Landtag von Baden-Württemberg 16. Wahlperiode Drucksache 16 / 1559 02. 02. 2017 1Eingegangen: 02. 02. 2017 / Ausgegeben: 07. 04. 2017 K l e i n e A n f r a g e Ich frage die Landesregierung: 1. Hatte das Ministerium für Wissenschaft, Forschung und Kunst (MWK) Kenntnis von der Ausschreibung einer W3-Professur für Neues Testament vom 1. April 2015 an der Katholisch-Theologischen Fakultät der Eberhard Karls Universität Tübingen? 2. Teilt das Ministerium die Auffassung, dass die Universität Tübingen mit dieser Ausschreibung gegen Vorgaben des Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetzes (AGG) verstoßen hat, da die Stelle mit einem Priester besetzt werden sollte und katholische Priester stets männlich sind? 3. Wann hatte das MWK Kenntnis von einer möglichen Rechtswidrigkeit im Zusammenhang der vorgenannten Ausschreibung? 4. Welche Vorgaben sieht das AGG für derartige Ausschreibungen vor? 5. Welche Einschränkungen kann das AGG durch konkordatäre oder kanonische Vorschriften erfahren? 6. Gibt es nach ihrer Kenntnis in anderen Bundesländern Regelungen für derar - tige Fälle? 7. Welche Möglichkeiten der Aufsicht (Rechts-/Fachaufsicht) stehen dem MWK bei rechtswidrigen Ausschreibungen offen? 8. Welche Maßnahmen hat das MWK ergriffen, nachdem es Kenntnis von der möglicherweise rechtswidrigen Ausschreibung hatte? Kleine Anfrage des Abg. Nico Weinmann FDP/DVP und Antwort des Ministeriums für Wissenschaft, Forschung und Kunst Ausschreibungskriterien einer Professur an Katholisch-Theologischer Fakultät Drucksachen und Plenarprotokolle sind im Internet abrufbar unter: www.landtag-bw.de/Dokumente Der Landtag druckt auf Recyclingpapier, ausgezeichnet mit dem Umweltzeichen „Der Blaue Engel“. Landtag von Baden-Württemberg Drucksache 16 / 1559 2 9. Hat es in diesem Fall eine Konkurrentenklage gegeben? 10. Wie ist die vorgenannte Stelle aktuell besetzt? 02. 02. 2017 Weinmann FDP/DVP B e g r ü n d u n g Mit einem Schreiben vom 19. März 2015 wurde das Ministerium für Wissenschaft , Forschung und Kunst über die möglicherweise rechtswidrige Ausschreibung an der Katholisch-Theologischen Fakultät der Eberhards Karls Universität Tübingen informiert. Die Fakultät war auf der Suche nach einem Priester, der die Stelle einer W3-Professur für Neues Testament besetzten sollte. Das kirchliche Hochschulrecht sieht zwar vor, dass in der Regel nur Priester zu Theologieprofessoren berufen werden sollen. Es stellt sich jedoch die Frage, inwieweit das kirchliche Hochschulrecht an staatlichen Universitäten anwendbar ist und Regelungen des Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetzes überlagern kann. Offen bleibt auch, inwieweit das Reichskonkordat oder die römisch-katholische Kirchenvereinbarung von Baden-Württemberg von 2007 die Anwendung kirchlicher Vorschriften regeln und grundgesetzlich garantierte Rechte bei der Berufung von Professoren aushebeln. Daher stellt sich die Frage, ob die Ausschreibung gegen das Allgemeine Gleichstellungsgesetz verstoßen hat, soweit die Berücksichtigung des kirchlichen Standes zur Bedingung bei der Stellenbesetzung einer Professur an der Katholisch-Theologischen Fakultät gemacht wurde. Die sich hieraus ergebenen Fragen soll diese Kleine Anfrage klären. A n t w o r t Mit Schreiben vom 2. März 2017 Nr. 41-771-8-1302.0/3/1 beantwortet das Minis - terium für Wissenschaft, Forschung und Kunst die Kleine Anfrage wie folgt: Ich frage die Landesregierung: 1. Hatte das Ministerium für Wissenschaft, Forschung und Kunst (MWK) Kenntnis von der Ausschreibung einer W3-Professur für Neues Testament vom 1. April 2015 an der Katholisch-Theologischen Fakultät der Eberhard Karls Universität Tübingen? Mit Schreiben vom 23. März 2015 hat die Universität Tübingen beim Ministe - rium für Wissenschaft, Forschung und Kunst den Antrag gestellt, der Funktionsbeschreibung der W3-Professur für „Neues Testament“ zuzustimmen. Das Minis - terium erhielt im Laufe des Genehmigungsverfahrens durch die Universität Tübingen Kenntnis, dass die Katholisch-Theologische Fakultät aufgrund eines Miss - verständnisses die Ausschreibung bereits ohne Zustimmung des Rektorats und ohne die Zustimmung des Ministeriums vorgenommen hatte. Die Zustimmung zur Funktionsbeschreibung wurde nachträglich mit Schreiben vom 3. Juni 2015 erteilt. 3 Landtag von Baden-Württemberg Drucksache 16 / 1559 2. Teilt das Ministerium die Auffassung, dass die Universität Tübingen mit dieser Ausschreibung gegen Vorgaben des Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetzes (AGG) verstoßen hat, da die Stelle mit einem Priester besetzt werden sollte und katholische Priester stets männlich sind? Die Auffassung, dass mit der Ausschreibung gegen das Allgemeine Gleichbehandlungsgesetz (AGG) verstoßen wurde, wird nicht geteilt. 3. Wann hatte das MWK Kenntnis von einer möglichen Rechtswidrigkeit im Zusammenhang der vorgenannten Ausschreibung? Das Ministerium erhielt Ende April 2015 von der formellen Rechtswidrigkeit (Aus - schreibung der Professur ohne Zustimmung des Ministeriums) Kenntnis. 4. Welche Vorgaben sieht das AGG für derartige Ausschreibungen vor? Gemäß § 8 Abs. 1 AGG ist eine unterschiedliche Behandlung wegen eines in § 1 AGG genannten Grundes zulässig, wenn dieser Grund wegen der Art der auszu übenden Tätigkeit oder der Bedingungen ihrer Ausübung eine wesentliche und entscheidende berufliche Anforderung darstellt, sofern der Zweck rechtmäßig und die Anforderung angemessen ist. 5. Welche Einschränkungen kann das AGG durch konkordatäre oder kanonische Vorschriften erfahren? Für die Beurteilung der Rechtslage ist bei der Katholisch-Theologischen Fakultät der Universität Tübingen auf Art. 19 Reichskonkordat zurückzugreifen. Art. 19 enthält folgende Regelungen: „Die Katholisch-Theologischen Fakultäten an den staatlichen Hochschulen bleiben erhalten. Ihr Verhältnis zur kirchlichen Behörde richtet sich nach den einschlägigen Konkordaten und dazugehörenden Schluss - protokollen festgelegten Bestimmungen unter Beachtung der einschlägigen kirchlichen Vorschriften. Die Reichsregierung wird sich angelegen sein lassen, für sämtliche in Frage kommenden katholischen Fakultäten Deutschlands eine einheitliche Praxis zu sichern.“ Unter den Begriff der „einschlägigen kirchlichen Vorschriften“ ist auch das Akkomodationsdekret von 1972 zu zählen, wonach bei der Priesterausbildung Professoren für gewöhnlich Priester sein müssen und nur ausnahmsweise (Regel- Ausnahme) auch Nichtpriester zum Lehramt an einer theologischen Disziplin zugelassen werden sollen. Der Präfekt der Bildungskongregation im Jahre 2001 hat hierzu die Meinung vertreten, das Regel-Ausnahme-Verhältnis werde „nach heute gemeinhin gebilligter Auslegung dahingehend aufgefasst, dass der Anteil der Priester unter den Professoren der Theologischen Fakultät nicht unter 50 % sein soll“ (so auch die Handreichung der Deutschen Bischofskonferenz, dass das Regel -Ausnahme-Verhältnis eine Mehrheit von Priestern voraussetze). Diese konkordatären Vorgaben lassen eine unterschiedliche Behandlung ausnahmsweise gem. § 8 Abs. 1 AGG zu (so auch Georg Bier, Die Stellung Katholisch -Theologischer Fakultäten nach kanonischem Recht und deutschem Recht in Hoping, Helmut (Hg., Universität ohne Gott? Theologie im Haus der Wissenschaften , Freiburg 2007, 130 bis 170, m. w. N.). 6. Gibt es nach ihrer Kenntnis in anderen Bundesländern Regelungen für derar - tige Fälle? Die Regelung des Art. 19 Reichskonkordat gilt grundsätzlich für die Länder gleichermaßen . Weitergehende Regelungen in einzelnen Ländern sind dem Ministe - rium für Wissenschaft, Forschung und Kunst nicht bekannt. Landtag von Baden-Württemberg Drucksache 16 / 1559 4 7. Welche Möglichkeiten der Aufsicht (Rechts-/Fachaufsicht) stehen dem MWK bei rechtswidrigen Ausschreibungen offen? Gemäß § 46 Abs. 3 Satz 4 Landeshochschulgesetz Baden-Württemberg entscheidet das Wissenschaftsministerium auf Antrag der Hochschule über die Funktionsbeschreibungen der Professoren und Professorinnen. Wird die Ausschreibung einer Professur ohne Zustimmung des Ministeriums vorgenommen, so kann das Ministerium seine Zustimmung nachträglich erteilen oder verweigern. 8. Welche Maßnahmen hat das MWK ergriffen, nachdem es Kenntnis von der möglicherweise rechtswidrigen Ausschreibung hatte? Die Zustimmung zur Funktionsbeschreibung wurde nachträglich mit Schreiben vom 3. Juni 2015 erteilt. 9. Hat es in diesem Fall eine Konkurrentenklage gegeben? Es hat keine Konkurrentenklage gegeben. 10. Wie ist die vorgenannte Stelle aktuell besetzt? Der Erstplatzierte hat den Ruf auf die W3-Professor angenommen, die Ernennung steht noch aus. Bauer Ministerin für Wissenschaft, Forschung und Kunst