bis f, 170 Absatz 2 oder anderen Vorschriften der Strafprozessordnung eingestellt worden? 6. Ist ihr bekannt, welche inländischen Flüchtlingshilfsorganisationen für den Betroffenen wann und in welcher Hinsicht unterstützend und beratend tätig geworden sind? 7. Sind im Verlauf des Verfahrens ärztliche Bescheinigungen, Atteste oder dergleichen vorgelegt worden, mittels derer eine Reisefähigkeit verneint wurde? 8. Unterlag der Betroffene einer Wohnsitzverpflichtung, einer räumlichen Beschränkung oder dergleichen und falls nein, warum nicht? 9. Wurde der Betroffene – gegebenenfalls wie oft – außerhalb des zugewiesenen Aufenthaltsorts unter Verstoß gegen entsprechende Verpflichtungen angetroffen ? 10. Wurde eine Anordnung nach § 61 Absatz 1c Nummer 2 AufenthG erlassen, nachdem der Betroffene offensichtlich gegen Vorschriften des Betäubungsmittelgesetzes verstoßen hat – wenngleich diese nicht zu einer Verurteilung führten – und falls nein, warum nicht? III. 1. Gegenüber wem (in Ministerien und gegebenenfalls nachgeordneten Behörden) wurde (bitte in Form einer Auflistung) wann von wem in welcher Form interveniert (umgangssprachlich: „Alle Hebel in Bewegung gesetzt“), um die Abschiebung des Betroffenen zu verhindern? 2. Inwiefern hat der Innenminister dem Vorsitzenden der Landespartei von Bündnis 90/Die Grünen einen privilegierten Zugang gewährt, der über die Zugangsmöglichkeiten anderer Bürger hinausgeht? 3. Auf Grundlage welcher gesetzlichen Bestimmung (mit Angabe der Fundstelle) hat der Innenminister den Betroffenen „aus dem Flieger herausgenommen“? 4. Hat ein nachgeordneter Beamter, der nach der Intervention des Innenministers die Anweisung gab, den Betroffenen „aus dem Flieger zu holen“, remonstriert, gegebenenfalls wann und bei wem? 5. Aufgrund welcher Tatsachen oder Umstände ist der Innenminister von der offenbar nur wenige Stunden zuvor gefällten Entscheidung des Verwaltungsgerichts abgewichen? 6. Hat der Ministerpräsident – gegebenenfalls in Ausübung seiner Richtlinienkompetenz nach Artikel 49 Absatz 1 der Verfassung des Landes Baden-Württemberg – den Innenminister angewiesen, die Abschiebung des Betroffenen zu stoppen? 7. Wie ist die Vorgehensweise des Innenministers als auch des Staatssekretärs Martin Jäger mit deren Forderungen in dem – von Staatssekretär Jäger im Auftrag des Innenministers verfassten – sogenannten „Strobl-Papier“ (vgl. Antrag der Fraktion der FDP/DVP – Landtagsdrucksache 16/1212), demzufolge Abschiebungen auch nach Afghanistan erfolgen müssen und in dem auch der unbedingte Wille zu konsequenten Abschiebungen in den Vordergrund gestellt wird, in Einklang zu bringen? Landtag von Baden-Württemberg Drucksache 16 / 1536 3 8. Teilt sie die Meinung von Herrn Hans-Ulrich Sckerl MdL – trotz einer Bestätigung der Rechtmäßigkeit staatlichen Handelns durch das Verwaltungsgericht – im vorliegenden Fall habe man den Betroffenen nicht rechtmäßig abschieben können, und falls ja, auf Basis welcher Überlegungen? 04. 01. 2017 Dr. Meuthen und Fraktion Beg r ü n d u n g Nach Berichten in den elektronischen Medien (hier Rhein-Neckar-Blog, der in das Urteil Einsicht nehmen konnte) verhinderten staatliche Stellen die Abschiebung eines afghanischen Staatsangehörigen nach Afghanistan. Dem lag diesen Berichten zufolge folgender Sachverhalt zugrunde: Besagter Afghane reiste Anfang 2011 nach Deutschland ein und beantragte Asyl. Das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge lehnte seinen Antrag ab und forderte ihn zur Ausreise auf. Dem kam er nicht nach, stattdessen erhob er Klage vor dem Verwaltungsgericht. Diese Klage wurde offenbar erst im März 2013 entschieden. Kurz vor der Entscheidung des Verwaltungsgerichts legte der Kläger 2013 eine Taufurkunde vor, der zufolge er im November 2011 in Sinsheim getauft worden sei. Er berief sich gegenüber dem Gericht auf ein Abschiebehindernis, demzufolge ihm bei Rückkehr nach Afghanistan als Konvertit die Todesstrafe drohe. Das Gericht folgte dieser Argumentation nicht. Vielmehr ging es nach Beweiserhebung davon aus, dass die angebliche Hinwendung zum christlichen Glauben auf bloßen prozesstaktischen Gründen zur Verhinderung der Abschiebung beruhe. Erst drei Jahre später, im Dezember 2016, sollte die Abschiebung erfolgen. Der Flug war im Rahmen einer Sammelabschiebung gebucht. Zur Verhinderung der Vollstreckung der Abschiebung stellte der Afghane kurz vor dem Flug einen Eilantrag. Dieser wurde vom Verwaltungsgericht ebenfalls zurückgewiesen. Dennoch wurde die Abschiebung kurz vor ihrem Vollzug verhindert. Hans-Ulrich Sckerl MdL, innen- und rechtspolitischer Sprecher der Landtagsfraktion GRÜNE, gab einen Tag nach dieser Eilentscheidung gegenüber dem SWR in einem Interview an: „Wir haben alle Hebel in Bewegung gesetzt.“ Er selber habe sich an Staatssekretär Martin Jäger aus dem Innenministerium gewandt. Es habe „viele und zum Teil heftige“ Interventionen gegeben; es sei dann mit Hilfe der Staatskanzlei und dem Landesvorsitzenden der GRÜNEN gelungen, den Innenminister davon zu überzeugen, dass er „diesen Betroffenen lieber aus dem Flieger herausnimmt und nicht abschiebt.“ Auf Nachfrage des SWR, „warum so ein Druck nötig gewesen sei, um die Abschiebung zu verhindern“, antwortete Herr Sckerl, der Innenminister und der Staatssekretär seien der Auffassung gewesen, man könne „diesen Menschen rechtmäßig abschieben“. Des Weiteren stand zu lesen, das Ministerium habe Berichte zurückgewiesen, der Betroffene sei wegen Verstoß gegen das Betäubungsmittelgesetz vorbestraft gewesen ; allerdings sei er Konsument von Cannabis gewesen. Die Große Anfrage soll diese Vorgänge aufklären. Landtag von Baden-Württemberg Drucksache 16 / 1536 4 An two r t Schreiben des Staatsministeriums vom 24. März 2017 Nr. IV-1362: In der Anlage übersende ich unter Bezugnahme auf § 63 der Geschäftsordnung des Landtags von Baden-Württemberg die von der Landesregierung beschlossene Antwort auf die Große Anfrage. Murawski Staatsminister und Chef der Staatskanzlei Landtag von Baden-Württemberg Drucksache 16 / 1536 5 Anlage: Schreiben des Ministeriums für Inneres, Digitalisierung und Migration Mit Schreiben vom 17. März 2017 Nr. 4-13++.-AFG/8/ beantwortet das Ministerium für Inneres, Digitalisierung und Migration im Einvernehmen mit dem Ministerium der Justiz und für Europa im Namen der Landesregierung die Große Anfrage wie folgt: Wir fragen die Landesregierung: I. 1. Lagen im Fall des Betroffenen von Anfang an Identitätspapiere beziehungsweise ein Pass vor, mittels derer eine Abschiebung schon im Jahr 2011 hätte erfolgen können? Zu I. 1.: Bei der Einreise des Betroffenen ins Bundesgebiet im Jahr 2010 lagen keine Identitätsdokumente vor. Somit konnte eine Abschiebung nach bestandskräftigem Abschluss des Asylverfahrens im Mai 2013 zunächst nicht erfolgen. Einen Reisepass hat der Betroffene erst im Juli 2014 vorgelegt. 2. Wurde ein Eilantrag gegen die mit der Asylablehnung verbundene Abschiebeandrohung eingelegt und wie wurde dieser gegebenenfalls beschieden? Zu I. 2.: Es wurde ein Antrag im Rahmen eines Eilrechtsschutzverfahrens gegen die Abschiebung gestellt, der vom zuständigen Verwaltungsgericht am 14. Dezember 2016 abgelehnt wurde. 3. Warum wurde – falls von Anfang an Reisepapiere vorlagen und ein Eilantrag gegen die Abschiebeandrohung zurückgewiesen wurde – nicht schon früher abgeschoben ? 4. Aus welchem Grund vergingen zwischen der erstinstanzlichen Entscheidung im März 2013 und der Terminierung der Abschiebung im Dezember 2016 über drei Jahre ohne Abschiebung? Zu I. 3. und I. 4.: Vor der „Gemeinsamen Absichtserklärung über die Zusammenarbeit im Bereich der Migration zwischen Deutschland und Afghanistan“ im Oktober 2016 erfolgten Rückführungen nach Afghanistan nach bundesweiter Übung nur in Einzelfällen. Abschiebungen wurden vorrangig für nicht in Arbeit stehende ausreisepflichtige Afghanen und Straftäter geprüft. Ab Mitte 2016 standen für unbegleitete Flüge nach Afghanistan keine verfügbaren Flugverbindungen mehr zur Verfügung. Die Abschiebung des Betroffenen konnte daher erst im Rahmen eines Sammelcharters erfolgen. Diese Sammelcharter wurden ab Dezember 2016 durch den Bund organisiert . II. 1. Trifft es zu, dass der Betroffene zwar Cannabiskonsument ist, aber nicht wegen Verstoßes gegen das Betäubungsmittelgesetz vorbestraft gewesen ist? Zu II. 1.: Über einen etwaigen Cannabiskonsum des Betroffenen liegen keine belastbaren Erkenntnisse vor. Gegen den Betroffenen wurde bei der Staatsanwaltschaft ein nach § 31 a Abs. 1 Betäubungsmittelgesetz (BtMG) eingestelltes Ermittlungsverfahren geführt. Erkenntnisse über Vorstrafen liegen nicht vor. Landtag von Baden-Württemberg Drucksache 16 / 1536 6 2. Wie oft und mit wie viel Gramm Cannabis oder anderen Rauschmitteln in seinem Besitz ist der Betroffene aufgrund der Tatsache, dass der Besitz von Betäubungsmittel (BtM) kausale Voraussetzung für dessen Konsum ist, polizeiauffällig geworden? Zu II. 2.: Der Betroffene wurde in Baden-Württemberg bisher einmal wegen eines allgemeinen Verstoßes nach § 29 BtMG von der Polizei zur Anzeige gebracht. Mit Rücksicht darauf, dass der Name des Betroffenen medial verbreitet wurde und daher Persönlichkeitsrechte des Betroffenen tangiert sind, müssen nähere Angaben unterbleiben. 3. Ab wie viel Gramm Cannabis ist dessen Besitz auch zum Eigenverbrauch strafbar („geringe Menge“)? Zu II. 3.: Der unerlaubte Besitz von Cannabis ist gemäß § 29 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 BtMG unabhängig von der Menge grundsätzlich strafbar. Die Grammzahl kann jedoch für die Frage, ob es sich um eine „geringe Menge“ (§ 29 Abs. 5, § 31 a BtMG), eine „normale Menge“ (§ 29 Abs. 1 BtMG) oder eine „nicht geringe Menge“ (§ 29 a, § 30, § 30 a BtMG) handelt, Bedeutung erlangen. 4. Sind Strafverfahren gegen den Betroffenen wegen des Besitzes von Cannabis beziehungsweise BtM oder wegen des Verdachts auf andere Straftaten geführt worden? 5. Falls Frage 4 bejaht wird, wie viele dieser Verfahren sind nach § 153, 153 a bis e, 154, 154 a bis f, 170 Absatz 2 oder anderen Vorschriften der Strafprozessordnung eingestellt worden? Zu II. 4. und II. 5.: In Baden-Württemberg waren gegen den Betroffenen insgesamt zwei Ermittlungsverfahren anhängig. Diese wurden eingestellt. 6. Ist ihr bekannt, welche inländischen Flüchtlingshilfsorganisationen für den Betroffenen wann und in welcher Hinsicht unterstützend und beratend tätig geworden sind? Zu II. 6.: Der Flüchtlingsrat Baden-Württemberg ist in mindestens einem Fall an einen Bundestagsabgeordneten herangetreten und hat darum gebeten, den Fall gegenüber dem Bundesinnenminister und/oder dem Innenminister von Baden-Württemberg aufzugreifen. 7. Sind im Verlauf des Verfahrens ärztliche Bescheinigungen, Atteste oder dergleichen vorgelegt worden, mittels derer eine Reisefähigkeit verneint wurde? Zu II. 7.: Der Betroffene hat im Laufe des Verfahrens ein ärztliches Attest vom 25. November 2014 vorgelegt. Dieses Attest war keine qualifizierte ärztliche Bescheinigung im Sinne des § 60 a Absatz 2 c AufenthG. Folglich galt die gesetzliche Vermutung , dass der Abschiebung keine grundsätzlichen Gründe entgegenstehen (§ 60 a Absatz 2 c Satz 1 AufenthG). Mit Rücksicht auf die Persönlichkeitsrechte des Betroffenen müssen nähere Angaben unterbleiben. Landtag von Baden-Württemberg Drucksache 16 / 1536 7 8. Unterlag der Betroffene einer Wohnsitzverpflichtung, einer räumlichen Beschränkung oder dergleichen und falls nein, warum nicht? Zu II. 8.: Der Betroffene unterlag seit dem 4. August 2015 keiner Wohnsitzverpflichtung mehr, da sein Lebensunterhalt gesichert war. Eine räumliche Beschränkung lag, da die tatbestandlichen Voraussetzungen nicht gegeben waren, nicht vor. 9. Wurde der Betroffene – gegebenenfalls wie oft – außerhalb des zugewiesenen Aufenthaltsorts unter Verstoß gegen entsprechende Verpflichtungen angetroffen ? Zu II. 9.: Es sind keine Verstöße bekannt. 10. Wurde eine Anordnung nach § 61 Absatz 1 c Nummer 2 AufenthG erlassen, nachdem der Betroffene offensichtlich gegen Vorschriften des Betäubungsmittelgesetzes verstoßen hat – wenngleich diese nicht zu einer Verurteilung führten – und falls nein, warum nicht? Zu II. 10.: Eine Anordnung nach § 61 Absatz 1c Nummer 2 AufenthG wurde nicht erlassen. Der Verstoß gegen das Betäubungsmittelgesetz wurde dem hierfür zuständigen Regierungspräsidium erst am 14. Dezember 2016, also kurz vor der beabsichtigten Abschiebung, bekannt. Eine Anordnung nach § 61 Absatz 1c Nummer 2 AufenthG wurde dann im Hinblick auf die bevorstehende Abschiebung, aufgrund der Verfahrenseinstellung durch die Staatsanwaltschaft und der Einmaligkeit des Vorfalls nicht erlassen. III. 1. Gegenüber wem (in Ministerien und gegebenenfalls nachgeordneten Behörden) wurde (bitte in Form einer Auflistung) wann von wem in welcher Form interveniert (umgangssprachlich: „Alle Hebel in Bewegung gesetzt“), um die Abschiebung des Betroffenen zu verhindern? Zu III. 1.: Am Tag der vorgesehenen Rückführung gab es in diesem Zusammenhang eine Vielzahl an Eingaben, die auf verschiedenen Ebenen das Ministerium für Inneres, Digitalisierung und Migration erreicht haben. Dazu gehörten die Bitten einzelner Abgeordneter des Deutschen Bundestages und des baden-württembergischen Landtages, persönliche Gespräche mit Herrn Minister oder Herrn Staatssekretär, insbesondere zur nochmaligen Überprüfung des Sachverhalts, sowie zahlreiche Medienanfragen. Darüber hinaus fand ein gerichtliches Verfahren auf einstweiligen Rechtsschutz statt. Eine vollständige Dokumentation erfolgte nicht, insbesondere nicht bei den Gesprächen. 2. Inwiefern hat der Innenminister dem Vorsitzenden der Landespartei von Bündnis 90/Die Grünen einen privilegierten Zugang gewährt, der über die Zugangsmöglichkeiten anderer Bürger hinausgeht? Zu III. 2.: Die baden-württembergischen Landesvorsitzenden von Bündnis 90/Die Grünen haben als Mitglieder des Koalitionsausschusses einen persönlichen und aufgrund des Sitzungsturnus des Koalitionsausschusses regelmäßigen Kontakt zu Herrn Minister . Landtag von Baden-Württemberg Drucksache 16 / 1536 8 3. Auf Grundlage welcher gesetzlichen Bestimmung (mit Angabe der Fundstelle) hat der Innenminister den Betroffenen „aus dem Flieger herausgenommen“? 4. Hat ein nachgeordneter Beamter, der nach der Intervention des Innenministers die Anweisung gab, den Betroffenen „aus dem Flieger zu holen“, remonstriert, gegebenenfalls wann und bei wem? 5. Aufgrund welcher Tatsachen oder Umstände ist der Innenminister von der offenbar nur wenige Stunden zuvor gefällten Entscheidung des Verwaltungsgerichts abgewichen? Zu III. 3., III. 4. und III. 5.: Der Betroffene war vollziehbar ausreisepflichtig. Aufgrund der am Tag der geplanten Abschiebung beginnenden Presseberichterstattung über den Fall des Betroffenen und dessen Konvertierung zum Christentum stellte sich zum Zeitpunkt des Abbruchs der Abschiebung die Frage, ob jetzt rechtliche Gründe der Abschiebung entgegenstehen. Insbesondere deshalb, da nicht auszuschließen war, dass die Berichterstattung auch in seinem Herkunftsland bekannt wird und nicht abzusehen war, welche Auswirkungen dies haben könnte. Aus diesem Grund musste zur weiteren Prüfung der Sach- und Rechtslage die Abschiebung vorübergehend ausgesetzt werden (§ 60 a Absatz 2 AufenthG). Anlass für eine Remonstration bestand nicht. 6. Hat der Ministerpräsident – gegebenenfalls in Ausübung seiner Richtlinienkompetenz nach Artikel 49 Absatz 1 der Verfassung des Landes Baden-Württemberg – den Innenminister angewiesen, die Abschiebung des Betroffenen zu stoppen? Zu III. 6.: Nein. 7. Wie ist die Vorgehensweise des Innenministers als auch des Staatssekretärs Martin Jäger mit deren Forderungen in dem – von Staatssekretär Jäger im Auftrag des Innenministers verfassten – sogenannten „Strobl-Papier“ (vgl. Antrag der Fraktion der FDP/DVP – Landtagsdrucksache 16/1212), demzufolge Abschiebungen auch nach Afghanistan erfolgen müssen und in dem auch der unbedingte Wille zu konsequenten Abschiebungen in den Vordergrund gestellt wird, in Einklang zu bringen? Zu III. 7.: Die Vorgehensweise steht im Einklang mit der genannten Initiative. Entscheidend kommt es immer auf den jeweiligen Fall an. 8. Teilt sie die Meinung von Herrn Hans-Ulrich Sckerl MdL – trotz einer Bestätigung der Rechtmäßigkeit staatlichen Handelns durch das Verwaltungsgericht – im vorliegenden Fall habe man den Betroffenen nicht rechtmäßig abschieben können, und falls ja, auf Basis welcher Überlegungen? Zu III. 8.: Die rechtmäßige Abschiebung hätte angesichts der am selben Tag geführten öffentlichen Diskussion um eine Konvertierung zum Christentum für den Betroffenen zu einer lebensbedrohlichen Gefahr werden können. Daher ist die Abschiebung zu diesem Zeitpunkt unterblieben. Strobl Minister für Inneres, Digitalisierung und Migration