Landtag von Baden-Württemberg 16. Wahlperiode Drucksache 16 / 166 21. 06. 2016 1Eingegangen: 21. 06. 2016 / Ausgegeben: 20. 07. 2016 K l e i n e A n f r a g e Ich frage die Landesregierung: 1. Wie ist der aktuelle Planungs- und Verfahrensstand hinsichtlich des Abrisses des denkmalgeschützten MAN-Stahlhauses in der Oberwiesenstraße in Stuttgart -Sillenbuch? 2. Prüft die oberste Denkmalschutzbehörde des Landes diesen Fall derzeit? 3. Nach welchen Gesichtspunkten erfolgt dies? 4. Ist vonseiten der obersten Denkmalschutzbehörde eine Revision dieser Genehmigung möglich? 5. Inwieweit hält sie die Erhaltung des MAN-Stahlhauses nach der Wirtschaftlichkeitsberechnung für zumutbar? 6. Ist nach Einschätzung der obersten Denkmalschutzbehörde nach einer möglichen Sanierung des Gebäudes der Verlust des Status als Kulturdenkmal zu erwarten ? 7. Lag den zuständigen Behörden eine gutachtliche Gesamtbewertung durch Fach - leute vor bzw. wurde diese nach ihrem Kenntnisstand verlangt? 8. Liegt nach ihrem Kenntnisstand ein Versuch eines Erhaltungskonzepts für das Gebäude vor? Kleine Anfrage der Abg. Gabriele Reich-Gutjahr FDP/DVP und Antwort des Ministeriums für Wirtschaft, Arbeit und Wohnungsbau Abrissgenehmigung des denkmalgeschützten MAN (Maschinenfabrik Augsburg-Nürnberg)-Stahlhauses in Stuttgart-Sillenbuch Drucksachen und Plenarprotokolle sind im Internet abrufbar unter: www.landtag-bw.de/Dokumente Der Landtag druckt auf Recyclingpapier, ausgezeichnet mit dem Umweltzeichen „Der Blaue Engel“. Landtag von Baden-Württemberg Drucksache 16 / 166 2 9. Welche Vorgehensweisen werden nach ihrer Kenntnis im gutachterlichen und genehmigungsrechtlichen Sinne in anderen Bundesländern in vergleichbaren Fällen angewendet? 20. 06. 2016 Reich-Gutjahr FDP/DVP B e g r ü n d u n g Das aus dem Jahre 1950 stammende MAN-Stahlhaus in der Stuttgarter Oberwiesenstraße soll mit Genehmigung vom 29. Januar 2016 abgerissen werden. Das Gebäude wurde vom Landesamt für Denkmalpflege am 24. November 2015 als Kulturdenkmal bezeichnet. Derzeit bestehen erhebliche Bedenken gegen die rechtliche Zulässigkeit der Abrissgenehmigung. Nach einer Petition ist die oberste Denkmalbehörde des Landes damit befasst. Die Kleine Anfrage soll klären, nach welchen Gesichtspunkten die weitere Überprüfung erfolgt, welche Auswirkungen diese haben könnte und ggf. welche Verbesserungsmöglichkeiten bei den unteren Genehmigungsbehörden bestehen, um solche Konflikte zukünftig zu vermeiden. A n t w o r t Mit Schreiben vom 13. Juli 2016 Nr. 6-255+.-Stuttgart/144/5 beantwortet das Ministerium für Wirtschaft, Arbeit und Wohnungsbau die Kleine Anfrage wie folgt: 1. Wie ist der aktuelle Planungs- und Verfahrensstand hinsichtlich des Abrisses des denkmalgeschützten MAN-Stahlhauses in der Oberwiesenstraße in Stuttgart -Sillenbuch? Zu 1.: Die untere Denkmalschutzbehörde der Stadt Stuttgart hat am 6. Juli 2016 gegen - über dem Grundstückseigentümer die Freigabe zur Translozierung des Bauwerks in das Hohenloher Freilandmuseum in Schwäbisch Hall-Wackershofen erteilt. Die Abrissgenehmigung vom 29. Januar 2016 wurde an eine Freigabeerklärung geknüpft, für die umfangreiche Dokumentationen erbracht werden mussten. Diese Auflagen wurden seitens des Eigentümers zwischenzeitlich erfüllt. 2. Prüft die oberste Denkmalschutzbehörde des Landes diesen Fall derzeit? 3. Nach welchen Gesichtspunkten erfolgt dies? Zu 2. und 3.: Das Ministerium für Wirtschaft, Arbeit und Wohnungsbau prüft als oberste Denkmalschutzbehörde diesen Fall derzeit im Rahmen des anhängigen Petitionsverfahrens . Dies geschieht unter Berücksichtigung von Stellungnahmen der Stadt Stuttgart als unterer Denkmalschutzbehörde, einer ergänzenden Stellungnahme des Regierungspräsidiums Stuttgart als höherer Denkmalschutzbehörde sowie Ausfüh - rungen des Landesamts für Denkmalpflege im Regierungspräsidium Stuttgart als zuständiger Fachbehörde. Die Prüfung erfolgt auf Grundlage der einschlägigen rechtlichen Bestimmungen wie etwa des Denkmalschutzgesetzes des Landes. 3 Landtag von Baden-Württemberg Drucksache 16 / 166 4. Ist vonseiten der obersten Denkmalschutzbehörde eine Revision dieser Genehmigung möglich? Zu 4.: Entscheidungen über denkmalrechtliche Abbruchanträge sind im Rahmen des dafür gesetzlich vorgesehenen förmlichen Genehmigungsverfahrens zu treffen. Zuständige Genehmigungsbehörde ist dabei die Stadt Stuttgart als untere Denkmalschutzbehörde . Diese hat am 29. Januar 2016 eine Abbruchgenehmigung erteilt , die mit Erfüllung der damit verbundenen Auflagen vom Eigentümer voll - zogen werden kann. Anhaltspunkte für eine unzutreffende Bearbeitung durch die Stadt Stuttgart, die ein Einschreiten der obersten Denkmalschutzbehörde im Wege der Rechts- und Fachaufsicht rechtfertigen könnten, sind nicht ersichtlich. 5. Inwieweit hält sie die Erhaltung des MAN-Stahlhauses nach der Wirtschaftlichkeitsberechnung für zumutbar? Zu 5.: Die Prüfung der wirtschaftlichen Zumutbarkeit für den Erhalt des Denkmals war im vorliegenden Fall nicht entscheidungsrelevant und wurde deshalb auch nicht vorgenommen. 6. Ist nach Einschätzung der obersten Denkmalschutzbehörde nach einer möglichen Sanierung des Gebäudes der Verlust des Status als Kulturdenkmal zu erwarten ? 7. Lag den zuständigen Behörden eine gutachtliche Gesamtbewertung durch Fachleute vor bzw. wurde diese nach ihrem Kenntnisstand verlangt? Zu 6. und 7.: Das Landesamt für Denkmalpflege kam auf Grundlage einer gutachterlichen Untersuchung zu der Auffassung, dass bei einer Sanierung des Objektes wegen der damit verbundenen erheblichen Eingriffe in die originale Bausubstanz die Kulturdenkmaleigenschaft des Stahlhauses verloren ginge. Das gutachterlich beauftragte Büro ist ein in der Denkmalpflege sehr erfahrenes Büro, das mit Fragen der Metallrestaurierung, beispielsweise der Kuppelhäuser der Wilhelma, vertraut ist. Die zuständigen Fachbereiche des Landesamtes für Denkmalpflege (Restaurierung , Bauforschung, Denkmalumgang) teilten die Ergebnisse der Analyse. Eine nachhaltige Sanierung – insbesondere der gravierenden Korrosionsschäden am tragenden Gerüst und an den Außenwandelelementen (Stahltafeln) – würde eine Rückführung des Hauses auf den Rohzustand erfordern, wodurch u. a. wesentliche Ausstattungsmerkmale verloren gingen. Eine Instandsetzung des Gebäudes hätte insgesamt eine erhebliche Minimierung des für den baudokumentarischen Wert entscheidenden bauzeitlichen Bestandes zur Folge und führte so zum Verlust der Kulturdenkmaleigenschaft des Objekts. Auch Fachleute des Hohenloher Freilandmuseums kamen zu diesem Ergebnis. Das Ministerium sieht keine Veranlassung, an der Einschätzung der zuständigen Fachbehörde und der beteiligten Experten zu zweifeln. 8. Liegt nach ihrem Kenntnisstand ein Versuch eines Erhaltungskonzeptes für das Gebäude vor? Zu 8.: Die Erhaltung eines Kulturdenkmals ist stets denkmalfachliche Zielsetzung des Landesamtes für Denkmalpflege. Dies konnte, wie unter Punkt 7 beschrieben, unter Erhalt der Kulturdenkmaleigenschaft des Objektes im konkreten Fall nicht umgesetzt werden. Aus denkmalfachlicher Sicht zu begrüßen ist deshalb die geplante Translozierung des MAN-Stahlhauses in das Freilandmuseum Wackers - Landtag von Baden-Württemberg Drucksache 16 / 166 4 hofen durch eine bundesweit anerkannte Fachfirma. Damit wird die Möglichkeit eröffnet, dass das Gebäude als Museumsgut im Kontext der wissenschaftlichen Hausforschung in weiten Teilen erhalten bleibt und einem breiten Publikum zugänglich gemacht wird. 9. Welche Vorgehensweisen werden nach ihrer Kenntnis im gutachterlichen und genehmigungsrechtlichen Sinne in anderen Bundesländern in vergleichbaren Fällen angewendet? Zu 9.: Denkmalrechtliche Entscheidungen erfolgen auf Grundlage der jeweils einschlägigen landesrechtlichen Vorschriften im Rahmen von Einzelfallentscheidungen. Von daher sind grundsätzliche Aussagen zur Vorgehensweise in anderen Bundesländern nicht möglich. Im Hinblick auf die vorstehenden Ausführungen zu dem konkreten Fall sind jedoch andere Vorgehensweisen in anderen Bundesländern in vergleichbaren Fällen schwer vorstellbar. Dr. Hoffmeister-Kraut Ministerin für Wirtschaft, Arbeit und Wohnungsbau