Landtag von Baden-Württemberg 16. Wahlperiode Drucksache 16 / 1604 10. 02. 2017 1Eingegangen: 10. 02. 2017 / Ausgegeben: 12. 04. 2017 K l e i n e A n f r a g e Ich frage die Landesregierung: 1. Wie viele Selbstmorde und Selbstmordversuche haben sich in den letzten Jahren in den baden-württembergischen Gefängnissen (aufgeteilt nach Standort) ereignet? 2. Treten Suizide in der Justizvollzugsanstalt (JVA) Heimsheim häufiger auf als in andere Gefängnissen in Baden-Württemberg? 3. Nach welcher Haftdauer erfolgten die Suizide? 4. Welche (medizinische und sonstige) Maßnahmen werden ergriffen, um Suizide im Justizvollzug zu verhindern? 5. Welche psychologische Hilfe wird Häftlingen angeboten? 6. Gibt es auch psychologische Angebote für Häftlinge ohne Vorbelastung, um die Auswirkungen der Haft auf deren Psyche zu bewerten? 7. Gibt es im Bereich der psychologischen Betreuung von Insassen in der JVA Heimsheim Unterschiede zu anderen Gefängnissen in Baden-Württemberg? 8. Welche Maßnahmen werden ergriffen, um suizidale Tendenzen bei Häftlingen zu erkennen? 10. 02. 2017 Dr. Schweickert FDP/DVP Kleine Anfrage des Abg. Dr. Erik Schweickert FDP/DVP und Antwort des Ministeriums der Justiz und für Europa Suizide in der Justizvollzugsanstalt Heimsheim Drucksachen und Plenarprotokolle sind im Internet abrufbar unter: www.landtag-bw.de/Dokumente Der Landtag druckt auf Recyclingpapier, ausgezeichnet mit dem Umweltzeichen „Der Blaue Engel“. Landtag von Baden-Württemberg Drucksache 16 / 1604 2 B e g r ü n d u n g Nach Medienberichten verstarb Mitte Januar erneut ein Häftling in der JVA Heimsheim durch Suizid. Dies ist mittlerweile der dritte durch Selbstmord verstorbene Insasse innerhalb von zwei Jahren. A n t w o r t Mit Schreiben vom 9. März 2017 Nr. 4518/0059 beantwortet das Ministerium der Justiz und für Europa die Kleine Anfrage wie folgt: 1. Wie viele Selbstmorde und Selbstmordversuche haben sich in den letzten Jahren in den baden-württembergischen Gefängnissen (aufgeteilt nach Standort) ereignet? In den Justizvollzugseinrichtungen des hiesigen Geschäftsbereichs haben sich in den Jahren 2014 bis 2016 insgesamt 97 versuchte und 25 vollendete Suizide ereignet . Diese verteilen sich wie folgt auf die einzelnen Einrichtungen: Im Jahr 2017 ist es bislang zu zwei Suiziden gekommen, davon einer in der Jus - tizvollzugsanstalt Heimsheim und einer in der Justizvollzugsanstalt Stuttgart. -XVWL]YROO]XJVHLQULFKWXQJ 6XL]LGH 6XL]LG YHUVXFKH 'XUFKVFKQLWWV EHOHJXQJ $GHOVKHLP %UXFKVDO )UHLEXUJ +HLOEURQQ +HLPVKHLP -XVWL]YROO]XJVNUDQNHQKDXV .DUOVUXKH .RQVWDQ] 0DQQKHLP 2IIHQEXUJ 5DYHQVEXUJ 5RWWHQEXUJ 5RWWZHLO 6FKZlELVFK *PQG 6FKZlELVFK +DOO 6WXWWJDUW 8OP :DOGVKXW 7LHQJHQ *HVDPW 3 Landtag von Baden-Württemberg Drucksache 16 / 1604 2. Treten Suizide in der Justizvollzugsanstalt (JVA) Heimsheim häufiger auf als in andere Gefängnissen in Baden-Württemberg? Wie sich aus den vorstehenden Zahlen ergibt, lässt sich eine signifikante Häufung von Suiziden in der Justizvollzugsanstalt Heimsheim, ebenso wie in anderen Justizvollzugseinrichtungen, nicht feststellen. 3. Nach welcher Haftdauer erfolgten die Suizide? Die Suizide seit dem Jahr 2014, einschließlich der beiden Suizide des Jahres 2017, ereigneten sich in vier Fällen innerhalb der ersten vier Wochen der Inhaftierung, in achtzehn weiteren Fällen innerhalb der ersten zwölf Monate der Inhaftierung und in fünf weiteren Fällen nach mehr als einem Jahr Haftdauer. 4. Welche (medizinische und sonstige) Maßnahmen werden ergriffen, um Suizide im Justizvollzug zu verhindern? 8. Welche Maßnahmen werden ergriffen, um suizidale Tendenzen bei Häftlingen zu erkennen? Zu 4. und 8.: Der Vermeidung von Suiziden wird im baden-württembergischen Justizvollzug eine hohe Bedeutung beigemessen und dementsprechend werden umfangreiche Maßnahmen zur Suizidprophylaxe ergriffen. Baden-Württemberg ist an der Bundesarbeitsgemeinschaft für Suizidprophylaxe im Justizvollzug beteiligt. Suizidprophylaxe spielt in der anstaltsinternen und landesweiten Fortbildung eine gewichtige Rolle. Im letzten Jahr wurde ein umfangreiches Arbeitsprogramm mit den Schwerpunkten Prävention, Intervention, Nachsorge und Kommunikation erstellt. Neben diesen landeseinheitlichen Maßnahmen existieren auch in den Justizvollzugsanstalten anstaltsinterne Konzepte zur Vermeidung von Suiziden. Ein Kriseninterventionsteam unterstützt Bedienstete nach erfolgten Suiziden. Die Expertenkommission zum Umgang mit psychisch auffälligen Gefangenen hat in ihrem Abschlussbericht empfohlen, dem Kriminologischen Dienst bei der Jus - tizvollzugsschule eine Stelle im Psychologischen Dienst (0,5 AKA) für die Bestellung eines/einer Beauftragten für Suizidprävention in den Justizvollzugsanstalten zuzuweisen. Das Aufgabengebiet umfasst u. a. die Verstärkung der Ausund Fortbildung, die Erarbeitung von Konzepten und Materialien sowie die Unterstützung der Suizidprophylaxe vor Ort in den Justizvollzugsanstalten. Im Staatshaushaltsplan 2017 ist diese Stelle ausgewiesen. Die Besetzung erfolgt im April 2017. Bereits im Rahmen der Zugangsuntersuchung erfasst der medizinische und psychologische Dienst, ob bei einem Gefangenen suizidale Tendenzen vorliegen. Suizidalität ist auch ein Thema in weiteren Behandlungsuntersuchungen und Vollzugsplankonferenzen. Besteht bei Gefangenen die dringende Gefahr eines Suizids, kommen besondere Sicherungsmaßnahmen in Betracht (vgl. §§ 67 ff. JVollzGB III). Letztes Mittel ist die Unterbringung in einem besonders gesicherten Haftraum ohne gefährliche Gegenstände. Im Justizvollzugskrankenhaus besteht die Möglichkeit, Gefangene mit akuter Suizidalität zu behandeln. Landtag von Baden-Württemberg Drucksache 16 / 1604 4 5. Welche psychologische Hilfe wird Häftlingen angeboten? Folgende psychologische Hilfen werden den Gefangenen angeboten: • Krisenintervention, • Einzelgespräche, • Gruppentherapie, z. B. das Behandlungsprogramm für Sexualstraftäter (BPS) oder das Behandlungsprogramm für Gewalttäter (BPG), • Einzelpsychotherapie beim Psychologischen Dienst oder bei externen psychotherapeutischen Fachkräften, • Sozialtherapie in der Sozialtherapeutischen Anstalt Baden-Württemberg (60 Plät - ze), in der Sozialtherapeutischen Anstalt der JVA Offenburg (60 Plätze) oder in der Sozialtherapeutischen Abteilung der Jugendstrafanstalt Adelsheim (20 Plät ze). 6. Gibt es auch psychologische Angebote für Häftlinge ohne Vorbelastung, um die Auswirkungen der Haft auf deren Psyche zu bewerten? Die Angebote des Psychologischen Dienstes stehen grundsätzlich allen Gefangenen zur Verfügung. 7. Gibt es im Bereich der psychologischen Betreuung von Insassen in der JVA Heimsheim Unterschiede zu anderen Gefängnissen in Baden-Württemberg? Nennenswerte Unterschiede bei der psychologischen Betreuung von Gefangenen in der Justizvollzugsanstalt Heimsheim zu anderen Justizvollzugsanstalten in Baden-Württemberg bestehen nicht. In Vertretung Steinbacher Ministerialdirektor