Landtag von Baden-Württemberg 16. Wahlperiode Drucksache 16 / 1557 02. 02. 2017 1Eingegangen: 02. 02. 2017 / Ausgegeben: 31. 03. 2017 K l e i n e A n f r a g e Ich frage die Landesregierung: 1. Trifft es zu, dass sich die im Bereich der Gemeinde Braunsbach angesiedelte Windkraftanlage mitten in einem Gebiet von vier streng geschützten windkraftsensiblen Greifvogelarten befindet, in dem zudem ein Dichtezentrum des Rotmilans vorhanden ist ? 2. Trifft es zu, dass NABU und LNV aus naturschutzrechtlichen Gründen bereits im April 2016 Widerspruch gegen das in Rede stehende Windrad eingelegt haben , die zuständigen Behörden aus der kommunalen und staatlichen Verwaltung hierauf jedoch bis heute in keiner Weise reagiert haben? 3. Teilt sie die rechtliche Auffassung, wonach die Genehmigung der Errichtung einer Windkraftanlage ausgeschlossen ist, wenn sich ein Standort in einem Dichtezentrum des Rotmilans befindet und der Mindestabstand von einem Kilometer zum Brutplatz des Vogels nicht eingehalten werden kann? 4. Teilt sie ferner die Auffassung, dass die oben genannten rechtlichen Voraussetzungen für die Genehmigung des Baus einer Windkraftanlage im konkreten Fall in Braunsbach eben gerade nicht gegeben sind und von daher die Realisierung eines Anlagenbaus an dem in Rede stehenden Standort aus juristischer Sicht ausgeschlossen ist? 5. Haben die Verbände die naturschutzrechtlichen Bedenken den Behörden rechtzeitig , detailliert und nachvollziehbar mitgeteilt? Kleine Anfrage des Abg. Dr. Friedrich Bullinger FDP/DVP und Antwort des Ministeriums für Umwelt, Klima und Energiewirtschaft Gemeinsamer Eilantrag des Naturschutzbundes Baden-Württemberg e. V. (NABU) und des Landesnaturschutzverbands Baden-Württemberg e. V. (LNV) vor dem Verwaltungsgericht Stuttgart bezüglich rechtswidriger Errichtung eines Windrades in der Gemeinde Braunsbach, Landkreis Schwäbisch-Hall Drucksachen und Plenarprotokolle sind im Internet abrufbar unter: www.landtag-bw.de/Dokumente Der Landtag druckt auf Recyclingpapier, ausgezeichnet mit dem Umweltzeichen „Der Blaue Engel“. Landtag von Baden-Württemberg Drucksache 16 / 1557 2 6. Wenn sie die rechtliche Einschätzung der beiden Verbände nicht teilt, welche Argumente haben sie und die ihr nachgelagerten Behörden einstweilen dazu bewogen die entsprechenden Genehmigungen für die Betreiber zu erteilen? 7. Nach welchen fachlichen Kriterien und stichhaltigen Plausibilitätserwägungenn erfolgte die seitens der Verbände seinerzeit vorgnommene Kartierung? 8. Über welche Fach- und Sachkenntnis, aufgrund von abprüfbaren Qualifizierungs - und Zertifizierungsnachweisen verfügen die von den jeweiligen Verfahrensbeteiligten bestellten Gutachter? 9. Wurden die entsprechenden Nachweise vorab von der zuständigen Bewilligungsbehörde eingehend überprüft? 27. 01. 2017 Dr. Bullinger FDP/DVP B e g r ü n d u n g Der gemeinsame Eilantrag des NABU und des LNV Baden-Württemberg beim Verwaltungsgericht in Stuttgart sieht massive Mängel im Laufe des Genenehmigungsverfahrens der in Rede stehenden Windkraftanlage in Braunsbach. Vor dem Hintergrund einer von allen Seiten eingeforderten transparenten Vorgehensweise im Rahmen der Energiewende scheint es mehr denn je notwendig, rechtliche Klarheit in der betreffenden Angelegenheit zu schaffen. A n t w o r t Mit Schreiben vom 27. Februar 2017 Nr. 4-4516/1557 beantwortet das Ministerium für Umwelt, Klima und Energiewirtschaft die Kleine Anfrage wie folgt: 1. Trifft es zu, dass sich die im Bereich der Gemeinde Braunsbach angesiedelte Windkraftanlage mitten in einem Gebiet von vier streng geschützten windkraftsensiblen Greifvögeln befindet, in dem zudem ein Dichtezentrum des Rotmilans vorhanden ist? 2. Trifft es zu, dass NABU und LNV aus naturschutzrechtlichen Gründen bereits im April 2016 Widerspruch gegen das in Rede stehende Windrad eingelegt haben , die zuständigen Behörden aus der kommunalen und staatlichen Verwaltung hierauf jedoch bis heute in keiner Weise reagiert haben? Das Landratsamt Schwäbisch Hall hat vor Erteilung der immissionsschutzrecht - lichen Genehmigung am 8. Februar 2016 im Rahmen der artenschutzrechtlichen Prüfung das Vorkommen insbesondere des Rotmilans, des Wespenbussards und des Baumfalken im prüfungsrelevanten Gebiet um das geplante Windrad betrachtet und bewertet. Es ist dabei zu dem Ergebnis gekommen, dass zum Zeitpunkt der Genehmigung kein Dichtezentrum des Rotmilans vorlag und Raumnutzungsanalysen und weitere Beobachtungen kein signifikant erhöhtes Tötungsrisiko für den Wespenbussard und den Baumfalken ergeben haben. Der Naturschutzbund Baden-Württemberg (NABU) e. V. und der Landesnaturschutzverband Baden-Württemberg (LNV) e. V. haben am 20. April 2016 Widerspruch gegen die immissionsschutzrechtliche Genehmigung des Landratsamts Schwäbisch Hall eingelegt. Nach ihrer Auffassung befindet sich die genannte 3 Landtag von Baden-Württemberg Drucksache 16 / 1557 Windkraftanlage in einem Dichtezentrum des Rotmilans. Außerdem seien die Mindestabstände zu den Brutvorkommen des Rotmilans, des Wespenbussards, des Baumfalken und des Schwarzmilans nicht eingehalten. Wespenbussard und Schwarzmilan sind im Laufe des Jahres 2016 nach Erteilung der immissionsschutzrechtlichen Genehmigung mit neuen Fortpflanzungsstätten in das Gebiet um die Windenergieanlage hinzugekommen. Weil für diese Vogelarten ein signifikant erhöhtes Tötungsrisiko nicht ausgeschlossen werden kann, hat die Betreiberin der Anlage für den Wespenbussard und den Schwarzmilan vorsorglich entsprechende Anträge auf Ausnahmegenehmigung nach § 45 Abs. 7 BNatSchG beim Regierungspräsidium Stuttgart gestellt. Die Einwendungen der Widerspruchsführer werden derzeit im Rahmen des laufenden Widerspruchsverfahrens und im gerichtlichen Eilverfahren vor dem Verwaltungsgericht Stuttgart überprüft. Eine Entscheidung steht in beiden Verfahren noch aus. 3. Teilt sie die rechtliche Auffassung, wonach die Genehmigung der Errichtung einer Windkraftanlage ausgeschlossen ist, wenn sich ein Standort in einem Dichtezentrum des Rotmilans befindet und der Mindestabstand von einem Kilometer zum Brutplatz des Vogels nicht eingehalten werden kann? Die „Hinweise zur Bewertung und Vermeidung von Beeinträchtigungen von Vogelarten bei Bauleitplanungen und Genehmigungen für Windenergieanlagen“ der LUBW (Stand 1. Juli 2015), die u. a. vom LNV und NABU mitgetragen wurden, sind in dieser Frage die für Baden-Württemberg behördenverbindlichen Standards . Befindet sich die Windkraftanlage innerhalb eines Dichtezentrum des Rotmilans und innerhalb des 1.000-m-Radius zu einer Fortpflanzungsstätte des Rotmilans, so ist eine Raumnutzungsanalyse analog der Erfassungshinweise Vögel der LUBW durchzuführen. Kann aufgrund der Erfassung der regelmäßig frequentierten Nahrungshabitate und Flugkorridore ein signifikant erhöhtes Tötungsrisiko ausgeschlossen werden, so wird das artenschutzrechtliche Tötungsverbot nach § 44 Abs. 1 Nr. 1 BNatSchG nicht erfüllt. Andernfalls ist ein signifikant erhöhtes Tötungsrisiko anzunehmen. Wenn ein signifikant erhöhtes Tötungsrisiko anzunehmen ist, sind Vermeidungsmaßnahmen und eine artenschutzrechtliche Ausnahme nicht geeignet bzw. möglich, sodass die Genehmigung in diesem Falle zu versagen wäre. 4. Teilt sie ferner die Auffassung, dass die oben genannten rechtlichen Voraussetzungen für die Genehmigung des Baus einer Windkraftanlage im konkreten Fall in Braunsbach eben gerade nicht gegeben sind und von daher die Realisierung eines Anlagenbaus an dem in Rede stehenden Standort aus juristischer Sicht ausgeschlossen ist? Ob die Voraussetzungen für die Erteilung der immissionsschutzrechtlichen Genehmigung zur Errichtung und für den Betrieb der Windkraftanlage gegeben sind, wird derzeit im laufenden Widerspruchsverfahren und im Eilverfahren vor dem Verwaltungsgericht geprüft (vgl. Antwort zu den Fragen 1 und 2). 5. Haben die Verbände die naturschutzrechtlichen Bedenken den Behörden rechtzeitig detailliert und nachvollziehbar mitgeteilt? Die Beobachtungen des privaten Naturschutzes aus den Jahren 2013, 2014 und 2015 wurden rechtzeitig, detailliert und nachvollziehbar mitgeteilt. 6. Wenn sie die rechtliche Einschätzung der beiden Verbände nicht teilt, welche Argumente haben sie und die ihr nachgelagerten Behörden einstweilen dazu bewogen die entsprechenden Genehmigungen für die Betreiber zu erteilen? Maßgeblich für die artenschutzrechtliche Beurteilung des Antrags in Braunsbach war für die Genehmigungsbehörde die Betrachtung des Gesamtzeitraums der avifaunistischen Untersuchungen im Genehmigungsverfahren und die Dynamik der Landtag von Baden-Württemberg Drucksache 16 / 1557 4 Fortpflanzungsstätten und Reviere, beginnend von 2012 bis zum Zeitpunkt der Genehmigung am 8. Februar 2016. Unter Berücksichtigung dieser Datengrund - lagen ist die Genehmigungsbehörde zu dem Ergebnis gekommen, dass die Voraussetzungen für die Erteilung einer immissionsschutzrechtlichen Genehmigung vorlagen. 7. Nach welchen fachlichen Kriterien und stichhaltigen Plausibilitätserwägungen erfolgte die seitens der Verbände seinerzeit vorgenommene Kartierung? Der Unteren Naturschutzbehörde im Landratsamt Schwäbisch Hall wurden wiederholt Einzelbeobachtungen mit Beobachtungsprotokollen und Fotodokumentationen mit hoher Auflösung vorgelegt. Aus Sicht der Genehmigungsbehörde waren die Beobachtungen plausibel. 8. Über welche Fach- und Sachkenntnis, aufgrund von abprüfbaren Qualifizierungs - und Zertifizierungsnachweisen verfügen die von den jeweiligen Verfahrensbeteiligten bestellten Gutachter? 9. Wurden die entsprechenden Nachweise vorab von der zuständigen Bewilligungsbehörde eingehend überprüft? Für Qualifizierungs- und Zertifizierungsnachweise gibt es keine Rechtsgrundlage. In Vertretung Meinel Ministerialdirektor