Landtag von Baden-Württemberg 16. Wahlperiode Drucksache 16 / 1679 21. 02. 2017 1Eingegangen: 21. 02. 2017 / Ausgegeben: 19. 04. 2017 G r o ß e A n f r a g e Wir fragen die Landesregierung: 1. Welche Erkenntnisse liegen ihr zum Stellenwert der Exporte und zur Exportquote für die baden-württembergische Wirtschaft vor? 2. Welche Erkenntnisse liegen ihr zum Stellenwert des Verkehrs an Waren und Dienstleistungen mit den Mitgliedstaaten der Europäischen Union vor? 3. Welche Erkenntnisse liegen ihr zum Stellenwert des Verkehrs an Waren und Dienstleistungen mit den Mitgliedstaaten der Europäischen Freihandelsassoziation sowie der Schweiz vor? 4. Welche Erkenntnisse liegen ihr zum Stellenwert des Verkehrs an Waren und Dienstleistungen mit den Vereinigten Staaten von Amerika vor? 5. Welche Erkenntnisse liegen ihr zum Stellenwert des Verkehrs an Waren und Dienstleistungen mit dem Vereinigten Königreich von Großbritannien und Nord - irland im Vergleich zu den anderen Mitgliedstaaten der Europäischen Union vor? 6. Hält sie prinzipiell an dem Ziel fest, den Im- und Export in die Vereinigten Staaten von Amerika möglichst frei, ohne Handelsbeschränkungen und unter Anerkennung europäischer und bundesdeutscher Standards im Bereich Soziales gemäß den Regelungen in Artikel 151 bis Artikel 161 des Vertrags über die Arbeitsweise der Europäischen Union (AEUV) sowie Verbraucher- und Umweltschutz durchzusetzen? 7. Wie beurteilt sie vor diesem Hintergrund die Ankündigungen des neuen amerikanischen Präsidenten Donald Trump gegenüber den Mitgliedstaaten und Handelspartnern der Europäischen Union, eine stärker protektionistische und nationalbezogene Wirtschaftspolitik zu vertreten? Große Anfrage der Fraktion der SPD und der Fraktion der FDP/DVP und Antwort der Landesregierung Der Wirtschaftsstandort und Exportmotor Baden- Württemberg vor dem Hintergrund der neuen Herausforderungen in der Europapolitik Drucksachen und Plenarprotokolle sind im Internet abrufbar unter: www.landtag-bw.de/Dokumente Der Landtag druckt auf Recyclingpapier, ausgezeichnet mit dem Umweltzeichen „Der Blaue Engel“. Landtag von Baden-Württemberg Drucksache 16 / 1679 2 8. Wie beurteilt sie vor diesem Hintergrund die Ankündigungen der britischen Premierministerin Theresa May, das Ausscheiden des Vereinigten König - reichs von Großbritannien aus der Europäischen Union mit dem Austritt aus dem europäischen Binnenmarkt zu verknüpfen und gleichzeitig mit einer eigenen , niedrigeren Steuerpolitik verbinden zu wollen? 9. Wie beurteilt sie vor diesem Hintergrund und angesichts der Ankündigungen aus den Vereinigten Staaten von Amerika und dem Vereinigten Königreich von Großbritannien das im Oktober 2016 unterzeichnete Freihandelsabkommen CETA (Comprehensive Economic and Trade Agreement) der Europä - ischen Union mit Kanada? 10. Wie bewertet sie die Auswirkungen bestehender Freihandelsabkommen der Bundesrepublik Deutschland und der Europäischen Union für den Wirtschaftsstandort und die Exportentwicklung in Baden-Württemberg? 11. Hält sie es für angezeigt, sich angesichts der angekündigten Änderungen in der amerikanischen Handels- und Wirtschaftspolitik gegenüber den Sozial-, Umwelt- und Unternehmensverbänden und den exportierenden baden-württembergischen Betrieben mit einer eindeutigen Stellungnahme zum Thema außenwirtschaftliche Prinzipien zu positionieren? 12. In welcher Form gedenkt sie, eine solche Stellungnahme gegebenenfalls abzugeben ? 13. Bis wann plant sie, eine eindeutige und verbindliche Stellungnahme zum Freihandelsabkommen CETA beziehungsweise zu ihrer Haltung gegenüber den aktuell angekündigten protektionistischen und außenwirtschaftlichen Bestrebungen in der internationalen Handelspolitik abzugeben? 14. Wie bewertet sie in diesem Zusammenhang die Folgen der dauerhaften Niedrigzinspolitik der Europäischen Zentralbank (EZB) für den Wirtschaftsstand - ort Baden-Württemberg sowie für die Exportaktivitäten und Handelsbeziehungen der Unternehmen im Land? 15. Welche Branchen und Bereiche der Wirtschaft in Baden-Württemberg profitieren nach ihrer Kenntnis besonders von der europäischen Niedrigzinspolitik? 21. 02. 2017 Stoch und Fraktion Dr. Rülke und Fraktion B e g r ü n d u n g In seiner Inaugurations-Rede hat der neue amerikanische Präsident Donald Trump unter anderem den beabsichtigten Kurs beziehungsweise die Neuausrichtung seiner künftigen Wirtschafts- und Handelspolitik skizziert. Insbesondere seine Ausführungen zu Handelsbeziehungen, sein Bekenntnis zum vorrangigen Schutz der eigenen Wirtschaft, eine geringere Kooperationsbereitschaft sowie die damit verbundene Abkehr von bisherigen internationalen Handelsbeziehungen lassen die Wirtschaft in Baden-Württemberg nicht unberührt, denn die Vereinigten Staaten von Amerika sind der wichtigste Handelspartner der heimischen Wirtschaft und 3 Landtag von Baden-Württemberg Drucksache 16 / 1679 Industrie. Gerade kleine und mittlere Firmen, die über keine eigenen Produktionsstandorte in den Vereinigten Staaten von Amerika verfügen, müssen aufgrund der drohenden Handelsbeschränkungen künftig womöglich mit Absatzeinbußen rechnen . Hinzu kommt die Ankündigung der britischen Premierministerin Theresia May, wonach das Vereinigte Königreich von Großbritannien mit dem Ausstieg aus der Europäischen Union auch den europäischen Binnenmarkt verlassen wolle. Die Landesregierung hat sich bisher zum Thema Freihandel nicht eindeutig geäußert. Auch die Öffentliche Anhörung des Landtags zum Thema Freihandelsabkommen CETA führte nicht zu einer Stellungnahme. Mit dieser Großen Anfrage soll auch der Frage nachgegangen werden, ob und inwieweit die Landesregierung angesichts des wirtschaftspolitischen Kurswechsels in den Vereinigten Staaten von Amerika bereit ist, gegenüber den Sozialpartnern, Umweltverbänden und Unternehmen eine eindeutige Haltung einzunehmen und wie diese Stellungnahme dann aussehen soll. A n t w o r t Schreiben des Staatsministeriums vom 10. April 2017 Nr. V: In der Anlage übersende ich unter Bezugnahme auf § 63 der Geschäftsordnung des Landtags von Baden-Württemberg die von der Landesregierung beschlossene Antwort auf die Große Anfrage. Murawski Staatsminister und Chef der Staatskanzlei Landtag von Baden-Württemberg Drucksache 16 / 1679 4 Anlage: Schreiben des Ministeriums für Wirtschaft, Arbeit und Wohnungsbau Mit Schreiben vom 28. März 2017 Nr. 47-4250.61/176/ beantwortet das Ministerium für Wirtschaft, Arbeit und Wohnungsbau im Einvernehmen mit dem Staatsministerium , dem Ministerium der Justiz und für Europa, dem Ministerium für Finanzen , dem Ministerium für Umwelt, Klima und Energiewirtschaft, dem Minis - terium für Ländlichen Raum und Verbraucherschutz und dem Ministerium für Soziales und Integration die Große Anfrage wie folgt: Wir fragen die Landesregierung: 1. Welche Erkenntnisse liegen ihr zum Stellenwert der Exporte und zur Exportquote für die baden-württembergische Wirtschaft vor? Zu 1.: Die baden-württembergische Wirtschaft ist hochgradig internationalisiert und liegt voraussichtlich auch 2016 wieder mit einer Exportquote von rund 40 % des BIP an der Spitze aller deutschen Flächenländer. Baden-Württemberg ist damit Deutschlands größtes Exportland. Jeder dritte Arbeitsplatz ist direkt oder indirekt dem Außenhandel zu verdanken. Die Industrie erwirtschaftet mehr als die Hälfte ihres Umsatzes mit dem Auslandsgeschäft. Bei den Großbetrieben mit über 1.000 Beschäftigten liegt die Exportquote bei 70 %. Sie beträgt im Automobilsektor ebenfalls 70 % und im Maschinenbau 60 %. Damit ist für Baden-Württemberg der Außenhandel ein sehr wichtiger Garant für Wachstum und Beschäftigung und ein offenes und faires Handelssystem liegt deshalb im besonderen Interesse Baden- Württembergs. Mit Warenausfuhren in Höhe von 192 Milliarden Euro im Jahr 2016 weist Baden- Württemberg als drittgrößtes deutsches Land das höchste Exportvolumen aller deutschen Länder aus. Pro Einwohner sind dies rund 18.000 Euro und damit 50 % mehr als im Durchschnitt der 16 deutschen Länder. Allerdings gingen die badenwürttembergischen Exporte im Vergleich zu 2015, das als ein außergewöhnlich erfolgreiches Exportjahr anzusehen ist, um 2,2 % zurück. Die Exportquote ist ein gängiges Maß für die Exportorientierung einer Volkswirtschaft . Sie setzt die Ausfuhren ins Verhältnis zum Bruttoinlandsprodukt. Der Exportanteil der baden-württembergischen Waren hat sich mit Ausnahme des Krisenjahrs 2009 in den vergangenen Jahren kontinuierlich stark erhöht. Während im Jahr 1993 Waren im Wert von 26 % des baden-württembergischen Bruttoinlandsprodukts (BIP) exportiert wurden, entfallen im Jahr 2016 rund 40 % auf das BIP. Für den Stellenwert der Exporte insgesamt spielen grundsätzlich nicht nur die Warenausfuhren, sondern zunehmend auch der Dienstleistungsexport eine Rolle. Auf Ebene der deutschen Länder liegen allerdings keine Informationen zum Außenhandel mit Dienstleistungen vor. Näherungsweise kann jedoch die Entwicklung des Dienstleistungsexports auf Bundesebene als Information verwendet werden. Dies gilt auch im Zusammenhang der Beantwortung der Fragen zu den Nummern 2. bis 5. hinsichtlich des Stellenwerts des Verkehrs an Dienstleistungen . Nach der Veröffentlichung der Deutschen Bundesbank „Außenhandel und Dienstleistungen der Bundesrepublik Deutschland“ vom Februar 2017 (Abgrenzung gemäß Zahlungsbilanzstatistik) trugen im Jahr 2016 die Dienstleistungen 248 Milliarden oder 17 % zum Gesamtexport von Waren und Dienstleistungen in Höhe von 1.442 Milliarden Euro in Deutschland bei. Im Jahr 2006 waren es lediglich 144 Milliarden Euro oder 14,6 %. Im Zeitraum 2006 bis 2016 entwickelte sich damit der Dienstleistungsexport mit 72 Prozent dynamischer als der Warenexport mit 42 %. Die wichtigsten Dienstleistungsarten im Export der Bundesrepublik Deutschland waren dabei Transportdienstleistungen, Telekommunikations-, EDV- und Informationsdienste, Finanzdienstleistungen, Forschung und Entwicklung , Freiberufliche Dienstleistungen und Managementberatungsleistungen sowie Technische Dienstleistungen. In den meisten dieser Dienstleistungsbereiche dürften auch baden-württembergische Unternehmen Stärken und damit Exportpotenziale haben. 5 Landtag von Baden-Württemberg Drucksache 16 / 1679 2. Welche Erkenntnisse liegen ihr zum Stellenwert des Verkehrs an Waren und Dienstleistungen mit den Mitgliedstaaten der Europäischen Union vor? Zu 2.: Für Baden-Württembergs Exporteure ist die Europäische Union der größte Absatzmarkt der Welt. Mit Exporten in Höhe von fast 100 Milliarden Euro (2016) nimmt diese Ausfuhrregion die Hälfte (52 %) der Gesamtwarenausfuhr Baden-Württembergs auf. Importiert wurden aus der Europäischen Union Waren in Höhe von 95 Milliarden Euro. Das sind 59 % aller Wareneinfuhren des Landes. Wie unter Nummer 1 aufgeführt, liegen auf Ebene der deutschen Länder keine Informationen zum Außenhandel mit Dienstleistungen vor. Die Ausfuhren in die Mitgliedstaaten der EU blieben mit rund 100 Mrd. Euro im Jahr 2016 nahezu auf dem Vorjahres - niveau. Dagegen nahmen die Exporte in die Eurozone um 1,9 % auf 64,1 Milliarden Euro zu. Überdurchschnittliche Zuwächse von jeweils 4 % fanden innerhalb dieses Raumes in den Niederlanden, Italien, Spanien und Belgien statt. In die Nicht-Eurozone wurden 2016 Waren in Höhe von 35,6 Milliarden Euro geliefert, 2,6 % weniger als im Vorjahr. In diesem Raum entwickelten sich vor allem die Ausfuhren nach Polen besonders dynamisch (+ 7,1 % auf 5,7 Mrd. Euro). Neben den reinen Import- und Exportdaten sind auch die vielfältigen europä - ischen Wertschöpfungsketten hervorzuheben. So sind viele baden-württembergische Unternehmen mit Partnern aus anderen EU-Mitgliedsstaaten eng verflochten , sei es über den Austausch von Waren und Dienstleistungen, sei es als Lizenznehmer oder Forschungspartner. Der große Mehrwert der EU liegt dabei in der Sicherstellung einheitlicher Bedingungen und gleicher Regeln für alle Markteilnehmer . 3. Welche Erkenntnisse liegen ihr zum Stellenwert des Verkehrs an Waren und Dienstleistungen mit den Mitgliedstaaten der Europäischen Freihandelsassoziation sowie der Schweiz vor? Zu 3.: Die Europäische Freihandelsassoziation (EFTA) besteht aus Island, Norwegen, Liechtenstein und der Schweiz. Im Jahr 2016 exportierte Baden-Württemberg Waren in Höhe von 15 Milliarden Euro in die EFTA und importierte Waren aus diesem Raum in Höhe von knapp 16 Milliarden Euro. Das sind 8,0 % aller Warenausfuhren und 9,8 % aller Wareneinfuhren des Landes. Wie unter Nummer 1 aufgeführt, liegen auf Ebene der deutschen Länder keine Informationen zum Außenhandel mit Dienstleistungen vor. Die Schweiz ist ein wichtiger Handelspartner für Baden-Württemberg. Sie ist mit einem Ausfuhrvolumen von 14 Milliarden Euro (2016) und einem Anteil von 7,3 % das drittwichtigste Exportland Baden-Württembergs. Gegenüber dem Jahr 2015 stiegen die Exporte um 5,1 %. Als Importland steht die Schweiz an erster Stelle. Importiert wurden über 15 Milliarden Euro, was einem Anteil von 9,6 % an den Gesamteinfuhren des Landes entspricht (+ 5,4 % gegenüber 2015). Obwohl die Schweiz kein Mitgliedsstaat der EU ist, ist der Stellenwert der Be - ziehung zur Schweiz besonders hervorzuheben. Mit der Nationalregierung über bilaterale Treffen sowie mit den Grenzkantonen über die Internationale Bodenseekonferenz (IBK) und die Oberrheinkonferenz (ORK) bestehen ein intensiver Austausch und eine projektbezogene wirtschaftspolitische Zusammenarbeit. Noch bestehende Marktzugangshemmnisse werden hierüber unmittelbar thematisiert (bspw. als flankierende Maßnahmen zu den bilateralen Verträgen). Landtag von Baden-Württemberg Drucksache 16 / 1679 6 4. Welche Erkenntnisse liegen ihr zum Stellenwert des Verkehrs an Waren und Dienstleistungen mit den Vereinigten Staaten von Amerika vor? Zu 4.: Die Vereinigten Staaten von Amerika sind mit Abstand das wichtigste Absatzland für die Exporteure Baden-Württembergs. Mit Warenexporten von 23 Milliarden Euro (2016) werden dorthin 12,2 % aller Exporte des Landes geliefert. Dabei haben die Kraftfahrzeugexporte mit 9 Milliarden Euro (Anteil an allen Kfz-Exporten : 20 %) nebst Maschinenexporten (4,6 Milliarden Euro) eine besonders hohe Bedeutung. In keinem anderen Absatzland werden mehr Kraftwagen oder Maschinen abgesetzt. Allerdings wurden erstmals seit 2009 im Jahr 2016 deutlich weniger Waren in den USA abgesetzt als im Vorjahr (– 9,4 %). Bei den Einfuhren sind die USA mit 12 Milliarden Euro oder einem Anteil von 7,6 % das viertwichtigste Importland für Baden-Württemberg. Im Jahr 2016 importierte das Land 4,6 % weniger aus den USA. Wie in der Antwort zu Frage Nummer 1 ausgeführt, liegen auf Ebene der deutschen Länder keine Informationen zum Außenhandel mit Dienstleistungen vor. 5. Welche Erkenntnisse liegen ihr zum Stellenwert des Verkehrs an Waren und Dienstleistungen mit dem Vereinigten Königreich von Großbritannien und Nordirland im Vergleich zu den anderen Mitgliedstaaten der Europäischen Union vor? Zu 5.: Im Jahr 2016 setzte Baden-Württemberg Waren in Höhe von 12 Milliarden Euro im Vereinigten Königreich (UK) ab. Damit ist UK mit einem Anteil von 6,4 % am Gesamtexport Baden-Württembergs das sechstwichtigste Abnehmerland des Landes . Die wichtigste Exportware sind Kraftfahrzeuge (3,8 Milliarden Euro). Die Exporte sanken im Vergleich zum Vorjahr um 15,3 %. Dieser Rückgang geht nicht hauptursächlich auf die Brexit-Entscheidung in Großbritannien zurück, sondern hat wesentlich rückwirkende Änderungen in der statistischen Erfassung als Grund. Baden-Württemberg importiert aus UK Waren in Höhe von 4,6 Milliarden Euro (+ 6,4 % im Vergleich zu 2015) und steht mit einem Anteil von 2,8 % auf Rang 12 der wichtigsten Importländer für das Land. Wie in der Antwort zu Frage Nummer 1 ausgeführt, liegen auf Ebene der deutschen Länder keine Informationen zum Außenhandel mit Dienstleistungen vor. In der nachfolgendenden Tabelle sind die Außenhandelsdaten Baden-Württembergs mit den Mitgliedsländern der Europäischen Union für das Jahr 2016 aufgeführt . 7 Landtag von Baden-Württemberg Drucksache 16 / 1679 6. Hält sie prinzipiell an dem Ziel fest, den Im- und Export in die Vereinigten Staaten von Amerika möglichst frei, ohne Handelsbeschränkungen und unter Anerkennung europäischer und bundesdeutscher Standards im Bereich Soziales gemäß den Regelungen in Artikel 151 bis Artikel 161 des Vertrags über die Arbeitsweise der Europäischen Union (AEUV) sowie Verbraucher- und Umweltschutz durchzusetzen? Zu 6.: Als produktions- und exportstarkes Land profitiert Baden-Württemberg in erheblichem Maße von bilateralen und multilateralen Handelsbeziehungen. In diesem Zusammenhang bieten Handelsabkommen zwischen der Europäischen Union und Drittstaaten die Möglichkeit, solche Beziehungen zu intensivieren und zu vertiefen und auf die globalen Handelsregeln für Wirtschaftsteilnehmer aktiv Einfluss zu nehmen. Handelsabkommen sind für die EU insofern von strategischer Bedeutung , als Europa nur im Verbund mit starken internationalen Partnern Standards Landtag von Baden-Württemberg Drucksache 16 / 1679 8 nach seinen Wertevorstellungen mitprägen kann. Dies gilt in besonderem Maße für die Handelsbeziehungen mit den USA. Die Landesregierung hat sich in diesem Zusammenhang bereits im Koalitionsvertrag vom Mai 2016 grundsätzlich festgelegt. Sie sieht in Handelsverträgen und Handelspartnerschaften zwischen der EU und Drittstaaten Chancen, aber auch Risiken für Baden-Württemberg. Die Regierungsparteien haben im Koalitionsvertrag deshalb vereinbart, die Zustimmung zu solchen Abkommen von der Ein - haltung der für die EU vereinbarten Standards für Verbraucherschutz und Verbraucherrechte , Arbeitsschutz, Umweltschutz, Datenschutz, soziale Sicherheit, Gesundheitsversorgung, kommunale Daseinsvorsorge, Kultur, Bildung und öffentliche Gerichtsbarkeit bei Investor-Staats-Klagen sowie der Sicherung des Vorsorgeprinzips abhängig zu machen. Außerdem tritt die Landesregierung dafür ein, dass das Recht auf Regulierung und die Verwirklichung berechtigter politischer Ziele auf kommunaler, regionaler, nationaler und europäischer Ebene erhalten bleibt und zukünftig weiterentwickelt werden können muss. Als Basis für die Bewertung der Ergebnisse von ausgehandelten Handelsabkommen betrachtet die Landesregierung weiterhin ihr Eckpunktepapier zur Transatlantischen Handelsund Investitionspartnerschaft (TTIP) vom 17. März 2015. Dies ist nach wie vor der Maßstab der Landesregierung. Der Im- und Export ist im Bereich des gesundheitlichen Verbraucherschutzes durch die Basisverordnung des Lebensmittelrechts, der Verordnung (EG) Nr. 178/2002, unionsrechtlich geregelt und folgt dem Prinzip der gegenseitigen Anerkennung der jeweiligen Standards. Beim Import gelten die unionsrechtlichen Vorschriften, beim Export die Anforderungen des jeweiligen Drittlands. Beim Export von z. B. Lebensmitteln tierischen Ursprungs in die USA müssen deren spezifische Anforderungen erfüllt werden. Die Einhaltung dieser Anforderungen wird durch Audits des FOOD SAFETY AND INSPECTION SERVICE der US-Landwirtschaftsbehörde USDA überprüft (nächstes Audit in DE: 20. März bis 7. April 2017, davon zwei Termine in BW). Auch die EU führt Drittland-Audits durch. Nach dem Programm der DG Health and Food Safety der Kommission sind in 2017 drei USA-Audits vorgesehen. Dieses System hat sich bewährt. Die Regelungen des europäischen und deutschen Umweltschutzes gelten uneingeschränkt sowohl für die Produktion von Waren für den Export wie auch für Waren , die nach Baden-Württemberg eingeführt werden. Diese Regeln dienen nicht nur zur Erhaltung des hohen Umweltschutzniveaus, sondern auch zur Vermeidung von Wettbewerbsnachteilen. 7. Wie beurteilt sie vor diesem Hintergrund die Ankündigungen des neuen amerikanischen Präsidenten Donald Trump gegenüber den Mitgliedstaaten und Handelspartnern der Europäischen Union, eine stärker protektionistische und nationalbezogene Wirtschaftspolitik zu vertreten? Zu 7.: Nach Auffassung der Landesregierung sind die wirtschaftspolitischen Beziehungen zu den USA von besonderer Bedeutung. Im Jahr 2016 waren die USA der wichtigste Handelspartner für Baden-Württemberg und standen in der Export- Rangliste mit einem Anteil von rund 12 % aller Exporte aus Baden-Württemberg erneut auf Platz 1. Vor diesem Hintergrund hat Baden-Württemberg ein erheb - liches Interesse an der Sicherung und am Ausbau offener und fairer Handels- und Wirtschaftsbeziehungen mit den USA, die für beide Seiten Vorteile bringen. Die allgemeinen Erfahrungen zeigen, dass Handelsbeschränkungen mittel- und langfristig Wachstum und Wohlstand auf beiden Seiten beeinträchtigen. Die Landesregierung spricht sich deshalb ausdrücklich für eine starke und enge wirtschaft - liche Zusammenarbeit sowie für offene Märkte und ein wertebasiertes und faires Handelssystem aus. Dazu gehört auch die Beibehaltung des multilateralen Handelsregimes der WTO, das sich bewährt hat. Die bislang bekannt gewordenen Äußerungen der neuen Regierung der USA lassen auf einen stärker protektionistischen Ansatz in der Handelspolitik schließen. Zum jetzigen Zeitpunkt sind aber noch keine konkreten Umsetzungspläne bekannt . Die Landesregierung wird die wirtschafts- und handelspolitischen Ent- 9 Landtag von Baden-Württemberg Drucksache 16 / 1679 wicklungen in Bezug auf die USA weiter genau verfolgen und die Interessen des Landes gegenüber der Bundesregierung, der Europäischen Kommission und den Partnern der USA intensiv einbringen. 8. Wie beurteilt sie vor diesem Hintergrund die Ankündigungen der britischen Premierministerin Theresa May, das Ausscheiden des Vereinigten Königreichs von Großbritannien aus der Europäischen Union mit dem Austritt aus dem europäischen Binnenmarkt zu verknüpfen und gleichzeitig mit einer eigenen, niedrigeren Steuerpolitik verbinden zu wollen? Zu 8.: Die Wirtschaft in Baden-Württemberg profitiert von dem Europäischen Binnenmarkt in hohem Maße, rund die Hälfte der baden-württembergischen Exporte gehen in die EU-28. Umso bedauerlicher ist es, dass UK – wie politisch angekündigt – am 29. März 2017 einen Antrag auf Austritt aus der EU stellen wird. Für Baden-Württemberg als stark exportorientiertem Bundesland ist aus wirtschaftspolitischer Sicht eine Lösung wünschenswert und zu unterstützen, die einen möglichst freien und unkomplizierten Warenverkehr gewährleistet. Gleichzeitig gilt es aber auch die europapolitische Perspektive im Blick zu behalten. Mögliche „Zentrifugalkräfte “ müssen vermieden werden. Der Zusammenhalt der verbleibenden EU-27 steht im Vordergrund. Es sollte deshalb kein „Rosinenpicken“ seitens UK unterstützt werden. Ohnehin umfasst die von deutschen und britischen Unternehmen geforderte Freizügigkeit ausdrücklich auch die reibungslose Beschäftigung von Fachkräften mit EU-Pass. Mitarbeiter von Unternehmen sollten auch künftig keine speziellen Genehmigungen brauchen müssen, um im jeweils anderen Land zu arbeiten. Generell ist der Zusammenhalt in einem Binnenmarkt in einer EU-27 für die Wirtschaft in Baden-Württemberg von zentraler Bedeutung; gerade auch vor dem Hintergrund protektionistischer Tendenzen der USA. Ein Unterbietungswettbewerb bei den Unternehmenssteuern würde die Staatengemeinschaft bei ihren internationalen Bemühungen und Vereinbarungen, die Steuerflucht zu bekämpfen, zurückwerfen. Deshalb betrachtet die Landesregierung mit Blick auf einen möglichen neu entstehenden Steuersenkungswettlauf bei den Unternehmenssteuern die jüngsten Steuersenkungsankündigungen von Großbritannien sowie die Reformpläne in den USA genau. Im Februar 2017 reiste Wirtschaftsministerin Dr. Nicole Hoffmeister-Kraut MdL mit einer 25-köpfigen Delegation aus Politik, Wirtschaftsverbänden, Kammern , Banken und Wirtschaft nach London, um sich mit Vertretern von Banken und vor Ort ansässigen baden-württembergischen Unternehmen sowie britischen Unternehmen und dem größten britischen Industrieverband CBI (Confederation of British Industry) über deren Erfahrungen und die möglichen Strategien zu den Brexit-Folgen auszutauschen. Dabei wurde deutlich, dass im Laufe der Verhandlungen voraussichtlich eine Reihe von branchenspezifischen Spezialproblemen behandelt werden müssen. Das Wirtschaftsministerium wird auftauchende Probleme in enger Zusammenarbeit mit den Kammern und Verbänden sowie dem Ministerium der Justiz und für Europa analysieren und anschließend in Berlin und Brüssel ansprechen, damit es hier zu befriedigenden Lösungen für die Kernbranchen des Landes kommt. Deutschland setzt sich seit Jahren dafür ein, dass es für den internationalen Steuerwettbewerb einen Ordnungsrahmen gibt. Daher wurde das OECD/G20-Projekt BEPS – eine Initiative gegen die Vermeidung einer Aushöhlung steuerlicher Bemessungsgrundlagen und Gewinnverlagerungen („Base Erosion and Profit Shifting – BEPS“) – maßgeblich mitgetragen. In den letzten Jahren hat es erhebliche Fortschritte beim Vorgehen gegen den schädlichen Steuerwettbewerb und aggressive Steuergestaltungen gegeben. Es gibt aber weder in der EU noch in der OECD bzw. im Kreis der G20 Vereinbarungen oder sonstige Vorgaben für die Höhe von Unternehmenssteuersätzen. Insbesondere gibt es keine Vereinbarungen über Mindeststeuersätze . Es besteht derzeit noch Unklarheit über die zu erwartenden Reformschritte bei der britischen Unternehmensbesteuerung. Es ist es von großer Bedeutung, dass durch eine mögliche britische Steuerreform keine Fälle der Doppelbesteuerung oder der doppelten Nichtbesteuerung entstehen. Insbesondere Landtag von Baden-Württemberg Drucksache 16 / 1679 10 muss die Vereinbarkeit der Reform mit dem bestehenden Doppelbesteuerungsabkommen sowie mit WTO-Recht gewährleistet sein. Die Diskussionen hierzu sind aufmerksam zu verfolgen und auch mit den EU-Partnern abzustimmen. Großbritannien hat bereits durch die Einführung einer sogenannten Lizenzbox mit einem Sondersteuersatz von 10 % (gegenüber dem Regelsteuersatz von 22 %) damit begonnen, Unternehmen „anzulocken“. Unter Lizenz- oder Patentboxen verbirgt sich das Angebot eines Staats an Unternehmen, Lizenzeinnahmen zu einem deutlich günstigeren als dem regulären Satz zu versteuern. So zahlen deutschen Tochtergesellschaften ausländischer Konzerne oft Lizenzgebühren für die Nutzung des Firmennamens an eine Schwestergesellschaft im Ausland, die das Geld dann mithilfe der Lizenzbox günstig versteuert. Als deutsche Reaktion wird hierzu auf Anregung des Bundesrats derzeit der Gesetzentwurf gegen schädliche Steuerpraktiken im Zusammenhang mit Rechteüberlassungen und hierbei die Einführung eines Abzugsverbots für Lizenzaufwendungen (sog. Lizenzschranke, § 4 j Einkommensteuergesetz) erörtert. Diese greift, wenn die entsprechenden Erträge im Ausland (wie z. B. in Großbritannien) aufgrund einer Präferenzregelung niedrig besteuert werden. Diese Regelung dürfte voraussichtlich im Verhältnis zum Vereinigten Königreich zur Anwendung kommen, solange die britische Patentbox noch nicht auf die neuen internationalen Standards (sog. Nexus-Ansatz) umgestellt worden ist (für den Übergangszeitraum bis 30. Juni 2021). 9. Wie beurteilt sie vor diesem Hintergrund und angesichts der Ankündigungen aus den Vereinigten Staaten von Amerika und dem Vereinigten Königreich von Großbritannien das im Oktober 2016 unterzeichnete Freihandelsabkommen CETA (Comprehensive Economic and Trade Agreement) der Europäischen Union mit Kanada? Zu 9.: Es wird zunächst auf die Stellungnahme der Landesregierung zum Antrag Drucksache 16/1589 verwiesen. Darin wird ausgeführt: „Das umfassende Wirtschafts- und Handelsabkommen der Europäischen Union (EU) mit Kanada (CETA) bezweckt die Intensivierung der wirtschaftlichen Beziehungen beider Wirtschaftsräume durch verbesserten Marktzugang für Indus - triegüter, Agrarprodukte und Dienstleistungen sowie im Bereich des öffentlichen Auftragswesens. CETA ist ein Freihandels- und Investitionsschutzabkommen „neuen Typs“, das weit über den Abbau von Zollschranken hinausgeht. Gegenstand von CETA sind auch die Beseitigung nichttarifärer Handelshemmnisse, die regulatorische Zusammenarbeit, sowie in vielen Bereichen fortschrittlichere Regeln und Standards für den Schutz von Arbeitnehmerrechten, Umwelt, Gesundheit und für nachhaltiges Wirtschaften insgesamt als in bisherigen europäischen und nationalen Abkommen. Ferner streben die Vertragsparteien für die Beilegung von Investitionsstreitigkeiten die Errichtung eines multilateralen Investitionsgerichtshofs mit Rechtsbehelfsinstanz an. CETA umfasst neben dem Warenverkehr auch Dienstleistungen und ist damit einer der umfassendsten und ambitioniertes - ten Freihandelsverträge, den die EU bisher verhandelt hat. Das Abkommen bietet der EU die Möglichkeit, die transatlantischen Beziehungen zu intensivieren und zu vertiefen und auf die globalen Handelsregeln für Wirtschaftsteilnehmer aktiv Einfluss zu nehmen. Es ist für die EU insofern von strategischer Bedeutung, als Europa nur im Verbund mit starken internationalen Partnern Standards nach seinen Wertevorstellungen mitprägen kann.“ Darüber hinaus wird Folgendes ausgeführt: CETA ist Teil der breiteren handelspolitischen Strategie der EU. In dieser steht neben dem Engagement für multilaterale Bestrebungen auf WTO-Ebene auch der Abschluss von bilateralen Freihandelsabkommen mit ausgewählten Partnerländern. Kanada ist mit einem jährlichen Handelsvolumen von mehr als 13 Milliarden Euro bereits heute ein wichtiger Wirtschaftspartner Deutschlands. CETA kann dazu beitragen, diese wirtschaft - liche Partnerschaft weiter zu vertiefen und auszubauen. Wichtige Entscheidungen zu CETA stehen noch aus. So hat das Bundesverfassungsgericht bislang lediglich über mehrere Eilanträge, nicht jedoch in der Hauptsache über die Verfassungskonformität von CETA entschieden. Von Interesse für 11 Landtag von Baden-Württemberg Drucksache 16 / 1679 die Bewertung von CETA ist außerdem das für das laufende Jahr angekündigte Gutachten des Europäischen Gerichtshofs zum Freihandelsabkommen der EU mit Singapur, das auch auf CETA Auswirkungen haben wird. Eine abschließende Positionierung der Landesregierung zu CETA ist vor diesem Hintergrund, insbesondere der ausstehenden Entscheidungen des Bundesverfassungsgerichts, zum jetzigen Zeitpunkt nicht angemessen. Die Landesregierung wird im Zuge des Ratifizierungsprozesses zu einer rechtzeitigen und umfassenden Bewertung des Abkommens gelangen und ihr Stimmverhalten im Bundesrat hieran orientieren. Bei dieser Positionierung wird die Landesregierung insbesondere die in ihrem TTIP-Eckpunktepapier vom 17. März 2015 niedergelegten Kriterien berücksichtigen. 10. Wie bewertet sie die Auswirkungen bestehender Freihandelsabkommen der Bundesrepublik Deutschland und der Europäischen Union für den Wirtschaftsstandort und die Exportentwicklung in Baden-Württemberg? Zu 10.: Freihandelsabkommen tragen wesentlich zu intensiveren Handelsbeziehungen bei. Die damit verbundenen Handelserleichterungen können zu mehr Handel und damit mehr Wachstum und Wohlstand sowie zum Erhalt und zur Schaffung von Arbeitsplätzen auf beiden Seiten führen. Freihandelsabkommen sind für ein exportstarkes Land wie Baden-Württemberg deshalb von besonderer Bedeutung. Sie müssen fair, transparent und offen bei voller Beibehaltung der bestehenden Schutzniveaus sowie der Möglichkeit zu deren Weiterentwicklung verhandelt und umgesetzt werden. Konkrete Zahlen zu den Auswirkungen von Freihandelsabkommen auf Baden-Württemberg sind nicht bekannt. Kommt ein Freihandelsabkommen zustande, können Einfuhrzölle aufgehoben und somit europäische Waren zollfrei exportiert werden. Dasselbe gilt natürlich auch für Importe in die EU. Dadurch entstehen Preissenkungen auch für die Verbraucher . Für viele Unternehmen ist auch der Abbau nicht-tarifärer Anforderungen und Bestimmungen relevant. Häufig sind zum Beispiel zweite technische Überprüfungen oder zusätzliche Tests einer dritten Partei nötig, bevor qualitativ hochwertige Waren aus Deutschland in andere Länder eingeführt werden können. Für die baden-württembergischen Unternehmen sind die Abschaffung von Zöllen, der Abbau von nicht-tarifären Handelshemmnissen und das gegenseitige Anerkennen von Normen und Standards von zentraler Bedeutung. Von den damit verbundenen Wachstumschancen profitieren nicht nur die exportierenden Unternehmen und deren Zulieferer und Dienstleister, sondern auch importierende Unternehmen . Vom Abbau von Handelshemmnissen profitieren insbesondere exportorientierte kleine und mittelständische Unternehmen. Denn Zölle und andere Handelshemmnisse bedeuten einen enormen und kostenintensiven Verwaltungsaufwand, für den bei KMU nur beschränkt Ressourcen vorhanden sind. Ein wichtiger Aspekt sind auch Erleichterungen und niedrigere Schwellenwerte bei öffentlichen Ausschreibungen , die Gegenstand von Freihandelsabkommen sein können. Diese ermög - lichen baden-württembergischen Dienstleistungs- und Warenlieferanten eine bessere Erschließung des öffentlichen Beschaffungsmarkts anderer Länder. Als Beispiel wird auf das seit fünf Jahren bestehende Freihandelsabkommen der EU mit Südkorea verwiesen. Die Aus- und Einfuhren Baden-Württembergs mit Südkorea sind in diesem Zeitraum deutlich gestiegen: Landtag von Baden-Württemberg Drucksache 16 / 1679 12 Zur Handelspolitik ist anzumerken, dass die Kompetenz für den Warenverkehr uneingeschränkt bei der EU liegt. Im Bereich der Dienstleistungen und des geistigen Eigentums liegt eine gemischte Kompetenz und damit eine geteilte Zuständigkeit vor. Das Bundesministerium für Wirtschaft und Energie informiert auf seiner Homepage unter http://www.bmwi.de/Redaktion/DE/Artikel/Aussenwirtschaft /freihandelsabkommen-der-eu.html über die bestehenden Freihandelsabkommen der EU und unter https://www.bmwi.de/Redaktion/DE/Artikel/Aussenwirtschaft /freihandelsabkommen-aktuelle-verhandlungen.html über die derzeit in Verhandlung befindlichen Abkommen. Bilaterale Handelsabkommen Deutschlands sind nicht in Kraft (anders Investitionsschutzabkommen). Die sogenannten Handels-, Schifffahrts- und Freundschaftsverträge aus den 50er-Jahren wurden im handelspolitischen Teil mit Gründung der EU außer Kraft gesetzt. 11. Hält sie es für angezeigt, sich angesichts der angekündigten Änderungen in der amerikanischen Handels- und Wirtschaftspolitik gegenüber den Sozial-, Umwelt- und Unternehmensverbänden und den exportierenden baden-württembergischen Betrieben mit einer eindeutigen Stellungnahme zum Thema außenwirtschaftliche Prinzipien zu positionieren? 12. In welcher Form gedenkt sie, eine solche Stellungnahme gegebenenfalls abzugeben ? Zu 11. und 12.: Aufgrund des inhaltlichen Zusammenhangs werden die Fragen Nummer 11 und 12 gemeinsam beantwortet. Der Landesregierung sind konkrete Umsetzungspläne in den USA bisher nicht bekannt . Sie wird deshalb die weitere Entwicklung intensiv verfolgen und steht mit der Bundesebene und der europäischen Ebene im Austausch. Dabei setzt sie sich ausdrücklich für offene Märkte und ein wertebasiertes und faires Handelssystem ein (siehe auch die Antwort zu Frage Nr. 7.). Die Frage, unter welchen Umständen eine nach außen gerichtete Stellungnahme sinnvoll oder erforderlich sein könnte, kann noch nicht abschließend beantwortet werden. Das Wirtschaftsministerium steht auch im Hinblick auf die zu beobachtenden protektionistischen Tendenzen in einem engen Dialog mit den Wirtschaftsorganisa- 13 Landtag von Baden-Württemberg Drucksache 16 / 1679 tionen und Unternehmen. Insbesondere vor dem Hintergrund der sich stark verändernden Rahmenbedingungen sieht es die Notwendigkeit von aktuellen Informationen und Analysen für Baden-Württemberg. Deshalb hat das Ministerium für Wirtschaft, Arbeit und Wohnungsbau ein wirtschaftswissenschaftliches Gutachten mit dem Titel „Strukturwandel und Perspektiven des Wirtschaftsstandorts Baden -Württemberg im nationalen und internationalen Vergleich“ in Auftrag gegeben . Zusammen mit dem Tübinger Institut für Angewandte Wirtschaftsforschung (IAW), dem Zentrum für Europäische Wirtschaftsforschung (ZEW) in Mannheim , dem Münchner Ifo-Institut sowie dem Fraunhofer-Institut für System- und Innovationsforschung (ISI) in Karlsruhe werden Ergebnisse bis zur Sommerpause vorliegen. Dabei werden auch Simulationsberechnungen durchgeführt, um zum Beispiel Folgen eines „harten Brexit“ oder der Einführung von Zollschranken für Baden-Württemberg zu ermitteln. 13. Bis wann plant sie, eine eindeutige und verbindliche Stellungnahme zum Freihandelsabkommen CETA beziehungsweise zu ihrer Haltung gegenüber den aktuell angekündigten protektionistischen und außenwirtschaftlichen Bestrebungen in der internationalen Handelspolitik abzugeben? Zu 13.: Es wird insoweit auf die Stellungnahme der Landesregierung zum Antrag Drucksache 16/1589 sowie auf die Antwort zu Frage Nummer 9 verwiesen. 14. Wie bewertet sie in diesem Zusammenhang die Folgen der dauerhaften Niedrigzinspolitik der Europäischen Zentralbank (EZB) für den Wirtschaftsstandort Baden-Württemberg sowie für die Exportaktivitäten und Handelsbeziehungen der Unternehmen im Land? 15. Welche Branchen und Bereiche der Wirtschaft in Baden-Württemberg profitieren nach ihrer Kenntnis besonders von der europäischen Niedrigzinspolitik? Zu 14. und 15.: Die Niedrigzinspolitik der EZB wurde mit dem Kampf gegen schwaches Wirtschaftswachstum und einer möglichen Deflationsgefahr begründet. Inzwischen ist die Konjunktur im Euroraum insgesamt aufwärtsgerichtet, zudem nähert sich die Inflationsrate dem geldpolitischen Ziel von 2 %. Das sollte Anlass sein, um über ein Auslaufen der extrem lockeren Geldpolitik nachzudenken. Die Folgen der Niedrigzinspolitik für den Wirtschaftsstandort Baden-Württemberg sind vielfältig und durchaus ambivalent. Für die Sparer im Land bedeutet das Zusammentreffen einer ansteigenden Inflationsrate mit einem Zinsniveau nahe Null eine reale Entwertung ihrer Ersparnisse. Negative Auswirkungen sind auch in der Versicherungswirtschaft und bei den Banken des Landes zunehmend spürbar, da die Zinserträge als einer der bisher stabilen Hauptertragsquellen stark geschmälert werden. Für die exportorientierte Wirtschaft im Land ist die anhaltende Niedrigzinspolitik der EZB dagegen eher vorteilhaft, weil sie mit einem schwachen Euro einhergeht. So können baden-württembergische Unternehmen ihre Waren auf den Weltmärkten relativ günstig anbieten. Die Kehrseite sind tendenziell steigende Importpreise und damit verbundene Kostensteigerungen, die insbesondere in ressourcenintensiven Branchen zu Buche schlagen. Dr. Hoffmeister-Kraut Ministerin für Wirtschaft, Arbeit und Wohnungsbau