Landtag von Baden-Württemberg 16. Wahlperiode Drucksache 16 / 162 20. 06. 2016 1Eingegangen: 20. 06. 2016 / Ausgegeben: 20. 07. 2016 K l e i n e A n f r a g e Ich frage die Landesregierung: 1. Wie ist der aktuelle Sachstand bei dem Bahnprojekt Ausbau und Elektrifizierung der Bahnstrecke Tübingen–Sigmaringen („Zollernalbbahn“)? 2. Welche Auswirkungen befürchtet sie durch die Nichtaufnahme des Bahn - projekts Ausbau und Elektrifizierung der Bahnstrecke Tübingen–Sigmaringen („Zollernalbbahn“) in den Bundesverkehrswegeplan (BVWP) 2030? 3. Hat sie Erkenntnisse über die Auffassung des Bundes bei der Aufstellung des Bundesverkehrswegeplans, dass auf der Bahnstrecke Tübingen–Sigmaringen keine Engpasssituation im Schienengüterverkehr sowie keine Nachfrage im Schienenpersonenfernverkehr auf der Strecke bestehen werde und daher durch eine Elektrifizierung und einen Ausbau der Streckenabschnitte kein überregionaler Nutzen erzielt werde, sodass das Projekt wegen mangelnder Wirtschaftlichkeit nicht in den Entwurf des BVWP 2030 aufzunehmen sei? 4. Welche Möglichkeiten zur Umsetzung des Bahnprojekts Ausbau und Elektri - fizierung der Bahnstrecke Tübingen–Sigmaringen sieht sie außerhalb des Bundesverkehrswegeplans ? 5. Wie bewertet sie die aktuelle Anbindung des Landkreises Zollernalb an die Städte Tübingen und Reutlingen sowie an die Landeshauptstadt und den Groß - raum Stuttgart? Kleine Anfrage des Abg. Andreas Glück FDP/DVP und Antwort des Ministeriums für Verkehr Ausbau und Elektrifizierung der Bahnstrecke Tübingen–Sigmaringen („Zollernalbbahn“) Drucksachen und Plenarprotokolle sind im Internet abrufbar unter: www.landtag-bw.de/Dokumente Der Landtag druckt auf Recyclingpapier, ausgezeichnet mit dem Umweltzeichen „Der Blaue Engel“. Landtag von Baden-Württemberg Drucksache 16 / 162 2 6. Welche Auswirkungen auf die Reisezeit aus dem Landkreis Zollernalb nach Tübingen, Reutlingen und Stuttgart erwartet sie mittelfristig, wenn es zu keiner Elektrifizierung kommt? 20. 06. 2016 Glück FDP/DVP A n t w o r t Mit Schreiben vom 13. Juli 2016 Nr. 3-3824.1-0/577 beantwortet das Ministerium für Verkehr im Einvernehmen mit dem Finanzministerium die Kleine Anfrage wie folgt: 1. Wie ist der aktuelle Sachstand bei dem Bahnprojekt Ausbau und Elektrifizierung der Bahnstrecke Tübingen–Sigmaringen („Zollernalbbahn“)? Die Vorplanung für die Zollernalbbahn „Tübingen–Albstadt einschließlich der Talgangbahn“ ist fertiggestellt. Im laufenden Jahr soll nach Auskunft des Vorhabenträgers die Abstimmung der fahrplantechnischen Überprüfung mit der DB Netz AG erfolgen. 2. Welche Auswirkungen befürchtet sie durch die Nichtaufnahme des Bahn - projekts Ausbau und Elektrifizierung der Bahnstrecke Tübingen–Sigmaringen („Zollernalbbahn“) in den Bundesverkehrswegeplan (BVWP) 2030? Das Land Baden-Württemberg hatte die ABS Tübingen–Sigmaringen–Aulendorf –Kißlegg (Elektrifizierung der Gesamtstrecke und partieller Doppelspurausbau zwischen Tübingen und Albstadt) zum BVWP 2030 angemeldet (Gruppe 2: Achsen zwischen Oberzentren), gerade auch im Hinblick darauf, dass entlang der Bahnstrecke eine Landesentwicklungsachse des gültigen Landesentwicklungsplans verläuft. Die Nichtaufnahme würde bedeuten, dass die Strecke auch nicht in den „Bedarfplan für die Bundesschienenwege“ kommen kann. Damit wäre für den Ausbau eine ausschließliche Bundesfinanzierung verwehrt. Nach dem klaren Wortlaut des § 3 Absatz 1 BSWAG sollen in den Bedarfsplan jedoch Eisenbahnstrecken des Fern- wie des Regionalverkehrs aufgenommen werden. Diese grundsätzliche BVWP- und Bedarfsplan-Fähigkeit aller Eisenbahnstrecken bestreitet der Bund, indem er argumentiert, der Ausbau von Strecken, auf denen vornehmlich Schienenpersonennahverkehr stattfindet, sei ausschließlich Ländersache. Das widerspricht jedoch der geltenden Verfassungslage, wonach der Bund generell für den Ausbau seiner bundeseigenen Infrastruktur zuständig ist. Eine Nichtelektrifizierung hätte u. a. zur Folge, dass die bislang durchgehenden Verkehre Stuttgart–Tübingen–Sigmaringen gebrochen werden müssten, da nach der Vollendung von S 21 keine Dieseltriebzüge mehr in Stuttgart Hbf einfahren können (siehe auch Antworten zu den Fragen der Ziffern 5 und 6). 3. Hat sie Erkenntnisse über die Auffassung des Bundes bei der Aufstellung des Bundesverkehrswegeplans, dass auf der Bahnstrecke Tübingen–Sigmaringen keine Engpasssituation im Schienengüterverkehr sowie keine Nachfrage im Schienenpersonenfernverkehr auf der Strecke bestehen werde und daher durch eine Elektrifizierung und einen Ausbau der Streckenabschnitte kein überregionaler Nutzen erzielt werde, sodass das Projekt wegen mangelnder Wirtschaftlichkeit nicht in den Entwurf des BVWP 2030 aufzunehmen sei? Die Landesregierung hat darüber keine Erkenntnisse. Sie verfügt lediglich über die Informationen aus dem öffentlich zugänglichen „Projektinformationssystem“ 3 Landtag von Baden-Württemberg Drucksache 16 / 162 (PRINS), erhältlich auf der Internetseite des BMVI. Dort steht auf der Liste der „Sonstigen Projekte (Schiene), die nicht Bestandteil des BVWP 2030 sind“, unter Projektnummer 1-177 der in der o. g. Frage enthaltene Inhalt als Begründung, warum das Projekt in der Grobbewertung ausgeschieden ist, und somit nicht in den BVWP aufgenommen werden soll. Die Landesregierung hat in ihrer Stellungnahme zum Entwurf des BVWP die Nichtaufnahme der Zollernalbbahn und die Argumentation des Bundes gerügt. Die komplette Stellungnahme ist auf der Internetseite des VM abrufbar. 4. Welche Möglichkeiten zur Umsetzung des Bahnprojekts Ausbau und Elektri - fizierung der Bahnstrecke Tübingen–Sigmaringen sieht sie außerhalb des Bundesverkehrswegeplans ? Die Zollernalbbahn ist Bestandteil des Rahmenvorhabens „Regionalstadtbahn Neckar-Alb“, welches zur Förderung nach dem Gemeindeverkehrsfinanzierungsgesetz (GVFG) des Bundes (Kategorie C) angemeldet ist. In Abstimmung mit dem Bund und vorbehaltlich der gesetzlichen Umsetzung der politisch vorgesehenen Nachfolgeregelung für das nach derzeitigem Stand mit dem Jahr 2019 endenden Bundesprogramms könnte auch darüber hinaus eine entsprechende Förderung in Betracht gezogen werden. 5. Wie bewertet sie die aktuelle Anbindung des Landkreises Zollernalb an die Städte Tübingen und Reutlingen sowie an die Landeshauptstadt und den Großraum Stuttgart? Aus dem Zollernalbkreis besteht derzeit eine attraktive IRE-Direktverbindung zu den Städten Tübingen, Reutlingen und Stuttgart im Zweistundentakt. Aufgrund des Einsatzes der Neigetechnik sind die Fahrtzeiten gegenüber der Anbindung auf der Straße durchaus konkurrenzfähig. Daneben besteht aus dem Zollernalbkreis bis Tübingen eine Regionalbahnverbindung mit spurtstarken Dieseltriebwagen, die unter der Woche stündlich, am Wochenende zweistündlich verkehren. Langfristiges Ziel der Landesregierung ist es, beide Linien täglich stündlich verkehren zu lassen, wobei es im IRE-Verkehr zu Brechungen in Tübingen kommen kann (siehe Antwort zu Frage 6). 6. Welche Auswirkungen auf die Reisezeit aus dem Landkreis Zollernalb nach Tübingen, Reutlingen und Stuttgart erwartet sie mittelfristig, wenn es zu keiner Elektrifizierung kommt? Die Landesregierung erwartet zwar keine gravierenden Auswirkungen auf die Reisezeit, wenn die Zollernalbbahn nicht elektrifiziert wird. Allerdings würde auf den Relationen Zollernalbkreis–Reutlingen und Zollernalbkreis–Stuttgart mittelfristig ein Umsteigen in Tübingen notwendig werden, weil der zukünftige Tiefbahnhof in Stuttgart aus Gründen der Luftreinhaltung nicht mit Dieselfahrzeugen befahren werden kann. Die Landesregierung wird in diesem Falle für aufeinander abgestimmte Anschlüsse in Tübingen Sorge tragen, sodass keine signifikanten Verlängerungen der Reisezeit zu erwarten sind. Dennoch wäre dieser erzwungene Umstieg für die Fahrgäste ein deutlicher Nachteil. Bereits heute bestehen in den Hauptverkehrszeiten auf der Zollernalbbahn aufgrund der hohen Nachfrage Kapazitätsengpässe , die ohne eine Elektrifizierung schwer zu bewältigen sein werden. Hermann Minister für Verkehr