Landtag von Baden-Württemberg 16. Wahlperiode Drucksache 16 / 1600 10. 02. 2017 1Eingegangen: 10. 02. 2017 / Ausgegeben: 12. 04. 2017 K l e i n e A n f r a g e Ich frage die Landesregierung: 1. Mit welchem durchschnittlichen Wasserstand ist auf der Murr in den nächsten Jahren zu rechnen? 2. In welchem gewässerökologischen Zusammenhang steht der Wasserstand der Murr mit dem Buchenbach, der Lauter, dem Klöpferbach, der Weißach sowie den übrigen zahlreichen kleineren Bächen? 3. Welche Auswirkungen hätte aus ihrer Sicht ein weiteres Absinken des Wasserstandes der Murr auf die Wasserqualität und die Wassertemperatur des Flusses? 4. Welche Auswirkungen hätte aus ihrer Sicht ein weiteres Absinken des Wasserstandes der Murr auf die Pflanzenwelt und deren Vegetationsperiode? 5. Welche Auswirkungen hätte aus ihrer Sicht ein weiteres Absinken des Wasserstandes der Murr auf die Tierwelt, insbesondere auf den Graureiher? 6. Welche Auswirkungen hätte aus ihrer Sicht ein weiteres Absinken des Wasserstandes der Murr auf die Landwirtschaft im Murrtal? 10. 02. 2017 Gruber SPD Kleine Anfrage des Abg. Gernot Gruber SPD und Antwort des Ministeriums für Umwelt, Klima und Energiewirtschaft Regionale Auswirkungen des Niedrigwassers der Murr Drucksachen und Plenarprotokolle sind im Internet abrufbar unter: www.landtag-bw.de/Dokumente Der Landtag druckt auf Recyclingpapier, ausgezeichnet mit dem Umweltzeichen „Der Blaue Engel“. Landtag von Baden-Württemberg Drucksache 16 / 1600 2 B e g r ü n d u n g Laut Landesanstalt für Umwelt, Messungen und Naturschutz (LUBW) sinkt der Grundwasserspiegel derzeit in Baden-Württemberg weiter, mit langjährigen Folgen . Der Wasserstand der Murr liegt aktuell bei 27 cm. Das ist beinahe nur die Hälfte ihres mittleren Wasserstandes (43 cm) und nur knapp über dem niedrigsten Wert seit 1981. Das Absinken des Grundwasserspiegels könnte in seinen Aus - wirkungen eine Region treffen, deren Hauptaugenmerk – leidgeprüft – auf Hochwasser liegt und nicht auf Niedrigwasser. A n t w o r t Mit Schreiben vom 8. März 2017 Nr. 5-0141.5/567/1 beantwortet das Ministerium für Umwelt, Klima und Energiewirtschaft im Einvernehmen mit dem Ministerium für Ländlichen Raum und Verbraucherschutz die Kleine Anfrage wie folgt: 1. Mit welchem durchschnittlichen Wasserstand ist auf der Murr in den nächsten Jahren zu rechnen? Der mittlere Niedrigwasserabfluss (MNQ) der Murr beträgt am Pegel Murr 1,8 m3/s (zugehöriger Wasserstand: 26 cm). Dieser Abflusswert wurde als statistisches Mittel der niedrigsten Jahresabflüsse, die im Referenzzeitraum 1981 bis 2010 beobachtet worden sind, berechnet. Davon beträgt der natürliche Anteil 1,55 m3/s und 0,25 m3/s resultiert aus den Abläufen der Kläranlagen, die im Einzugsgebiet der Murr liegen. Auch in den nächsten Jahren ist davon auszugehen, dass sich der mittlere Niedrigwasserabfluss im Rahmen der natürlichen Variabilität im Bereich dieses Wertes bewegen wird. Infolge des Klimawandels ist jedoch in den nächsten Jahrzehnten damit zu rechnen, dass die Niedrigwasserperioden häufiger und länger auftreten. Der Mittlere Abfluss (MQ) am Pegel Murr liegt im o. g. 30-jährigen Referenzzeitraum bei 5,85 m3/s (zugehöriger Wasserstand: 43 cm). 2. In welchem gewässerökologischen Zusammenhang steht der Wasserstand der Murr mit dem Buchenbach, der Lauter, dem Klöpferbach, der Weißach sowie den übrigen zahlreichen kleineren Bächen? Der Wasserstand der Murr ist abhängig von den örtlichen Niederschlägen und Grundwasserständen sowie den jeweiligen Zuflüssen. Bei Lauter, Klöpferbach, Weißach und Buchenbach handelt es sich um Gewässer die der Murr zufließen. Somit steht auch das Wasserdargebot der Nebenflüsse im Zusammenhang mit den jeweiligen Wasserständen der Murr. Die möglichen Auswirkungen auf die Gewässerökologie des Gesamtsystems Murr mit Seitengewässern kann derzeit aufgrund der hohen Komplexität nicht prognostiziert werden. Fische ziehen sich bei niedrigen Wasserständen aus flachen Gewässerstrecken, die im Oberlauf der Murr und ihren Zuflüssen vorkommen, in Gewässerabschnitte mit ausreichender Wassertiefe zurück. Bei höheren Abflüssen wandern die Fische dann zurück flussaufwärts, sofern keine Querbauwerke den Aufstieg behindern oder gänzlich unterbinden. Betroffen sind vor allem die in den Zuflüssen vorkommenden Fische der Bachforellenregion. Für die Erhaltung der Bestände ist somit die ökologische Durchgängigkeit von grundlegender Bedeutung sowohl im Längsverlauf der Murr als auch bei der Anbindung ihrer Zuflüsse. 3 Landtag von Baden-Württemberg Drucksache 16 / 1600 3. Welche Auswirkungen hätte aus ihrer Sicht ein weiteres Absinken des Wasserstandes der Murr auf die Wasserqualität und die Wassertemperatur des Flusses? Sinkende Wasserstände bedeuten sinkende Abflüsse, geringere Fließgeschwindigkeiten und längere Aufenthaltszeiten. Wenn der Abfluss abnimmt, nimmt der Anteil des Wassers aus den Kläranlagen im Verhältnis zum Gesamtabfluss zu. Damit steigt im Gewässer auch die Konzentration der mit dem geklärten Abwasser eingetragenen Stoffe wie z. B. der Nährstoff Phosphor oder Ammonium. Deswegen ist die Wasserqualität von kläranlagenbeeinflussten Gewässern in Niedrigwassersituationen meist schlechter als bei mittleren Abflüssen. Das gilt auch für die Murr. Die Wassertemperatur eines Flusses ist in Quellnähe im Jahresverlauf relativ konstant und wird mit zunehmendem Abstand zur Quelle von den atmosphärischen Bedingungen (insbesondere Lufttemperatur, Strahlung) beeinflusst. In der Regel wird dadurch der Fluss im Winter kühler und im Sommer wärmer. Der atmosphärische Einfluss ist bei Niedrigwasserverhältnissen wegen der längeren Aufenthaltszeiten und den geringeren Wassermengen größer. Auch Kläranlageneinflüsse auf die Temperatur sind bei Niedrigwasser stärker. In der Regel wirken sie den klimatischen Einflüssen entgegengesetzt, also im Winter erwärmend und im Hochsommer kühlend. Auf die mit niedrigeren Abflüssen im Sommer einhergehenden höheren Wassertemperaturen und niedrigen Sauerstoffgehalte reagieren die an kühles und sauerstoffreiches Wasser angepassten Fische der Bachforellenregion besonders empfindlich . 4. Welche Auswirkungen hätte aus ihrer Sicht ein weiteres Absinken des Wasserstandes der Murr auf die Pflanzenwelt und deren Vegetationsperiode? Die Wasserpflanzen unserer Fließgewässer (Gefäßpflanzen, Moose und Aufwuchs - algen) sind prinzipiell an die Schwankungen des Wasserstandes angepasst. Pe - riodische Wasserstandschwankungen wirken sich mittel- bis langfristig in der Regel nur unerheblich auf die entsprechenden Bestände aus. Eine geringe Wasserführung kann wie unter 3. beschrieben zu erhöhten Nährstoffkonzentrationen füh - ren. Durch die Förderung nährstoffliebender Arten kann sich die Artenzusammensetzung der Wasserpflanzen verändern. Entsprechende Änderungen zeigen sich am ehesten bei den Aufwuchsalgen, da diese eine kurze Regenerationszeit haben. Bei extremen Umweltbedingungen kann es zu Massenentwicklungen kommen. Geringe Wasserstände haben geringere Fließgeschwindigkeiten zur Folge. Wenn sich in einem Gewässer dauerhaft niedrigere Fließgeschwindigkeiten etablieren, kann sich die Artenzusammensetzung der Wasserpflanzen verändern. Insbeson - dere bei den Höheren Pflanzen werden sich die Arten vermehren, die langsam fließende Gewässer bevorzugen. Die typische flussbegleitende Vegetation der Murr in naturnahen Bereichen ist gewässerbegleitender Auwald, u. a. bestehend aus Schwarz-Erlen, Eschen, Silberweiden und einer Krautschicht nährstoffreicher Standorte. Dies zumeist als gewässerbegleitender Streifen, selten flächig ausgedehnt. Die Auenvegetation ist an stark schwankende Wasserstände hervorragend angepasst. Einzelne Niedrigwasserereignisse können zu zeitweiligen leichten Veränderungen in der Artenzusammensetzung führen, verändern diese jedoch nicht grundlegend auf Dauer. Ein dauerhaft niedrigerer Wasserstand könnte unter Umständen dazu führen, dass sich vormals flächiger verbreitete Auenvegetation auf die gewässernahen Streifen beschränkt und sich in weiterer Entfernung vom Gewässer trockenheitstolerantere Pflanzenarten ansiedeln. Neben dem Wasserstand spielt hier jedoch auch die Gewässerdynamik (Häufigkeit, jahreszeitliche Verteilung, Dauer und Ausprägung von Überschwemmungen bzw. Trockenfallen) eine entscheidende Rolle. In vielen Abschnitten ist der Auwald – sofern überhaupt vorkommend – aber bereits jetzt durch entsprechende Nutzungen, z. B. Landwirtschaft, auf einen schmalen Streifen direkt am Gewässer zurückgedrängt. Die Vegetationsperiode, also die Wachstumszeit , ist nicht nur vom Wasserangebot, sondern in besonderem Maße auch vom Temperaturregime abhängig. Eine Verschiebung oder Änderung der Dauer der Vegetationsperiode ist nicht zu erwarten. Landtag von Baden-Württemberg Drucksache 16 / 1600 4 5. Welche Auswirkungen hätte aus ihrer Sicht ein weiteres Absinken des Wasserstandes der Murr auf die Tierwelt, insbesondere auf den Graureiher? Generell sind Tierarten unserer Fließgewässer an die Schwankungen des Wasserstandes angepasst. Natürliche periodische Wasserstandschwankungen wirken sich mittel- bis langfristig betrachtet in der Regel nur unerheblich auf die entsprechenden Populationen aus. Das gilt auch für die direkt in den Fließgewässern lebenden Organismen wie die wirbellosen Kleintiere des Gewässergrundes (Makrozoobenthos ). Ein langanhaltender niedriger Wasserstand führt grundsätzlich zur Verringerung des zur Verfügung stehenden Lebensraumes im Gewässer. Dieser Situation können aber mobile Fließgewässerorganismen in gewissem Umfang durch late - rale und vertikale Fluchtreaktionen ins Lückensystem des Gewässergrundes ausweichen . Auch können die Fließgewässerorganismen mit abnehmender Wassermenge von einer Konzentrationserhöhung der Wasserinhaltsstoffe und einer Abnahme des Sauerstoffgehaltes in unterschiedlicher Weise betroffen sein, wobei die Wassertemperatur einen entscheidenden Einfluss hat. Der Graureiher als Art, die u. a. an Fließgewässern Nahrung sucht, kann teilweise bei Niedrigwasser profitieren, da sich die Nahrungserreichbarkeit verbessern kann. Fische konzentrieren sich dann z. B. an vormals unzugänglichen tieferen Stellen des Gewässers und sind dadurch relativ leichte Beute für den Graureiher. Sollte es bei weiter zurückgehenden Wasserständen bis zu einem teilweisen Trockenfallen von Gewässerabschnitten kommen, so wäre allerdings mit erheb - lichen Beeinträchtigungen zu rechnen, die sich je nach Umfang der trocken gefallenen Abschnitte auch über längere Zeiträume auf die Biozönose des Gewässers auswirken können. Einen kurzfristigen Ausfall der Murr als Nahrungsgewässer für den Graureiher könnte diese, in Bezug auf ihren Nahrungserwerb flexible Art, z. B. durch Ausweichen auf andere Gewässer oder andere Nahrungsquellen wie Mäuse, die auf Wiesen und Ackerland erbeutet werden können, kompensieren. Zu weiteren möglichen Auswirkungen auf die Fische wird auf die Antwort in Ziff. 2 und 3 verwiesen. 6. Welche Auswirkungen hätte aus ihrer Sicht ein weiteres Absinken des Wasserstandes der Murr auf die Landwirtschaft im Murrtal? Für die Landwirtschaft in Baden-Württemberg und auch im Murrtal ist die Höhe des Niederschlags sehr viel entscheidender als der Stand des Flusswassers. Wenn Flusswasser allerdings für eine Beregnung verwendet wird, kann ein niedriger Flusswasserstand auch Auswirkungen auf die landwirtschaftlichen Flächen haben. Nach den uns vorliegenden Informationen findet im Murrtal in der Regel keine Beregnung von landwirtschaftlichen Flächen statt. Untersteller Minister für Umwelt, Klima und Energiewirtschaft