Landtag von Baden-Württemberg 16. Wahlperiode Drucksache 16 / 1678 21. 02. 2017 1Eingegangen: 21. 02. 2017 / Ausgegeben: 24. 04. 2017 K l e i n e A n f r a g e Ich frage die Landesregierung: 1. Seit wann ist ihr bekannt, dass in Eppelheim nach der Bürgermeisterwahl vom 23. Oktober 2016 das Bürgermeisteramt nicht zum vorgesehenen Zeitpunkt mit der demokratisch gewählten Bewerberin besetzt wird? 2. Wie bewertet sie im vorliegenden Fall die Regelungen der Gemeindeordnung und insbesondere die Möglichkeiten des Gemeinderats, einen Amtsverweser zu bestellen? 3. In welchem Verhältnis steht § 48 Absatz 3 Gemeindeordnung Baden-Württemberg zu § 42 Absatz 5 Gemeindeordnung Baden-Württemberg? 4. Plant sie die Reservefunktion des Gemeinderats in solchen Streitfällen zu stärken? 5. Welche Möglichkeiten sieht sie, in der Angelegenheit selbst tätig zu werden (z. B. durch Vermittlung, eigene Expertise oder juristische Klärung)? 6. Hat sie Maßnahmen bereits in die Wege geleitet und wenn ja welche, um die streitgegenständlichen Fragen zu klären? 7. Welchen zeitlichen Rahmen hält sie für zumutbar, um eine Entscheidung herbeizuführen ? Kleine Anfrage des Abg. Daniel Born SPD und Antwort des Ministeriums für Inneres, Digitalisierung und Migration Situation nach der Bürgermeisterwahl in Eppelheim Drucksachen und Plenarprotokolle sind im Internet abrufbar unter: www.landtag-bw.de/Dokumente Der Landtag druckt auf Recyclingpapier, ausgezeichnet mit dem Umweltzeichen „Der Blaue Engel“. Landtag von Baden-Württemberg Drucksache 16 / 1678 2 8. Inwiefern hält sie ein Plakatierungsverbot in großer Entfernung zum Wahllokal noch für zeitgemäß, wenn gleichzeitig die Wahlberechtigten noch in der Wahlkabine Nachrichten aus den sozialen Netzwerken erhalten können? 17. 02. 2017 Born SPD B e g r ü n d u n g Die Bevölkerung in Eppelheim treibt es um, dass das Bürgermeisteramt in Eppelheim weder mit der demokratisch gewählten Bewerberin besetzt ist noch eine Übergangslösung, wie etwa die Bestellung eines Amtsverwesers, gefunden werden konnte. Die Kleine Anfrage soll insbesondere dazu dienen zu klären, welche Möglichkeiten für die Landesregierung bestehen, dabei zu helfen, eine möglichst rasche Klärung der noch offenen Fragen herbeizuführen. A n t w o r t Mit Schreiben vom 17. März 2017 Nr. 2-2206.5/44 beantwortet das Ministerium für Inneres, Digitalisierung und Migration die Kleine Anfrage wie folgt: 1. Seit wann ist ihr bekannt, dass in Eppelheim nach der Bürgermeisterwahl vom 23. Oktober 2016 das Bürgermeisteramt nicht zum vorgesehenen Zeitpunkt mit der demokratisch gewählten Bewerberin besetzt wird? Zu 1.: Das Innenministerium hat im Dezember 2016 aufgrund von Presseberichten Kenntnis von dem Vorgang erlangt. Für das Landratsamt Rhein-Neckar-Kreis als zuständige Kommunalaufsichtsbehörde über die Stadt Eppelheim war nach der am 29. November 2016 beim Verwaltungsgericht Karlsruhe erfolgten Klageerhebung bezüglich der Wahlanfechtung absehbar, dass die gewählte Bewerberin ihr Amt nicht zum vorgesehenen Zeitpunkt würde antreten können. 2. Wie bewertet sie im vorliegenden Fall die Regelungen der Gemeindeordnung und insbesondere die Möglichkeiten des Gemeinderats, einen Amtsverweser zu bestellen? 3. In welchem Verhältnis steht § 48 Absatz 3 Gemeindeordnung Baden-Württemberg zu § 42 Absatz 5 Gemeindeordnung Baden-Württemberg? Zu 2. und 3.: Das Verhältnis der beiden genannten Regelungen zueinander ist anhand des Gesetzes nicht eindeutig bestimmbar. Die Regelungen sind auch zu unterschiedlichen Zeitpunkten in die Gemeindeordnung aufgenommen worden. Soweit ersichtlich wurde die vorliegende Konstellation im Gesetzgebungsverfahren nicht thematisiert . 3 Landtag von Baden-Württemberg Drucksache 16 / 1678 In der Kommentierung zur Gemeindeordnung wird die Ansicht vertreten, die Bestellung eines Amtsverwesers nach § 48 Abs. 3 der Gemeindeordnung (GemO) könne nur dann erfolgen, wenn der bisherige Bürgermeister nicht die Geschäfte nach § 42 Abs. 5 GemO weiterführt (Kunze/Bronner/Katz, Kommentar zur Gemeindeordnung , § 48 Rn. 25). Eine entsprechende Aussage enthielt auch die inzwischen außer Kraft getretene Verwaltungsvorschrift zur Gemeindeordnung (Nr. 3 zu § 48). 4. Plant sie die Reservefunktion des Gemeinderats in solchen Streitfällen zu stärken? Zu 4.: Eine gesetzliche Regelung, nach der ein Weiterführen der Geschäfte durch den Bürgermeister ausgeschlossen ist, wenn der Gemeinderat die gewählte Person bei einer Wahlanfechtung zum Amtsverweser bestellt, wäre möglich. Es ist zum jetzigen Zeitpunkt nicht vorgesehen, aufgrund des jetzt aufgetretenen Einzelfalls eine solche gesetzliche Regelung in die Gemeindeordnung aufzunehmen. 5. Welche Möglichkeiten sieht sie, in der Angelegenheit selbst tätig zu werden (z. B. durch Vermittlung, eigene Expertise oder juristische Klärung)? 6. Hat sie Maßnahmen bereits in die Wege geleitet und wenn ja welche, um die streitgegenständlichen Fragen zu klären? 7. Welchen zeitlichen Rahmen hält sie für zumutbar, um eine Entscheidung herbeizuführen ? Zu 5., 6. und 7.: Das für die Kommunalaufsicht über die Stadt Eppelheim zuständige Landratsamt Rhein-Neckar-Kreis ist mit dem Vorgang befasst. Eine mögliche Klärung der Situation hängt davon ab, welche Entscheidung die Gemeindeorgane in eigener Verantwortung und im Rahmen der Gesetze treffen. Die nächste Gemeinderatssitzung, in der sich der Gemeinderat der Stadt Eppelheim mit dem Vorgang befasst, ist für den 20. März 2017 terminiert. Der Amtsantritt der gewählten Bewerberin ist erst nach rechtskräftigem Abschluss der Wahlanfechtung möglich. Das Verwaltungsgericht Karlsruhe hat in dem anhängigen Verfahren für den 13. April 2017 Termin zur mündlichen Verhandlung bestimmt. Eine Beeinflussung eines gerichtlichen Verfahrens ist im Hinblick auf die Unabhängigkeit der Justiz nicht möglich. Die für den rechtskräftigen Abschluss der Wahlanfechtung notwendige Zeit ist daher auch als zumutbar anzusehen. 8. Inwiefern hält sie ein Plakatierungsverbot in großer Entfernung zum Wahllokal noch für zeitgemäß, wenn gleichzeitig die Wahlberechtigten noch in der Wahlkabine Nachrichten aus den sozialen Netzwerken erhalten können? Zu 8.: Nach § 28 Abs. 2 der Kommunalwahlordnung ist jede Beeinflussung der Wähler durch Wort, Ton, Schrift oder Bild in und am Gebäude, in dem sich der Wahlraum befindet, sowie unmittelbar vor dem Zugang zu dem Gebäude verboten. Gleichlautende Vorschriften finden sich in § 32 Abs. 1 des Bundeswahlgesetzes und § 35 Abs. 1 des Landtagswahlgesetzes. Der entsprechende Bereich ist nach den örtlichen Gegebenheiten zu bestimmen; in der Literatur wird eine Entfernung von 10 bis 20 Metern genannt (Wolfgang Schreiber, Bundeswahlgesetz, Kommentar , 9. Auflage, § 32 Rn. 1). Dieses Verbot ist nach wie vor sinnvoll, um die Neutralität der Wahlorganisation und die unbeeinflusste Ausübung der Wahl durch die Wählerinnen und Wähler und damit die Wahlfreiheit zu schützen. Landtag von Baden-Württemberg Drucksache 16 / 1678 4 Demgegenüber haben es die Wählerinnen und Wähler selbst in der Hand, ob sie im Wahllokal noch Nachrichten aus den sozialen Netzwerken empfangen wollen, und können gegebenenfalls den Empfang selbst verhindern. Die Beeinflussung Dritter im Wahllokal ist nicht zulässig. Eine solche Konstellation wie in Eppelheim kann allein dadurch eintreten, dass eine Wahl angefochten wird, selbst wenn letztlich kein Rechtsverstoß festgestellt wird. Daher kann auch die Ausgestaltung einzelner Wahlvorschriften eine solche Situation nicht verhindern. Auf die Möglichkeit der Wahlanfechtung selbst kann nicht verzichtet werden. Strobl Minister für Inneres, Digitalisierung und Migration