Landtag von Baden-Württemberg 16. Wahlperiode Drucksache 16 / 171 21. 06. 2016 1Eingegangen: 21. 06. 2016 / Ausgegeben: 08. 08. 2016 G r o ß e A n f r a g e Wir fragen die Landesregierung: 1. Wie viele Extremisten, aufgeführt nach Islamisten, Rechtsextremisten, Linksextremisten und Unterstützer der Arbeiterpartei Kurdistans (PKK), nach Altersgruppen in 10-Jahres-Schritten, Geschlecht, Zugehörigkeit zu islamischen beziehungsweise extremistischen Strömungen, etwaiger ausländischer Herkunft und Umfang und Art der bekannten Vorstrafen, die einen Wohnsitz in Baden-Württemberg haben oder hatten beziehungsweise sich hier aufhalten, sind ihr beziehungsweise ihren nachgeordneten Behörden bekannt? 2. Welche Erkenntnisse hat sie über den jeweiligen Organisationsgrad der vorgenannten Extremisten? 3. Wie entwickelte sich das Ausmaß der von den vorgenannten extremistischen Lagern begangenen Straftaten seit dem Jahr 2010? 4. Welche Erkenntnisse hat sie zu Auftritten sogenannter „Hassprediger“ in Baden- Württemberg seit 2010, insbesondere zum Auftritt von Scheich M. R. S. M. in Bad Cannstatt? 5. Inwieweit hatten die Predigten Auswirkungen auf die etwaige Gemeinnützigkeit der Trägervereine? 6. Wie wurden die jeweiligen Moscheen beziehungsweise Moscheevereine vor und nach den Predigten jeweils mit Blick auf ihre Bedeutung für Muslime im Land und auf die innere Sicherheit eingeschätzt? Große Anfrage der Fraktion der FDP/DVP und Antwort der Landesregierung Extremismus in Baden-Württemberg – zukünftige Aus rich - tung des Landesamts für Verfassungsschutz und Engagement der Landesregierung gegen extremistische Bestrebungen Drucksachen und Plenarprotokolle sind im Internet abrufbar unter: www.landtag-bw.de/Dokumente Der Landtag druckt auf Recyclingpapier, ausgezeichnet mit dem Umweltzeichen „Der Blaue Engel“. Landtag von Baden-Württemberg Drucksache 16 / 171 2 7. Wie viele als noch kämpfend, gestorben, vermisst oder zurückgekehrt geltende Personen haben sich seit 2010 aus Baden-Württemberg in sogenannte „Terrorcamps“ oder zur Beteiligung an kriegerischen Auseinandersetzungen in welche Krisengebiete begeben, unterteilt nach Krisengebieten, Alter und Geschlecht der Personen, etwaige ausländische Herkunft und Konfliktpartei, die unterstützt werden sollte beziehungsweise soll? 8. Seit wann liegt ihr der abschließende Bericht der am 11. Februar 2013 beauftragten Projektgruppe zur Strukturreform des Landesamts für Verfassungsschutz vor? 9. Inwieweit wird sie die Ergebnisse beziehungsweise Vorschläge aus dem Bericht umsetzen? 10. In welchem konkreten Umfang hat das Landesamt für Verfassungsschutz in den letzten fünf Jahren mündlich, schriftlich oder textlich ein Mehr an personeller und sachlicher Ausstattung von der Landesregierung gewünscht be - ziehungsweise gefordert? 11. Inwieweit hat sich das Landesamt für Verfassungsschutz in den letzten fünf Jahren zum Maß der Erfüllbarkeit seiner Aufgaben mit den vorhandenen Mitteln und mit etwaigen zusätzlichen Mitteln geäußert? 12. Wie haben sie und ihre Ministerien auf die in den Ziffern 10 und 11 abgefragten Äußerungen jeweils konkret reagiert? 13. Inwieweit wird sie in welchem zeitlichen Horizont die Kompetenzen des Landesamts für Verfassungsschutz erweitern beziehungsweise reduzieren, damit das Amt zum „Frühwarnsystem der Demokratie“ ausgebaut wird, wie es der Koalitionsvertrag vorsieht? 14. Wer wird innerhalb welchen zeitlichen Horizonts anhand welcher Kriterien den Bedarf feststellen, nachdem das Landesamt für Verfassungsschutz ausgebaut werden soll? 15. Welche zusätzlichen Stellen wird das Landesamt für Verfassungsschutz innerhalb welchen zeitlichen Horizonts erhalten und besetzen, um religiös motivierten Terrorismus frühzeitig erkennen zu können? 16. Inwieweit wird sie die von der grün-roten Landesregierung beschlossenen Stellenstreichungen zurücknehmen? 17. Durch welche Aktivitäten wird sie innerhalb welchen zeitlichen Horizonts die Vernetzung von nationalen und europäischen Sicherheitsdatenbanken unterstützen ? 18. Durch welche Aktivitäten wird sie, dargestellt zumindest unter Angabe des zeitlichen Horizonts, des finanziellen und personellen Umfangs und der Organisationsstruktur , das Kompetenzzentrum zur Koordinierung des Präventionsnetzwerks stärken und auf alle Fälle von Extremismus ausweiten? 19. Inwieweit wird sie, dargestellt zumindest unter Angabe des zeitlichen Horizonts , des finanziellen und personellen Umfangs und der Organisationsstruktur , koordinierte Aussteiger- und Deradikalisierungsprogramme schaffen? 20. Inwieweit wird sie dabei mit Moscheegemeinden zusammenarbeiten? 21. Inwieweit wird sie, unter Angabe der Federführung und der grundlegenden Überlegungen zu seiner Aufgabe, den „Runden Tisch Islam“ fortführen? 22. Welche Programme zur Förderung der demokratischen Kultur existieren derzeit in Baden-Württemberg? 3 Landtag von Baden-Württemberg Drucksache 16 / 171 23. Inwieweit wird sie, dargestellt zumindest unter Angabe der grundlegenden Erwägungen zur Förderungswürdigkeit der Programme, der konkret zu erweiternden Programme, des zeitlichen Horizonts, des finanziellen und personellen Engagements, bestehende Programme zur Förderung der demokratischen Kultur erweitern? 24. Durch welche Maßnahmen wird sie sicherstellen, dass dabei nicht auch verfassungsfeindliche beziehungsweise sich nicht mit der vom Bundesverfassungsgericht konkretisierten freiheitlich demokratischen Grundordnung identifizierende Vereine oder Personen gefördert werden? 25. Inwieweit wird sie, dargestellt zumindest unter Angabe der Maßnahmen und des zeitlichen Horizonts, Lehrerinnen und Lehrer sowie Mitarbeiter in Flüchtlingsunterkünften gezielt im Umgang mit Rassismus und Diskriminierung sensibilisieren? 21. 06. 2016 Dr. Rülke und Fraktion B e g r ü n d u n g Nach den Aussagen des Koalitionsvertrags zwischen Bündnis 90/DIE GRÜNEN und der CDU soll das Landesamt für Verfassungsschutz als Frühwarnsystem der Demokratie bedarfsgerecht ausgebaut werden. Um besonders religiös motivierten Terrorismus frühzeitig erkennen zu können, will die Regierung das Landesamt für Verfassungsschutz personell stärken. Die Regierung will die Vernetzung von nationalen und europäischen Sicherheitsdatenbanken unterstützen. Das Kompetenzzentrum zur Koordinierung des Präventionsnetzwerks soll gestärkt und auf alle Fälle von Extremismus ausgeweitet werden. Um der Verbreitung menschenfeindlicher Überzeugungen entgegenzutreten, will die Landesregierung bestehende Programme zur Förderung der demokratischen Kultur erweitern und koordinierte Aussteiger- und Deradikalisierungsprogramme schaffen. Bereits im letzten Jahr hatte die FDP/DVP-Landtagsfraktion weitgehende Forderungen zur Verbesserung der inneren Sicherheit in einem Impulspapier vorgelegt. So hielt es die FDP/DVP-Landtagsfraktion unter anderem für unerlässlich, – Prävention und Integration als Querschnittsaufgabe zu verstehen, die durch einen Integrationsbeauftragten besser bewältigt werden kann als durch ein eigenständiges Ministerium, – ein Rückkehrerprogramm aufzusetzen, das auch von Moscheegemeinden mitgetragen wird, als Intensivierung des Kontakts der Initiative „Polizei und Moscheevereine “, – sozialraum-orientierte Aussteigerprogramme um den neuen Aspekt des islamis - tischen Extremismus zu ergänzen, – die Finanzierung der Programme gegen Rechtsextremismus gerade unter dem Eindruck der Erkenntnisse über Netzwerke des NSU-Terrors sicherzustellen, – ein zentrales Kompetenzzentrum zu schaffen, – den Islamunterricht im Land gegen mangelhaftes Islamwissen weiter auszu - bauen und damit Predigern des menschenverachtenden Salafismus das Gehör zu entziehen, Landtag von Baden-Württemberg Drucksache 16 / 171 4 – Lehrer gezielt im Umgang mit Rassismus und Diskriminierung zu sensibilisieren , um Radikalisierung aufgrund von sozialer Ausgrenzung bereits möglichst früh zu begegnen. Mit der Großen Anfrage soll die Aktivität der Landesregierung beleuchtet und nach Schnittmengen zwischen Regierung und Parlament gesucht werden. A n t w o r t Schreiben des Staatsministeriums vom 26. Juli 2016 Nr. I-112: Unter Bezugnahme auf § 63 der Geschäftsordnung des Landtags übersende ich als Anlage die von der Landesregierung beschlossene Antwort auf die Große Anfrage. Murawski Staatsminister und Chef der Staatskanzlei 5 Landtag von Baden-Württemberg Drucksache 16 / 171 Anlage: Schreiben des Ministeriums für Inneres, Digitalisierung und Migration Mit Schreiben vom 22. Juli 2016 Nr. 4-1080/350 beantwortet das Minis terium für Inneres, Digitalisierung und Migration im Einvernehmen mit dem Staatsministerium , dem Ministerium für Finanzen, dem Ministerium für Kultus, Jugend und Sport und dem Ministerium für Soziales und Integration im Namen der Landes - regierung die Große Anfrage wie folgt: 1. Wie viele Extremisten, aufgeführt nach Islamisten, Rechtsextremisten, Links - extremisten und Unterstützer der Arbeiterpartei Kurdistans (PKK), nach Altersgruppen in 10-Jahres-Schritten, Geschlecht, Zugehörigkeit zu islamischen beziehungsweise extremistischen Strömungen, etwaiger ausländischer Herkunft und Umfang und Art der bekannten Vorstrafen, die einen Wohnsitz in Baden -Württemberg haben oder hatten beziehungsweise sich hier aufhalten, sind ihr beziehungsweise ihren nachgeordneten Behörden bekannt? Zu 1.: Die zur Beantwortung der Frage Ziffer 1. verwendeten Zahlen zu den Personenpotenzialen wurden im aktuellen Verfassungsschutzbericht für das Jahr 2015 veröffentlicht . Um Angaben zu den weiteren angefragten Daten zu machen, wurden die im Nachrichtendienstlichen Informationssystem (NADIS) erfassten personenbezogenen Daten zu Grunde gelegt. Es wird darauf hingewiesen, dass nicht zu jeder im NADIS gespeicherten Person alle angefragten Daten erfasst sind. Darüber hinaus ist die Speicherung von Personen unter 16 Jahren nur unter engen Voraussetzungen erlaubt (vgl. § 11 des Gesetzes über die Zusammenarbeit des Bundes und der Länder in Angelegenheiten des Verfassungsschutzes und über das Bundesamt für Verfassungsschutz – BVerfSchG). Daraus ergeben sich zwangsläufige Unschärfen. Phänomenbereich Islamistischer Extremismus und Terrorismus: Die Landesregierung geht aktuell von rund 3.365 Islamisten im Land aus, wobei davon 120 Personen als gewaltorientiert eingeschätzt werden. Den größten Block der Islamisten bilden Personen/Gruppierungen/Strömungen türkischen Ursprungs (u. a. „Milli Görüs“-Bewegung, Kalifatsstaat usw.) mit rund 2.500 Anhängern. Arabischen Ursprungs (u. a. „Muslimbruderschaft“, „Hizb Allah “ usw.) sind rund 315 Personen. Sonstigen Strömungen gehören rund 550 Personen an. Rund 90 Personen der insgesamt 3.365 Islamisten fühlen sich der schiitischen Glaubensströmung des Islam verbunden, 3.275 Personen der sunnitischen Auslegung. Davon wiederum können rund 600 Personen dem sogenannten politischen Salafismus zugerechnet werden. Altersmäßig setzt sich dieses Spektrum wie folgt zusammen: – Unter 20 Jahren: ca. 1 % – 21 bis 30 Jahre: ca. 17 % – 31 bis 40 Jahre: ca. 23 % – 41 bis 50 Jahre: ca. 32 % – 51 bis 60 Jahre: ca. 19 % – Über 60 Jahre: ca. 8 % Rund 9 % des islamistischen Personenpotenzials im Land ist weiblich. Ferner ist ca. 66 % des islamistischen Personenpotenzials in Baden-Württemberg ausländischer Herkunft. Rund 23 % sind in Deutschland geboren. Bei ca. 11 % der gespeicherten Personen liegen keine Angaben vor. Phänomenbereich Rechtsextremismus: Der Landesregierung sind rund 1.800 Rechtsextremisten bekannt. Davon werden 810 Personen als gewaltorientiert eingeschätzt. Landtag von Baden-Württemberg Drucksache 16 / 171 6 Dem „subkulturell geprägter Rechtsextremismus“ (hauptsächlich Skinheads) werden 400 Personen zugerechnet, dem Bereich „Neonazismus“ 390. Rechtsextremis - tische Parteien haben in Baden-Württemberg ca. 520 Anhänger („Nationaldemokratische Partei Deutschlands“ 410 Personen, „DIE RECHTE“ 80 Personen und „DER DRITTE WEG“ 30 Personen). Weitere 500 Personen werden den „sonstigen rechtsextremistische Organisationen“ zugerechnet. Altersmäßig setzt sich dieses Spektrum wie folgt zusammen: – Unter 20 Jahren: ca. 2 % – 21 bis 30 Jahre: ca. 24 % – 31 bis 40 Jahre: ca. 29 % – 41 bis 50 Jahre: ca. 14 % – 51 bis 60 Jahre: ca. 18 % – Über 60 Jahre: ca. 13 % Rund 19 % des rechtsextremistischen Personenpotenzials in Baden-Württemberg ist weiblich. Ferner ist ca. 6 % des rechtsextremistischen Personenpotenzials in Baden-Württemberg ausländischer Herkunft. Phänomenbereich Linksextremismus: Die Landesregierung geht beim Phänomenbereich Linksextremismus von einem Personenpotenzial von 2.590 Personen aus. Ca. 70 % gehören dem dogmatischen Bereich an (zum Begriff vgl. Ziff. 2), der sich aus Marxisten-Leninisten und anderen revolutionären Marxisten zusammensetzt; rund 30 % (ungefähr 780 Personen) zählen zum gewaltorientierten Bereich. Altersmäßig setzt sich dieses Spektrum wie folgt zusammen: – Unter 20 Jahren: ca. 4 % – 21 bis 30 Jahre: ca. 49 % – 31 bis 40 Jahre: ca. 19 % – 41 bis 50 Jahre: ca. 7 % – 51 bis 60 Jahre: ca. 8 % – Über 60 Jahre: ca. 13 % Rund 30 % der als linksextremistisch eingeordneten Personen im Land sind weiblich . Ferner ist ca. 8 % des linksextremistischen Personenpotenzials in Baden-Württemberg ausländischer Herkunft. Phänomenbereich Ausländerextremismus – Arbeiterpartei Kurdistans (PKK): Derzeit ist von rund 1.200 PKK-Anhängern in BW auszugehen. Altersmäßig setzt sich dieses Spektrum wie folgt zusammen: – Unter 20 Jahren: ca. 1 % – 21 bis 30 Jahre: ca. 16 % – 31 bis 40 Jahre: ca. 18 % – 41 bis 50 Jahre: ca. 30 % – 51 bis 60 Jahre: ca. 26 % – Über 60 Jahre: ca. 9 % Rund 18 % der PKK-Anhänger im Land sind weiblich. Ca. 90 % der PKK-Anhänger sind ausländischer Herkunft. 7 Landtag von Baden-Württemberg Drucksache 16 / 171 Ferner wurden von der baden-württembergischen Polizei Tatverdächtige zu den nachfolgend dargestellten politisch motivierten Straftaten geführt: Straftaten mit politischer Motivation unterfallen der Statistik zur Politisch motivierten Kriminalität (PMK) und deren Erfassungsparameter. Es wird dabei unterschieden zwischen der politisch rechts motivierten und politisch links motivierten Kriminalität, der politisch motivierten Ausländerkriminalität sowie der sonstigen politisch motivierten Kriminalität, die keinem der anderen Phänomenbereiche zugeordnet werden kann. Die von der Polizei ermittelten Tatverdächtigen bei politisch motivierten Straftaten können unterteilt nach Phänomenbereich, Alter und Geschlecht für das Jahr 2015 wie folgt dargestellt werden. Bei den in Klammer genannten Zahlen handelt es sich um den Anteil der Tatverdächtigen von extre - mis tischen Straftaten im Sinne des Extremismusbegriffes der Verfassungsschutzbehörden . Innerhalb der Phänomenbereiche kann festgestellt werden, dass insgesamt 67 Tatverdächtige dem Islamismus zuzuordnen waren. Bei 126 Tatverdächtigen bestand ein Bezug zur PKK. Im Phänomenbereich Rechtsextremismus wurden 297 Tatverdächtige im Zusammenhang mit einer fremdenfeindlichen Motivation regis - triert. Im Bereich der linksextremistischen Straftaten war bei 173 Tatverdächtigen eine antifaschistische Motivation Grundlage für die Straftat. Die Anonymisierung der statistischen Daten führt dazu, dass zur Herkunft und bekannten Vorstrafen keine Aussagen getroffen werden können. 2. Welche Erkenntnisse hat sie über den jeweiligen Organisationsgrad der vorgenannten Extremisten? Zu 2.: Phänomenbereich Islamistischer Extremismus und Terrorismus: Die verschiedenen islamistischen Strömungen und Vereinigungen in Baden-Würt - temberg verfolgen strukturell unterschiedliche Ansätze. Einerseits gibt es Zusammenschlüsse legalistischer Art, die sich in Form von Bundes-, Landes-, Regionalsowie örtlichen Teilorganisationen streng hierarchisch organisiert haben, so z. B. die Islamische Gemeinschaft Milli Görüs e. V. (IGMG). Daneben gibt es Vereinigungen , die aufgrund der strikten Überwachung und Verfolgung in ihren jeweiligen Heimatländern und -regionen zusätzlich einen verdeckten, konspirativ arbeitenden Arm betreiben, wie z. B. die Muslimbruderschaft oder die Hizb Allah. Einige islamistische Vereinigungen arbeiten im Land gar völlig im Verborgenen, wie etwa die HAMAS. Der Salafismus in Deutschland ist als eine global ausgerichtete Glaubensströmung nicht in eine übergeordnete Organisation oder einen Verband eingebunden. Tatverdächtige PMK in Baden-Württemberg 2015 Gesamt Jugendliche 14 bis 18 Jahre Heranwachsende 18 bis 21 Jahre Erwachsene ab 21 Jahre Gesamt Tatverdächtige 1504 (1158) 106 (67) 208 (160) 1190 (931) männlich 1296 (1010) 91 (59) 176 (136) 1029 (815) weiblich 208 (148) 15 (8) 32 (24) 161 (116) davon PMK Rechts Tatverdächtige 741 (677) 35 (33) 66 (65) 640 (579) männlich 680 (624) 34 (32) 56 (56) 590 (536) weiblich 61 (53) 1 (1) 10 (9) 50 (43) PMK Links Tatverdächtige 373 (295) 29 (19) 73 (54) 271 (222) männlich 279 (221) 21 (14) 56 (42) 202 (165) weiblich 94 (74) 8 (5) 17 (12) 69 (57) PMK Tatverdächtige 215 (169) 19 (13) 49 (40) 147 (116) Ausländer männlich 188 (148) 16 (11) 45 (37) 127 (100) weiblich 27 (21) 3 (2) 4 (3) 20 (16) PMK Tatverdächtige 175 (17) 23 (2) 20 (1) 132 (14) Sonstige männlich 149 (17) 20 (2) 19 (1) 110 (14) weiblich 26 (0) 3 (0) 1 (0) 22 (0) Landtag von Baden-Württemberg Drucksache 16 / 171 8 Es gibt keinen salafistischen Dachverband. Die bisher registrierten Versuche, Dachverbände zu schaffen, waren erfolglos. Es gibt somit keine allseits anerkannten Autoritäten, die als Entscheidungsträger tätig sein oder als „Vertreter des Salafismus in Deutschland“ angesehen werden könnten. Salafismus in Deutschland lässt sich daher als ein loses Netzwerk unterschiedlicher Gruppierungen und Einzelpersonen beschreiben, die teils zusammenarbeiten, teils in einem Konkurrenzverhältnis oder sogar in deklarierter Feindschaft zueinander stehen. Die salafis - tische Szene ist bundesweit in über 100 Strukturen zersplittert, die Anlaufpunkte regionaler salafistischer Szenen sind. In Baden-Württemberg gibt es 15 verschiedene Anlaufstellen wie z. B. Moscheevereine oder Netzwerkstrukturen. Die Fragmentierung der Szene und das Fehlen übergeordneter Strukturen bedeuten nicht, dass die einzelnen salafistischen Strukturen isoliert sind. Sie sind in Teilen untereinander vernetzt: einerseits virtuell über Kontakt- und Kommunikationsplattformen im Internet, andererseits realweltlich, u. a. durch bundesweit aktive Prediger. Phänomenbereich Rechtsextremismus: Die rechtsextremistische Szene in Baden-Württemberg ist organisatorisch zwar zersplittert. Dennoch kann sie als ein Bündel von ineinandergreifenden Netz - werken beschrieben werden, die sich überschneiden und die die Basis für eine landesweite und auch bundesweite Kommunikation innerhalb der rechtsextremis - tischen Szene bieten. Ein ständiger Schwerpunkt rechtsextremistischer Aktivität mit hohem Organisa - tionsgrad ist in Baden-Württemberg nicht zu festzustellen. Vielmehr kann von günstigen Gelegenheitsstrukturen für den Rechtsextremismus gesprochen werden. Diese Gelegenheitsstrukturen können sich zum Beispiel durch den Wegzug oder die Inhaftierung einzelner Personen oder das Verbot einer Gruppierung in kürzes - ter Zeit verändern. Bezüglich des Organisationsgrads nimmt innerhalb der rechtsextremistischen Szene die „Nationaldemokratische Partei Deutschlands“ (NPD) eine herausragende Stellung ein. Sie verfügt über bundesweite Strukturen und ist in Baden- Württemberg die rechtsextremistische Organisation mit den meisten Mitgliedern. Die NPD bemüht sich um eine Vernetzung mit der Neonaziszene und stellt so als rechtsextremistische Partei mit hohem Organisationsgrad Strukturen zu Verfügung , die auch von Rechtsextremisten außerhalb der NPD genutzt werden. Der Vorteil stabiler, überregionaler Strukturen mit hohem Organisationsgrad, den Parteien bieten, wird von der rechtsextremistischen Szene in den letzten Jahren verstärkt genutzt. Zudem bietet die Aktivität in einer Partei den Extremisten einen hohen Schutz vor staatlichen Sanktionen wie Verboten. Das gezielte Nutzen der Parteiprivilegien wird durch die Gründung eines Landesverbands der Partei „DIE RECHTE“ im Jahr 2013 und der Gründung der „Stützpunkte“ Württemberg im Jahr 2014 und Schwaben im Jahr 2015 durch die Partei „DER DRITTE WEG“ deutlich. Zwar verfügen diese beiden jungen rechtsextremistischen Parteien in Baden-Württemberg nur über relativ wenige Mitglieder. Sie bieten der rechts extremistischen Szene in Baden-Württemberg aber die Möglichkeit des Anschlusses an eine Gruppierung mit vergleichsweise hohem Organisationsgrad. Mit dem Trend der Neuorganisation der rechtsextremistischen Szene in Parteien geht ein gewisser Bedeutungsverlust sogenannter Kameradschaften, Bruderschaften oder Aktionsbündnisse als Organisationsform der rechtextremis tischen Szene einher. Aktuelle Entwicklungen im Rechtsextremismus sind die Entstehung neuer Organisationsstrukturen und der Anstieg des Personenpotenzials im Bereich der islamfeindlichen Bestrebungen. Weite Teile dieses Personenpotenzials sind bisher nicht als Rechtsextremisten auffällig geworden. Eine zentrale Rolle mit einem nennenswerten Organisationsgrad nimmt die „Identitäre Bewegung Deutschland“ (IBD) ein, die sich von einem zunächst vor allem virtuellen Erscheinungsbild zunehmend zu einem realen Akteur innerhalb der rechtsextremistischen Szene entwickelt hat. In Baden-Württemberg existieren insgesamt vier regionale IBD- Strukturen. Die „Identitäre Bewegung“ ist nicht nur bundesweit, sondern auch europaweit aktiv und vernetzt. Mitglieder der IBD aus Baden-Württemberg nutzen die Organisationsstrukturen der IBD auch für die Teilnahme an Veranstaltungen der IBD außerhalb von Baden-Württemberg und Deutschland. 9 Landtag von Baden-Württemberg Drucksache 16 / 171 Phänomenbereich Linksextremismus: Im Linksextremismus unterscheidet man grundsätzlich zwei Erscheinungsformen: Zum einen organisierte Gruppen, auch „Dogmaten“ genannt, zum anderen nicht oder nur wenig organisierte Gruppen, zu denen die „gewaltbereiten Organisationen “ gezählt werden. Bei den „Dogmaten“ handelt es sich um jenen Teil des deutschen Linksextremismus , der sich an den Lehren marxistischer Theoretiker und Vordenker orientiert. Er besteht aus festen Strukturen. Solche Strukturen sind entweder parteiförmig (z. B. DKP), als Verein (Rote Hilfe e. V.) oder in einzelnen, eigenständigen dogmatisch orientierten Kleingruppen organisiert. Die „gewaltbereiten Gruppen“ können in drei Strömungen unterteilt werden: „Autonome“, „Anarchisten“ und „Antiimperialisten“. Auch wenn die „gewaltbereiten Gruppen“ dadurch gekennzeichnet sind, dass sie insgesamt nur einen geringen Organisationsgrad aufweisen, gibt es Versuche überwiegend linksextremistischer Netzwerke, die Kräfte zu bündeln und sie so zu stärken. Eine Zusammenarbeit der Gruppen untereinander findet vor allem auf den linksextremistischen Aktionsfeldern „Antifaschismus“ und „Antirepression“ statt. Phänomenbereich Ausländerextremismus – Arbeiterpartei Kurdistans (PKK): Die straff hierarchisch organisierte „Arbeiterpartei Kurdistans“ („Partiya Karkeren Kurdistan“, PKK) ist die weltweit mitgliederstärkste und bedeutendste extremistische Kurdenorganisation. Die PKK ist seit jeher von einer strikten Hierarchie und einem autoritären Führungsstil geprägt. Eine Demokratisierung der Organisation ist trotz mehrmaliger Ankündigungen nach wie vor nicht erfolgt. Organisationsinterne Vorgaben und Anweisungen der Parteiführung werden nach dem Prinzip von Befehl und Gehorsam an nachgeordnete Kader weitergegeben. Auch Abdullah Öcalan, der seit 1999 eine lebenslange Freiheitsstrafe in der Türkei verbüßt , wird von seinen Anhängern noch immer als unumstrittene Führungs- und Symbolfigur des kurdischen Volkes verehrt. Derzeit hat die PKK die Bundes - republik Deutschland in vier sogenannte Sahas (Nord, Mitte, Süd 1 und Süd 2) strukturiert, denen aktuell ca. 30 Gebiete (Bölge) untergeordnet sind. Sieben dieser PKK-Gebiete entfallen auf Baden-Württemberg, wobei sich der Zuschnitt nicht an den Landesgrenzen orientiert. 3. Wie entwickelte sich das Ausmaß der von den vorgenannten extremistischen Lagern begangenen Straftaten seit dem Jahr 2010? Zu 3.: Die Entwicklung der politisch motivierten Straftaten in den Jahren 2010 bis 2015 in Baden-Württemberg kann untergliedert nach Phänomenbereichen der nachfolgenden Tabelle entnommen werden. Bei den in Klammer genannten Zahlen handelt es sich um den Anteil der extremistischen Straftaten im Sinne des Extremismusbegriffs der Verfassungsschutzbehörden. Straftaten PMK in Baden-Württemberg 2010 2011 2012 2013 2014 2015 Gesamt davon 2333 (1675) 2580 (1707) 2105 (1654) 2061 (1457) 2136 (1553) 2822 (2280) PMK Rechts 926 (917) 1002 (988) 1112 (1108) 925 (902) 889 (865) 1604 (1484) PMK Links 597 (529) 610 (535) 449 (385) 569 (477) 593 (496) 660 (522) PMK Ausländer 212 (205) 198 (177) 166 (154) 87 (68) 216 (156) 296 (210) PMK Sonstige 598 (24) 770 (7) 378 (7) 480 (10) 438 (36) 262 (64) Landtag von Baden-Württemberg Drucksache 16 / 171 10 4. Welche Erkenntnisse hat sie zu Auftritten sogenannter „Hassprediger“ in Baden -Württemberg seit 2010, insbesondere zum Auftritt von Scheich M. R. S. M. in Bad Cannstatt? Zu 4.: In Baden-Württemberg fanden seit dem Jahr 2010 über 100 salafistische Veranstaltungen statt, bei denen mehr als 15 salafistische Prediger auftraten, die in den Medien oftmals auch „Hassprediger“ genannt werden. So z. B. der bundesweit beachtete Besuch des saudischen Predigers al-Arifi im Januar 2013 in Heidelberg. In den vergangenen fünf Jahren besuchten immer wieder Vortragsreisende oder islamische Gelehrte aus dem Ausland Moscheegemeinden in Baden-Württemberg , um den Kontakt zu unterschiedlichen Diasporagemeinden zu halten. Hinsichtlich einiger Vortragsreisender hat das Landesamt für Verfassungsschutz (LfV) Erkenntnisse zu extremistischen Einstellungen und Äußerungen, die nicht mit der freiheitlichen demokratischen Grundordnung zu vereinbaren sind. Häufig fehlen indes entsprechende Anhaltspunkte, da sich die Recherche zu etwaigem extremistischem Verhalten (z. B. öffentliche Aussagen, Videos und Schriften) sowie zum Verhalten bei früheren Besuchen in Europa bzw. in Deutschland sehr aufwendig gestaltet. Im Fall des M. R. S. M. wurde bekannt, dass es sich bei ihm um einen äußerst populären Gelehrten aus Pakistan handelt, der in den letzten zehn Monaten nicht nur Deutschland, sondern u. a. auch Großbritannien, die USA, Italien, Österreich und Dänemark besuchte und dort in den unterschiedlichen pakistanischen Moscheegemeinden Vorträge hielt, die von Zehntausenden in den sozialen Medien geteilt und weiterverbreitet werden. Da sich dieser Scheich im Ramadan auf seiner Reise befand, hat er in den deutschen Moscheen laut Ankündigung über die Vorzüge des Fastens gepredigt, weshalb keine Anhaltspunkte für extremistische Inhalte seiner Rede in Stuttgart vorliegen. Gegenüber den baden-württembergischen Sicherheitsbehörden brachten die Vertreter der betroffenen Moschee ihr Unverständnis über die negative Berichterstattung zum Ausdruck. Sie versicherten, M. R. S. M. sei in Pakistan eine bekannte Person. Der in Rede stehende Vortrag sei in der Sprache Urdu gehalten worden und hätte ausschließlich Toleranz und Frieden gegenüber anderen Religionen sowie den bevorstehenden Ramadan thematisiert . Entgegenstehende konkrete Anhaltspunkte sind weder den baden-württembergischen Sicherheitsbehörden bekannt noch lassen sie sich der Berichterstattung der Medien entnehmen. 5. Inwieweit hatten die Predigten Auswirkungen auf die etwaige Gemeinnützigkeit der Trägervereine? Zu 5.: Die steuerlichen Verhältnisse natürlicher und juristischer Personen unterliegen nach § 30 der Abgabenordnung (AO) dem Steuergeheimnis. Das Steuergeheimnis erstreckt sich auf die gesamten persönlichen, wirtschaftlichen, rechtlichen, öffentlichen und privaten Verhältnisse. Auch das Verwaltungsverfahren, die Art der Beteiligung am Verwaltungsverfahren und die Maßnahmen, die vom Beteiligten getroffen wurden, zählen zu den geschützten Verhältnissen. Selbst die Bestätigung bzw. Verneinung des Gemeinnützigkeitsstatus von Vereinen unterliegt dem Steuergeheimnis . Damit sind auch konkrete Angaben über Auswirkungen von Auftritten sogenannter „Hassprediger“ auf die Gemeinnützigkeit der Trägervereine vom Schutz des Steuergeheimnisses umfasst. Vor diesem Hintergrund wird die Frage Ziffer 5. nur insoweit beantwortet, als die steuerliche Behandlung gemeinnütziger Vereine in entsprechendem Kontext der Fragestellung allgemein, abstrakt und zusammengefasst dargestellt wird: Nach den steuerlichen Vorschriften verfolgt ein Verein gemeinnützige Zwecke, wenn er nach Satzung und tatsächlicher Geschäftsführung ausschließlich und unmittelbar die Allgemeinheit selbstlos fördert. Vereine mit extremistischen Zielsetzungen sind von der Anerkennung als gemeinnützige Körperschaft ausgeschlossen (§ 51 Abs. 3 S. 1 AO). Die Regelung will insbesondere diejenigen Vereine von 11 Landtag von Baden-Württemberg Drucksache 16 / 171 der Anerkennung als gemeinnützige Körperschaften ausschließen, deren Zweck oder Tätigkeit namentlich gegen die freiheitliche demokratische Grundordnung, den Bestand oder die Sicherheit des Bundes oder eines Landes gerichtet oder deren Einrichtungen in ihrer Funktionsfähigkeit erheblich zu beeinträchtigen geeignet ist. Mit der zusätzlichen Aufnahme des Tatbestands des Zuwiderlaufens gegen den Gedanken der Völkerverständigung werden insbesondere ausländer extremis - tische Vereine von der Zuerkennung der Steuerbegünstigung ausgeschlossen. Ob die Ausschlusskriterien auf den konkreten Verein zutreffen, kann sich nicht nur aus der Satzung, sondern insbesondere auch aus dem tatsächlichen Verhalten der Vereinsmitglieder und dem Gebaren des Vereins selbst ergeben. Hierzu wird regelmäßig in derartigen Fällen auch untersucht, welche Dozenten, Prediger und sonstige Vortragende auf Veranstaltungen des Vereins auftreten. In Fällen mit Extremismusbezug erfolgt eine enge Zusammenarbeit der Finanzverwaltung mit dem LfV. So werden die dem LfV vorliegenden gerichtsverwertbaren Erkenntnisse zu extremistischen Aktivitäten gemeinnütziger Vereinen sowohl anlassbezogen als auch regelmäßig einmal im Jahr an die Finanzverwaltung übermittelt. Soweit aus dem Gesamtbild der Verhältnisse hinreichende Erkenntnisse einer extremistischen Ausrichtung des Vereins vorliegen, wird die Ge - meinnützigkeit entzogen. 6. Wie wurden die jeweiligen Moscheen beziehungsweise Moscheevereine vor und nach den Predigten jeweils mit Blick auf ihre Bedeutung für Muslime im Land und auf die innere Sicherheit eingeschätzt? Zu 6.: Radikale Prediger wählten für ihre Aktivitäten bislang in der Regel Vereine oder Moscheen aus, die dem LfV bereits einschlägig bekannt waren. Soweit im Einzelfall die Inhalte der Predigten dem LfV Anlass für eine veränderte Einschätzung geben mussten, wurde dem Rechnung getragen. 7. Wie viele als noch kämpfend, gestorben, vermisst oder zurückgekehrt geltende Personen haben sich seit 2010 aus Baden-Württemberg in sogenannte „Terrorcamps “ oder zur Beteiligung an kriegerischen Auseinandersetzungen in welche Krisengebiete begeben, unterteilt nach Krisengebieten, Alter und Geschlecht der Personen, etwaige ausländische Herkunft und Konfliktpartei, die unterstützt werden sollte beziehungsweise soll? Zu 7.: Phänomenbereich Islamistischer Extremismus und Terrorismus: Dem Landeskriminalamt Baden-Württemberg (LKA) und dem LfV liegen Hinweise zu rund 50 Islamisten aus Baden-Württemberg vor, die seit 2010 in Richtung Syrien/Irak ausgereist sind, um dort auf Seiten des Islamischen Staates (IS) oder anderer terroristischer Gruppen an Kampfhandlungen teilzunehmen oder diese in sonstiger Weise zu unterstützen. Nur bei einigen wenigen gibt es Hin - weise, für welche islamistische Gruppierung sie an Kampfhandlungen konkret teilgenommen haben. Rund zehn dieser Jihadisten kamen bei Gefechten oder Selbstmordattentaten ums Leben. Der überwiegende Teil der insgesamt ausgereis - ten Personen ist jünger als 30 Jahre. Rund ein Drittel dieser Islamisten ist wieder nach Baden-Württemberg zurückgekehrt. Etwa ein Fünftel der Personen ist weiblich . Etwa zwei Drittel der Ausgereisten besaß zum Zeitpunkt der Ausreise die deutsche Staatsbürgerschaft, darunter 10 Doppelstaater. Die zweitstärkste Gruppe bildeten türkische Staatsangehörige, gefolgt von Angehörigen der Balkanstaaten (Kosovo, Bosnien und Herzegowina, Serbien). Insgesamt zeichnet sich derzeit eine verringerte Ausreisedynamik ab. Phänomenbereich Linksextremismus: Die Kurdistan-Solidarität nimmt bei vielen linksextremistischen und ebenso bei ausländerextremistischen Gruppen auch in Baden-Württemberg einen hohen Stel- Landtag von Baden-Württemberg Drucksache 16 / 171 12 lenwert ein. Zuweilen agiert dieser Personenkreis in beiden Beobachtungsbe - reichen. Seit etwa 2012 konnten Ausreisen dieses Personenkreises, der kurdische Aktivisten im Kampf gegen den IS unterstützt, festgestellt werden. Konkret sind dem LfV vier Fälle bekannt geworden, in denen Personen aus Baden-Württemberg ausgereist sind, um vor allem in Nordsyrien auf Seiten der Kurden gegen den IS zu kämpfen. Bei allen vier Fällen handelt es sich um Männer mit deutscher Staatsangehörigkeit. Zwei von ihnen sind bei Gefechten gestorben. Phänomenbereich Ausländerextremismus – Arbeiterpartei Kurdistans (PKK): Dem LKA und dem LfV liegen Hinweise zu rund 23 Rekrutierten aus Baden- Württemberg vor, die im besagten Zeitraum in Richtung Syrien/Irak ausgereist sind, um dort auf Seiten der YPG (bewaffneter Arm der PYD) oder – zu einem wesentlich geringeren Teil – der PKK an Kampfhandlungen gegen den IS oder andere Gegner teilzunehmen oder die PKK auf irgendeine andere Art und Weise zu unterstützen. Drei Personen aus diesem Spektrum kamen bei den Kampfhandlungen ums Leben, darunter zwei Deutsche (vgl. Phänomenbereich Linksextremismus ). Der überwiegende Teil der insgesamt ausgereisten Personen ist jünger als 30 Jahre. Rund die Hälfte ist nach Deutschland zurückgekehrt. Unter den Ausgereisten befanden sich zwei weibliche Personen. Mehr als die Hälfte der Rekrutierten besaß zum Zeitpunkt der Ausreise die deutsche Staatsbürgerschaft. Der Rest verfügte über die türkische Staatsangehörigkeit. 8. Seit wann liegt ihr der abschließende Bericht der am 11. Februar 2013 beauftragten Projektgruppe zur Strukturreform des Landesamts für Verfassungsschutz vor? Zu 8.: Der abschließende Bericht der Projektgruppe liegt seit dem 7. März 2014 vor. 9. Inwieweit wird sie die Ergebnisse beziehungsweise Vorschläge aus dem Bericht umsetzen? Zu 9.: Ausweislich ihres Berichts ist die Projektgruppe unter anderem zu dem Ergebnis gekommen, dass die Arbeit des LfV in hohem Maße gesetzlich sowie durch verfassungsrechtliche Vorgaben determiniert sei. Im Vergleich zu anderen Landesbehörden für Verfassungsschutz sei das LfV sehr sparsam mit Personal- und Sachmitteln ausgestattet, seine Organisation gebe keinen Anlass zu fundamentaler Kritik. Soweit nach Auffassung der Projektgruppe im Einzelfall doch Veränderungen angezeigt waren (z. B. bei der Organisation der Internetbearbeitung), sind diese inzwischen erfolgt. Im Übrigen hat die Projektgruppe von einer grundlegenden organisatorischen Änderung in Form der Eingliederung des Verfassungsschutzes in das Innenministerium abgeraten. Denn es seien keine erheblichen Synergieeffekte zu erwarten, sofern man es bei einer rein organisatorischen Eingliederung belasse und der Verfassungsschutz räumlich vom Rest des Ministeriums getrennt bleibe. Die Verteilung der Ressourcen des LfV zwischen den einzelnen Phänomenbereichen hielt die Projektgruppe für nachvollziehbar und vernünftig. 13 Landtag von Baden-Württemberg Drucksache 16 / 171 10. In welchem konkreten Umfang hat das Landesamt für Verfassungsschutz in den letzten fünf Jahren mündlich, schriftlich oder textlich ein Mehr an per - soneller und sachlicher Ausstattung von der Landesregierung gewünscht beziehungsweise gefordert? 11. Inwieweit hat sich das Landesamt für Verfassungsschutz in den letzten fünf Jahren zum Maß der Erfüllbarkeit seiner Aufgaben mit den vorhandenen Mitteln und mit etwaigen zusätzlichen Mitteln geäußert? 12. Wie haben sie und ihre Ministerien auf die in den Ziffern 10 und 11 abgefragten Äußerungen jeweils konkret reagiert? Zu den Fragen 10. bis 12.: Infolge der Ablehnung der Fristverlängerung konnte angesichts der Kürze der Zeit nur eine kursorische Prüfung erfolgen. Das LfV hat zu verschiedenen Zeitpunkten insbesondere bei der Aufstellung der Staatshaushaltspläne 2013/2014, 2015/2016 und 2017 sowohl Personalstellen als auch zusätzliche Sachmittel aufgrund bestehender struktureller Unterfinanzierung gefordert, um den durch die ständig wachsenden Aufgaben gestiegenen Anforderungen nachkommen zu können . Dabei hat es zum einen auf die Veränderungen der Sicherheitslage hingewiesen , zum anderen auf das Erfordernis einer verbesserten Zusammenarbeit zwischen den Verfassungsschutzbehörden und zwischen Verfassungsschutz und Polizei sowie auf die Einführung eines hoch komplexen nachrichtendienstlichen Informationssystems im Verfassungsschutzverbund. Den Forderungen des LfV wurde bei den Haushaltsberatungen nicht in vollem Umfang entsprochen. Zusätzliche Stellen sowie einmalige Investitionsmittel und zusätzliche Sachmittel sind dem LfV insbesondere mit dem Sonderprogramm zur Bekämpfung des islamistischen Terrorismus und der Ergänzung dieses Sonderprogramms nach den Terroranschlägen von Paris im Januar und November 2015 zugegangen. Damit sollte u. a. die Früherkennung gewaltaffiner Netzwerke verbessert und dem erhöhten Informationsaufkommen innerhalb des Verfassungsschutzverbundes Rechnung getragen werden. Ob diese Maßnahmen angesichts der sich ständig ändernden Sicherheitslage weiterhin ausreichend sind, ist Gegenstand der Antwort auf Frage 14. 13. Inwieweit wird sie in welchem zeitlichen Horizont die Kompetenzen des Landesamts für Verfassungsschutz erweitern beziehungsweise reduzieren, damit das Amt zum „Frühwarnsystem der Demokratie“ ausgebaut wird, wie es der Koalitionsvertrag vorsieht? Zu 13.: In dieser Legislaturperiode soll das Landesverfassungsschutzgesetz novelliert werden, um beispielsweise der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts zum informationellen Trennungsgebot und seinen Auswirkungen auf die Daten - übermittlung zwischen Polizei und Verfassungsschutz Rechnung zu tragen (Urteil vom 24. April 2013 – 1 BvR 1215/07 – Antiterrordatei). Es ist beabsichtigt, in diesem Zuge – wie es der Koalitionsvertrag zwischen Bündnis 90/Die Grünen Baden -Württemberg und der CDU Baden-Württemberg vorsieht – auch zu prüfen, ob dem LfV die Befugnis zur Durchführung der sogenannten Quellen-TKÜ und der Online-Durchsuchung eingeräumt werden soll. Desgleichen wird z. B. zu prüfen sein, ob die Normen zur akustischen Wohnraumüberwachung (§ 6 Abs. 3 LVSG) und zur Möglichkeit von Finanzermittlungen (§ 5 a Abs. 1 LVSG) der Anpassung bedürfen und ob von der erweiterten projektbezogenen Datennutzung nach dem Rechtsextremismus-Datei-Gesetz – RED-G Gebrauch gemacht werden soll (vgl. § 7 Abs. 11 RED-G). Landtag von Baden-Württemberg Drucksache 16 / 171 14 14. Wer wird innerhalb welchen zeitlichen Horizonts anhand welcher Kriterien den Bedarf feststellen, nachdem das Landesamt für Verfassungsschutz ausgebaut werden soll? Zu 14.: Der Bedarf bestimmt sich nach der Sicherheitslage und der Gefahrenprognose unter Berücksichtigung insbesondere von Ausstattung und Kompetenzen anderer Sicherheitsbehörden. Da sich die Sicherheitslage in zunehmendem Maße dynamisch entwickelt, muss es sich auch bei der Feststellung des Bedarfs durch die Landesregierung zwangsläufig um einen fortlaufenden Prozess handeln. 15. Welche zusätzlichen Stellen wird das Landesamt für Verfassungsschutz innerhalb welchen zeitlichen Horizonts erhalten und besetzen, um religiös motivierten Terrorismus frühzeitig erkennen zu können? Zu 15.: Dem LfV wurden – wie bereits ausgeführt – im Zuge des Sonderprogramms zur Bekämpfung des islamistischen Terrorismus sowie der Ergänzung dieses Sonderprogramms insgesamt 45 Stellen zugewiesen, die unter anderem der intensiveren Beobachtung des Islamismus zu dienen bestimmt sind. Die Koalitionspartner streben eine personelle Stärkung des LfV an, um besonders islamistisch motivierten Terrorismus frühzeitig erkennen zu können. Konkrete Schritte werden im Rahmen der jeweiligen Aufstellung der Staatshaushaltspläne entschieden. Die Besetzung der Stellen ist von einer Vielzahl von Faktoren abhängig, u. a. von der Lage auf dem Arbeitsmarkt. Daneben ist die Dauer der – für eine Tätigkeit im LfV unerlässlichen – erweiterten Sicherheitsüberprüfung mit Sicherheitsermittlungen zu berücksichtigen. 16. Inwieweit wird sie die von der grün-roten Landesregierung beschlossenen Stellenstreichungen zurücknehmen? Zu 16.: Soweit in der vergangenen Wahlperiode beim LfV 20 Stellen aus Gründen der Haushaltskonsolidierung eingespart wurden, wurden diese Einsparungen bereits im Rahmen des Sonderprogramms zur Bekämpfung des islamistischen Terrorismus und der Ergänzung dieses Sonderprogramms kompensiert. 17. Durch welche Aktivitäten wird sie innerhalb welchen zeitlichen Horizonts die Vernetzung von nationalen und europäischen Sicherheitsdatenbanken unterstützen ? Zu 17.: Der Verkehr mit den Nachrichtendiensten anderer Staaten sowie die Einrichtung gemeinsamer Dateien mit Partnerdiensten ist zuvörderst Sache des Bundes (vgl. § 5 Abs. 5 Satz 1 BVerfSchG). Vor diesem Hintergrund hat die Bundesregierung den Entwurf eines Gesetzes zum besseren Informationsaustausch bei der Be - kämpfung des internationalen Terrorismus vorgelegt (Bundestagsdrucksache 18/8824). Darin enthalten sind u. a. Regelungen zur Einrichtung gemeinsamer Dateien mit Partnerdiensten. Der Bundesrat hat in seiner Stellungnahme nur um geringfügige Modifikationen gebeten. Das LKA stellt alle relevanten Daten im Europol Informationssystem (EIS) ein, sofern die rechtlichen Voraussetzungen erfüllt sind. Beim EIS handelt es sich um die zentrale Datenbank von Europol für kriminalpolizeiliche Informationen und Erkenntnisse, die alle Kriminalitätsbereiche abdeckt, die in den Zuständigkeitsbereich von Europol fallen. Es enthält Informationen über Beschuldigte und Verdächtige , kriminelle Strukturen, Straftaten und Tatmittel, die im Rahmen von organisierter oder schwerer Kriminalität sowie in Fällen von Terrorismus durch die 15 Landtag von Baden-Württemberg Drucksache 16 / 171 Mitgliedsstaaten erhoben und eingestellt wurden. Aufgrund der zunehmenden Bedeutung der nationalen wie internationalen Daten-Verbundsysteme werden auf nationaler, aber auch internationaler Ebene ständig Maßnahmen zur Verbesserung der Quantität wie auch Qualität der Daten in EIS ergriffen. Hierzu gehören sowohl technische Anpassungen in den Teilnehmersystemen der Länder sowie des Bundes als auch Maßnahmen und Hilfestellungen zur Steigerung des Bewusstseins und der Akzeptanz der Anwendung bei den Nutzern. Die Europäische Kommission hat in ihrer Mitteilung vom 6. April 2016 über „Solidere und intelligentere Informationssysteme für das Grenzmanagement und mehr Sicherheit“ zudem einen weiteren Verbesserungsbedarf der bestehenden Informationssysteme für die Polizei und Grenzschutzdienste der Mitgliedstaaten der EU erkannt. Darüber hinaus sollen bestehende Lücken beseitigt und zu diesem Zweck weitere Informationssysteme entwickelt werden. Zur Verbesserung der Interoperabilität der polizeilichen und grenzpolizeilichen Informationssysteme soll auf europäischer Ebene die Sachverständigengruppe „Informationssysteme und Interoperabilität“ eingerichtet werden. Ziel ist die Schaffung einer zentralen Schnittstelle für Datenabfragen, die Vernetzung von Informationssystemen, die Einrichtung eines gemeinsamen Dienstes für den Abgleich biometrischer Daten sowie eines gemeinsamen Datenspeichers für verschiedene Informationssysteme. Die in der Kommissionsmitteilung genannten europäischen Datenbanken sind auf nationaler Ebene in Deutschland als Systeme des Bundes ausgestaltet. Insoweit kommt bei den anstehenden Arbeiten für die Länder primär eine Unterstützung des Bundes in Betracht. 18. Durch welche Aktivitäten wird sie, dargestellt zumindest unter Angabe des zeitlichen Horizonts, des finanziellen und personellen Umfangs und der Organisationsstruktur , das Kompetenzzentrum zur Koordinierung des Präventionsnetzwerks stärken und auf alle Fälle von Extremismus ausweiten? 19. Inwieweit wird sie, dargestellt zumindest unter Angabe des zeitlichen Horizonts , des finanziellen und personellen Umfangs und der Organisationsstruktur , koordinierte Aussteiger- und Deradikalisierungsprogramme schaffen? 20. Inwieweit wird sie dabei mit Moscheegemeinden zusammenarbeiten? Zu 18. bis 20.: Das Innenministerium wird die Empfehlungen des Untersuchungsausschusses „Rechtsterrorismus/NSU BW“ des Landtags Baden-Württemberg, ein koordinierendes Kompetenzzentrum auch für andere Extremismusbereiche zu betreiben, und die damit korrelierende Vereinbarung des Koalitionsvertrags zur Erweiterung des „Kompetenzzentrum zur Koordinierung des Präventionsnetzwerks gegen (islamistischen) Extremismus in Baden-Württemberg“ (KPEBW), zeitnah aufgreifen . Die konzeptionellen Vorarbeiten werden voraussichtlich im zweiten Halbjahr 2016 abgeschlossen sein. Detaillierte Angaben zu den erforderlichen personellen und finanziellen Ressourcen können beim derzeitigen Planungsstand noch nicht gemacht werden. Zentraler Baustein des seit dem Jahr 2001 bestehenden interministeriellen landesweiten Programms „Ausstiegshilfen Rechtsextremismus“ ist die beim LKA angesiedelte „Beratungs- und Interventionsgruppe gegen Rechtsextremismus“ (BIG REX). Schwerpunkt der Maßnahmen der BIG REX sind Konzeptionseinsätze zur Ansprache potenzieller Aussteiger und deren anschließende Betreuung. Im Zuge der vorgesehenen Erweiterung des KPEBW soll die Betreuung von Ausstiegswilligen der rechten Szene unter dessen Federführung fortgesetzt werden. Im Bereich des islamistischen Extremismus konnte der freie Träger „Violence Prevention Network“ bei einer europaweiten Ausschreibung für die Beratungsund Deradikalisierungsarbeit im Phänomenbereich des Islamismus gewonnen werden. Die Beratungsstelle wurde unter dem Dach des KPEBW eingerichtet und hat im Februar dieses Jahres ihre Tätigkeit in Baden-Württemberg aufgenommen. Zu den Aufgaben der Beratungsstelle gehört neben Maßnahmen der spezifischen und allgemeinen Prävention wie etwa der Beratung von Radikalisierten auch die Beratung von Angehörigen und sozialem Umfeld. Weiter zählt der Aufbau eines Landtag von Baden-Württemberg Drucksache 16 / 171 16 Ausstiegsangebots für Radikalisierte, Ausreisewillige, Rückkehrer und Inhaftierte in Justizvollzugsanstalten zu ihren Aufgaben. Seit dem Jahr 2005 wird die in den „Handlungsempfehlungen zur Fortentwicklung der Zusammenarbeit der Polizei mit Muslimen im Rahmen der polizeilichen Prävention (Empfehlungen Polizei und Muslime)“ verankerte Kooperation mit Muslimen im Bereich präventiver Handlungsfelder, vor allem in der Kommunalen Kriminalprävention und der örtlichen Verkehrssicherheitsarbeit, intensiv betrieben . Die gezielte Zusammenarbeit insbesondere mit Moscheevereinen fördert das gegenseitige Verständnis und sensibilisiert im Sinne einer interkulturellen Kompetenz im Umgang miteinander und stellt so einen wichtigen Baustein der Integrationsarbeit dar. Durch die Beteiligung muslimischer Verbände im Fachbeirat des KPEBW sind die Moscheevereine zudem in die Arbeit des Kompetenzzentrums eingebunden. 21. Inwieweit wird sie, unter Angabe der Federführung und der grundlegenden Überlegungen zu seiner Aufgabe, den „Runden Tisch Islam“ fortführen? Zu 21.: Der direkte Dialog mit islamischen Verbänden und Gelehrten hat sich grundsätzlich bewährt und bleibt eine wichtige Aufgabe, die von der Landesregierung unter Wahrung der jeweiligen Zuständigkeiten fortgeführt werden wird. Schon bisher war der „Runde Tisch Islam“ aber nicht das einzige Format für diesen direkten Dialog, beispielhaft erwähnt sei auch der Beirat für Fragen des islamischen Religionsunterrichts . Von wachsender Bedeutung ist auch das von den Religionen selbstorganisierte Landesforum der Kirchen und Religionsgemeinschaften, zu dessen Sitzungen je fachlich betroffene Vertreter der Landesverwaltung eingeladen werden. Unter Federführung des Ministeriums für Soziales und Integration wird darüber hinaus insbesondere der interreligiöse Dialog im Land gestärkt, der als gesamtgesellschaftliche Aufgabe verstanden wird. Sensibilisierung, Aufklärung und Information auf verschiedenen Ebenen zur Bekämpfung jeglicher Form von menschenverachtenden , rassistischen, antisemitischen, gewalttätigen oder diskriminierenden Handlungen werden ressortübergreifend als wichtige Zukunftsaufgabe für ein friedliches Zusammenleben einer sich weiter ausdifferenzierenden Gesellschaft verstanden. 22. Welche Programme zur Förderung der demokratischen Kultur existieren derzeit in Baden-Württemberg? Zu 22.: In Baden-Württemberg gibt es eine Vielzahl von Programmen zur Förderung der demokratischen Kultur; dazu zählen insbesondere die nachfolgend Genannten: 1. Team meX. Mit Zivilcourage gegen Extremismus In der Stabsstelle „Demokratie stärken“ der Landeszentrale für politische Bildung ist das „Team meX. Mit Zivilcourage gegen Extremismus“ angesiedelt. Ziel ist die umfassende Wissensvermittlung und die Stärkung der eigenen Handlungsfähigkeit für einen zivilcouragierten Einsatz gegen Extremismus (insbesondere Rechtsextremismus und Islamismus/Salafismus) und menschenverachtendes Denken im eigenen Umfeld und in der Gesellschaft. Als Zielgruppen nimmt Team meX haupt - sächlich Jugendliche und Multiplikatorinnen und Multiplikatoren der Jugend- und Bildungsarbeit in den Blick. 2. Landesprogramm „Demokratie stärken“ Ebenfalls in der Stabsstelle „Demokratie stärken“ der Landeszentrale für politische Bildung ist das Landesprogramm „Demokratie stärken. Baden Württemberg gegen Menschenfeindlichkeit und Rechtsextremismus“ angesiedelt. Ziel dieses 17 Landtag von Baden-Württemberg Drucksache 16 / 171 Programms ist die die Entwicklung eines integrierten Handlungskonzeptes gegen Rechtsextremismus, Antisemitismus und Rassismus, insbesondere für den Aufbau einer Opferberatung für Opfer rechter Gewalt und die Unterstützung tragfähiger Netzwerke und zivilgesellschaftlicher Strukturen. Im Rahmen des Landesprogramms finden auch Fachtagungen zu den Themen Rechtsextremismus, Rechtspopulismus , Radikalisierungsprävention und Facetten Gruppenbezogener Menschenfeindlichkeit statt. 3. Teilnahme am Bundesprogramm „Demokratie leben! Aktiv gegen Rechtsextremismus , Gewalt und Menschenfeindlichkeit“ Das „Demokratiezentrum Baden-Württemberg“ wird vom Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend im Rahmen des Programms „Demokratie leben! Aktiv gegen Rechtsextremismus, Gewalt und Menschenfeindlichkeit“ sowie vom Ministerium für Soziales und Integration gefördert und federführend von der Jugendstiftung Baden-Württemberg umgesetzt. Es beschäftigt sich, neben dem Schwerpunkt Rechtsextremismus, in vorbeugender Weise auch mit Extremismusdistanzierung und dem Phänomenbereich des Islamismus. 4. „Lernen durch Engagement“ Das von verschiedenen Stiftungen und vom Bundesministerium für Familie, Senioren , Frauen und Jugend (BMFSFJ) finanziell getragene Programm „Lernen durch Engagement“ ist eine Lehr- und Lernform, die gesellschaftliches Engagement von Schülerinnen und Schülern mit fachlichem Lernen verbindet. 5. „Schule ohne Rassismus – Schule mit Courage“ Dieses Projekt des Vereins „Aktion mit Courage“ hat das Ziel, Schülerinnen und Schüler bei selbstbestimmten Aktivitäten gegen Diskriminierung, Mobbing und Gewalt zu unterstützen. Eine wichtige Rolle spielt dabei die Kooperation mit Pädagoginnen und Pädagogen und die Vernetzung mit außerschulischen Partnern durch die Öffnung der Schule. In Baden-Württemberg liegt die Trägerschaft der Landeskoordination beim Kolping Bildungswerk Württemberg e. V. mit Sitz in Stuttgart. Seit 2013 fördert das bisherige Integrationsministerium und jetzige Ministerium für Soziales und Integration das Projekt finanziell. 6. „Jugendliche stärken (JUST)“ Das Kultusministerium hat in Zusammenarbeit mit der Jugendstiftung Baden- Württemberg ein Bildungsmodul mit dem Titel „Jugendliche stärken (JUST)“ entwickelt . Ziel des Programms ist die (argumentative und pädagogische) Unterstützung Jugendlicher bei der Entwicklung und Stärkung von Resilienz mit Blick auf die Gefahren durch religiösen und psychomanipulativ agierenden Extremismus. 7. „Netzwerk für Demokratie und Courage“ (NDC) Das Ministerium für Soziales und Integration unterstützt im Bereich der außerschulischen Jugendbildung seit dem Jahr 2012 das „Netzwerk für Demokratie und Courage“ (NDC), das kostenfreie Projekttage für Schulen und Träger der außerschulischen Jugendbildung und der Jugendhilfe anbietet und u. a. die Themenbereiche Diskriminierung, Rassismus, Asyl und Migration sowie couragiertes Handeln umfasst. 8. Aktionsfonds REFLEX Mit dem „Aktionsfonds REFLEX“ werden niedrigschwellig vorrangig ehrenamtliche Strukturen im Land bei ihrer Arbeit gegen menschenverachtende Einstellungen und pauschalisierende Abwertungen gefördert. Landtag von Baden-Württemberg Drucksache 16 / 171 18 23. Inwieweit wird sie, dargestellt zumindest unter Angabe der grundlegenden Erwägungen zur Förderungswürdigkeit der Programme, der konkret zu erweiternden Programme, des zeitlichen Horizonts, des finanziellen und personellen Engagements, bestehende Programme zur Förderung der demokratischen Kultur erweitern? Zu 23.: Seit dem 1. Januar 2015 ist die Landeszentrale für politische Bildung Baden- Württemberg fest mit zwei Personalstellen für das „Team meX. Mit Zivilcourage gegen Extremismus“ ausgestattet. 125.000 Euro stehen pro Jahr an Sachmitteln für die Extremismusprävention zur Verfügung. Das Landesprogramm „Demokratie stärken“ ist momentan bis zum 31. Dezember 2016 befristet. Über eine Verstetigung bzw. Aufstockung der Personalstellen und Sachmittel der beiden vorstehend genannten Programme ist im Rahmen des Haushaltsaufstellungsverfahrens zu entscheiden. Das Bundeskabinett beabsichtigt die Mittel für das Bundesprogramm „Demokratie leben! Aktiv gegen Rechtsextremismus, Gewalt und Menschenfeindlichkeit“ im Bundeshaushalt 2017 auf 104,5 Millionen Euro (bisher: 50,5 Millionen Euro) aufzustocken. Das Ministerium für Soziales und Integration wird die Umsetzung des Bundesprogramms in Baden-Württemberg im Rahmen der zur Verfügung stehenden Haushaltsmittel weiter unterstützen und plant, den Förderbereich „Förderung von Demokratiezentren zur landesweiten Koordinierung und Vernetzung sowie von Mobiler, Opfer- und Ausstiegsberatung“ zu stärken. Das Bundesprogramm besteht bereits seit dem Jahr 2008, wurde seither weiterentwickelt und hat eine Laufzeit bis zum 31. Dezember 2019. 24. Durch welche Maßnahmen wird sie sicherstellen, dass dabei nicht auch verfassungsfeindliche beziehungsweise sich nicht mit der vom Bundesverfassungsgericht konkretisierten freiheitlich demokratischen Grundordnung identifizierende Vereine oder Personen gefördert werden? Zu 24.: Es obliegt den Trägern der einzelnen Förderprogramme darauf zu achten, dass keine verfassungsfeindlichen bzw. gegen die freiheitliche demokratische Grund ordnung gerichteten Vereine oder Personen gefördert werden. Landesregierung und -verwaltung stehen im Rahmen ihrer rechtlichen Möglichkeiten den Trägern der einzelnen Förderprogramme beratend zur Verfügung, wenn im Einzelfall weitere Klärungen im Sinne der obigen Fragestellung notwendig erscheinen . 25. Inwieweit wird sie, dargestellt zumindest unter Angabe der Maßnahmen und des zeitlichen Horizonts, Lehrerinnen und Lehrer sowie Mitarbeiter in Flüchtlingsunterkünften gezielt im Umgang mit Rassismus und Diskriminierung sensibilisieren ? Zu 25.: Im Rahmen der amtlichen Lehrkräftefortbildung wird den Themen Demokratiepädagogik und soziales Lernen seit Jahren ein hoher Stellenwert eingeräumt; beispielsweise finden Fortbildungen zur Prävention von Diskriminierung sowie zum sozialen Lernen statt. Weitere Veranstaltungen, die zum Ziel haben, Lehrkräfte für die gesellschaftlichen „Risikofaktoren“ im Zusammenhang mit religiös motiviertem Extremismus zu sensibilisieren, finden in Kooperation mit dem Zentrum für Islamische Theologie Tübingen, dem Demokratiezentrum der Jugendstiftung Baden-Württemberg, der Aktion Bildungsinformation e. V. u. a. oder unter Einbindung von Experten des Landeskriminalamts, der Landeszentrale für poli - tische Bildung und des Kompetenzzentrum zur Koordinierung des Präventionsnetzwerks gegen (islamistischen) Extremismus in Baden-Württemberg (KPEBW) 19 Landtag von Baden-Württemberg Drucksache 16 / 171 statt. Außerdem nehmen Schulen das unter Frage 22 dargestellte Projekt „Team meX. Mit Zivilcourage gegen Extremismus“ stark in Anspruch. In den Erstaufnahmeeinrichtungen des Landes Baden-Württemberg begegnet die Landesregierung Rassismus und Diskriminierung mit standortbezogenen Sicherheitskonzepten , die dem örtlichen und regionalen Gefährdungspotenzial, dem subjektiven Sicherheitsgefühl der Bevölkerung sowie dem Schutz der Flüchtlinge und der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der Erstaufnahmeeinrichtung Rechnung tragen . Diese werden kontinuierlich unter Einbeziehung von unabhängigen Sicherheitsberatern und in Abstimmung mit den zuständigen Akteuren vor Ort, u. a. der Polizei, fortgeschrieben. Weiter sensibilisieren die unabhängigen Sozial- und Verfahrensberater u. a. die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter in den Erstaufnahmeeinrichtungen im Hinblick auf die Themen Rassismus und Diskriminierung. Darüber hinaus steht der Ombudsmann mit der Ombudsstelle des Landes als Ansprechpartner zur Verfügung, um Anregungen oder Beschwerden innerhalb der Einrichtungen oder in deren Umfeld nachzugehen. Die Ombudsstelle des Landes für die Flüchtlingsaufnahme ist Ansprech-, Mittler- und Unterstützungsstelle für Flüchtlinge und ehrenamtlich engagierte Bürgerinnen und Bürger in Fragen der Unterbringung, Versorgung und Betreuung von Flüchtlingen in den Erstauf - nahmeeinrichtungen des Landes. Im Übrigen wird auf die im März 2016 veröffentlichte Broschüre „Extremismus erkennen – Handreichung für Betreiber von Flüchtlingsunterkünften“ des Landesamts für Verfassungsschutz Baden-Württemberg hingewiesen. Die Publikation informiert schwerpunktmäßig über die Aktivitäten von Islamisten, aber auch von anderen Extremisten im Umfeld der Unterkünfte. Strobl Minister für Inneres, Digitalisierung und Migration