Landtag von Baden-Württemberg 16. Wahlperiode Drucksache 16 / 1675 21. 02. 2017 1Eingegangen: 21. 02. 2017 / Ausgegeben: 20. 04. 2017 K l e i n e A n f r a g e Ich frage die Landesregierung: 1. Liegen ihr über die am 27. Januar 2017 beantwortete Kleine Anfrage Druck - sache 16/1251 hinaus weitere Informationen aus dem Bundesministerium für Verkehr und digitale Infrastruktur vor, wonach die Soll-Vorschrift, Bahnsteige auf eine Höhe von 76 cm über Schienenoberkante (SO) zu bauen, ab jetzt noch stringenter eingehalten werden soll, um langfristig bundesweit einheitliche Bahnsteighöhen zu erhalten? 2. Was ist die Konsequenz daraus, wenn das Verkehrsministerium des Landes Baden-Württemberg Bahnsteighöhen von 55 cm über SO plant und als strategische Leitlinie herausgibt, jedoch sowohl das Bundesministerium für Verkehr als auch die Deutsche Bahn eine Bahnsteighöhe von 76 cm über SO als lang - fristig bundesweit einheitliche Bahnsteighöhe vorgibt? 3. Welche Position wird sich bei der in Frage 2 dargestellten Situation durchsetzen : die des Verkehrsministeriums des Landes Baden-Württemberg als oberste Verkehrsbehörde oder die der Deutschen Bahn AG als Netzbetreiber? 4. Wer übernimmt bei der Umrüstung auf die vom Bundesministerium für Verkehr und digitale Infrastruktur vorgegebenen Zielbahnsteighöhe von 76 cm über SO die Mehrkosten? 5. In Bezug auf die Antwort zu Frage 3: Welche Bahnsteighöhe wird dann bei der Modernisierung des Bahnhofs Niefern 2018/2019 gebaut werden? 6. Wenn die in Frage 2 geschilderte Situation zutrifft, welche Auswirkung hat diese auf die Residenzbahn mit den geplanten oder bereits ausgebauten Haltepunkten mit einer Bahnsteighöhe von 55 cm über SO (aufgeteilt nach den Halte - punkten Wilferdingen-Singen, Königsbach [Baden], Bilfingen, Ersingen West, Ersingen Bahnhof, Ispringen, Pforzheim, Eutingen [Baden], Enzberg, Mühl - acker, Mühlacker Rößlesweg und Illingen)? Kleine Anfrage des Abg. Dr. Erik Schweickert FDP/DVP und Antwort des Ministeriums für Verkehr Bahnsteighöhen entlang der Residenzbahn Drucksachen und Plenarprotokolle sind im Internet abrufbar unter: www.landtag-bw.de/Dokumente Der Landtag druckt auf Recyclingpapier, ausgezeichnet mit dem Umweltzeichen „Der Blaue Engel“. Landtag von Baden-Württemberg Drucksache 16 / 1675 2 7. Wenn die in Frage 2 geschilderte Situation zutrifft: welche Auswirkung hat diese auf die Residenzbahn mit den geplanten oder bereits ausgebauten Haltepunkten mit einer Bahnsteighöhe von 76 cm über SO (Karlsruhe, Niefern, Vaihingen/Enz und Stuttgart)? 8. Wurden für Mühlacker und Pforzheim auch Konzepte mit Bahnsteigen spe - ziell für den Fernverkehr mit einer Bahnsteighöhe von 76 cm über SO (Pforzheim Gleise 4 und 5, Mühlacker Gleise 2 und 3) und Bahnsteigen speziell für den Nahverkehr mit einer Bahnsteighöhe von 55 cm über SO geprüft? 9. Was waren die Gründe, solche Konzepte nicht weiterzuverfolgen? 10. Ist es zutreffend, dass beim Einsatz von Zügen mit 76 cm Fußbodenhöhe – statt wie jetzt vorgesehen 60 cm zwischen Stuttgart und Karlsruhe – dann Barrierefreiheit an nahezu allen Stationen gegeben wäre? 21. 02. 2017 Dr. Schweickert FDP/DVP B e g r ü n d u n g Auf den Antrag der FDP/DVP-Landtagsfraktion im Juli 2016 zur Barrierefreiheit an Bahnsteigen (Drucksache 16/254) und der dazugehörigen korrigierten Stel - lungnahme gibt das Ministerium für Verkehr des Landes Baden-Württemberg eine Bahnsteighöhe von 55 cm über SO als Zielvorgabe an. Laut Planungsunterlagen der Deutschen Bahn AG, die der Gemeinde Niefern vorgestellt wurden, ist in Niefern jedoch der Ausbau auf 76 cm über SO vorgesehen. Bei der Beantwortung der Kleinen Anfrage vom 23. Dezember 2016 zu Bahnsteighöhen für den Fernund Nahverkehr im Enzkreis (Drucksache 16/1251) gab das Ministerium für Verkehr in seiner Antwort vom 27. Januar 2017 an, dass es keine Informationen dazu habe, ob von einer Bahnsteighöhe von 55 cm über SO abgewichen wird. In diesem Zeitraum ging dem Verkehrsministerium als oberste Verkehrsbehörde des Landes aber ein Schreiben des Bundesministeriums für Verkehr und digitale Infrastruktur mit Versanddatum 5. Januar 2017 zu, in dem eine stringentere Einhaltung der Regelbahnsteighöhe von 76 cm über SO gefordert wird. 3 Landtag von Baden-Württemberg Drucksache 16 / 1675 A n t w o r t Mit Schreiben vom 16. März 2017 Nr. 34-3822.0-00/1822 beantwortet das Minis - terium für Verkehr die Kleine Anfrage wie folgt: 1. Liegen ihr über die am 27. Januar 2017 beantwortete Kleine Anfrage Druck - sache 16/1251 hinaus weitere Informationen aus dem Bundesministerium für Verkehr und digitale Infrastruktur vor, wonach die Soll-Vorschrift, Bahnsteige auf eine Höhe von 76 cm über Schienenoberkante (SO) zu bauen, ab jetzt noch stringenter eingehalten werden soll, um langfristig bundesweit einheitliche Bahnsteighöhen zu erhalten? 2. Was ist die Konsequenz daraus, wenn das Verkehrsministerium des Landes Baden-Württemberg Bahnsteighöhen von 55 cm über SO plant und als strategische Leitlinie herausgibt, jedoch sowohl das Bundesministerium für Verkehr als auch die Deutsche Bahn eine Bahnsteighöhe von 76 cm über SO als lang - fristig bundesweit einheitliche Bahnsteighöhe vorgibt? 3. Welche Position wird sich bei der in Frage 2 dargestellten Situation durchsetzen : die des Verkehrsministeriums des Landes Baden-Württemberg als oberste Verkehrsbehörde oder die der Deutschen Bahn AG als Netzbetreiber? Die Ziffern 1 bis 3 werden wegen des Sachzusammenhangs gemeinsam beantwortet . Mit Schreiben vom 5. Januar 2017 hat das Bundesministerium für Verkehr und Infrastruktur (BMVI) die Obersten Verkehrsbehörden der Länder darüber informiert , dass in der kommenden Leistungs- und Finanzierungsvereinbarung (LuFV III) zwischen dem BMVI und der Deutschen Bahn AG die Anreize zum Bau von Bahnsteigen mit einer Höhe von 76 cm über Schienenoberkante (SO) verstärkt werden sollen. Eine rechtliche Vorgabe z. B. in Form einer Änderung der Eisenbahnbetriebsordnung (EBO) dahingehend, dass zukünftig nur noch Bahnsteighöhen von 76 cm über SO errichtet werden dürfen, erfolgt nicht. Die Deutsche Bahn AG legt das Schreiben des BMVI stringenter aus. Es ist deshalb zu befürchten, dass bestehende sowie neue Planungen verzögert und barrierefreie Ausbauten gefährdet werden. Das Land hat sich bereits in den 1990er-Jahren bei den meisten Stationen des Nahverkehrs im Grundsatz auf eine einheitliche Bahnsteighöhe von 55 cm über SO festgelegt. Dadurch wird ein niveaugleicher Ein- und Ausstieg zu den Fahrzeugen des Nahverkehrs und der neueren Modelle der Karlsruher Zweisystem- Stadtbahnwagen mit einer Wagenbodenhöhe von 60 cm über SO im Einstiegsbereich ermöglicht. Auch im europäischen Kontext ist eine einseitige Fixierung auf eine Bahnsteighöhe von 76 cm über SO nicht nachvollziehbar. Europäische Standardhöhen sind sowohl 55 als auch 76 cm hohe Bahnsteigkanten über SO. In den Nachbarländern Schweiz, Österreich und Frankreich sind die Bahnsteige bei den Normalspurbahnen einheitlich 55 cm über SO hoch. Die Verkehrsminister der Länder werden deshalb dieses Thema auf der nächsten Verkehrsministerkonferenz besprechen. Unabhängig hiervon wird die Landes - regierung bei der Weiterentwicklung des SPNV die Frage der Bahnsteighöhen gemeinsam mit der DB nochmals prüfen und die möglichen Konsequenzen im Einzelfall betrachten. 4. Wer übernimmt bei der Umrüstung auf die vom Bundesministerium für Verkehr und digitale Infrastruktur vorgegebenen Zielbahnsteighöhe von 76 cm über SO die Mehrkosten? Diese Frage stellt sich nach Auffassung der Landesregierung bisher nicht. Die Ergebnisse der laufenden Debatte sind vorerst abzuwarten. Landtag von Baden-Württemberg Drucksache 16 / 1675 4 5. In Bezug auf die Antwort zu Frage 3: Welche Bahnsteighöhe wird dann bei der Modernisierung des Bahnhofs Niefern 2018/2019 gebaut werden? In den bisherigen Planungen war eine Bahnsteighöhe von 55 cm über SO vorgesehen . Nach Auskunft der Deutschen Bahn AG ist in Niefern, aufgrund der stringenteren Auslegung des BMVI-Schreibens vom 5. Januar 2017, jedoch nun die Realisierung einer Bahnsteighöhe von 76 cm über SO geplant. 6. Wenn die in Frage 2 geschilderte Situation zutrifft, welche Auswirkung hat diese auf die Residenzbahn mit den geplanten oder bereits ausgebauten Haltepunkten mit einer Bahnsteighöhe von 55 cm über SO (aufgeteilt nach den Halte - punkten Wilferdingen-Singen, Königsbach [Baden], Bilfingen, Ersingen West, Ersingen Bahnhof, Ispringen, Pforzheim, Eutingen [Baden], Enzberg, Mühl - acker, Mühlacker Rößlesweg und Illingen)? 7. Wenn die in Frage 2 geschilderte Situation zutrifft: welche Auswirkung hat diese auf die Residenzbahn mit den geplanten oder bereits ausgebauten Haltepunkten mit einer Bahnsteighöhe von 76 cm über SO (Karlsruhe, Niefern, Vaihingen /Enz und Stuttgart)? Die Ziffern 6 und 7 werden wegen des Sachzusammenhangs gemeinsam beantwortet . Die Landesregierung geht davon aus, dass für bestehende Bahnsteige mit einer Bahnsteighöhe von 55 cm über SO Bestandsschutz gilt und somit kein Ausbau - bedarf vorliegt. Im Übrigen wird auf die Beantwortung der Ziffern 1 bis 3 ver - wiesen. 8. Wurden für Mühlacker und Pforzheim auch Konzepte mit Bahnsteigen speziell für den Fernverkehr mit einer Bahnsteighöhe von 76 cm über SO (Pforzheim Gleise 4 und 5, Mühlacker Gleise 2 und 3) und Bahnsteigen speziell für den Nahverkehr mit einer Bahnsteighöhe von 55 cm über SO geprüft? Diese Möglichkeit wurde geprüft. Es wurde beschlossen, dass alle Gleise an den beiden Bahnhöfen Pforzheim Hbf und Mühlacker auf eine Bahnsteighöhe von 55 cm über SO ausgebaut werden. 9. Was waren die Gründe, solche Konzepte nicht weiterzuverfolgen? Es gibt keinen nachvollziehbaren Grund, Bahnsteige für den Fernverkehr mit einer Höhe von 76 cm zu errichten. Es existieren bisher keine Fahrzeuge des Fernverkehrs, die einen ebenerdigen Einstieg von Bahnsteigen mit 76 cm Höhe aus erlauben würden. Ganz im Gegenteil: Es ist geplant, die IC-Linie Nürnberg– Stuttgart–Karlsruhe, die auch die Bahnhöfe Mühlacker und Pforzheim Hbf bedient , auf die neuen Doppelstock-IC-Garnituren umzustellen. Dort ist von Bahnsteigen mit einer Höhe von 55 cm über SO ein stufenfreier Einstieg in den Steuerwagen möglich. 10. Ist es zutreffend, dass beim Einsatz von Zügen mit 76 cm Fußbodenhöhe – statt wie jetzt vorgesehen 60 cm zwischen Stuttgart und Karlsruhe – dann Barrierefreiheit an nahezu allen Stationen gegeben wäre? Diese Einschätzung ist nicht zutreffend. Die meisten Bahnhöfe zwischen Karls - ruhe und Mühlacker haben eine Bahnsteighöhe von weniger als 76 cm über SO. An den vielen Bahnsteigen mit einer Höhe von 38 cm über SO oder geringer würde ggf. sogar ein Bedienverbot drohen, da die zulässige Höhendifferenz der TSI- PRM (mehr als 31 cm zwischen Fußbodenhöhe und Bahnsteighöhe) überschritten wäre. Hermann Minister für Verkehr