Landtag von Baden-Württemberg 16. Wahlperiode 1 Drucksachen und Plenarprotokolle sind im Internet abrufbar unter: www.landtag-bw.de/Dokumente Der Landtag druckt auf Recyclingpapier, ausgezeichnet mit dem Umweltzeichen „Der Blaue Engel“. Große Anfrage der Fraktion der AfD und Antwort der Landesregierung Grundstücksgeschäfte des Oberbürgermeisters von Schwäbisch Hall mit nahen Angehörigen – Wann ist ein kommunaler Amtsträger bei Durchführung von Amtsgeschäften befangen? G r o ß e A n f r a g e Wir fragen die Landesregierung: 1. Welche Sanktionsmaßnahmen sieht die baden-württembergische Gemeindeordnung – auch im Wiederholungsfall – vor, wenn es sich zweifelsfrei herausstellt, dass – wie in Schwäbisch Hall – ein als Amtsträger und Vertreter seiner Stadt handelnder Oberbürgermeister Immobilienverkäufe von im Eigentum der Kommune stehendem Grundbesitz an nahe Angehörige durchführt und im Gemeinderat hierüber mit abstimmt, ohne dies vor Beschlussfassung im Gemeinderat beziehungsweise vor Vertragsabschluss preiszugeben und wenn es sich nach Prüfung durch die Rechtsaufsicht (Regierungspräsidium Stuttgart) herausgestellt hat, dass der Oberbürgermeister bei Abschluss des Grundstücksverkaufs an nahe Angehörige im Sinne des § 18 Gemeindeordnung Baden-Württemberg befangen war? 2. Besteht gemäß baden-württembergischer Gemeindeordnung oder aufgrund anderer Rechtsvorschriften ein Zwang auf Rückabwicklung des Geschäfts auf Kosten des befangenen und deshalb rechtsfehlerhaft handelnden kommunalen Amtsträgers oder ist die Rückabwicklung ins Belieben des Amtsträgers oder des Gemeinderats gestellt? 3. Wer trägt im Fall der Rückabwicklung des Verkaufsgeschäfts in Schwäbisch Hall die Kosten der Rückabwicklung (Kosten für Rechtsanwalt, Notar, Grundbuchkosten etc.)? 4. Wie hoch sind die Rückabwicklungskosten für den Fall, dass der Verkauf des Pflegeheims Sonnengarten und der mitverkauften Objektgesellschaft tatsächlich rückabgewickelt wird, wie von der Gemeinderatsmehrheit gemäß Zeitungsberichterstattung gefordert (vgl. Stuttgarter Zeitung vom 6. Februar 2017: „Umstrittener Immobiliendeal in Schwäbisch Hall: Rathauschef war befangen“)? Eingegangen: 28. 03. 2017 / Ausgegeben: 15. 05. 2016 Drucksache 16 / 1671 28. 03. 2017 Landtag von Baden-Württemberg Drucksache 16 / 1671 2 5. Wurde der vom Oberbürgermeister veranlasste und von ihm als Mitglied des Gemeinderats trotz Befangenheit mitbeschlossene Verkauf des im Eigentum der städtischen Grundstücks- und Wohnungsbaugesellschaft (GWG; Tochtergesellschaft der Stadt Schwäbisch Hall) ) stehenden Pflegeheims notariell beurkundet ? 6. Falls der Immobilienverkauf – wie in Deutschland üblich – notariell beurkundet wurde: Wer hat vonseiten des Verkäufers als deren Vertreter (Stadt Schwäbisch Hall beziehungsweise Tochtergesellschaft GWG) bei der notariellen Beurkundung für die Stadt Schwäbisch Hall beziehungsweise für deren Tochtergesellschaft GWG den Kaufvertrag unterschrieben? 7. Wer war für die Seite des Käufers bei der notariellen Beurkundung anwesend und hat für die Seite des Käufers unterschrieben? 8. Wurde im Falle der notariellen Beurkundung des Pflegeheimverkaufs zuvor vom Notar – wie bei notariellen Beurkundungen von Grundstückskaufverträgen in Deutschland üblich – eine Rechtsbelehrung durchgeführt, wobei auch auf die Folgen eines wegen Befangenheit eines Vertragspartners rechtsfehlerhaft zustande gekommenen Immobilienverkaufs hingewiesen wurde? 9. Hat sich der den Pflegeheimverkauf beurkundende Notar zuvor von der persönlichen Identität beider Vertragsparteien und der für beide Seiten handelnden Vertreter überzeugt, beispielsweise durch Vorlage des Personalausweises und durch Grundbucheinsicht bezüglich des Käufers? 10. Hat sich der den Pflegeheimverkauf beurkundende Notar angesichts der Höhe des Kaufpreises vor der notariellen Beurkundung von der finanziellen Solidität des Käufers überzeugt, um zu vermeiden, dass das zu beurkundende Verkaufsgeschäft mangels finanzieller Solidität des Käufers und möglicherweise geplatzter Finanzierung später wieder rückabgewickelt werden muss? 11. Falls Frage 10 bejaht wird: Weshalb ist dem beurkundenden Notar dabei nicht aufgefallen, dass es sich beim Käufer um eine dem Oberbürgermeister (handelnd für die Stadt Schwäbisch Hall als Verkäufer) nahestehende Person handelt und die deshalb in der Person des Oberbürgermeisters liegenden Befangenheitsgründe Hinderungsgründe für den Abschluss des Pflegeheimverkaufs darstellen? 12. Falls Frage 10 verneint wird: Warum hat sich der beurkundende Notar nicht von der finanziellen Solidität und damit von der Identität des Käufers überzeugt ? 13. Lagen dem beurkundenden Notar zugunsten der finanzierenden Bank Anträge von auf den Namen des Käufers als Schuldner lautende und ins Grundbuch (Abteilung III) einzutragende Grundschulden vor, wodurch er hätte erkennen müssen, dass es sich beim Käufer nach Prüfung der Identität um eine gegenüber dem Oberbürgermeister nahestehende Person handelt? 14. Hätte der beurkundende Notar nach Prüfung der Identität der für beide Seiten handelnden Personen (Vertreter) unter Berücksichtigung der bei derartigen Geschäften anzuwendenden, gemäß seiner Berufsgrundsätze ihm obliegenden Sorgfaltspflichten erkennen müssen, dass es sich bei beiden Vertragspartnern beziehungsweise bei den „dahinter“ stehenden Personen um nahe Angehörige im Sinne des § 18 der Gemeindeordnung Baden-Württemberg gehandelt hat? 15. Wird bei der Ausbildung der Verwaltungsbeamten an den Verwaltungshochschulen des Landes, insbesondere bei Bürgermeisteranwärtern und anderen kommunalen Entscheidungsträgern, Bezug genommen auf den § 18 der badenwürttembergischen Gemeindeordnung (Befangenheit)? Landtag von Baden-Württemberg Drucksache 16 / 1671 3 16. Wie ist sichergestellt, dass in die kommunale Verwaltungslaufbahn wechselnde Quereinsteiger, die – wie im Fall des Schwäbisch Haller Oberbürgermeisters – keine Ausbildung an Verwaltungshochschulen des Landes oder ähnlichen Einrichtungen durchlaufen haben, Kenntnis erlangen vom Tatbestand der Befangenheit (§ 18 Gemeindeordnung Baden-Württemberg u. a.)? 17. Ist bei der Stadt Schwäbisch Hall und ihren Tochtergesellschaften eine interne Revision beziehungsweise ein gut funktionierendes internes Kontroll-System (IKS) hinsichtlich aller in finanziellen Transaktionen sich niederschlagenden Geschäftsvorfällen installiert? 18. Falls Frage 17 bejaht wird: Ist das interne Kontroll-System in Kraft, das heißt wird es in der Praxis eingesetzt (beispielsweise Vier-Augen-Prinzip, Unterschriftberechtigung in Abhängigkeit von der Höhe des zugrunde liegenden Kaufs- und Verkaufsgeschäfts, stichprobenweise Prüfung von aufgrund der Einmaligkeit des Geschäfts besonders auffallenden Geschäftsvorfällen, intensivere Prüfung von Nicht-Routine-Vorgängen u. a.)? 19. Falls Frage 18 bejaht wird: Warum wurde der Vorgang vom Durchlauf der Geschäftsvorfälle her nicht ausgesteuert und einer manuellen Sachbearbeitung zugeleitet, die die Rechtswidrigkeit des Verkaufs hätte erkennen können? 20. Wurde über den Verkauf des über eine Tochtergesellschaft in städtischem Eigentum stehenden Pflegeheims Sonnengarten einschließlich der mitverkauften Objektgesellschaft in öffentlicher Sitzung im Gemeinderat der Stadt Schwäbisch Hall beraten und abgestimmt? 21. Wie lautete das Abstimmungsergebnis (mit Angabe der Aufteilung auf die Fraktionen)? 22. Wie lauten die Gründe des Oberbürgermeisters und des Gemeinderats, weshalb das Pflegeheim Sonnengarten von einer kommunalen Betriebsführung in eine private Betriebsführung überführt und deshalb verkauft werden soll? 23. Welche Vorteile sollen die im dortigen Pflegeheim betreuten Senioren nach dem Übergang auf eine private Betriebsführung im Vergleich zur bisherigen kommunalen Betriebsführung haben, die einen Verkauf an einen privaten Betreiber rechtfertigen würden? 24. Wie lauten die Betriebsergebnisse laut Jahresabschluss (Gewinn- und Verlustrechnung ) des Pflegeheims Sonnengarten in den vergangenen zehn Jahren und in welcher Rechtsform wird das Pflegeheim geführt? 25. Werden die Jahresabschlüsse des Pflegeheims Sonnengarten von einem Wirtschaftsprüfer geprüft und wenn ja, für welches Geschäftsjahr liegt der letzte von einem Abschlussprüfer geprüfte Jahresabschluss vor? 26. Werden die Jahresabschlüsse des Pflegeheims im Bundesanzeiger oder anderswo veröffentlicht? 27. Hält die Stadt Schwäbisch Hall auch weiterhin an den Verkaufsplänen des Pflegeheims Sonnengarten fest, nachdem der Verkauf an eine dem Oberbürgermeister nahestehende Person aufgrund der vom Regierungspräsidium Stuttgart festgestellten Befangenheit des Oberbürgermeisters geplatzt ist? 28. Falls Frage 27 verneint wird: Welche Gründe liegen im Einzelnen für den Meinungsumschwung vor, wonach jetzt von einem Verkauf abgesehen werden soll? 11. 02. 2017 Dr. Meuthen, Stein und Fraktion Landtag von Baden-Württemberg Drucksache 16 / 1671 4 B e g r ü n d u n g Pläne der Stadt Schwäbisch Hall haben vorgesehen, das bisher in kommunaler Regie betriebene und der Wohnungs- und Grundbesitzgesellschaft GWG (Tochtergesellschaft der Stadt Schwäbisch Hall) gehörende Pflegeheim Sonnengarten an einen privaten Betreiber zu veräußern. Nach Beschlussfassung im Gemeinderat von Schwäbisch Hall, an der der Oberbürgermeister teilgenommen hat, und vollzogenem Verkauf, hat sich anlässlich einer danach veröffentlichten Handelsregistereintragung in der Öffentlichkeit herausgestellt, dass der Käufer des Pflegeheims die in Scheidung lebende Ehefrau des Oberbürgermeisters war. Der an der Beschlussfassung im Gemeinderat teilnehmende Oberbürgermeister hat vor der Gemeinderatssitzung nicht darüber informiert, dass ein Kaufinteressent seine in Scheidung lebende Ehefrau ist und er deshalb möglicherweise befangen sei. Die zwischenzeitlich eingeschaltete Rechtsaufsicht beim Regierungspräsidium Stuttgart hat mittlerweile festgestellt, dass der an der Beschlussfassung teilnehmende Oberbürgermeister im Sinne des § 18 der baden-württembergischen Gemeindeordnung befangen war und er deshalb an der Beschlussfassung nicht hätte teilnehmen dürfen. Aufgrund des durch die Handelsregistereintragung publik gewordenen Kaufs durch seine in Scheidung lebende Ehefrau und wegen der ausführlichen Berichterstattung in den Lokalzeitungen sieht sich der Oberbürgermeister der Stadt Schwäbisch Hall seit Januar 2017 bis jetzt erheblicher Kritik ausgesetzt. Große Teile der erbosten Bürgerschaft erheben an die Adresse des Oberbürgermeisters und an den Gemeinderat gerichtete Mauscheleivorwürfe und befürchten, dass bei der Aufarbeitung des Sachverhalts durch den Gemeinderat parteitaktisch veranlasste Vertuschungen stattfinden könnten. A n t w o r t Schreiben des Staatsministeriums vom 9. Mai 2017 Nr. I-2200.0: In der Anlage übersende ich unter Bezugnahme auf § 63 der Geschäftsordnung des Landtags von Baden-Württemberg die von der Landesregierung beschlossene Antwort auf die Große Anfrage. Murawski Staatsminister und Chef der Staatskanzlei Landtag von Baden-Württemberg Drucksache 16 / 1671 5 Anlage: Schreiben des Ministeriums für Inneres, Digitalisierung und Migration Mit Schreiben vom 9. Mai 2017 Nr. 2-2203.5/71 beantwortet das Ministerium für Inneres, Digitalisierung und Migration im Einvernehmen mit dem Ministerium der Justiz und für Europa im Namen der Landesregierung die Große Anfrage wie folgt: A l l g e m e i n e s z u m S a c h v e r h a l t Der Großen Anfrage liegt eine kommunale Angelegenheit zugrunde, zu der der Landesregierung keine eigenen Erkenntnisse vorliegen. Es wurden deshalb Stellungnahmen der Stadt Schwäbisch Hall und des Regierungspräsidiums Stuttgart als zuständiger Rechtsaufsichtsbehörde eingeholt, auf denen die nachfolgenden Angaben und Antworten zum Sachverhalt beruhen. Im konkreten Fall geht es um die Veräußerung von Mehrheitsanteilen von städtischen Unternehmen in Privatrechtsform. Die GWG Schwäbisch Hall Objektgesellschaft mbH & Co. KG Pflegeheim Hessental (im Folgenden als „Objektgesellschaft “ bezeichnet) wurde 2011 als Tochter der GWG Grundstücks- und Wohnungsbaugesellschaft Schwäbisch Hall mbH (im Folgenden als „GWG“ bezeichnet ) gegründet. Außerdem wurde ebenfalls als Tochter der GWG die GWG Schwäbisch Hall Verwaltungs GmbH (im Folgenden als „Verwaltungsgesellschaft “ bezeichnet) gegründet, die als Komplementärgesellschaft gemeinsam mit der GWG Gesellschafterin der Objektgesellschaft ist. Gesellschafter der GWG sind zu 90 % die SHB Schwäbisch Haller Beteiligungsgesellschaft mbH und zu 10 % die Stadt Schwäbisch Hall. Die SHB Schwäbisch Haller Beteiligungsgesellschaft mbH gehört zu 100 % der Stadt Schwäbisch Hall. Der Zweck der Objektgesellschaft beinhaltet die Projektierung, den Bau, die Vermarktung und Vermietung sowie Verwaltung einer Pflegeheimimmobilie. Die Objektgesellschaft wurde gegründet, um für eine später beabsichtigte Privatisierung neben der Möglichkeit einer reinen Objektveräußerung sich auch die Möglichkeit einer Unternehmensveräußerung offenzuhalten. Die Pflegeheimimmobilie „Haus Sonnengarten“ wurde im Oktober 2012 fertiggestellt und langfristig an die DIAK Altenhilfe gemeinnützige GmbH, Schwäbisch Hall, vermietet. Die Mieterin ist die Betreiberin des Pflegeheims. Im Zeitraum vom 1. April bis 30. Juni 2016 hat die GWG indikative (unverbindliche ) Angebote von Kaufinteressenten für die Objektgesellschaft eingeholt. Die Angebote waren aus Sicht der GWG-Geschäftsleitung teilweise wirtschaftlich sehr interessant. Dies hat die GWG-Geschäftsleitung dazu veranlasst, den Verkaufsvorgang im Aufsichtsrat der GWG anzustoßen. In der Aufsichtsratssitzung am 6. Juli 2016 stellte die GWG-Geschäftsleitung dem Aufsichtsrat die Bandbreite der vorliegenden indikativen Angebote und das beabsichtigte Veräußerungsverfahren vor. Der Aufsichtsrat beauftragte die GWG-Geschäftsleitung, das Verkaufsverfahren durchzuführen und die Veräußerung zu einem festgelegten Mindestkaufpreis an den wirtschaftlichsten Anbieter vorzunehmen. In der nächsten Phase des Verkaufsprozesses hatte zunächst der Höchstbietende die Gelegenheit, innerhalb der gesetzten Frist unter allen Gesichtspunkten (Zustand und Beschaffenheit der Immobilie, Mietverträge, steuerliche und finanzielle Auswirkungen ) zu prüfen, ob er ein verbindliches Kaufangebot abgibt, welches oberhalb des indikativen Angebotes des an zweiter Stelle liegenden Bieters liegt. Nachdem es dem Höchstbietenden trotz mehrfacher Fristverlängerungen nicht gelang, ein verbindliches Kaufangebot abzugeben, wurde ihm am 15. September 2016 von der GWG-Geschäftsleitung eine schriftliche Absage erteilt. Am gleichen Tag wurde die an zweiter Stelle liegende Bieterin – die Ehefrau des Oberbürgermeisters – zu einer entsprechenden Prüfung beauftragt. Die Kaufinteressentin gab am 23. September 2016 ein verbindliches Angebot bei der GWG ab, welches oberhalb des indikativen Angebotes des an dritter Stelle liegenden Bieters lag. Am gleichen Tag wurde der Oberbürgermeister von der GWG-Geschäftsleitung darüber informiert , dass sich die GWG nunmehr in Vertragsverhandlungen mit seiner Ehefrau befindet. Die Kaufinteressentin beabsichtigte, das Unternehmen im Umfang von 94 % lastenfrei zu erwerben. Landtag von Baden-Württemberg Drucksache 16 / 1671 6 Da bei Unternehmensveräußerungen aus kommunaler Hand nach § 39 Absatz 2 Nummer 11 der Gemeindeordnung (GemO) die Zustimmung des Gemeinderats notwendig ist, wurde ein Grundsatzbeschluss des Gemeinderats der Stadt Schwäbisch Hall eingeholt. Der Gemeinderat stimmte am 26. Oktober 2016 in nichtöffentlicher Sitzung einem vollständigen oder maßgeblichen Teilverkauf der Objektgesellschaft sowie der Verwaltungsgesellschaft grundsätzlich zu. Der Oberbürgermeister nahm an der Beratung und Beschlussfassung teil. Mit Schreiben der Stadtverwaltung Schwäbisch Hall vom 31. Oktober 2016 wurde der Gemeinderatsbeschluss dem Regierungspräsidium Stuttgart nach § 108 in Verbindung mit § 106 GemO vorgelegt. Der Umstand, dass bereits seit Ende Juni 2016 eine Bewerberliste vorlag und die Ehefrau des Oberbürgermeisters mit ihrem Kaufangebot an der ersten Rangstelle lag, wurde dem Regierungspräsidium nicht mitgeteilt und war auch nicht Gegenstand des Gemeinderatsbeschlusses. Das Regierungspräsidium erteilte am 4. November 2016 die Gesetzmäßigkeitsbestätigung nach § 121 Absatz 2 GemO, da die gesetzlichen Voraussetzungen zum Verkauf der Objektgesellschaft vorlagen. Am 14. November 2016 wurde der Kaufvertrag zwischen der GWG und der Ehefrau des Oberbürgermeisters abgeschlossen und notariell beurkundet. Der Verkauf wurde im Haller Tagblatt im Rahmen der Bekanntmachung des Amtsgerichts Stuttgart – Registergericht am 7. Januar 2017 veröffentlicht. Mit Schreiben vom 19. Januar 2017 wandten sich die Fraktionsvorsitzenden der SPD, der CDU und der Grünen im Gemeinderat der Stadt Schwäbisch Hall an das Regierungspräsidium und baten um Prüfung, ob der Oberbürgermeister bei der Beschlussfassung im Gemeinderat am 26. Oktober 2016 befangen war. Das Regierungspräsidium teilte mit Schreiben vom 3. Februar 2017 sowohl dem Oberbürgermeister als auch den anfragenden Gemeinderäten mit, dass aus Sicht der Rechtsaufsichtsbehörde bei der fraglichen Beschlussfassung eine Befangenheit des Oberbürgermeisters nach § 18 Absatz 1 Nummer 1 GemO vorlag und der Beschluss damit rechtswidrig ist. Von einer förmlichen Beanstandung des Beschlusses wurde abgesehen, da der Beschluss bereits vollzogen war. Am 8. Februar 2017 beschloss der Gemeinderat in öffentlicher Sitzung ohne Mitwirkung des befangenen Oberbürgermeisters, die Geschäftsführung der GWG mit der Rückabwicklung des Objektverkaufs zu beauftragen. Wir fragen die Landesregierung: 1. Welche Sanktionsmaßnahmen sieht die baden-württembergische Gemeindeordnung – auch im Wiederholungsfall – vor, wenn es sich zweifelsfrei herausstellt, dass – wie in Schwäbisch Hall – ein als Amtsträger und Vertreter seiner Stadt handelnder Oberbürgermeister Immobilienverkäufe von im Eigentum der Kommune stehendem Grundbesitz an nahe Angehörige durchführt und im Gemeinderat hierüber mit abstimmt, ohne dies vor Beschlussfassung im Gemeinderat beziehungsweise vor Vertragsabschluss preiszugeben und wenn es sich nach Prüfung durch die Rechtsaufsicht (Regierungspräsidium Stuttgart) herausgestellt hat, dass der Oberbürgermeister bei Abschluss des Grundstücksverkaufs an nahe Angehörige im Sinne des § 18 Gemeindeordnung Baden-Württemberg befangen war? Zu 1.: Für den (Ober-)Bürgermeister und die Beigeordneten gelten nach § 52 GemO die Bestimmungen des § 18 GemO über den Ausschluss ehrenamtlich tätiger Bürger wegen Befangenheit entsprechend. Nach § 18 Absatz 6 GemO ist ein Gemeinderatsbeschluss rechtswidrig, wenn bei der Beratung oder Beschlussfassung ein nach § 18 Absatz 1 und 2 GemO befangenes Mitglied mitgewirkt oder entgegen § 18 Absatz 5 GemO nicht die Sitzung verlassen hat oder ein Mitglied ausgeschlossen war, ohne dass ein Befangenheitsgrund vorlag. Der Beschluss gilt jedoch ein Jahr nach der Beschlussfassung oder, wenn eine öffentliche Bekanntmachung erforderlich ist, ein Jahr nach dieser als Landtag von Baden-Württemberg Drucksache 16 / 1671 7 von Anfang an gültig zustande gekommen, es sei denn, dass der Bürgermeister dem Beschluss nach § 43 GemO wegen Gesetzwidrigkeit widersprochen oder die Rechtsaufsichtsbehörde den Beschluss vor Ablauf der Jahresfrist beanstandet hat. Die Heilungswirkung tritt nicht gegenüber demjenigen ein, der vor Ablauf der Jahresfrist einen Rechtsbehelf eingelegt hat, wenn in dem Verfahren die Rechtsverletzung festgestellt wird. Die Rechtsfolgen des § 18 Absatz 6 GemO treten unabhängig von einem Verschulden der befangenen Person ein. Persönliche Konsequenzen für die betreffende Person sind in der Gemeindeordnung nicht geregelt. (Ober-)Bürgermeister unterliegen als Beamte auf Zeit jedoch den Bestimmungen des Beamten- und des Disziplinarrechts . Ob eine schuldhafte Verletzung von Befangenheitsvorschriften ein Dienstvergehen darstellt, ist durch die zuständige Rechtsaufsichtsbehörde anhand der konkreten Umstände des jeweiligen Einzelfalls zu beurteilen. 2. Besteht gemäß baden-württembergischer Gemeindeordnung oder aufgrund anderer Rechtsvorschriften ein Zwang auf Rückabwicklung des Geschäfts auf Kosten des befangenen und deshalb rechtsfehlerhaft handelnden kommunalen Amtsträgers oder ist die Rückabwicklung ins Belieben des Amtsträgers oder des Gemeinderats gestellt? Zu 2.: Ob und ggf. welche weiteren Folgen ein wegen Befangenheit nach § 18 Absatz 6 GemO rechtswidriger Gemeinderatsbeschluss hat und ob deshalb eine nochmalige Beschlussfassung erforderlich ist, hängt vom Gegenstand des jeweiligen Beschlusses und vom Verfahrensstand im Einzelfall ab. Ist der Beschluss durch ein privatrechtliches Rechtsgeschäft vollzogen worden, ist dieses Rechtsgeschäft gleichwohl rechtswirksam, soweit gesetzlich nichts anderes bestimmt ist (z. B. für genehmigungspflichtige Geschäfte nach § 117 Absatz 1 GemO). Wird die Angelegenheit erneut im Gemeinderat behandelt, ist der Gemeinderat dabei grundsätzlich in seiner Entscheidung frei. Er kann den ersten Beschluss bestätigen oder auch eine inhaltlich andere Entscheidung treffen. Der Gemeinderat kann auch die Rückabwicklung eines bereits vollzogenen Beschlusses beschließen. Ob eine Rückabwicklung realisierbar ist, hängt jedoch von den Umständen des konkreten Falls ab. Bei rechtswirksam abgeschlossenen privatrechtlichen Verträgen ist hierzu regelmäßig die Bereitschaft des Vertragspartners zu einer Rückabwicklung des Vertrags erforderlich. 3. Wer trägt im Fall der Rückabwicklung des Verkaufsgeschäfts in Schwäbisch Hall die Kosten der Rückabwicklung (Kosten für Rechtsanwalt, Notar, Grundbuchkosten etc.)? Zu 3.: Eine Rückabwicklung steht derzeit nicht an, da die Käuferin die auf Basis des Gemeinderatsbeschlusses vom 8. Februar 2017 erfolgte Rückabwicklungsanfrage der GWG abgelehnt hat. Da der Kaufvertrag rechtswirksam zustande gekommen ist, kann die Rückabwicklung nicht erzwungen werden. 4. Wie hoch sind die Rückabwicklungskosten für den Fall, dass der Verkauf des Pflegeheims Sonnengarten und der mitverkauften Objektgesellschaft tatsächlich rückabgewickelt wird, wie von der Gemeinderatsmehrheit gemäß Zeitungsberichterstattung gefordert (vgl. Stuttgarter Zeitung vom 6. Februar 2017: „Umstrittener Immobiliendeal in Schwäbisch Hall: Rathauschef war befangen“)? Zu 4.: Die Kosten für eine Rückabwicklung können nicht beziffert werden, da der Stadt die auf Seiten der Käuferin eventuell entstehenden Kosten nicht bekannt sind. Für eine Ermittlung der Kosten besteht auch kein Anlass, da es nach derzeitigem Stand zu keiner Rückabwicklung des Vertrags kommen wird. Landtag von Baden-Württemberg Drucksache 16 / 1671 8 5. Wurde der vom Oberbürgermeister veranlasste und von ihm als Mitglied des Gemeinderats trotz Befangenheit mitbeschlossene Verkauf des im Eigentum der städtischen Grundstücks- und Wohnungsbaugesellschaft (GWG; Tochtergesellschaft der Stadt Schwäbisch Hall) stehenden Pflegeheims notariell beurkundet? 6. Falls der Immobilienverkauf – wie in Deutschland üblich – notariell beurkundet wurde: Wer hat vonseiten des Verkäufers als deren Vertreter (Stadt Schwäbisch Hall beziehungsweise Tochtergesellschaft GWG) bei der notariellen Beurkundung für die Stadt Schwäbisch Hall beziehungsweise für deren Tochtergesellschaft GWG den Kaufvertrag unterschrieben? 7. Wer war für die Seite des Käufers bei der notariellen Beurkundung anwesend und hat für die Seite des Käufers unterschrieben? Zu 5. bis 7.: Die GWG hat weder eine Immobilie noch das Pflegeheim als Wirtschaftsbetrieb an die Ehefrau des Oberbürgermeisters verkauft. Gegenstand des Kaufvertrags waren Gesellschaftsanteile an zwei Gesellschaften, nämlich 94 % der Kommanditanteile an einer GmbH & Co. KG (der Objektgesellschaft) und 100 % der Geschäftsanteile von deren Komplementär-GmbH (der Verwaltungsgesellschaft). Dieser Kaufvertrag wurde am 14. November 2016 abgeschlossen und notariell beurkundet. Der Vertrag wurde von den beiden Geschäftsführern der GWG und der Käuferin unterschrieben . 8. Wurde im Falle der notariellen Beurkundung des Pflegeheimverkaufs zuvor vom Notar – wie bei notariellen Beurkundungen von Grundstückskaufverträgen in Deutschland üblich – eine Rechtsbelehrung durchgeführt, wobei auch auf die Folgen eines wegen Befangenheit eines Vertragspartners rechtsfehlerhaft zustande gekommenen Immobilienverkaufs hingewiesen wurde? 9. Hat sich der den Pflegeheimverkauf beurkundende Notar zuvor von der persönlichen Identität beider Vertragsparteien und der für beide Seiten handelnden Vertreter überzeugt, beispielsweise durch Vorlage des Personalausweises und durch Grundbucheinsicht bezüglich des Käufers? Zu 8. und 9.: Der beurkundende Notar hat mitgeteilt, dass er alle gesetzlichen und insbesondere beurkundungsverfahrensrechtlichen Vorschriften beachtet und eingehalten hat, und beruft sich im Übrigen auf seine Pflicht zur Verschwiegenheit. Die Beantwortung der Fragen 5 bis 7 und 10 bis 14 basiert auf der Sachverhaltsdarstellung der Stadt Schwäbisch Hall. 10. Hat sich der den Pflegeheimverkauf beurkundende Notar angesichts der Höhe des Kaufpreises vor der notariellen Beurkundung von der finanziellen Solidität des Käufers überzeugt, um zu vermeiden, dass das zu beurkundende Verkaufsgeschäft mangels finanzieller Solidität des Käufers und möglicherweise geplatzter Finanzierung später wieder rückabgewickelt werden muss? 11. Falls Frage 10 bejaht wird: Weshalb ist dem beurkundenden Notar dabei nicht aufgefallen, dass es sich beim Käufer um eine dem Oberbürgermeister (handelnd für die Stadt Schwäbisch Hall als Verkäufer) nahe stehende Person handelt und die deshalb in der Person des Oberbürgermeisters liegenden Befangenheitsgründe Hinderungsgründe für den Abschluss des Pflegeheimverkaufs darstellen? 12. Falls Frage 10 verneint wird: Warum hat sich der beurkundende Notar nicht von der finanziellen Solidität und damit von der Identität des Käufers überzeugt ? Zu 10. bis 12.: Im Rahmen der Vertragsgestaltung hat ein Notar dafür Sorge zu tragen, dass keine Seite ungesicherte Vorleistungen erbringt. Es gehört jedoch nicht zu den Aufgaben Landtag von Baden-Württemberg Drucksache 16 / 1671 9 und Pflichten eines Notars, sich im Zusammenhang mit der Beurkundung eines Kaufvertrags von der finanziellen Solidität eines Käufers zu überzeugen. 13. Lagen dem beurkundenden Notar zugunsten der finanzierenden Bank Anträge von auf den Namen des Käufers als Schuldner lautende und ins Grundbuch (Abteilung III) einzutragende Grundschulden vor, wodurch er hätte erkennen müssen, dass es sich beim Käufer nach Prüfung der Identität um eine gegenüber dem Oberbürgermeister nahe stehende Person handelt? Zu 13.: Die Stadt Schwäbisch Hall war vorliegend nicht Vertragspartei und ihr Oberbürgermeister an der Beurkundung nicht beteiligt. Im Rahmen der Identifizierung der persönlich anwesenden Käuferin oblag dem Notar ihre verwechslungsfreie Bezeichnung in der Niederschrift nach § 10 des Beurkundungsgesetzes und § 26 der Dienstordnung für Notarinnen und Notare. Darüber hinaus hatte der Notar die Sorgfaltspflichten nach dem Geldwäschegesetz zu beachten. 14. Hätte der beurkundende Notar nach Prüfung der Identität der für beide Seiten handelnden Personen (Vertreter) unter Berücksichtigung der bei derartigen Geschäften anzuwendenden, gemäß seiner Berufsgrundsätze ihm obliegenden Sorgfaltspflichten erkennen müssen, dass es sich bei beiden Vertragspartnern beziehungsweise bei den „dahinter“ stehenden Personen um nahe Angehörige im Sinne des § 18 der Gemeindeordnung Baden-Württemberg gehandelt hat? Zu 14.: Im Rahmen der allgemeinen Sorgfaltspflicht nach dem Geldwäschegesetz obliegt es einem Notar, den wirtschaftlich Berechtigten eines Vertragspartners zu identifizieren , vorliegend somit die Stadt Schwäbisch Hall als wirtschaftlich Berechtigte auf Seiten der Verkäuferin. Ob die Käuferin mit dem Oberbürgermeister des wirtschaftlich Berechtigten verheiratet ist, war vorliegend für das Beurkundungsverfahren ohne Belang. Die Verkäuferin wurde von ihren Geschäftsführern nach außen hin wirksam vertreten, für die Wirksamkeit und den Vollzug der beurkundeten Anteilsübertragungen waren keine Zustimmungen Dritter erforderlich. Ob die Geschäftsführer der Verkäuferin zum Vertragsabschluss intern gehalten waren, eine Zustimmung des Aufsichtsrats oder der Gesellschafter der Verkäuferin einzuholen , und ob eine solche Zustimmung wirksam erteilt wurde, oblag allein ihrem Verantwortungsbereich und war vom beurkundenden Notar nicht zu prüfen. 15. Wird bei der Ausbildung der Verwaltungsbeamten an den Verwaltungshochschulen des Landes, insbesondere bei Bürgermeisteranwärtern und anderen kommunalen Entscheidungsträgern, Bezug genommen auf den § 18 der badenwürttembergischen Gemeindeordnung (Befangenheit)? Zu 15.: Im Rahmen der Ausbildung für den gehobenen Verwaltungsdienst, deren Vorbereitungsdienst in Form des Bachelorstudiengangs „Gehobener Verwaltungsdienst – Public Management“ an der Hochschule für öffentliche Verwaltung Kehl und an der Hochschule für öffentliche Verwaltung und Finanzen Ludwigsburg erfolgt, wird § 18 GemO im für alle Anwärterinnen und Anwärter einheitlichen Grundlagenstudium gelehrt. Im Teilmodul „Kommunalrecht“ mit ca. 85 Unterrichtsstunden umfasst dieser Themenbereich mindestens 8 bis 10 Unterrichtsstunden. Dabei werden insbesondere die Voraussetzungen und Befangenheitstatbestände des § 18 GemO und die Verweisungsvorschrift des § 52 GemO detailliert behandelt. Auch ist das Thema „Befangenheit“ regelmäßig ein Bestandteil der Modulabschlussprüfungen . Im Vertiefungsstudium wählen die Anwärterinnen und Anwärter einen Vertiefungsschwerpunkt aus. Die Hochschulen Kehl und Ludwigsburg bieten unterschiedliche Vertiefungsschwerpunkte an. So hat die Hochschule Kehl u. a. den Vertiefungsschwerpunkt „Kommunalpolitik“. Dort ist die interkommunale Zusammenarbeit wesentlicher Inhalt des Moduls „Kommunalrecht“; in diesem Zusammenhang werden Befangenheitstatbestände in Zweckverbänden und Verwaltungsgemein- Landtag von Baden-Württemberg Drucksache 16 / 1671 10 schaften, die an § 18 GemO und dessen Voraussetzungen anknüpfen, wiederholt und vertieft. 16. Wie ist sichergestellt, dass in die kommunale Verwaltungslaufbahn wechselnde Quereinsteiger, die – wie im Fall des Schwäbisch Haller Oberbürgermeisters – keine Ausbildung an Verwaltungshochschulen des Landes oder ähnlichen Einrichtungen durchlaufen haben, Kenntnis erlangen vom Tatbestand der Befangenheit (§ 18 Gemeindeordnung Baden-Württemberg u. a.)? Zu 16.: Die Gemeindeordnung enthält die grundlegenden Bestimmungen über die Rechtsstellung der Gemeinden und ihrer Einwohner und Bürger, die Verfassung und Verwaltung der Gemeinde sowie die Gemeindewirtschaft. Es ist deshalb für jeden neu gewählten (Ober-)Bürgermeister erforderlich, sich schnell mit den Bestimmungen der Gemeindeordnung vertraut zu machen. Dies ist auch ohne Verwaltungsausbildung machbar und zumutbar. Befangenheitsfragen treten in der kommunalen Praxis relativ häufig auf, sodass sich der (Ober-)Bürgermeister zwangsläufig mit den Bestimmungen des § 18 GemO befassen muss. Zudem müssen die Gemeinden nach § 58 Absatz 1 GemO mindestens einen Gemeindefachbediensteten mit der Befähigung zum gehobenen oder höheren Verwaltungsdienst haben. Es gehört zu den Aufgaben der Gemeindefachbediensteten, den (Ober-)Bürgermeister fachlich zu beraten. In größeren Städten gibt es meistens eine Organisationseinheit, z. B. eine Geschäftsstelle des Gemeinderats, die sich speziell mit Verfahrensfragen wie Befangenheit befasst. 17. Ist bei der Stadt Schwäbisch Hall und ihren Tochtergesellschaften eine interne Revision beziehungsweise ein gut funktionierendes internes Kontroll-System (IKS) hinsichtlich aller in finanziellen Transaktionen sich niederschlagenden Geschäftsvorfällen installiert? 18. Falls Frage 17 bejaht wird: Ist das interne Kontroll-System in Kraft, das heißt wird es in der Praxis eingesetzt (beispielsweise Vier-Augen-Prinzip, Unterschriftberechtigung in Abhängigkeit von der Höhe des zugrunde liegenden Kaufs- und Verkaufsgeschäfts, stichprobenweise Prüfung von aufgrund der Einmaligkeit des Geschäfts besonders auffallenden Geschäftsvorfällen, intensivere Prüfung von Nicht-Routine-Vorgängen u. a.)? Zu 17. und 18.: Bei der Stadt Schwäbisch Hall gibt es eine Dienstanweisung über die Bewirtschaftung und Anordnung von Haushaltsmitteln, in der alle sich in finanziellen Transaktionen niederschlagenden Geschäftsvorfälle geregelt sind. Ähnliche Regelungen gibt es auch bei den städtischen Beteiligungen u. a. bei der GWG (Kompetenzregelung mit obligatorischer Einbindung von Abteilungsleitung oder Geschäftsleitung bezüglich der Volumentrennung und Trennung von Rechnungsprüfung und Zahlungsanweisung; Vier-Augen-Prinzip bei Auszahlungen). Eine besondere Abteilung „Interne Revision“ besteht bei der GWG aufgrund der Unternehmensgröße nicht. Die Geschäftsleitung und die Sachgebietsleiter sind angewiesen, wesentliche Geschäftsprozesse und die Einhaltung von Arbeitsanweisungen zu kontrollieren . Die genannten Regelungen sind in Kraft und werden in der Praxis umgesetzt. 19. Falls Frage 18 bejaht wird: Warum wurde der Vorgang vom Durchlauf der Geschäftsvorfälle her nicht ausgesteuert und einer manuellen Sachbearbeitung zugeleitet, die die Rechtswidrigkeit des Verkaufs hätte erkennen können? Zu 19.: Der Verkauf von Mehrheitsanteilen an der Objektgesellschaft und der Verwaltungsgesellschaft von der GWG an die Ehefrau des Oberbürgermeisters ist als solcher nicht rechtswidrig. Nahe Angehörige des Oberbürgermeisters können wie andere Personen am Geschäftsleben teilnehmen und privatrechtliche Verträge mit der Stadt oder – wie im vorliegenden Fall – mit einem in Privatrechtsform betriebenen städtischen Unternehmen abschließen. Der Verkauf erfolgte in einem vorher Landtag von Baden-Württemberg Drucksache 16 / 1671 11 festgelegten und vom Aufsichtsrat der GWG gebilligten Veräußerungsverfahren. Das verbindliche Kaufangebot der Ehefrau des Oberbürgermeisters war das für die GWG wirtschaftlichste Angebot. Die gemeindewirtschaftsrechtlichen Voraussetzungen zum (teilweisen) Verkauf der Gesellschaften (§ 106 GemO, § 77 Absatz 2 GemO) lagen vor. Der GWG war bekannt, dass es sich bei der Bieterin um die Ehefrau des Oberbürgermeisters handelt und hat diesen unverzüglich informiert, als seine Ehefrau ein verbindliches Angebot abgegeben hatte. Im vorliegenden Fall war nach § 39 Absatz 2 Nummer 11 GemO eine grundsätzliche Zustimmung des Gemeinderats zu der Veräußerung der Unternehmensbeteiligung erforderlich. Hierbei hätte der Oberbürgermeister nach § 18 Absatz 1 Nummer 1 GemO nicht mitwirken dürfen, weil die Entscheidung seiner Ehefrau einen unmittelbaren Vorteil bringen konnte. Für die Herbeiführung des Gemeinderatsbeschlusses war nicht die GWG als Verkäuferin, sondern der Vorsitzende des Gemeinderats, also der Oberbürgermeister bzw. im Falle seiner Befangenheit seine Stellvertretung zuständig. Dies umfasst auch die Vorprüfung eventueller Befangenheitsgründe . Bei Vorliegen eines Tatbestands, der Befangenheit zur Folge haben kann, ist jedoch in erster Linie der Betroffene selbst verpflichtet, dies vor Beginn der Beratung mitzuteilen (§ 18 Absatz 4 Satz 1 GemO). Ob ein Ausschließungsgrund vorliegt, entscheidet in Zweifelsfällen der Gemeinderat in Abwesenheit des Betroffenen (§ 18 Absatz 4 Satz 2 GemO). 20. Wurde über den Verkauf des über eine Tochtergesellschaft in städtischem Eigentum stehenden Pflegeheims Sonnengarten einschließlich der mitverkauften Objektgesellschaft in öffentlicher Sitzung im Gemeinderat der Stadt Schwäbisch Hall beraten und abgestimmt? 21. Wie lautete das Abstimmungsergebnis (mit Angabe der Aufteilung auf die Fraktionen )? Zu 20. und 21.: Der Gemeinderat hat am 26. Oktober 2016 in nichtöffentlicher Sitzung dem Verkauf der Objektgesellschaft und der Verwaltungsgesellschaft grundsätzlich zugestimmt . Beratung und Abstimmung unterliegen der für nichtöffentliche Sitzungen geltenden Verschwiegenheitspflicht. 22. Wie lauten die Gründe des Oberbürgermeisters und des Gemeinderats, weshalb das Pflegeheim Sonnengarten von einer kommunalen Betriebsführung in eine private Betriebsführung überführt und deshalb verkauft werden soll? 23. Welche Vorteile sollen die im dortigen Pflegeheim betreuten Senioren nach dem Übergang auf eine private Betriebsführung im Vergleich zur bisherigen kommunalen Betriebsführung haben, die einen Verkauf an einen privaten Betreiber rechtfertigen würden? Zu 22. und 23.: Das Altenpflegeheim „Haus Sonnengarten“ wird von der DIAK Altenhilfe gemeinnützige GmbH betrieben. An der Betriebsführung hat sich durch die Veräußerung der Mehrheitsanteile der Objektgesellschaft sowie der Verwaltungsgesellschaft nichts geändert. Landtag von Baden-Württemberg Drucksache 16 / 1671 12 24. Wie lauten die Betriebsergebnisse laut Jahresabschluss (Gewinn- und Verlustrechnung ) des Pflegeheims Sonnengarten in den vergangenen zehn Jahren und in welcher Rechtsform wird das Pflegeheim geführt? 25. Werden die Jahresabschlüsse des Pflegeheims Sonnengarten von einem Wirtschaftsprüfer geprüft und wenn ja, für welches Geschäftsjahr liegt der letzte von einem Abschlussprüfer geprüfte Jahresabschluss vor? 26. Werden die Jahresabschlüsse des Pflegeheims im Bundesanzeiger oder anderswo veröffentlicht? Zu 24. bis 26.: Die DIAK Altenhilfe gemeinnützige GmbH gehört zum Evangelischen Diakoniewerk Schwäbisch Hall e. V. und betreibt außer dem „Haus Sonnengarten“ noch mehrere Altenhilfeeinrichtungen im Raum Schwäbisch Hall und Hohenlohe. Der Landesregierung und der Stadt Schwäbisch Hall liegen keine Angaben zur Wirtschaftsführung dieser Einrichtungen vor. 27. Hält die Stadt Schwäbisch Hall auch weiterhin an den Verkaufsplänen des Pflegeheims Sonnengarten fest, nachdem der Verkauf an eine dem Oberbürgermeister nahe stehende Person aufgrund der vom Regierungspräsidium Stuttgart festgestellten Befangenheit des Oberbürgermeisters geplatzt ist? 28. Falls Frage 27 verneint wird: Welche Gründe liegen im Einzelnen für den Meinungsumschwung vor, wonach jetzt von einem Verkauf abgesehen werden soll? Zu 27. und 28.: Der Verkauf der Gesellschaftsanteile von der GWG an die Ehefrau des Oberbürgermeisters ist nicht „geplatzt“, sondern vollzogen. Der Gemeinderat hat zwar die GWG mit einer Rückabwicklung des Verkaufs beauftragt, zu einer solchen wird es jedoch nach derzeitigem Stand nicht kommen. Auf die Antworten zu den Fragen 2 und 3 wird verwiesen. Eine Entscheidung darüber, ob nach einer etwaigen Rückabwicklung ein erneuter Verkauf der Objektgesellschaft eingeleitet werden soll, hat der Gemeinderat in seiner Sitzung vom 8. Februar 2017 zurückgestellt. Strobl Minister für Inneres, Digitalisierung und Migration